Protocol of the Session on May 18, 2000

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin in zulassungsbeschränkten Studiengängen, Drucksache 14/171, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 10. Mai 2000 und des Hauptausschusses vom 17. Mai 2000

Hierzu gibt es die Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/171-1 und Drucksache 14/171-2. – Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 11 Paragraphen miteinander zu verbinden. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die §§ 1 bis 11, die Überschrift und die Einleitung in der Fassung der Vorlage – zur Beschlussfassung –, Drucksache 14/171, unter Berücksichtigung der Änderungen durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, Drucksache 14/393, sowie die Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/171-1 und Drucksache 14/171-2. Die Ausschüsse empfehlen einstimmig die Annahme bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen bzw. bei alleiniger Enthaltung der PDS-Fraktion im Hauptausschuss.

Dazu wird, wie ich gehört habe, die Beratung gewünscht. – Herr Kollege Weinschütz hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gesetzesvorlage zur Hochschulzulassung hat zwei Teile. Zum einen wird dem neuen ZVS-Staatsvertrag zugestimmt. Egal, ob uns die neuen ZVS-Regeln gefallen oder nicht, Berlin wird kaum als einziges Bundesland aus der ZVS aussteigen können. Deswegen will ich mich heute hierüber nicht verbreiten.

Der Senat hat diesem einen Teil jedoch in seiner Vorlage quasi Huckepack eine Neuregelung des so genannten „lokalen NC“ angefügt, d. h. eine Regelung über die Vergabe der Studienplätze, die von den Berliner Hochschulen selbst vergeben werden. Hier waren ohne Not – und man muss fast sagen: an versteckter Stelle – gravierende Änderungen vorgesehen, und zwar am gewichtigsten darunter wohl die breite Einführung von Auswahlgesprächen. Bisher wurden die Plätze im Verhältnis 60 : 40 nach Abiturnote und nach Wartezeit verteilt. Auswahlgespräche waren zwar theoretisch in geringem Umfang möglich, spielten aber praktisch keine Rolle. Nunmehr sollten bis zu 50 % der Studienplätze nach Auswahlgespräch vergeben werden.

Das Ganze erfolgte klammheimlich – ohne breite Diskussion und ohne Anhörung der Beteiligten. Das ist ein starkes Stück. Unsere Vorstellung von Demokratie ist hier eine andere.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Wir haben deswegen Studierendenvertreter, Lehrerverbände, Presse und andere informiert. Das Erstaunen ob solch eines unqualifizierten Vorschlags war groß. Die Anhörung im Wissenschaftsausschuss ergab denn auch, dass die Hochschulen gar nicht die Kapazitäten für eine solch breite Einführung von Auswahlgesprächen freihaben. Vor allem aber wurde klar, dass nach dem Ergebnis der psychologischen Forschung Auswahlgespräche kein geeignetes Mittel zur Feststellung der Studieneignung sind – das Abitur hingegen noch weit eher. Uns hat das nicht überrascht. Wir sehen unsere ablehnende Haltung gegen Auswahlgespräche bestätigt.

Ein Kompliment muss ich der Koalition an dieser Stelle aber machen: Sie war sich nicht zu schade, dem Änderungsvorschlag der Opposition, nicht 50 %, sondern nur maximal 20 % der Studienplätze nach Auswahlgesprächen zu vergeben, zu folgen. Das ist gut für die Sache, und es ist gut für die demokratische Kultur, wenn sich die Opposition mit guten Argumenten durchsetzt. Das sollte viel öfter passieren.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Steffel (CDU): Die guten Argumente, meinen Sie. Da stimme ich Ihnen zu!]

Nein! Ich meine, dass den guten Argumenten gefolgt wird.

[Dr. Steffel (CDU): Sie haben doch keine!]

Dann haben Sie nicht zugehört! Dazu besteht aber jetzt gleich noch einmal die Gelegenheit.

Wir haben im Ausschussverfahren auch auf weitere Mängel der Vorlage hingewiesen – bisher erfolglos. Zu den zwei wichtigsten Punkten legen wir jetzt nochmals Änderungsanträge vor.

