Protocol of the Session on January 18, 2001

Ich muss auch ganz deutlich sagen, ich habe mich über den Vorgang in der Tat geärgert, unabhängig von dem Vorgang, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Das, was Herr Schmitt macht, ist das eine, das kann ich nachvollziehen, dass aber die Grünen in diesem Stil es hier tun, das wundert mich doch sehr. Wo war denn Ihre Erklärung, als am 1. Januar der Mörder, für den Herr Diepgen zuständig ist, im Justizbereich, von seinem Freigang nicht zurückgekommen ist und neun Tage die Gegend unsicher gemacht hat? Wo war Ihre Reaktion? Die habe ich überhaupt nicht gehört.

[Beifall bei der SPD – Zurufe der Abgn. Mutlu (Grüne) und Wieland (Grüne]

Ich sage es nicht, um den Fall hier anders darzustellen, sondern ich sage es, weil ich mich damals geärgert habe, als ich am 4. Januar erst in der „Morgenpost“ einen kleinen Artikel gelesen habe, dass ein Mörder aus dem Freigang nicht zurückgekommen ist. Da hat es keine Pressekonferenz vom Regierenden Bürgermeister als Justizsenator gegeben, da hat es keine Anfrage von Ihnen gegeben und da hat es natürlich auch nicht die stereotype Mitteilung von Herrn Gewalt gegeben, dass man jetzt überhaupt das ganze Recht ändern müsse, weil das ganz unmöglich ist. Offensichtlich hat es da eine Fehlprognose gegeben, dass man einem Mörder Freigang gegeben hat, weil man dachte, er ist soweit sozialisiert, dass er wieder zurückkommt. Er war neun Tage unterwegs und hat nachher Selbstmord gemacht. Man hat ihn nicht gefasst. Da ist nicht die Frage gestellt worden, wie beunruhigt die Bevölkerung war, und es hat nicht die Pressekonferenz gegeben. [Beifall bei der PDS]

Ohne zu wissen, was danach passiert, habe ich mich darüber aufgeregt; dazu gibt es genügend Zeugen. Ich hatte den Eindruck, es macht einen Unterschied, ob Frau Peschel-Gutzeit Justizsenatorin ist oder ob der Regierende Bürgermeister Justizsenator ist, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird, nicht nur von der Politik, auch von der Presse. Der Eindruck ist bei mir ganz stark vorhanden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Jetzt kommen wir zu dem Fall zurück. Die zuständige Klinik hat ordnungsgemäß gehandelt. Sie hat sofort, nachdem sie die Flucht festgestellt hat, selbstverständlich die Polizei informiert. Die Polizei war vor Ort und hat sich mit den Ärzten und der Anstaltsleitung auch das Täterbild angesehen, über denjenigen, über den Herr Nelken eben zu Recht gesagt hat, dass er freigesprochen worden ist. Es war ein Irrtum, dass er freigesprochen worden ist, weil sich herausgestellt hat, dass er nicht in die psychiatrische Behandlung gehört, sondern ein normaler Straftäter war. Aber Frau Schöttler hat sich ihn nicht geholt und gesagt, sie wolle ihn unterbringen, sondern das hat ein Gericht angeordnet. Das erste Mal ist er bei Frau Hübner im Jahr 1997 weggelaufen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von den anderen Fraktionen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir hier im Parlament darüber diskutiert haben. Er ist dann in Polen wieder gefasst worden und ist, obwohl die Erkenntnisse vorhanden waren, dass er eben nicht in dieses Krankheitsbild passt, wieder in das Krankenhaus des Maßregelvollzugs genommen worden. Dann hat es Monate gedauert, so dass bis heute noch nicht entschieden ist, dass er wieder in eine normale Justizvollzugsanstalt kommt, die eine andere Sicherheitsstufe hat. Trotzdem hat dann das Haus, auch weil Warnungen wegen einer Fluchtgefahr vorhanden waren, alle Vorkehrungen getroffen, dass eine ständige, doppelte Wache vorhanden war und dass ihm bei Gängen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Da ist nichts vorzuwerfen. Wer hier in diesem Haus sagen will, dass die Fenster, die besonders gesichert waren, ein Sicherheitsrisiko waren, dass die Senatorin dies hätte wissen und einschreiten müssen, der tut mir Leid. Ich kann hier keinen berechtigten Vorwurf sehen.

Die Senatorin war sofort vor Ort und hat sich angesehen, was gemacht werden muss. Die Polizei hat in ihrer Verantwortung entschieden, dass eine öffentliche Fahndung offensichtlich nicht notwendig ist, weil eine andere Gefährdungsstufe gegeben ist und keine Parallelen zum Fall Schmökel gezogen werden können. Wenn dann übrig bleibt, dass Sie sich darüber aufregen, dass die Senatorin nicht sofort eine Pressekonferenz gemacht hat, kann man das in der Tat bewerten; wir bewerten es aber so, dass das auf keinen Fall eine Missbilligung wert ist. Wir haben Vertrauen zu unserer Senatorin, und sie hat auch ihr Amt im Griff. Es ist die Gesundheitssenatorin, die im letzten Jahr große Reformvorhaben wie die Bildung des Krankenhausbetriebes umgesetzt hat. [Beifall bei der SPD]

Das mag dem einen oder anderen nicht passen, das ist in Ordnung, Herr Köppl, aber das haben viele ihrer Vorgänger nicht geschafft. Jeder weiß, dass das Gesundheitsressort ein schwie

riges Ressort ist. Frau Schöttler hat es mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschafft, große Reformvorhaben auf den Weg zu bringen. Das soll man hier nicht klein reden. Ich kann es politisch verstehen, dass man es als Opposition machen will, aber Sie werden auch verstehen, dass die SPD dieses Spiel nicht mitmacht.

