Protocol of the Session on October 12, 2000

Ich komme zum Schluss. Ich möchte daran erinnern – aber wirklich nur beiläufig –, dass diese humanitäre Maßnahme, die wir vorschlagen, Flüchtlinge in Wohnungen und nicht in Sammelunterkünften unterzubringen, zudem noch mächtig Geld einspart. Bekannt ist, dass Wohnen in Sammelunterkünften sehr viel teurer als in Mietwohnungen zudem in einer Stadt mit großem Leerstand ist. Sie sollten unseren Antrag – das sage ich abschließend – aber nicht wegen der eingesparten Gelder unterstützen, sondern weil er einen kleinen, aber wichtigen Schritt zu mehr Humanität für die Flüchtlinge in unserer Stadt darstellt. Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Abgeordnete Gewalt. Bitte sehr!

Die gesetzliche Regelung, auf die sich der Antrag bezieht, ist in der Tat höchst problematisch, auch wenn ich das Problem genau in der umgekehrten Richtung sehe, Herr Kollege Berger! Die Regelung sieht vor, dass derjenige Asylbewerber, der sich länger als drei Jahre in der Bundesrepublik aufhält, einen Anspruch auf Erhöhung seiner Sozialhilfebezüge um 20 % hat, auch dann, wenn sein Asylantrag unbegründet ist und er sich gegebenenfalls illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Das führt zu der mehr als paradoxen Situation, dass diejenigen, die geschickt ihren Aufenthalt verlängert haben – zum Teil nach illegaler Einwanderung –, mit einer Erhöhung von 20 % ihrer Sozialhilfebezüge belohnt werden.

Ich erinnere mich, dass Bundesinnenminister Schily der illegalen Zuwanderung den Kampf angesagt hat. Dann hätte er eigentlich im Deutschen Bundestag dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion oder im Bundesrat dem Antrag des Bundeslandes Hessen zustimmen müssen, die Dreijahresfrist aufzuheben. Nun haben wir die für den Bürger nicht mehr nachvollziehbare Situation, dass es erstes Ziel eines abgelehnten Asylbewerbers sein wird, möglichst lange in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben, damit er noch in den Genuss der 100-%-Regelung kommt. Das ist eine für mich völlig paradoxe Situation.

[Berger (Grüne): Es gibt Menschen, die gar nicht zurückgehen können!]

Das Ziel auch des Bundesinnenministers, zügig abgelehnte Asylbewerber zurückzuführen, wird damit vollständig vereitelt. Sie werden dauerhaft bei uns bleiben, wenn ich Ihren Antrag richtig verstanden habe, Herr Kollege Berger, mit einer eigenen Wohnung bezahlt durch das Land Berlin. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich dezidiert darauf hinweise, dass für diese unsinnige Regelung nicht etwa die Union, sondern ausschließlich die rot-grüne Bundesregierung verantwortlich ist! Vielen Dank! [Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der PDS hat das Wort Frau Abgeordnete Hopfmann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint schon so zu sein, dass wir mit Regelmäßigkeit Anträge von den Grünen und meiner Fraktion zum Asylbewerberleistungsgesetz diskutieren. Ich habe bewusst gesagt:

„nicht mit schöner Regelmäßigkeit“, denn schön finde ich diese Diskussion, die wir seit Jahren führen, schon lange nicht mehr. Ich finde sie eher ätzend und unwürdig!

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Dr. Heide (CDU)]

Ganz bestimmt nicht in Ihrem Sinn, Herr Kollege von der CDU!

Wir hatten lange Debatten zum Sachleistungsprinzip, zu dem auch die Unterbringung in Wohnheimen gehört. Wir hatten langen Streit um die Weisung des Senats vom November 1996 – ich habe noch einmal nachgesehen –, wonach Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und Rest-Jugoslawien in Zusammenhang mit den Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz grundsätzlich in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen, was wir nicht für nötig erachtet haben – auch die Fraktion der Grünen nicht. Es gab nicht endende Proteste gegen die Einrichtung von Wohnheimen mit Vollverpflegung, die den Flüchtlingen – unserer Auffassung nach – das letzte Bisschen Menschenwürde für ein selbstbestimmtes Leben abgesprochen haben und immer noch absprechen, denn sie funktionieren noch immer. Nach dem Prinzip von Herrn Gewalt – ist er noch anwesend? – sollten wir die deutsche Hauptstadt nicht für Flüchtlinge attraktiv gestalten, aus Angst, sie gingen nie mehr nach Hause. Natürlich wissen wir, welche Gründe es für Flüchtlinge gibt, hierher zu kommen.

[Dr. Heide (CDU): Stimmt! Sozialhilfe!]

