Protocol of the Session on November 16, 2000

Herr Präsident! Frau Oesterheld, der Senat ist einen Schritt weiter gegangen und hat in den Ausschreibungen für den Verkauf der GSW ausgeschlossen, dass außer einem Verkauf an Mieter überhaupt ein Verkauf der Wohnungen der GSW an Dritte stattfindet. Das bedeutet: Die Gesellschaft bleibt zusammen und wird nicht als Einzelinvestoren verkauft. Damit gibt es überhaupt keine Sorge, dass Einzelwohnungen verkauft und Ihre Befürchtungen Realität werden könnten. Wir wollen die Gesellschaft privatisieren, jedoch nicht die einzelnen Wohnungen.

Darüber hinaus haben wir den Mieterinnen und Mietern zugesagt: Wem das noch nicht genug ist, der kann auch noch die schriftliche Bestätigung haben. Es würde aber viel mehr Unruhe unter den Mieterinnen und Mietern auslösen, wenn wir 70 000 Mieterinnen und Mietern schrieben, dass sie dort für immer wohnen bleiben dürften, aber gleichzeitig sagen, dass wir gar nicht verkaufen wollen. Nur eines davon macht einen Sinn: Der Senat hat sich darauf verständigt, dass die Wohnungsbaugesellschaft nicht zerschlagen wird und dass es nur Verkäufe an Mieter geben wird. Aus diesem Grund sind die Aufregungen völlig überflüssig.

Die Fragestellerin hat eine Zusatzfrage. – Bitte sehr!

Dann möchte ich nachfragen: Sie haben gesagt, Sie hätten es im Vertrag verankert. Diesen Vertrag haben Mieterinnen und Mieter nicht, und bei der GEHAG haben wir auch schon gesehen, dass Dinge, die im Vertrag standen, in keiner Weise umgesetzt wurden. Was machen Sie denn, wenn sich der zukünftige Investor nicht daran hält, was im Vertrag steht? Werden Sie dann diesen Vertrag bzw. den Verkauf rückabwickeln?

Und zweitens: Das Abgeordnetenhaus hat beschlossen, dass alle automatisch dieses Schreiben bekommen wollen. Warum halten Sie sich nicht daran?

Herr Senator Strieder, bitte!

Frau Oesterheld, es gibt keinen Vertrag, sondern es gibt eine Ausschreibung des Senats. Eine Bedingung dieses Ausschreibungsverfahrens ist,

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Wenn es einen Vertrag gäbe, dann hätte ihn das Abgeordnetenhaus schon zur Kenntnis bekommen! – dass die GSW nicht zerschlagen wird, sondern erhalten bleibt, dass es keinen Verkauf einzelner Wohnungsbestände an Dritte gibt und dass somit die Mieterinnen und Mieter überhaupt keine Veränderungen spüren, sondern nur der Eigentümer, der jetzt das Land Berlin ist, ist dann der Eigentümer X. Aber ansonsten muss der

Bestand der Wohnungen zusammenbleiben. Deswegen besteht diese Notwendigkeit nicht, die das Abgeordnetenhaus gesehen hatte, nämlich den einzelnen Mieterinnen und Mietern noch einmal mitzuteilen, dass, falls doch verkauft würde, weiterhin die Mieterrechte gewahrt blieben. Eine solche Mitteilung würde bei den Mieterinnen und Mietern nur den Eindruck erwecken, dass die Zusage, dass wir gar nicht an Dritte verkaufen wollen, unglaubwürdig ist. Infolgedessen, Frau Oesterheld, sehe ich keinen Grund – auch dann nicht, wenn es Ihnen in den politischen Kram passt –, die Mieterinnen und Mieter zu verunsichern.

[Beifall bei der SPD – Frau Oesterheld (Grüne): Das machen Sie doch!]

Unser Interesse ist es, sozial stabiles Wohnen in Berlin zu organisieren und nicht Wohnungsbaugesellschaften zu zerschlagen.

