Protocol of the Session on January 18, 2001

Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Die Überweisung an den Hauptausschuss ist beantragt. Ich gehe einmal davon aus, dass das hier keinen Widerspruch findet. – Damit ist das dann so beschlossen.

Wir kommen dann zur

lfd. Nr. 19, Drucksache 14/908:

Antrag der Fraktion der PDS über Staatsaufgabenkritik ohne Tabuzonen – Konsequenzen aus dem Zwischenbericht der Scholz-Kommission

Es ist ebenfalls keine Beratung vorgesehen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Verwaltungsreform sowie an den Hauptausschuss. – Ich stelle keinen Widerspruch fest, so dass auch das so beschlossen ist.

Die lfd. Nrn. 20 bis 23 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Dann sind wir bei der

lfd. Nr. 24, Drucksache 14/914:

Antrag der Fraktion der Grünen über Einbürgerung von Kindern erleichtern

Eine Beratung mit 5 Minuten Redezeit pro Fraktion ist vorgesehen. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begründet Herr Berger den Antrag. – Bitte sehr, Herr Berger, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt nicht so oft vor, dass wir Grünen unsere politischen Vorschläge auf Äußerungen des Senats stützen. Das ist aber hier und heute wirklich angemessen. Ich möchte noch einmal betonen, dass Herr Senator Strieder unsere volle Anerkennung findet, wenn er erklärt, dass Berlin weitere Einwanderungen aus anderen Ländern braucht.

[Beifall bei den Grünen]

Zuwanderung stärkt nämlich die Lebensfähigkeit unserer Stadt. Berlin wird ohne neue Einwanderer dahinsiechen, denn besonders junge Leute und Familien mit Kindern werden neu in die Stadt kommen. Ohne diese Menschen wird die Stadt an Überalterung leiden, seine Bevölkerung wird schrumpfen. Wer Berlin eine Tür zur Zukunft offen halten will, der muss auch neue Einwanderung bejahen.

Meine Fraktion sagt aber auch: Wer aus anderen Ländern nach Berlin bereits kommt oder gekommen ist, der soll auch die Chance haben, hier dauerhaft zu leben, hier sein Leben zu gestalten und in Berlin wirklich ansässig zu werden. Darum ist es so wichtig, dass wir hier in der Stadt eine aktive und generöse Einbürgerungspolitik betreiben.

Das neue Staatsangehörigkeitsrecht gibt dazu eine Menge an Möglichkeiten, auch wenn ich von grüner Seite zugeben muss, dass die Ablehnung der doppelten Staatsangehörigkeit ein schwerer Rückschlag gewesen ist. Dennoch können mit dem neuen Recht mehr Ausländer deutsche Staatsbürger werden.

Wenn wir uns aber die Entwicklung in Berlin im letzten Jahr ansehen, dann war gerade hier die Bewegung rückläufig. In anderen Städten wie Hamburg haben sich die Einbürgerungsanträge mehr als verdoppelt. In Bremen hat sich die Zahl der Einbürgerungsanträge fast verdoppelt. Hannover und München melden ähnliche Zuwächse. Von den großen Städten fällt nur Berlin aus dem Trend heraus, denn hier ist die Zahl der Anträge um etwa 10 % zurückgegangen. Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Wir müssen über die Gründe dieser Entwicklung nachdenken. Nach unserer Sicht liegen sie auf der Hand. Der Innensenator hat sich trotz mehrerer Vorschläge der Opposition und aus der Gesellschaft dieser Stadt geweigert, die weit überhöhten Gebühren für die Einbürgerung von Kindern – 500 DM pro Kind – zu senken. Herr Werthebach hat auch durchgesetzt, dass jeder Einzubürgernde auf seine Verfassungstreue überprüft wird. Damit werden Einwanderer in dieser Stadt unter den Gene

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ralverdacht gestellt, Verfassungsfeinde zu sein. Das ist diskriminierend und abschreckend. Man muss sich nicht wundern, wenn weniger Leute die Einbürgerung beantragen.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der PDS]

Der Schulsenator ist jetzt nicht da, sonst hätte ich ihm gesagt, dass auch die eingeführten Sprachtests eine Abschreckung sind. Die Menschen, die wenig Möglichkeiten hatten, lesen und schreiben im Leben zu lernen, und Menschen ländlicher Herkunft, Einwanderer, für die ist das in der Regel der Fall. Die fallen durch das Raster, wenn schriftliche Sprachtests verlangt werden. Im Moment sind die Sprachtests mehr eine Bildungsbarriere. Sie setzen praktisch die Erlangung der mittleren Reife voraus. Andere werden ausgegrenzt. Wir müssen uns nicht wundern, wenn Einwanderer reagieren und nicht die Einbürgerung beantragen.