Die Flüchtlinge sind der Proteste inzwischen müde geworden. Sie haben resigniert. Gott sei dank nicht resigniert haben Menschen in dieser Stadt, denen die Lebensbedingungen von Asylbewerbern und von Flüchtlingen nicht egal sind. Letztens haben sich mehr als 60 dieser Leute zu einer Rundfahrt zu Orten der Unterbringung und Konfrontation von Flüchtlingen aufgemacht, und haben sich die Lebensbedingungen noch einmal konkret angesehen. Darunter waren Vertreter von Organisationen, einzelne Engagierte, aber auch Vertreter von kirchlichen Einrichtungen. Was sie dort vor allen Dingen in den Wohnheimen gesehen und vorgefunden haben, war katastrophal. Mir liegt ein solcher Bericht vor. Das Bezirksamt hat den Bericht im Übrigen auch bestätigt und einiges zur Änderung, zumindest des Schlimmsten, unternommen. Das, was in der Begründung zum Antrag der Grünen steht, ist dagegen noch sehr abstrakt in seiner Allgemeinheit und eigentlich gar nicht nachfühlbar. Was dort steht, stimmt. Ich will es hier nicht wiederholen. Es wird aber den meisten Abgeordneten wieder einmal egal sein. Sie können sich glücklich schätzen – ich tue es auch –, dass sie nicht Flüchtling in einem fremden Land sein müssen. Sie können froh sein, dass sie nicht jahrelang ein Gemeinschaftsklo mit Kleinkindern und Kranken benutzen müssen. Ich weiß nicht, wie lange Sie das aushalten würden. Sie können sich glücklich schätzen, dass Ihre Privatsphäre geschützt ist – es sei denn, der Verfassungsschutz hat ein besonderes Interesse, was ich ja nicht weiß. Aber Sie können in der Regel Ihre Wohnungstür schließen und können allein oder in der Familie sein. Ich denke, Sie wissen das zu schätzen, nur leider gönnen Sie das anderen Menschen nicht. Man muss sich das wirklich einmal vorstellen, jahrelang diese Privatsphäre nicht zu haben, darauf zu verzichten.

[Dr. Heide (CDU): Die können doch nach Hause fahren!]

Ich frage mich, ob Sie meinen, dass Ihre Lebenssituation – genauso wie die heute beschlossene Erhöhung der Diäten – ein Ihnen zustehendes Privileg sei. Ich verlange nicht, dass Sie Ihre Diäten mit anderen teilen, das ist Ihre Privatsache, was Sie damit machen, aber ich wünschte, Sie könnten endlich einmal mehrheitlich dem Grundgesetz folgen und dem Grundsatz: „Die Würde des Menschen ist unteilbar.“

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion! Herr Benneter hat heute in der Debatte, in der wir über Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus diskutierten, gesagt – ich habe es mitgeschrieben –:

Der Schutz für Freiheit bedeutet Mitmenschlichkeit und Wahrung der Menschenwürde.

Und er sagte auch, dass es einen Zusammenhang gebe zwischen politischem Populismus mit Blick auf den rechten Rand der Gesellschaft und der Ausgrenzung, Diskriminierung und Ver

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folgung von Migranten, von Minderheiten, von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Abschließend formulierte er eine Forderung:

Aufstehen, Einmischen, Zeichen setzen!

Mit der Zustimmung zum vorliegenden Antrag der Fraktion der Grünen könnte durchaus ein Zeichen gesetzt werden im Sinne von Mitmenschlichkeit und Menschenwürde bewahren. Sie brauchen auch keine Angst zu haben, denn Sie tun dies sogar auf dem Boden des Gesetzes, Sie brauchen nicht einmal Zivilcourage dafür aufzubringen. Das Gesetz sagt eindeutig im § 2 – darauf bezieht sich dieser Antrag –, dass Flüchtlinge, die 3 Jahre Leistungen nach § 3 – also diese gekürzten Leistungen – erhalten haben, einen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz wie jeder andere Sozialhilfeempfänger haben. Es ist auch die Möglichkeit gegeben, diese Menschen außerhalb von Wohnheimen unterzubringen. Das kann der Senat sehr wohl entscheiden, und er kann auch eine solche Ausführungsvorschrift unbesehen herausgeben.

Frau Abgeordnete! Sie müssen dann zum Schluss kommen!

Ich bin sofort fertig, Herr Präsident!