Die nächste spontane Frage kommt von Herrn Girnus von der Fraktion der PDS. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an den Kultursenator, Herrn Prof. Stölzl. Herr Prof. Stölzl, mit den Stimmen der großen Koalition haben Abgeordnete und Sie entschieden, dass die meistbesuchte Berliner Galerie geschlossen werden soll, nämlich die ständige Ausstellung im U-Bahnhof Alexanderplatz, Linie 2. Damit wird eine Projektidee begraben, die Berlin als kulturell spannende Metropole präsentiert und die für viele Großstädte im Ausland ein Beispiel ist. Meine Frage: Was unternehmen Sie, was unternimmt der Senat, um dieses überaus erfolgreiche und öffentlichkeitswirksame Projekt „Kunst statt Werbung“ auch im nächsten Jahr weiterführen zu können? Oder ist mit dem Beschluss im Hauptausschuss diese Sache für Sie erledigt?

Bitte, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Girnus! Es ist immer traurig, wenn durch das Sparen ein Projekt beendet oder scheinbar beendet wird. Wir haben andere Akzente gesetzt, aber das Parlament ist in seiner Schwerpunktsetzung selbstverständlich frei. Durch eindringliche Gespräche mit der Verkehrsgesellschaft, die schließlich nicht nur auf Werbeeinnahmen verzichtet, sondern auch einen bedeuteten Imagevorteil hat, werden wir versuchen, dieses Projekt fortzuführen. Ferner werden wir versuchen, private Sponsoren dafür zu finden. Das ist auch aussichtsreich, weil es sich um ein sichtbares, in der Öffentlichkeit durchaus populäres Unternehmen handelt, im Gegensatz zu vielen anderen Dingen, wie Atelierförderungen, die mehr anonym stattfinden und deshalb für denjenigen, der sich als Sponsor betätigt, eine nicht so große Öffentlichkeitswirkung hat.

Eine Zusatzfrage – bitte, Herr Girnus!

Vielen Dank! – Herr Stölzl, die BVG hat signalisiert, dass sie einer Fortführung dieser Ausstellung positiv gegenüber steht. Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass Berlin ohne Wenn und Aber die schöne Berggruen-Sammlung gemeinsam mit dem Bund finanzieren will. Da geht es um mehrstellige Millionenbeträge, aber hier geht es um 200 000 DM. Könnten Sie sich vorstellen, auf Ihre Kollegen im Lottobeirat einzuwirken, damit auch hier zusätzliche Mittel – Sie sprachen eben selbst von einem erfolgreichen und öffentlichkeitswirksamen Projekt – bereitgestellt werden?

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Girnus, bedauerlicherweise kann ich die Entscheider im Lottobeirat nicht als Kollegen bezeichnen, sondern ich befinde mich in allen diesen Fragen in der Rolle des schlichten Antragstellers. Das Schwie

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Stölzl

rige daran ist, dass die Lottostiftung eine Dauereinrichtung wie diese – jedenfalls nach der jetzigen Konstruktion – nicht mehr so gern unter ihre Fittiche nehmen wird. Ich meine, dass man vor allem mit der BVG selbst reden muss. Es ist durchaus zumutbar, dass ein Unternehmen wie dieses selbst kunstfördernd aktiv wird. Ich halte den Verzicht von Werbeeinnahmen für eine theoretische Größe; das Gewähren von Hilfe wäre durchaus wünschenswert. Aber wir werden alle Möglichkeiten nutzen, dieses Projekt auch in Zukunft lebendig werden zu lassen. Dass Sparhaushalte Prioritätensetzungen bedeuten und dass über die Jahre auch einmal manches Projekt kürzer treten muss, ist leider unvermeidbar, und das tut uns sehr weh.

Damit ist die Spontane Fragestunde durch Zeitablauf beendet.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 A:

Aktuelle Stunde zum Thema „Soziale Verantwortung und ökonomische Vernunft – das neue Gesundheitsunternehmen als Chance für Berlin“

in Verbindung mit

Drucksache 14/795:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, Soziales und Migration vom 9. November 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Vorlage eines Errichtungsgesetzentwurfes für das Einheitsunternehmen städtischer Krankenhäuser in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts, Drucksache 14/434

Drucksache 14/796:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, Soziales und Migration vom 9. November 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Überführung aller städtischen Krankenhäuser sowie des Krankenhauses Moabit und des MaxBürger-Zentrums in ein Einheitsunternehmen, Drucksache 14/435

Drucksache 14/797:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines Unternehmens der städtischen Krankenhäuser (KrankenhausunternehmensGesetz), Drucksache 14/638, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Gesundheit, Soziales und Migration vom 9. November 2000 und des Hauptausschusses vom 15. November 2000

Wird der Dringlichkeit der drei Beschlussempfehlungen widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Der Ältestenrat empfiehlt für die gemeinsame Beratung eine Redezeit von bis zu 20 Minuten pro Fraktion in freier Aufteilung auf die Redebeiträge. In der Redefolge beginnt die Fraktion der SPD als Antragstellerin der Aktuellen Stunde.

