Protocol of the Session on November 16, 2000

[Beifall bei der CDU – Oh! bei den Grünen]

und missachten die erheblichen Aufbau- und die Modernisierungsleistungen, die die Berliner Justiz insgesamt erbracht hat.

[Zuruf des Abg. Weinschütz (Grüne)]

Hierfür möchte ich mich namens meiner Fraktion ausdrücklich bei allen Beteiligten bedanken.

[Beifall bei der CDU]

Nach der Vollendung der äußeren Einheit stand der Senat vor der Herausforderung, die innere Einheit in Berlin zu schaffen. Auf die Justiz, hier insbesondere auf die Berliner Justiz kamen erhebliche Aufgaben zu. Die Menschen in der DDR haben mit ihrer friedlichen Revolution die Ketten des Unrechtsregimes gesprengt. Wir waren und sind stolz auf das Gelingen der friedlichen Revolution, mit der eine Phase der deutschen Geschichte zu Ende ging, die vielen Menschen Leid, Elend und Verzweiflung gebracht, manchen das Leben gekostet hat. Es ging eine Zeit zu Ende in der die Menschen mitten in Deutschland in Lagern des Stalinismus, in Gefängnissen und Zuchthäusern gequält und umgebracht wurden oder beim Versuch, Mauer und Stacheldraht zu überwinden, getötet wurden.

[Frau Martins (Grüne): Haben Sie die richtige Rede?]

Ohne Urteil wurde die Todesstrafe vollstreckt. Die Menschen forderten Gerechtigkeit und erwarteten die schnelle Einführung des Rechtsstaates. Während im Westen der Rechtsstaat oft verhöhnt wurde, war jenen aus der ehemaligen DDR bewusst, dass der Rechtsstaat gerade die Schwachen der Gesellschaft, nicht die Mächtigen schützt. Die Mächtigen brauchen diesen Schutz nicht, sie nehmen sich, was sie wollen oder brauchen.

[Wieland (Grüne): Vor allem, wenn sie CDU-Mitglieder sind!]

Halten Sie sich zurück, Herr Wieland!

Manche wollten auch Rache, andere das schnelle Vergessen. Die Aufgabe der Justiz war es zunächst, Vertrauen zu schaffen in ihre Entscheidungen und deren Vollzug. Dieses ist im Wesentlichen gelungen, auch wenn einige enttäuscht wurden. Wir erinnern uns an die Klagen der ehemaligen MfS-Mitarbeiter ebenso wie an viele Entscheidungen im Zusammenhang mit der Rückgabe von Vermögenswerten. Vielen fiel es schwer zu akzeptieren, dass der Rechtsstaat manchmal auch die Falschen schützt. Bärbel Bohley sagte dazu signifikant: Wir wollten Gerechtigkeit und erhielten den Rechtsstaat.

Bei der Beantwortung der Großen Anfrage weist der Regierende Bürgermeister zu Recht darauf hin, dass die Gesetze der Bundesregierung Deutschland nicht auf alle Sachverhalte anzuwenden waren, die sich aus der Situation in der DDR ergeben haben, und für diese Sachverhalte eigentlich nicht geschaffen waren. Hieraus ergaben sich eine Fülle von Rechtsproblemen, die von der Justiz im Wesentlichen befriedigend und allgemein akzeptiert gelöst wurden. Nach Auffassung der CDU-Fraktion hat der Rechtsstaat damit seine Aufgaben erfüllt.

Die Berliner Justiz stand nach der Wende vor der Herkulesaufgabe quasi über Nacht statt für 2,1 Millionen Einwohner des Westteils der Stadt für 3,4 Millionen Einwohner in Gesamtberlin zuständig zu sein. Die DDR-Justiz war zu Recht delegitimiert, ihr Personal im Wesentlichen in einer rechtstaatlichen Justiz nicht brauchbar. Es ist daher verständlich, dass lediglich 25 Richter und 9 Staatsanwälte nach Durchlaufen des normalen Einstellungsvorganges und der Wahl durch den Richterwahlausschuss

im Berliner Justizdienst verblieben. Es ist im Übrigen gerade das Ziel von Revolutionen – auch friedlichen –, dass die herrschende Nomenklatura durch andere ersetzt wird.