Herr Gewalt! Was Sie vorhin an juristischen Ausführungen zum § 2 Asylbewerberleistungsgesetz gemacht haben, das ist angesichts Ihrer Ausbildung als Jurist wirklich beschämend, davon abgesehen, dass es wieder einmal politisch beschämend ist und erneut populistisch den rechten Rand bedient hat.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Für die Sozialdemokratische Fraktion hat der Abgeordnete Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Asylbewerberleistungsgesetz ist seit seiner Einführung ein sehr umstrittenes und höchst problematisches Gesetz, denn es beschränkt in massiver Weise die soziale Unterstützung bedürftiger Menschen. Die damit verbundenen Einschränkungen von Grundrechten der betroffenen Menschen sind zu Recht wiederholt kritisiert worden. Kollege Berger hat heute zutreffend auf den Zusammenhang mit den beiden Debatten, die wir heute im Hause schon geführt haben, hingewiesen. Das Sozialhilferecht ist ein untaugliches Mittel, um Probleme des Ausländerrechts zu lösen. interjection: [Beifall bei der SPD und den Grünen]

Im Redebeitrag des Kollegen Gewalt ist leider deutlich geworden, wie undifferenziert hier mit den Problemlagen umgegangen wird, wenn so getan wird, als ob das Asylbewerberleistungsgesetz sich ausschließlich auf illegale Ausländer bezöge. Die Fallgruppen sind wesentlich vielfältiger.

Wir haben in unserer Diskussion aber nicht darüber zu entscheiden, ob dieses Gesetz weiterhin Gültigkeit hat, denn es ist ein Bundesgesetz, sondern wir können darüber diskutieren und müssen darüber diskutieren, wie dieses Gesetz anzuwenden und auszulegen ist.

Im Rahmen dieser Diskussion sind für uns folgende Maßstäbe selbstverständlich: Die Beachtung der Menschenwürde der Betroffenen muss oberste Priorität haben. Es kann keine Menschen zweiter Güte geben, denn genau das führt zu dem fatalen Eindruck in der Öffentlichkeit, es seien Menschen, die minderwertig sind, mit allen Folgen, die heute schon angesprochen wurden.

Die Wohnverhältnisse eines Menschen betreffen ein existenzielles Grundbedürfnis. Es steht außer Zweifel, dass das Wohnen in Sammelunterkünften auf Dauer schädliche Auswirkungen auf Menschen hat. Insbesondere auf die Entwicklung von Kindern hat dies einen schädlichen Einfluss. Wenn Kinder einen

Großteil ihrer Entwicklung in solchen Verhältnissen verbringen, entstehen dort Schäden, die nie wieder gutzumachen sind.

[Niedergesäß (CDU): Wenn man als Kind in einer Kommune gelebt hat, dann hat man auch gelitten! Deshalb sind die alle so!]

Wir wollen in den Ausschussberatungen diskutieren, wie diesen Gefahren möglichst effektiv begegnet werden kann. Da sind im Antrag der Fraktion der Grünen noch einige Fragezeichen für uns. Beispielsweise sollten wir genau diskutieren, ob Ausführungsvorschriften tatsächlich erforderlich sind. Wir haben uns an anderer Stelle hier eigentlich auf die Fahnen geschrieben, Deregulierung zu betreiben. Aber das ist ein Punkt, den man im Einzelnen diskutieren muss.

Zweifelhaft erscheint mir auch die Forderung nach einer generellen Vorschrift, denn es ist eines der Grundprinzipien unseres Sozialhilferechts, dass es eigentlich um den Bedarf im Einzelfall geht.

Ich wage zu bezweifeln, dass wir dem Antrag so, wie er uns heute vorliegt, zustimmen können. In der Tendenz sind wir uns hier sicherlich einig, vorrangig ist die Würde der Menschen, und ein humanes Wohnrecht muss auch für Flüchtlinge in Berlin möglich sein.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration sowie an den Hauptausschuss. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann haben wir die Überweisung so beschlossen.

Die lfd. Nrn. 12 bis 15 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir sind dann bei

lfd. Nr. 15 A, Drucksache 14/723:

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD auf Annahme einer Entschließung über Prioritäten der Regierungskonferenz 2000

Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen als Drucksache 14/723-1. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat nun das Wort z u r G e s c h ä f t s o r d n u n g , denn sie wollen der D r i n g l i c h k e i t w i d e r s p r e c h e n. – Bitte sehr, Frau Dr. Klotz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verfahren ansonsten mit den Dringlichkeiten immer relativ großzügig. Aber an dieser Stelle hier will ich für meine Fraktion sowohl der Dringlichkeit als auch dem Wunsch nach Sofortabstimmung widersprechen. Ich möchte diesen Widerspruch auch begründen.

Dieser Antrag ist dermaßen übereilt zusammengeschrieben worden, dass er in einzelnen Passagen noch nicht einmal in komplette Sätze gegliedert worden ist, dass der Zusammenhang zwischen Subjekt, Prädikat und Objekt einfach nicht vorhanden ist. Schauen Sie zum Beispiel auf die Seite 3, da steht:

... und auf diesem Weg gemeinschaftliche Zuständigkeiten von den Kompetenzkatalogs mit einer schärferen Abschichtung von Aufgabenbereichen und Befugnissen wäre ein entschiedener Beitrag zu mehr...