Ich rufe also zur II. Lesung auf die §§ 1 bis 7, die Überschrift und die Einleitung der Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 14/638 – unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung – Drucksache 14/797 –.

Das Wort in der Debatte hat Frau Abgeordnete Helbig für die Fraktion der SPD. – Bitte sehr!

und Bürgern als Patienten in Krankenhäusern, gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern städtischer Krankenhäuser und gegenüber den sozialen Sicherungssystemen, also in diesem Fall den Krankenkassen und damit den Beitragszahlern. Es ist unsere Aufgabe, die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Balance zwischen diesen drei Zielen gefunden wird.

Betrachten wir zunächst die Ausgangssituation, die den Handlungsbedarf bei den städtischen Krankenhäusern deutlich macht. In welcher Situation befinden sich die städtischen Krankenhäuser zurzeit? – Sie sind eine wichtige Säule im System der stationären Versorgung Berlins. Dort werden, wenn der Krankenhausplan 1999 realisiert ist, insgesamt fast 6 000 Betten vorgehalten. Das sind 27 % aller Krankenhausbetten in Berlin.

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Es wäre unseriös und ungerecht zu behaupten, die städtischen Krankenhäuser hätten keinen Willen zur Reform und Steigerung ihrer Effektivität. Sie haben in den letzten vier Jahren bereits erhebliche Anpassungsleistungen erbracht. Es wurden bereits über 3 000 Betten und 4 300 Vollkräfte abgebaut. Heute werden bei reduzierten Bettenzahlen und umfangreichem Personalabbau genauso viele Patienten behandelt wie vor vier Jahren, nämlich ca. 220 000 Behandlungsfälle. Dies war durch eine erhebliche Reduzierung der Verweildauer möglich. Die Budgetkürzungen betrugen additiv in den Jahren 1996 bis 1999 405 Millionen DM. Dennoch haben viele Bemühungen wegen der verschiedenen administrativen und menschlichen Hürden nicht zum Erfolg geführt. An anderer Stelle sprechen wir von organisierter Unverantwortlichkeit. Das trifft sicher auch in vielen Bereichen auf die Arbeit der städtischen Krankenhäuser zu, denn eine unmittelbare ökonomische Verantwortung für die Erwirtschaftung von Verlusten gab es bisher nicht. Das hemmt die Kreativität. Die städtischen Häuser haben in den Jahren 1997 bis 1999 227 Millionen DM Verlust gemacht, der weitgehend aus Rücklagen gedeckt werden konnte. Diese Entwicklung ist nicht aufgehalten. Jeder Tag, an dem wir nicht über Veränderungen entscheiden, erhöht das Defizit um weitere 250 000 DM. Die Prognose für 2000 liegt bei einem Gesamtverlust von weiteren 50 Millionen DM, wobei die Rücklagen weitgehend verbraucht sind. Das macht deutlich, dass Veränderungen notwendig sind.

Wie ist die Ausgangslage für den Start des neuen Unternehmens, das wir hier heute beschließen wollen? – Lassen Sie mich die Fakten nennen. Die Zahl der Vollkräfte liegt bei den betroffenen Häusern zwischen 1,4 und 2,15 pro Bett. Fachleute sprechen von einer ausreichenden und optimalen Zahl von 1,2 bis 1,5. Eine Krankenhausbehandlung kostet pro Patient und Behandlungsfall in Berlin im Durchschnitt 1 200 DM mehr als z. B. in Hamburg. Die städtischen Häuser haben einen Investitionsstau von 300 Millionen DM, der von der öffentlichen Hand nicht mehr finanziert werden kann. Außerdem wird ab 2003 das so genannte DRG-System eingeführt, das auf der Bundesebene bereits beschlossen ist, ein diagnosebezogenes Preissystem, nach dem alle Krankenhäuser für die gleiche Behandlung das gleiche Geld bekommen. Damit steigen der ökonomische Druck und der Handlungsbedarf. Aus den Zahlen wird deutlich, dass ein hohes Rationalisierungspotential vorhanden ist, das aber nach den Erkenntnissen im Rahmen des Projektes ViEW im Wesentlichen im tertiären Bereich, also Küche, Labor, Apotheke, Wäscherei usw., nicht aber im Dienst am Bett besteht.