Berücksichtigt werden muss auch, dass die Haushaltssituation in den Jahren des Aufbaus nicht viel besser war als jetzt. Die CDU-Fraktion fordert deshalb auch nicht plump mehr Geld, wir waren und sind bereit, Strukturen in Frage zu stellen, um Haushaltsmittel wirksamer einsetzen zu können. So fordern wir noch einmal an dieser Stelle die neue Haftanstalt in Großbeeren in public private partnership zu errichten und zu betreiben, soweit rechtlich zulässig.

[Beifall des Abg. Kaczmarek (CDU)]

Doch zurück zum Beginn der 90er Jahre. Trotz knapper finanzieller Mittel ist es gelungen, die Amtsgerichte in Pankow, Weißensee, Hohenschönhausen, Köpenick, Lichtenberg und Mitte zu modernisieren und sie zu leistungsfähigen Gerichten zu machen. Einige Amtsgerichte im Westteil der Stadt wären heute froh, wenn sie ein vergleichbares technisches und bauliches Niveau hätten. Heute freuen wir uns über das neue Familiengericht in Tempelhof-Kreuzberg und das Kammergerichtsgebäude am Kleistpark. Auch wenn es manchmal gering geschätzt wird, zur Zufriedenheit mit der Arbeit und damit der Leistungsfähigkeit des Einzelnen gehört auch das bauliche Umfeld, in dem gearbeitet wird.

Nach der zusätzlichen Arbeitsbelastung, die auf die Berliner Justiz durch wiedervereinigungsbedingte Aufgaben hinzu kamen, entstanden weitere durch die Einführung neuer Rechtsvorschriften und nach dem hauptstadtbedingten Umzug der Bundesregierung. Diese Aufgaben wurden geschultert, ohne Murren und mit vorbildlichem Pflichtbewusstsein.

In der Anfrage wird auch hervorgehoben, in welchem Umfang die Justiz ausgebildet hat und zwar in allen Bereichen. Vorbildlich auch die Fort- und Weiterbildung der Berliner Justiz und die Bereitschaft zur Modernisierung.

Ein Wort, weil das Thema vorhin angesprochen worden ist, zur P-Abteilung der Staatsanwaltschaft. Ich verstehe nicht, wie Sie in allen Sonntagsreden die Bekämpfung des Rechtsextremismus fordern und andererseits, wenn es darum geht, die Mittel dafür zu schaffen, diese bekämpfen. Diesen Konflikt müssen Sie mir bei Gelegenheit einmal erklären.

[Beifall bei der CDU]

Ich möchte aber auch noch ausdrücklich auf die Einsetzung des maschinell geführten Grundbuches in den Berliner Grundbuchämtern hinweisen. Wir wissen, auch hier sind noch nicht alle Probleme gelöst. Die Justiz ist jedoch auf dem richtigen Wege.

Trotz allem: Viele Probleme sind noch ungelöst. Ich wünschte mir beschleunigtere Verfahren, geringere Terminstände, schnellere Urteile bei gleichbleibender Qualität und die Einstellung von mehr Gerichtsvollziehern, um ein erstrittenes Urteil möglichst schnell auch durchsetzen zu können. In diesem Jahr gab es zum Teil Wartezeiten von mehr als einem Jahr. Das Vertrauen der Bürger in die Justiz hängt auch davon ab, in welcher Zeit Urteile gesprochen und ggf. vollstreckt werden. Die Voraussetzung hierfür zu schaffen, bleibt die Aufgabe des gesamten Abgeordnetenhauses auch angesichts unserer Haushaltslage.

Noch ein Satz zu dem Antrag, ein eigenständiges Justizressort zu schaffen:

[Weinschütz (Grüne): Jetzt wird es spannend!]

Ich habe im Sommer die Diskussion eröffnet

[Wieland (Grüne): Wir erinnern uns!]

und habe gesagt: Die CDU-Fraktion setzt sich für eine Erhöhung der Anzahl der Senatoren ein, dabei bleiben wir.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Wieland (Grüne): Tun Sie es!]

werden. Wir werden in Kürze den Antrag einbringen, die Verfassung entsprechend zu ändern, um so die Möglichkeit zu geben, auch den Senatoren das zu gönnen, was Sie vorhin gewünscht haben: Zeitoasen.

[Wieland (Grüne): Für den Justizsenator brauchen Sie die Verfassung nicht zu ändern!]

