Es geht uns um sichere und klare Strukturen für Betreuungsvereine und insbesondere ausreichend hauptamtliche Mitarbeiter. Wir haben es gerade gehört: Das sind genau jene Menschen, die die Menschen unterstützen, die diese Betreuung ehrenamtlich übernehmen.
Und an diesem Punkt - da muss ich Ihnen, Herr Baaske, widersprechen - versagt die Landesregierung, denn es gelang ihr nicht, den Rat von Sachverständigen anzunehmen. Sie haben dieses Hin und Her mit den Zahlen gerade geschildert: Wir hatten hier eine Anhörung, und da hieß es unisono, man brauche eine Vollzeitkraft für 50 000 Einwohner. Und dann bekamen wir erst einmal 100 000 vorgelegt, dann 120 000 und jetzt 70 000. Das versteht doch keiner mehr. Da kann man wirklich nur noch den Kopf schütteln.
Die Landesregierung schafft es nicht, die Lage der Betreuungsvereine adäquat zu beleuchten. Sie erhalten für immer mehr Arbeit immer weniger Lohn - das haben wir in der Anhörung auch gehört. Warum? Weil die Entwicklung der Vergütung der Betreuungsvereine in den vergangenen 17 Jahren der Inflation inzwischen fünf Prozentpunkte hinterherhinkt. Das haben wir hier gehört, und das ist ein klassischer Fall von Reallohnverlust.
Meine Damen und Herren, uns geht es hier um die vielen Brandenburger, die ehrenamtlich helfen. Wir dürfen sie nicht verprellen, wir müssen diese Leute vielmehr bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung unterstützen, und zwar psychisch und physisch. Ein lapidares „Danke“ und „Wir machen hier eigentlich genug“ von der Landesregierung, ein „Alles bestens“ kann wirklich nicht die passende Antwort sein.
Das scheint sogar die Landesregierung insgeheim zu wissen, sie gibt es aber nicht zu. Zu einem anderen Schluss kann ich gar nicht kommen, wenn ich jetzt lesen muss, dass das Gesetz anstatt nach drei Jahren schon nach einem Jahr ausgewertet werden soll. Aber warum sollen wir ein ganzes Jahr damit warten, zu schauen, ob die Betreuungsvereine mit dieser offensichtlich unzureichenden Regelung klarkommen? Wenn die Landesregierung die Betreuungsvereine sofort auskömmlich ausstatten würde, wäre das Ganze überflüssig. Stattdessen wird hier hartnäckig versucht, noch ein paar Euro zu sparen. Das ist das Gegenteil von sozial.
Was wir noch kritisieren: Die Regierungskoalition hat mal eben die Verlängerung des Infektionsschutzbeteiligungsgesetzes in den Gesetzentwurf gebastelt, und zwar in den Artikel 4. Dort ist immerhin geregelt, dass das Parlament hinsichtlich der Coronamaßnahmen beteiligt wird; das will ich auch gar nicht kritisieren. Dennoch ist es überflüssig, denn die Pandemie ist vorbei. Wir werden jedoch zustimmen, denn die parlamentarische Beteiligung mit Bezug zu den Coronamaßnahmen ist unbedingt notwendig, immerhin geht es hier um erhebliche Einschränkungen der Grundrechte, und da darf man nicht am Parlament vorbei regieren.
Wir werden auch nicht gegen das neue Betreuungsausführungsrecht stimmen, denn tatsächlich enthält es wesentliche Forderungen der AfD. Darum wird sich meine Fraktion enthalten. - Ich danke Ihnen für die Debatte, die für viele Menschen in unserem Land ganz wichtig ist.
Vielen Dank. - Wir fahren in der Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Augustin für die CDU-Fraktion fort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ist eigentlich allen oder den meisten in diesem Raum bekannt, was ein Betreuer nach dem Betreuungsrecht überhaupt ist?