Wenden wir uns der Situation der Beschäftigten zu. Die Beschäftigten sind in der Mehrzahl leistungsfähig und leistungsbereit, haben aber in der Vergangenheit eine hohe Verunsicherung erfahren, da nicht sicher war, wie es mit den städtischen Krankenhäusern weitergeht. Existentielle Bedrohung in Form von Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes lässt das Engagement bei der täglichen Arbeit und vor allem die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen sinken. Aber gerade der Faktor Mensch ist die tragende Säule für ein Dienstleistungsunternehmen Krankenhaus.

(A) (C)

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Frau Helbig

Deshalb ist es besonders wichtig, dass für alle Beschäftigten des künftigen Krankenhausunternehmens die Beschäftigungssicherungsvereinbarung gilt und alle bisher erworbenen tarif- und versorgungsrechtlichen Ansprüche dauerhaft gesichert werden. Das sieht der heute zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzentwurf vor. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar der Abbau der prognostizierten 1 750 Stellen sozialverträglich erfolgt, langfristig aber diese Stellen für den Berliner Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist ein grundsätzliches Problem des gesellschaftlichen Wandels und der notwendigen Neubestimmung der Rolle bezahlter Erwerbsarbeit. Wir werden dieses Problem an dem konkreten Fall Krankenhaus nicht lösen können. Als Chance des neuen Unternehmens kann es aber gesehen werden, dass für die 17 000 Beschäftigten der Blick in die Zukunft zuversichtlich sein kann. Ich rufe allen zu: Nehmen Sie das Angebot zur Personalüberleitung an! Nur so können Sie Ihre berufliche Zukunft gestalten und mitarbeiten an einem Modell Netzwerk Gesundheit Berlin in dem größten Krankenhausunternehmen der Bundesrepublik Deutschland.

[Beifall bei der SPD]

Welche Auswirkungen wird unsere Entscheidung auf die Situation der Patienten haben? – Es ist unsere Aufgabe, ein Versorgungsangebot sicherzustellen, das eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige, medizinisch fortschrittliche Krankenversorgung ermöglicht. Die Struktur des Versorgungsangebots ist durch den Krankenhausplan unverändert vorgegeben. Daran wird die neue Rechtsform der städtischen Krankenhäuser nichts ändern. Die gelegentlich formulierte Sorge der Patientinnen und Patienten, die Wege könnten länger werden und durch ein Wachsen des ökonomischen Drucks verschlechtere sich die Betreuung, kann ich nicht teilen. Das Versorgungsnetz innerhalb Berlins ist dicht, viel dichter als in einem Flächenland. Die Grundversorgung wird in unveränderter Qualität und Struktur angeboten werden. Spezialisierungen bestimmter Häuser gibt es bereits jetzt; diese werden sich künftig nur weiter herausbilden. Die Frage der Qualität gewinnt unter ökonomischem Druck eine größere Bedeutung. Ziel des neuen Betriebes wird es sein, in jedem Haus die Angebote der Basisversorgung vorzuhalten und in die gesamte Versorgungskette von der Prävention über ambulante, teilstationäre, stationäre Versorgung bis zur Rehabilitation und Pflege zu integrieren, so dass sich das Haus zu einem umfassenden Gesundheitszentrum für das jeweilige Einzugsgebiet entwickeln kann. [Beifall bei der SPD]

Die Angebote der Schwerpunktversorgung werden in geeigneten Häusern zusammengeführt werden. Spezialangebote in den einzelnen Häusern strahlen mit ihren Leistungen auf ganz Berlin aus. Damit wird auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung gesichert sein. Wenn die manchmal zitierte Sorge, dass sich das Angebot für die Patienten in dem neuen Betrieb verschlechtert, begründet wäre, dann müssten alle Krankenhäuser in privater Rechtsform schlecht sein. Tendenziell ist aber eher das Gegenteil der Fall.