Protocol of the Session on June 22, 2023

„Antisemitismusbeauftragter stellte Rammstein-Konzerte in Berlin infrage“

Warum sage ich Ihnen das? - Felix Klein ist seit 2018 Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung und hat sich in der aktuellen Debatte um die Vorwürfe gegen den Sänger der Band Rammstein zu Wort gemeldet.

Warum hat er das gemacht? - Klein bezieht sich auf ein Video der Band aus dem Jahr 2019, in dem sich Bandmitglieder als KZInsassen gezeigt hatten. Dazu sagte er - ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter verschoben werden, auch wenn das unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit geschieht.“

Wahre Worte, treffende Worte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind hier nicht in einem juristischen Einführungsseminar über die Bedeutung und die Grenzen der Kunstfreiheit. Unabhängig von der Bewertung des Videos ist es Felix Klein mit seinem Beitrag jedoch gelungen, den Fokus meinungsbildender Medien auf Antisemitismus zu lenken und für antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft zu sensibilisieren. Dafür gebührt ihm unser außerordentlicher Dank.

(Beifall SPD, B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Das dargelegte Beispiel zeigt eine der wichtigen Funktionen eines Antisemitismusbeauftragten und verdeutlicht, warum auch wir in Brandenburg mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf eine solche Beauftragtenstelle einrichten, nämlich um den Kampf gegen Antisemitismus noch sichtbarer zu machen als bisher, um klarzustellen, dass es sich bei der Bekämpfung von Antisemitismus um eine Daueraufgabe handelt, und um zu verdeutlichen, dass wir es nicht unterlassen dürfen, immer und immer wieder darauf hinzuwirken, dass antisemitischen Vorurteilen, Verschwörungserzählungen sowie verbalen und täglichen Übergriffen gegen Jüdinnen und Juden die Stirn geboten wird. Wir wollen eine weltoffene und tolerante Gesellschaft sein!

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und DIE LINKE sowie des Abgeordneten Vida [BVB/FW])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider erleben wir, dass antisemitische Vorurteile und Verschwörungserzählungen

(Hohloch [AfD]: Seit 2015 wieder zunehmen!)

auch bei uns in Brandenburg weiterhin Konjunktur haben, alte Klischees wieder hervorgeholt werden und Judenfeindschaft und Judenhass auch heute noch weit verbreitet sind. Das besorgt meine Fraktion und mich ganz besonders.

Dieser Konjunktur müssen wir entgegenwirken. Vor diesem Hintergrund sind die Botschaften ebenso klar wie eindeutig: Das Judentum ist seit vielen Jahrhunderten ein bedeutender und fester Bestandteil unserer Kultur in Deutschland. Nie wieder! Wir stehen zu unserer historischen Verantwortung und treten allen gesellschaftlichen Tendenzen, die antisemitisches Gedankengut transportieren und verbreiten, entschieden entgegen.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und DIE LINKE sowie des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])

Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und DIE LINKE sowie des Abgeordneten Vida [BVB/FW])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Kampf gegen Antisemitismus fangen wir in Brandenburg nicht bei null an, sondern können auf bestehende und gut funktionierende Strukturen und Beratungsnetzwerke aufbauen. Allen voran sei hier die Fachstelle Antisemitismus Brandenburg genannt, die insbesondere als Erstanlaufstelle für Betroffene von Antisemitismus dient und darüber hinaus umfassende Beratungsangebote unterbreitet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort leisten hervorragende Arbeit, für die ich mich im Namen der SPD-Fraktion herzlich bedanken möchte.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Wichtig ist: Wir schaffen keine Konkurrenz- und Doppelstrukturen. Vielmehr stärken und flankieren wir die bestehenden Strukturen mit der neuen Beauftragtenstelle, um die Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus weiter zu erhöhen.

Nicht zuletzt untersetzen wir den Verfassungsauftrag weiter, den wir uns vor rund einem Jahr an dieser Stelle mit der Einführung einer Antisemitismusklausel selbst ins Stammbuch geschrieben haben. Heute schreiten wir da weiter voran.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und DIE LINKE sowie des Abgeordneten Vida [BVB/FW])

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf richten wir die Stelle eines oder einer Beauftragten zur Bekämpfung des Antisemitismus im Land Brandenburg ein, die künftig beim Landtag angesiedelt sein wird, und regeln hierin die Stellung, die Aufgaben und Befugnisse sowie die Zuständigkeiten der oder des Beauftragten.