Sicherlich denken viele erst einmal an eine Aufsichtsperson, die Nächsten an Pflegedienste oder gesundheitliche Unterstützung. Geregelt ist das Betreuungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch. Unter § 1896 ist festgehalten:
„Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer.“
Wie die Praxis aussieht, wurde uns vor einiger Zeit im Rahmen eines parlamentarischen Abends sehr gut aufgezeigt. Da ich im direkten Umfeld mit einer rechtlichen Betreuerin den Alltag erlebe, kann ich sagen, dass das nur einen Bruchteil darstellt. Ich bin Günter Baaske sehr dankbar, dass er diese schwierige Materie in seinem Redebeitrag deutlich zu machen versucht hat. Dass sie nicht verstanden wird, haben wir gerade bei Frau Dr. Oeynhausen feststellen können.
Ich muss auch sagen, Frau Dr. Oeynhausen: Es greift zu kurz, wenn Sie das Thema auf die ältere Generation begrenzen. Es
Seit fast 20 Jahren ist die gerichtlich bestellte Betreuerin, die ich kenne, aktiv und hat in der Zeit so einiges erlebt - ob immer wieder Herausforderungen, was sie eigentlich wissen und absolvieren müsse oder was andere immer meinen, über die Zuständigkeiten eines Betreuers zu wissen, ob nächtliche Anrufe vom Krankenhaus: „Hallo, Ihr Betreuter ist hier, Sie haben ihn jetzt sofort abzuholen. Wie konnten Sie ihn überhaupt aus den Augen lassen?“
Dass ein gerichtlich bestellter Betreuer um die 40 Betreuungsaufträge annehmen muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist den meisten unbekannt - sie können sich auch nicht vorstellen, dass man die 40 Betreuten nicht die ganze Zeit in seinem Haus beaufsichtigen kann. Gestern, sagte mir die Betreuerin, rief eine Behindertenwerkstatt an und teilte ihr mit: „Ihr Betreuter ist positiv auf Corona getestet. Sie müssen ihn jetzt sofort abholen und nach Hause fahren.“
Ungeachtet dessen, was tatsächlich die Aufgaben der Betreuerinnen und Betreuer sind und dass teilweise schon Informationsblätter der Betreuungsbehörden ausgehändigt werden müssen, damit es klarer wird, leisten viele Betreuer, egal ob gerichtlich bestellt oder ehrenamtlich, Immenses. Gerade im ländlichen Raum, wo oft keine Transportmöglichkeiten vorhanden sind, wird dann auch der Fahrdienst übernommen. Und auch wenn es definierte Aufgabenkreise gibt, werden natürlich auch Bindungen entwickelt und wird der soziale Austausch gepflegt.
Dennoch haben gerade die Betreuer einen schlechten Ruf. Die Vorurteile wiegen schwer. Oft wird ihnen aus besagter Unwissenheit vieles vorgeworfen, unterstellt, sie würden sich am Betreuten bereichern und ihn betrügen. Wer schon einmal die Abrechnung erstellt und das Prozedere mit den Amtsgerichten selbst erlebt hat, merkt schnell, dass das kaum möglich ist, und so ist es auch richtig.
Angesichts der Ausgangssituation ist es nicht verwunderlich, dass kaum mehr Betreuer zu finden sind, gerade auch ehrenamtliche Betreuer. Insofern war es dringend erforderlich, das entsprechende Gesetz zu überarbeiten und bessere Grundbedingungen für die Betreuung zu finden.
Sehr geehrte Damen und Herren, die ehrenamtliche Betreuung und vor allem die Arbeit der Betreuungsvereine spielen hier eine ganz besondere Rolle und werden im Ausführungsgesetz auch entsprechend bedacht. Der Deutsche Bundestag hat am 5. März 2021 ein Gesetzespaket verabschiedet, das am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird und das materielle Betreuungs- und Vormundschaftsrecht neu fasst. Entsprechend hat das Land Brandenburg mit dem vorliegenden Gesetz zur Neuregelung des Betreuungsausführungsrechts im Land Brandenburg und zur Änderung weiterer Gesetze eine Ausgestaltung vorgesehen. Mit diesem Gesetz sollen die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausführung des neuen bundesrechtlichen Betreuungsorganisationsgesetzes geschaffen werden. Neben bereits mit dem Betreuungsausführungsgesetz übertragenen Aufgaben werden den entsprechenden Trägern nun weitere Aufgaben übertragen und wird die finanzielle Ausstattung der Betreuungsvereine für die Wahrnehmung der Querschnittsaufgaben neu geregelt. Von der bisherigen - freiwilligen - Förderung durch Zuwendungen wird zugunsten einer verpflichtenden Förderung abgewichen.