Aber ganz besonders beunruhigend – und darauf zielt vor allem unser Antrag – ist die Entwicklung bei Kindern unter zehn Jahren. Es haben in diesem Jahr für nur knapp 10 % der etwa 30 000 Kinder unter zehn Jahren, die sich hier einbürgern lassen können, die Eltern die Einbürgerung beantragt. Das ist deprimierend, und das ist ein Rückschlag. Da sollen wir jetzt sehen, dass wir die Initiative der Bundesregierung unterstützen. Die Bundesregierung schlägt vor, dass die Frist zur Einbürgerung dieser Kinder um ein Jahr verlängert wird und dass die Gebühren erlassen werden. Das ist wichtig. Familien mit kleinen Kindern haben es in der Regel nicht dicke. Wenn wir auf die Gebühren verzichten, wenn wir die Fristen erhöhen, dann können wir hoffen, dass von den 30 000 Kindern, die einen Einbürgerungsanspruch haben, die meisten auch die deutsche Staatsangehörigkeit jetzt bekommen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Sayan (PDS)]

In diesem Sinne schlagen wir eine entsprechende Unterstützung der Bundesregierung im Bundesrat durch Berlin vor, denn diese Initiative ist zustimmungspflichtig durch die Länder.

Ich komme zum Schluss. Gerade weil Berlin eine Einwanderung von außen braucht, müssen wir die Einwanderung, die bereits in dieser Stadt geschehen ist, festigen. Wir haben hier Tausende von qualifizierten Menschen, Flüchtlinge, Menschen, die seit Jahren in dieser Stadt leben. Wir müssen denen eine Chance geben, in dieser Stadt bleiben zu können. Genauso sollen wir froh und stolz sein darauf, dass es so viele junge Menschen gibt unter zehn Jahren, die auf einen Schlag Deutsche werden können. Nutzen wir die Gelegenheit, reißen wir die Hürden, die Barrieren ein, die hier gezogen worden sind, und machen wir auch eine große Werbekampagne, dass die Eltern dieser Kinder sich auch wirklich entschließen und wir mit mehr Kindern deutscher Staatsangehörigkeit, die dann auch wirklich fest hier bleiben können, auch mehr Zukunft für diese Stadt, mehr Leben für das künftige Berlin haben können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Berger! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr Herr Gewalt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Berger! Wenn man sich die Einbürgerungsstatistiken für das Jahr 2000 anschaut, die zu Beginn des Jahres noch vorläufig sind, kann man nur zu der Feststellung kommen, dass die Blütenträume von Rot-Grün zu ihrem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz völlig zerplatzt sind. Die Einbürgerungszahlen – das werden in wenigen Wochen die Jahresstatistiken zeigen – sind nicht wie erhofft angestiegen, sie stagnieren auch nicht, sie sind rückläufig, erstmalig seit fünf Jahren rückläufig!

[Zuruf des Abg. Berger (Grüne)]

Da natürlich das rot-grüne Gesetz nicht daran schuld sein kann, das Sie selbst gemacht haben, suchen Sie die Schuld bei anderen, bei den Sprachtests, die durchgeführt werden müssen, bei den Gebühren, die erhoben werden, bei der Regelanfrage. Die Wahrheit liegt doch wohl woanders!

Die Wahrheit ist: Sie haben im Vorfeld dieses neuen Gesetzes das alte Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz polemisch kritisiert. Sie haben ihm wilhelminischen Geist unterstellt.

[Wieland (Grüne): Zu Recht!]

Aber Fakt ist doch wohl, dass dieses „wilhelminische Gesetz“ immerhin 100 Jahre Bestand hatte. Ihr Gesetz wollen Sie nach einem Jahr bereits novellieren. So schlecht kann das alte Gesetz dann nicht gewesen sein.

