Protocol of the Session on May 10, 2001

Herr Innensenator Werthebach! Die Bevölkerung in Friedrichshain-Kreuzberg dankt Ihnen ausdrücklich für Ihre mutige und wegweisende Entscheidung, erstmals die seit vielen Jahren als Ausgangspunkt schwerer Krawalle geltende so genannten revolutionäre 1. Mai-Feier und damit den Aufzug linksextremistischer Gewalttäter in diesem Bezirk zu verbieten.

[Anhaltende Unruhe bei den Grünen und der PDS]

Anders als viele offensichtlich zu den Unterstützern der Linksextremisten zählenden Mitglieder der vereinten Linken in unserer Stadt, die sich vor uns nach dem 1. Mai mit teilweise unerträglichen Äußerungen in den Medien zu Wort gemeldet haben, von der Sache jedoch nachweislich nichts verstehen, haben sich zahlreiche Mitglieder des Abgeordnetenhauses ein Bild vom Ort des Geschehens gemacht. Sehr geehrter Herr Innensenator! Wir haben vieles gesehen und sicherlich auch alles verstanden.

[Gelächter bei der PDS]

Wir konnten übereinstimmend feststellen, dass die Taktik der Berliner Polizei und ihre umsichtige politische Begleitung die beabsichtigte Wirkung entfaltet haben. Wir sind nach zahlreichen Gesprächen mit Anwohnern, die unter anderem am Mariannenplatz, am Heinrichplatz und am Kottbusser Tor wohnen, sowie nach Kontakten mit weiteren Anwohnern und Geschäftsleuten dieses Bezirks bestärkt, dass unsere Wahrnehmung von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung geteilt wird. Dieses, lieber Herr Wieland, ist möglicherweise für mich persönlich wichtig. Ich arbeite mein ganzes Leben lang in diesem Bezirk.

[Frau Oesterheld (Grüne): Und haben nichts gelernt!]

Dieser Bezirk hat die höchste Arbeitslosigkeit, den größten Ausländeranteil, und wir erleben dort seit 15 Jahren Krawalle. Die Jugendlichen sind mit diesen Krawallen aufgewachsen. Der Innensenator hat mit seiner Entscheidung, dieses einmal zu durchbrechen, endlich den richtigen Weg gefunden.

Am 1. Mai 2001 wurden den Gewalttätern wirkungsvolle Schranken gezeigt.

[Weinschütz (Grüne): „Untauglicher Versuch“ nennt man das!]

Die immer noch ärgerlichen Ausschreitungen waren auf ein enges stadträumliches Gebiet beschränkt. Schon im Umkreis von ca. 100 Metern um das Zentrum der Krawalle haben die Menschen in Kreuzberg-Friedrichshain einen nahezu ungestörten Feiertag verlebt.

Was haben wir in der Vergangenheit nicht alles erlebt? Wir haben brennende, geplünderte Geschäfte und zerstörte Grünanlagen – beispielsweise den Lausitzer Platz, den Mariannenplatz und den Görlitzer Bahnhof – gesehen. Wir haben einen Naherholungsbereich teilweise am 1. Mai zerstören lassen, der für die Menschen in diesem Bereich dringend notwendig ist.

Mit Genugtuung – und als Bestätigung der Strategie von Innensenator und Polizei – haben wir registriert, dass in diesem Jahr offenbar vermehrt die richtigen Krawalltäter festgenommen werden konnten. Dieses folgern wir aus den uns bekannt gewordenen Verhältnissen bei Vorführungen bei Haftrichtern und aus den ausgesprochenen Haftbefehlen.

Herr Innensenator, Herr Polizeipräsident, als schmerzlich empfinden wir allerdings, dass erneut junge Polizistinnen und Polizisten zum Teil schwer verletzt worden sind. Das von uns mehrfach registrierte Verhalten der Störer und Gewalttäter, mit Pflastersteinen oder vollen Flaschen auf Einsatzkräfte zu werfen und bei diesen schwerste gesundheitliche Schäden in Kauf zu nehmen, zeugt von einer erheblichen Rohheit und Menschenverachtung. Die Fraktion der CDU bittet Sie, Herr Innensenator, Herr Polizeipräsident, den Kolleginnen und Kollegen der Polizei unseren Dank für ihren Einsatz zu übermitteln und den verletzen Beamten unsere Genesungswünsche auszudrücken.

[Beifall bei der CDU]

Die CDU-Fraktion ist sich des schweren Dienstes, den die Polizei am 1. Mai in unserem Bezirk für das Gemeinwesen übernommen hat, bewusst. Die Berliner Polizei und die unterstützenden Kräfte aus den anderen Bundesländern und der BGS haben sich – Gott sei Dank, Herr Wieland – nicht provozieren lassen. Auf die disziplinierte und staatstragende Haltung der Polizeikräfte sind wir innerlich stolz.

Weder stolz noch beruhigt sind wir dagegen über die Handlungen und Äußerungen einzelner Funktions- und Amtsträger im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain. Als unerträgliche Entgleisung verurteilen wir die Verunglimpfungen der kommunistischen Bezirksbürgermeisterin Dr. Grygier

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

als auch die bekannte staatsferne Einstellung des ehemaligen Hausbesetzers und ehemaligen Bezirksbürgermeisters Dr. Scholz. Herr Mutlu,

[Mutlu (Grüne): Jetzt kommts!]