Der eine Änderungsantrag betrifft die Frage, wer zu den Auswahlgesprächen eingeladen wird. Auswahlgespräche können überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn sie eine dritte, eigene Auswahlkategorie neben Abiturnote und Wartezeit bilden. Es gibt immer wieder Abiturientinnen und Abiturienten, die eine spezifische Begabung für ein bestimmtes Fach, aber kein gutes Abitur haben. Hier können Auswahlgespräche als Korrektiv sinnvoll sein. Die Gesetzesvorlage sieht aber vor, dass zum Auswahlgespräch diejenigen mit den besten Abiturnoten eingeladen werden. Das ist nun wirklich sinnlos, da kann man es auch gleich sein lassen. Das lehnen wir ab.

[Beifall bei den Grünen]

Erst müssen die Plätze vergeben werden, die nach Abiturnoten und Wartezeit zu vergeben sind, und das Auswahlgespräch soll dann eine Chance sein für die, die zunächst nicht zum Zuge kommen konnten. Dann wäre das begrüßenswert, und diese Reihenfolge schlagen wir vor.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Bei unserem anderen Änderungsantrag geht es um die Frage, in welchen Fächern überhaupt Zulassungsbeschränkungen eingeführt werden. Bisher geht das nur, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Semestern mindestens 10 % mehr Studierende im ersten Semester anfangen, als Studienplätze vorhanden sind. Das ist ein klares Kriterium. Künftig hingegen soll es ausreichen, wenn die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden nicht mehr gewährleistet ist. Das ist nun wirklich Wischiwaschi. Das ist ein Einfallstor für immer noch mehr NC und führt zu noch mehr Prozessen vor den Verwaltungsgerichten, mit denen sich Studierwillige einklagen. Das lehnen wir ab. Wir fordern die Beibehaltung der bisherigen klaren Regelung.

[Beifall bei den Grünen]

Meine Damen und Herren! Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu, mit denen die schlimmsten verbliebenen Mängel der Vorlage repariert werden. Dann können auch wir der Vorlage zustimmen. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Schönen Dank, Herr Kollege! – Das Wort hat nunmehr Kollege Schuster. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

[Frau Oesterheld (Grüne): Wo ist der Senator? – Weitere Zurufe von den Grünen – Wieland (Grüne): Schon erschöpft in seinem Amt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn eben demokratische Kultur angemahnt wurde, dann möchte ich das doch auch gern für die Beratungen im Parlament geltend machen. Ich finde, das ist schon ein starkes Stück: Da wird über die Sache sehr intensiv im zuständigen Ausschuss beraten, und wir sind uns in einer Frage – den 20 % – alle einig. Es wurde ja gerade gesagt, dass die Opposition auch diese Idee hatte. interjection: [Zurufe von den Grünen]

Wir verabschieden das in diesem Punkt einvernehmlich, aber dann kommen hier noch einmal Änderungsanträge. Also, das ist doch ein bisschen merkwürdig und erweckt den Eindruck, als hätten sich bestimmte Gruppen beschwert und man hat nicht den Mut, zu dem zu stehen, was man dort im Ausschuss beschlossen hat.

Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass diese Details, die Sie vorgetragen haben, noch einmal beratungsbedürftig sind, dann hätten Sie einen Antrag auf Rücküberweisung in den Ausschuss stellen müssen. Das ist der Ort, um darüber noch einmal im Detail zu diskutieren, nicht aber – bei dieser speziellen Frage – das Plenum des Parlaments.

Ich will auch in der Sache kurz etwas sagen, damit es nicht so klingt, als würden wir nur aus formalen Gründen etwas ablehnen, was ansonsten vielleicht sinnvoll wäre. Es geht bei dieser umstrittenen Regelung – 15 oder 20 oder wie viel Prozent auch immer für Auswahlgespräche – nicht um eine Abwertung des Abiturs, sondern es geht um eine Ergänzung, um den Versuch, das, was durch andere Kriterien – eben u. a. auch Abitur – vorgegeben ist, zu ergänzen. Bisher hatten wir in Berlin die Möglichkeit, 15 Prozent über sogenannte Auswahlgespräche zuzulassen, in Fächern, in denen ein lokaler NC besteht. Dieses wurde von den Hochschulen überhaupt nicht wahrgenommen, das hat die Anhörung ergeben. Daraufhin haben wir gesagt, wir werden diese Regelung auf gar keinen Fall auf 50 Prozent erhöhen, haben uns aber auf 20 Prozent – mit ihrer Zustimmung, liebe Opposition – verständigt, weil das der Kompromiss auf Bundesebene zwischen den Ländern und der Bundesregierung, an der ja wohl auch die Grünen beteiligt sind, gewesen ist.