Ich freue mich auf die detaillierten weiteren Beratungen zu diesem wichtigen Gesetzesvorhaben, werbe für die Überweisung an den Hauptausschuss und möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns mit der 1. Lesung an den Beginn der parlamentarischen Diskussion begeben und im Hauptausschuss weitere Debatten führen werden. Wir werden eine Anhörung durchführen, sodass all diejenigen, die sich in die Erarbeitung und Weiterqualifizierung des Gesetzentwurfs noch einbringen möchten, auch die Möglichkeit haben, dies zu tun.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE, DIE LINKE und BVB/FW)

Ich freue mich auch, dass wir den Gesetzentwurf überweisen und damit das Signal aussenden, dass Brandenburg weltoffen und tolerant bleibt.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE, DIE LINKE und BVB/FW)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Kotré für die AfD-Fraktion fort. Bitte schön.

(Beifall AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Brandenburger! Liebe Zuschauer! Der Gesetzentwurf zur Einrichtung der Stelle eines Antisemitismusbeauftragten, den die ganz, ganz große Koalition uns hier heute vorgelegt hat, ist ein weiteres Beispiel für die Symbolpolitik, die Sie so gerne lieben.

(Beifall AfD)

Dass damit offenbar ein weiterer Versorgungsposten für die eigene Klientel geschaffen werden soll, ist eine Vermutung, der ich mich nicht erwehren kann. Und das ist etwas, was wir zutiefst ablehnen.

(Beifall AfD)

Wir lehnen es ab, dass Sie hier auf dem Rücken der Menschen, die tatsächlich Antisemitismus erfahren haben, Politik machen wollen. Und dabei verkennen Sie in ganz erheblichem Maße, was denn die Ursachen für wirklichen Antisemitismus sind. Laut einer Studie, die im März 2019 von der European Union Agency for Fundamental Rights und dem Institute for Jewish Policy Research im Auftrag der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde - jetzt hören Sie zu! -,

(Keller [SPD]: Jetzt kommen die Flüchtlinge und Auslän- der!)

sind die Täter bei antisemitischen Straftaten in erster Linie Menschen aus dem islamischen Spektrum.

(Beifall AfD - Hohloch [AfD]: Das hätte ich nicht gedacht!)

Das ist eine Schande!

(Zurufe von SPD und CDU - Keller [SPD]: Sie sind eine Schande!)

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Walter zu?

(Frau Kotré [AfD]: Ja!)

- Bitte schön, Herr Walter.

Vielen Dank, Frau Kotré, dass Sie die Frage zulassen. Sie haben gerade eine Behauptung in den Raum gestellt. Deshalb möchte ich gerne von Ihnen wissen, wie viele der 183 antisemitischen Straftaten, die es im letzten Jahr in Brandenburg gegeben hat, von Rechtsextremen oder Rechten verübt wurden und wie viele - wie Sie behaupten, also angeblich - von Muslimen, Muslima oder von Flüchtlingen verübt wurden.

Darauf kann ich Ihnen sehr gerne antworten, Herr Walter. Das Problem ist: Sie können das nicht genau verifizieren, weil es nämlich hier an der Statistik krankt.

(Beifall AfD)

Es krankt an der Statistik. Es krankt an der Einordnung, wann eine Straftat antisemitisch ist

(Keller [SPD]: Das ist Quatsch! - Zuruf des Abgeordneten Vida [BVB/FW])

und wann nicht. Darauf komme ich in meiner Rede später noch zurück.

Wie gesagt, es ist eine Schande, weil Sie die Wirklichkeit verkehren und die Realität verzerren.

(Beifall AfD)

Bei der genannten Studie handelt es sich um eine groß angelegte, repräsentative Studie über die Erfahrung vor allem junger Juden in Europa. Es wird Sie nicht überraschen, dass Deutschland in ebenjenem Europa liegt, in dem die jüdischen Menschen diese Erfahrungen gemacht haben. Und das ist etwas, was schlicht und ergreifend von Ihnen allen verschwiegen wird.