Wir freuen uns schon jetzt auf die Diskussion mit Ihnen und werden Sie an Ihre heutigen Worte erinnern! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zurufe der Abgn. Weinschütz (Grüne) und Wieland (Grüne)]

Für die Fraktion der PDS hat das Wort der Abgeordnete Dr. Nelken, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich die Große Anfrage erstmals zu Gesicht bekam, fragte ich mich, welche politischen Absichten wohl die geschätzten Kollegen der Opposition mit dieser Anfrage verfolgen. In der Begründung zur Großen Anfrage deuten die Antragsteller an, dass sie meinen, dass einiges in der Justiz im Argen liegt.

[Wieland (Grüne): Ja, in der Tat!]

Die Fragestellungen selbst sind aber über weite Strecken so allgemein und generalistisch, dass sie eine kritische Bestandsaufnahme nicht gerade herausfordern.

[Wieland (Grüne): Aber die kommt jetzt von Ihnen!]

Das für die Justiz zuständige Senatsmitglied und die Justizverwaltung ließen sich diese Einladung, einmal darüber zu reden, nicht entgehen und toppten die unpräzisen Fragen mit meist nichts sagenden Antworten. Ich muss allerdings feststellen, dass der Kollege Braun offensichtlich eine andere Antwort auf die Große Anfrage bekommen hat als ich. In der Antwort, die zumindest mir zur Verfügung steht, wird immer das gleiche Antwortmuster verfolgt: Wir geben uns Mühe. Wir haben Erfolge. Fast alles ist gut oder zumindest auf dem Weg zum Besseren; wo es Probleme gibt, haben wir die feste Absicht, diese in absehbarer Zeit zu lösen. – So ungefähr das Muster in jeder dieser Antworten! Diese Antwort des Senats auf die Große Anfrage ist eine glatte Realitätsverweigerung.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Die Realität beim Namen nennen, Herr Diepgen, heißt nicht, die Arbeit der Bediensteten in der Justiz herunterzuspielen oder zu negieren, sondern ganz im Gegenteil. Wenn man einmal die Bedingungen beim Namen nennt, unter denen dort zum Teil gearbeitet wird, dann wertet man die Arbeit in ihrem Ergebnis noch besonders auf.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Weinschütz (Grüne)]

In den letzten Jahren verging doch kein Quartal, in dem die Berliner Justiz nicht mit irgendwelchen Hiobsbotschaften hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit in die Schlagzeilen geriet, und zwar alle ihre Zweige: Strafverfolgung, Gerichtsbarkeit und Strafvollzug. – Es ist gerade sieben Monate her, Herr Diepgen, dass die Berliner Staatsanwälte unter der Überschrift „Strafverfolgung im Abseits“ sich an die Parlamentarier und an die Öffentlichkeit gewandt haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass personelle Unterbesetzung und mangelhafte Ausstattung eine angemessene Strafverfolgung gefährden. Sie beklagten sich in diesem – wie sie es nannten – öffentlichen Alarmruf über die Besorgnis erregenden Zustände in der Berliner Staatsanwaltschaft und beklagten, dass die Politik dies einfach ignoriert – und in der heutigen Antwort des Senats und auch in den Ausführungen des Senators für Justiz, Herrn Diepgen, wieder Fehlanzeige, wieder die glatte Realitätsverweigerung über die Situation, auch in der Staatsanwaltschaft. Man muss ja nicht alle Einschätzungen und Forderungen einer berufsständischen Vereinigung für richtig halten, aber auch ich denke, dass es neben Personal- und Ausstattungsdefiziten bei der Berliner Staatsanwaltschaft noch Ressourcen für eine Effektivierung der Strafverfolgung gibt, die

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insbesondere im Organisationsbereich in der Prioritätensetzung liegen. Aber die reale Problemlage hier nicht darzustellen, hier nicht zu bewerten und Vorschläge zu ihrer Bewältigung nicht vorzustellen, das halte ich einfach für politisch inakzeptabel.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Das Einzige, was dem Duo Diepgen/Rauskolb dazu einfiel, war die Wiedereinführung der umstrittenen besonderen Abteilung P zur Verfolgung politisch motivierter Straftaten. Ich komme vielleicht später noch einmal darauf zurück, wenn ich die Zeit dazu habe. Aber immerhin, so teilt uns der Senat in der Antwort mit, habe man am 22. März diesen Jahres eine Arbeitsgruppe eingerichtet zur weiteren Optimierung von Arbeitsabläufen, so heißt es, und beim Aufbau der Staatsanwaltschaft

[Dr. Arndt (SPD): Hört, hört!]