Wir haben Vertrauen zu unserer Senatorin. Die Senatorin hat sich persönlich nichts vorzuwerfen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen, und zwar nicht pro forma, sondern aus voller Überzeugung. [Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Wowereit! – Herr Müller-Schoenau begehrt, e i n e p e r s ö n l i c h e B e m e r k u n g n a c h § 6 5 d e r G e s c h ä f t s o r d n u n g abzugeben. Das dürfen Sie, wenn persönliche Angriffe zurückgewiesen oder eigene Ausführungen berichtigt werden sollen. Ich muss schon sagen, das Präsidium sieht nicht, wo der persönliche Angriff liegt. Die Empfehlung, ins Fitnessstudio zu gehen, kann kein persönlicher Angriff sein.

[Heiterkeit und Zurufe]

Ich sage ja nur, wie wir es sehen. – Wir sind ja großzügig, ausnahmsweise, weil es noch so früh ist.

[Heiterkeit]

Ich sehe auch nicht, dass der Vorwurf, Koalitionsverhandlungen zu führen, ein persönlicher Angriff ist.

[Zuruf des Abg. Müller-Schoenau (Grüne)]

Na, Sie werden uns jetzt belehren. Bitte schön, Herr MüllerSchoenau, das Präsidium ist gespannt.

Herr Wowereit hat einen ungeheuerlichen Vorwurf erhoben, nämlich den Vorwurf, dass ich mit Herrn Ingo Schmitt Koalitionsgespräche führe und Koalitionen vorbereite. Ich muss diesen wirklich unerhörten Vorwurf zurückweisen. interjection: [Heiterkeit]

Das einzige, was mich mit Herrn Schmitt verbindet, ist eine gemeinsame Schulzeit.

[Ah! und weitere Zurufe]

Die habe ich mir nicht ausgesucht. Diese gemeinsame Schulzeit hat mich ein halbes Jahr meines Lebens gekostet,

[Heiterkeit]

weil ich das Fach Politische Weltkunde wechseln musste, weil ich es mit Herrn Schmitt einfach nicht ausgehalten habe.

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD]

So viel zu Herrn Schmitt.

Ansonsten haben Sie genau das gemacht, was Herr Köppl befürchtet hat. Sie haben versucht, dieses Thema auf die parteipolitische Ebene zu ziehen. Dr. Köppl hat bewusst versucht, in der Sache zu argumentieren und zu sagen, warum es falsch war, wie Frau Schöttler auf diese Sache regiert hat.

Herr Kollege Müller-Schoenau, auch bei großzügigster Auslegung der Geschäftsordnung muss ich Ihnen sagen: Das war nun wirklich keine Entgegnung auf einen persönlichen Angriff. Die Koalitionsfähigkeit jeder Partei mit jeder Partei mag politisch umstritten sein,

[Müller-Schoenau (Grüne): Aber nicht mit Herrn Schmitt! – Heiterkeit und Beifall bei den Grünen]

aber das kann ja wohl kein persönlicher Vorwurf sein. Aber gut, wir haben das zugelassen, und ich habe das Notwendige dazu gesagt.

Dr. Nelken hat die Überweisung an den Rechtsausschuss – federführend – und an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales un Migration beantragt.

[Landowsky (CDU): Wir wollen Sofortabstimmung!]

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Momper

Ich muss erst über den Überweisungsantrag abstimmen lassen! – Wer dem Antrag von Dr. Nelken auf Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das reicht nicht! Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit, unter Einschluss von Bündnis 90/Die Grünen und Koalition.

Dann lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer dem Antrag auf Missbilligung der Senatorin für Arbeit, Soziales und Frauen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit aus Koalition und Teilen der PDS, während Bündnis 90/Die Grünen dafür gestimmt hat.

[Wieland (Grüne): Enthaltungen!]

Jetzt komme ich zu den Enthaltungen. – Teile der Fraktion der PDS und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthalten sich der Stimme. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die lfdn. Nrn. 28 und 29 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir sind um 18.37 Uhr am Ende unserer heutigen Tagesordnung angekommen. Die nächste Sitzung des Abgeordnetenhauses findet am Donnerstag, dem 1. Februar 2001, um 13.00 Uhr statt. Die Sitzung ist damit geschlossen. Einen guten Weg nach Hause!

[Schluss der Sitzung: 18.37 Uhr]

(A) (C)

(B) (D)

A n l a g e 1 Konsensliste

Der Ältestenrat empfiehlt, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

TOP 2 14/865 Gesetz zum Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Bergbehörden an WiBetrTech (f) u. EuroBundBra

TOP 3 14/890 Erstes Gesetz zur Änderung des Gesundheitsdienst-Gesetzes an GesSozMi (f) u. VerwRef

TOP 5 14/880 Einheitliche Umweltstandards in der Region Berlin-Brandenburg angenommen mit neuem Berichtsdatum „30. April 2001“

TOP 6 14/881 Novellierung des Gesetzes zur Vermeidung und Sanierung von Bodenverunreinigungen angenommen mit neuem Berichtsdatum „31. März 2001“