[Weinschütz (Grüne): Das tragen wir ja auch mit!]

Das ist der Hintergrund, weshalb hier 20 Prozent für diese Regelung vorgesehen sind. Wir geben den Hochschulen damit noch einmal die Chance, diese Auswahlgespräche zu führen und Erfahrungen mit diesem Instrument zu gewinnen. Wenn diese Erfahrungen vorhanden sind, dann allerdings können wir uns

endgültig darüber unterhalten, ob wir das ausbauen, ganz streichen oder lassen, wie es ist. Hier in dieser Situation gibt es keinen Grund, ihren Änderungsanträgen zu folgen. Wenn Sie der Meinung sind, darauf habe ich bereits hingewiesen, das müsse erneut beraten werden, dann beantragen Sie Rücküberweisung. Wenn Sie das nicht tun, zeigt das nur umso mehr, dass es Ihnen nur darum geht, hier eine Show für eine bestimmte Klientel abzuziehen.

[Beifall bei der SPD – Frau Oesterheld (Grüne): Das ist aber ein bisschen billig!]

Danke schön, Herr Kollege Schuster! – Für die Fraktion der PDS hat nun der Kollege Hoff das Wort. Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass das Hochschulzulassungsgesetz im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung behandelt worden ist, hat maßgebliche Gründe darin, dass das Hochschulrahmengesetz geändert worden ist und eine entsprechende Übernahme in die Hochschulzulassungsgesetze notwendig ist. Ein entsprechender Staatsvertrag ist erarbeitet worden. Somit ist in jedem Land das Hochschulzulassungsgesetz novelliert worden.

Interessanterweise stehen wir in gewisser Weise wirklich vor einem Dilemma. Es gilt festzuhalten, dass der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung derzeit eine hochwertige Arbeit leistet. Es werden Diskussionen in einer Qualität geführt, die in anderen Ausschüssen nicht denkbar wären. Das muss man anerkennen. Diese Anhörung war wirklich ein Lehrstück in parlamentarischer Demokratie. Es hat eine Anhörung stattgefunden, und jede Fraktion lädt dazu natürlich Gruppen ein, die in der Lage sind, bestimmte Positionen argumentativ zu stützen, wissenschaftlich zu untermauern bzw. dadurch diese Argumente auch in das Parlament zu bringen. Interessanterweise haben alle Anzuhörenden Positionen vertreten, die alle Fraktionen zum Nachdenken gebracht haben. Dies zeigt sich daran, dass der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Punkte aufnimmt, die in den bereits vorliegenden Änderungsanträgen der Oppositionsfraktionen enthalten waren. Das spiegelt wider, von welch hoher Qualität die Anhörung gewesen ist.

Das Dilemma besteht darin, dass der sehr hochwertigen Anhörung im Ausschuss eine unzureichende Information der betroffenen Hochschulen und der entsprechenden Interessensvertretungen, wie beispielsweise den Gewerkschaften, vorangegangen ist. Das ist ein Problem, das meines Erachtens seine Ursache in einer bestimmten Haltung der Senatsverwaltung hat, die offensichtlich an der Öffentlichkeit von Verfahren nur ein marginales Interesse zu haben scheint. Das ist aus unserer Sicht ein Problem, und deshalb war es für uns als Oppositionsfraktion wichtig, das im Parlament zur Sprache zu bringen, um auch der Ministerialbürokratie zu zeigen, wie unser Anspruch an eine Gesetzesdebatte in der Öffentlichkeit – und zwar nicht nur der parlamentarischen – aussieht.