[Zuruf des Abg. Berger (Grüne)]

Die Tatsache, dass bundesweit nicht einmal – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen – 2 %, in Berlin nicht einmal 3 % der antragsberechtigten Kinder die Einbürgerung nach dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht anstreben, ist nach meiner Überzeugung nicht darauf zurückzuführen, dass die Zeit für den Antrag zu kurz bemessen war oder dass Gebühren erhoben werden, Herr Kollege Berger,

[Zurufe der Abgn. Berger (Grüne) und Wieland (Grüne)]

sondern einzig und allein auf den Umstand, den Sie nur nicht wahrhaben wollen, dass ein Großteil der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gar nicht die deutsche Staatsangehörigkeit wollen.

[Berger (Grüne): Das meinen Sie! – Eßer (Grüne): Die wollen schon!]

Diesen Umstand scheinen Sie offenbar völlig außer Acht zu lassen. Ich bin der Meinung, dass Sie auch mit hastigen Korrekturen des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes keine Veränderung der Situation herbeiführen werden. Jemanden zwingen, die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen, das wollen ja wohl selbst Sie nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der PDS hat nunmehr der Kollege Sayan das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht hat die PDS-Fraktion die mit der Reform verknüpften Hoffnungen nicht geteilt bezogen auf die Kinder, welche zwischen dem 1. Januar 1990 und dem 31. Dezember 1999 geboren worden sind. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe, die so genannte Optionspflicht und die Einbürgerungsgebühren in Höhe von 500 DM. Mitte des letzten Jahres bestätigten sich unsere Vermutungen, als die ersten Zahlen der Einbürgerungsanträge verlagen. Diese blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Zunehmend wurden Kritik an den bestehenden Regelungen und Forderungen nach Korrekturen laut. Aus diesem Grund legten wir einen Antrag vor, der dann erst einmal bis November verschleppt wurde, bevor er abgelehnt wurde. Wenn von ca. 30 000 antragsberechtigten Kindern in Berlin noch nicht einmal 10 % – Herr Gewalt, Sie haben 3 % gesagt – von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, liegt das nicht zuletzt an der verhindernden Rolle des Senats. Nach wie vor sind wir der Meinung, dass die von uns vorgeschlagenen Änderungen möglich gewesen sind. Andere Städte wie Köln und Stuttgart haben dies jedenfalls getan und damit mehr Weltoffenheit gezeigt als Berlin. Die Ablehnung erfolgte hier nur aus politischem Unwillen. Die Zahlen der Einbürgerungen der Kinder nach § 40 b des Staatsangehörigkeitsgesetzes sind nicht nur in Berlin, sondern bundesweit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Deshalb sind wir erfreut, dass nun auch der Bundesinnenminister – wenn auch reichlich spät – erkannt hat, dass die entsprechenden Regelungen geändert werden müssen. Scheinbar hat sich der Druck von Migranten- und Betroffenenorganisationen zumindest in dieser Hinsicht ausgewirkt.

Wir hoffen, dass die entsprechende Initiative des Bundesinnenministers auch vom Berliner Senat mitgetragen wird. Das wird vor allem von der Haltung der SPD-Fraktion abhängen, die bisher in Fragen der Migration und Flüchtlingspolitik kaum eigenständige Handlungsspielräume beschlossen hat. Leider ist sie in

dieser Politik ohne nennenwerten Einfluss geblieben, beziehungsweise sie hat sich eher der restriktiven Auslegung der entsprechenden Bundesgesetze durch den Innensenator unterworfen. Das darf so nicht weitergehen. Die SPD sollte sich in Fragen der Migrationspolitik endlich von ihrer Rolle als Anhängsel der CDU lösen. Von einer toleranten Politik, die auf Weltoffenheit und auf den Umgang mit Mitgrantinnen und Migranten bezogen ist, kann in Berlin wahrlich keine Rede sein. Darüber kann auch die Erkenntnis von Senator Strieder, der in demographischer Panik einen Zuzug von 200 000 Mitgrantinnen und Migranten nach Berlin für notwendig erachtet, nicht hinwegtäuschen.

Abgesehen von demographischen und anderen Nützlichkeitserwägungen haben wir den Zuzug von Mitgrantinnen und Migranten nach Berlin begrüßt. Wer die Zuwanderer wünscht, der muss auch bereit sein, diesen Menschen eine Integrationsperspektive zu bieten.

[Beifall des Abg. Berger (Grüne)]

Dazu gehört der sichtbare Wille des Landes Berlin, die staatsbürgerliche Gleichstellung entsprechend zu ermöglichen und zu fördern. Insofern wünschen wir, dass sich in diesem Haus eine Mehrheit für den Antrag findet. Wir werden jedenfalls zustimmen. – Ich danke Ihnen!