Sie haben im Wahlkreis 3 Ihr Direktmandat bekommen,

[Wieland (Grüne): Anders als Sie!]

aber auch über Ihre Äußerungen war ich entsetzt, weil Sie Verständnis für die Krawallmacher in diesem Bereich geäußert haben. Wer dafür Verständnis hat, der zeigt, dass er möglicherweise hier im Abgeordnetenhaus inzwischen am falschen Platz ist. [Beifall bei der CDU]

Herr Wansner, kommen Sie bitte zum Schluss!

Dem Regierenden Bürgermeister – er ist leider nicht im Saal –

[Wieland (Grüne): Nicht mal der hält das aus! – Doering (PDS): Der ist vor Ihrer Rede geflüchtet!]

wären wir dankbar, wenn er als Justizsenator dem zuständigen stellvertretenden Bürgermeister in Kreuzberg-Friedrichshain dabei helfen würde, die erwischten Kawalltäter für die entstandenen Schäden in Regress zu nehmen. Die CDU-Fraktion fordert das Bezirksamt ausdrücklich dazu auf.

Herr Innensenator, verbieten Sie weiterhin rechtsradikale Veranstaltungen. Es reicht den Menschen inzwischen, dass sie in der Oranienstraße eine kommunistische Geschäftsstelle haben.

Wir möchten nicht noch eine NPD-Geschäftsstelle in diesem Bezirk.

[Beifall bei der CDU – Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Danke schön, Herr Wansner! – Frau Oesterheld hat das Wort zu einer Kurzintervention. Bitte schön!

Herr Wansner, ich habe Sie dieses Jahr erstmals am 1. Mai vermisst.

[Gram (CDU): Sie hatten Ihre Brille nicht!]

Ich habe den Eindruck, je weiter jemand weg ist, desto genauer kann er über etwas berichten.

Was mich an den heutigen Äußerungen verärgert, ist die Tatsache, dass keiner darüber redet, dass wir – die Kreuzberger Grünen – als Veranstalter erhebliche Probleme hatten, in diesem Fest Ruhe zu bewahren.

[Gram (CDU): Eher das Gegenteil!]

Herr Werthebach, wir haben mit der Polizei genaue Absprachen getroffen. Anschließend haben wir uns umgedreht, und schon rannte ein Haufen Polizisten über den Platz.

[Gram (CDU): Glaube ich nicht!]

Wie sollen wir bei Veranstaltungen, Festen oder Demonstrationen mit der Polizei umgehen, wenn Absprachen nicht eingehalten werden? Vielleicht waren das genau die Voraussetzungen, die Sie schaffen wollten. Nach dem Motto: Mit den einen machen wir Absprachen, und die anderen machen, was sie wollen. – So stellen Sie den inneren Frieden in Kreuzberg nicht her. Wir haben aus Polizeikreisen gehört, dass sie ab 18.00 Uhr unser Fest nicht mehr schützen könnten. Dann müssen Sie uns künftig sagen, wie wir unsere Feste selbst schützen können, wenn die Polizei dazu ab einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr bereit ist. Das wurde einen Tag vorher gesagt. Wie sollen wir künftig mit Absprachen mit der Polizei umgehen, wenn diese sich nicht an Absprachen hält?

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin! – Der Bezug zu den Äußerungen von Herrn Wansner war zwar für mich nicht so leicht ersichtlich, aber Herr Wansner fühlte sich angesprochen. Deshalb hat er noch einmal das Wort. Aber Sie haben nicht mehr als drei Minuten, wobei ich Ihnen Ihre überzogene Redezeit noch nicht einmal anrechne.

[Wieland (Grüne): Abrechnung ist sehr gut!]

Sehr geehrter Herr Momper! Frau Oesterheld, es ist Ihnen scheinbar entgangen, dass die CDU-Fraktion in den letzten Jahren stark an den Veranstaltungen am 1. Mai teilgenommen hat. Ich war auch mit vielen sozialdemokratischen Kollegen an der Naunyn- und Mariannenstraße.

Die Grünen haben sich den Mariannenplatz für ihre Veranstaltung ausgesucht, um aus dem Schutz der Menschen dort heraus gemeinsam mit den Chaoten ihre Krawalle durchzuführen.

[Frau Oesterheld (Grüne): Schwachsinn!]

Es ist nicht das erste Mal, dass am 1. Mai auf dem Mariannenplatz etwas geschieht. Alle Veranstalter wissen das. Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Sie sollten in die Bergmannstraße gehen. Dort sehen Sie möglicherweise am 1. Mai Veranstaltungen, von denen Sie etwas lernen könnten. Ihr Problem, Frau Oesterheld, ist, dass Sie im Bezirk keine Ruhe am 1. Mai wollen, sondern gemeinsam mit Herrn Wieland, Herrn Mutlu und Ihrem bezirklichen Koalitionspartner auf Kosten der Arbeitslosen und der benachteiligten Menschen Ihr politisches Süppchen kochen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von den Grünen]

Nach der Redeliste hat nun Frau Seelig für die PDS-Fraktion das Wort. – Bitte schön!