Grundsätzlich möchte ich dazu Stellung nehmen, was überhaupt in diesem Gesetz steht. Das Hochschulzulassungsgesetz ist kein Gesetz, bei dem es uns als PDS-Fraktion leicht fällt, zuzustimmen. Die Hochschulzulassungsbeschränkungen sind keine inhaltlichen begründeten Beschränkungen der Hochschulen, vielmehr wird die Hochschulzulassung deshalb beschränkt, weil man eine künstlich durch den Haushaltsgesetzgeber hergestellte Knappheit an Studienplätzen steuern will. Dafür braucht man das Hochschulzulassungsgesetz, mit dem das gesteuert wird, und dafür hat man sich bestimmte scheinbar rationale Kriterien ausgesucht, wie beispielsweise das Abitur. Die Frage lautet: Ist das wirklich ein hinreichendes Kriterium, um die Hochschulzulassung wirklich zu beschränken? – Unser Anspruch ist es – das ist deutlich geworden im abgeschafften Medizinertest, das ist auch in dem seit den 70er Jahren rechtlich umstrittenen Status des Numerus clausus deutlich geworden –, dass dieser Numerus clausus nur noch eine begrenzte Halbwertzeit hat. Der NC wird künftig fallen, und das Hochschulzulassungsgesetz und die Hochschulrahmengesetzdebatte haben in diesem Punkt keine

zukunftweisenden Regelungen gefunden. Aus diesem Grund sind auch die Änderungen des Hochschulzulassungsgesetzes nur begrenzt.

Wenn dann jedoch seitens der Hochschulen versucht wird, weil man um die rechtliche Schwierigkeit des Numerus clausus weiß, Auswahlgespräche als ein vermeintliches Alternativkriterium für die Hochschulzulassungsbeschränkung einzuführen, dann hat das in gewisser Weise einen ideologischen Zug,

[Zuruf des Abg. Kittelmann (CDU)]

weil es darum geht, dass sich Professorinnen und Professoren ihre Studierenden selbst aussuchen. Es ist auch demokratietheoretisch ein Problem, weil die Professoren, die in der akademischen Selbstverwaltung mit Studierenden in den Gremien sitzen, sich sozusagen den Partner bzw. Gegner in der akademischen Selbstverwaltung selbst aussuchen. Das ist ein Problem und muss in die Diskussion einbezogen werden. Das ist gemacht worden und hat zu der Absenkung der Quote der per Auswahlgespräch Zugelassenen geführt. Wenn aber die Professorinnen und Professoren an den Hochschulen sagen, sie wollen sich ihre Studierenden zu 50 Prozent selbst aussuchen, dies dann jedoch nicht tun, bzw. so gut wie nicht tun – nur zu unter 20 Prozent –, dann ist das eine ideologische Argumentation, in der es darum geht, den Charakter einer Hochschule zu verändern, aber nicht darum, ein wirklich sinnhaftes Kriterium für die Hochschulzulassung zu finden. Dem muss man dann auch einen Riegel vorschieben und ganz klar sagen, eine ideologische Argumentation von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, die in der praktischen Arbeit ihren Niederschlag nicht findet, machen wir nicht mit.

[Kittelmann (CDU): Schneller reden, schneller reden!]

Hören Sie einfach zu, Herr Kittelmann. Sie haben es wahrscheinlich nicht gelernt, zuzuhören und Dinge aufzunehmen. Deshalb quatschen sie einfach dazwischen, dann aber bitte inhaltsreich.

Der letzte Punkt, meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Ich finde, die Argumentation mit der Abiturabwertung ist immer einen schwierigen Punkt. Ob man sich als GrünenFraktion unbedingt darauf beziehen sollte, dass das Abitur entwertet wird, ziehe ich in Zweifel. Die Frage lautet eher, ob man den Diskussionsstrang Abiturentwertung nicht komplett unterlassen und sich statt dessen über die Frage der Hochschulzulassung generell verständigen sollte. Will man die Hochschulzulassung überhaupt haben, oder müssten dafür nicht neue Instrumente entwickelt werden? – Sie haben sogar versucht, in der Anhörung mit einem extra dazu berufenen Anzuhörenden das Argument der Abiturentwertung zu verdeutlichen. Ich halte das für einen schwierigen Argumentationsstrang. Eher muss die Argumentation lauten, Menschen, die einen Meisterabschluss gemacht haben, sollen an die Hochschulen gehen, die Hochschulen müssen viel stärker geöffnet werden, anstatt sich mit der Frage der Abiturentwertung zu beschäftigen. Die Diskussion muss ganz anders aufgezogen werden, dann wird sie innovativer.

[Beifall bei der PDS]

Der Kollege Brauner für die Fraktion der CDU hat nunmehr das Wort, bitte schön!