Wir haben nach der 1. Lesung hier im Plenum den Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuss überwiesen. Ich bin dankbar für die dort durchgeführte Anhörung am 19. Oktober 2022, wurde in dieser von den Vertreterinnen und Vertretern doch noch einmal klar die Komplexität der Betreuung aufgezeigt. Dass die Aufgaben der einzelnen Betreuer - nicht nur der gerichtlich bestellten Betreuer und ehrenamtlichen Betreuer - stark variieren, wurde hier besonders deutlich, ebenso die wichtige Aufgabe der Betreuungsvereine, die zum einen die ehrenamtlichen Betreuer begleiten und ihnen mit Rat zur Seite stehen, zum anderen aber auch selbst meist Betreuungen übernehmen.
Im Zuge der Diskussion stellte sich als ein besonderer Knackpunkt die finanzielle Unterstützung der Betreuungsvereine für eine festgehaltene Personenzahl heraus. Die Koalitionsfraktionen haben hier mit einem Änderungsantrag reagiert und den ursprünglich angedachten Schlüssel von einer hauptamtlichen Kraft pro 120 000 Einwohnern auf 1 : 70 000 verbessert. Gleichwohl es auch weitergehende Forderungen gab, ist diese Änderung sehr breit positiv aufgenommen worden - da muss ich Frau Dr. Oeynhausen widersprechen.
Das Betreuungsrecht, die Änderungen auf Bundesebene und damit auch das vorliegende Ausführungsgesetz spiegeln eine sehr komplexe Materie wider. Ich hoffe, dass ich Sie ein wenig in den Betreueralltag mitnehmen konnte. Wichtig ist aber, dass wir mit dem vorliegenden Ausführungsgesetz eine Besserstellung der Betreuungsvereine, eine Unterstützung der Betreuungsbehörden und damit bessere Arbeitsbedingungen für die Betreuer und für den Dienst am Menschen erreichen.
Der Bedarf an Betreuungen ist nach wie vor groß. Ich bitte daher um Zustimmung. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Büttner für die Fraktion DIE LINKE zu uns. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat behandeln wir heute die Neuregelung des Betreuungsausführungsgesetzes im Land Brandenburg. Diese ist, wie richtigerweise angemerkt wurde, notwendig geworden, weil der Bund das Betreuungsorganisationsgesetz geändert hat. Insofern ist die Neuregelung zwingend erforderlich.
Ich schließe mich ausdrücklich dem Dank der Kollegen Augustin und Baaske an die Betreuerinnen und Betreuer an, denn die Aufgabe, die sie in diesem Land übernehmen, hat nicht nur etwas damit zu tun, wie man anderen Menschen hilft, sondern es ist auch sehr viel persönliche Empathie erforderlich, um diese Aufgabe überhaupt durchführen zu können. Und ich finde, dass die Betreuerinnen und Betreuer in diesem Land wirklich Großartiges leisten.
Deswegen geht es auch darum, wie wir das Betreuungsausführungsrecht in Brandenburg umsetzen. Einigermaßen verwundert - das gebe ich zu - waren wir über das gesamte Verfahren. Im Beteiligungsverfahren - das wurde schon angedeutet - war der
Bemessungsschlüssel auf 1 : 100 000 festgeschrieben worden. In der ersten Fassung, die dem Landtag vorgelegt wurde, war plötzlich von einem Bemessungsschlüssel von 1 : 120 000 die Rede. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Bereits im Beteiligungsverfahren hatten sich ausnahmslos alle für einen Bemessungsschlüssel von 1 : 40 000 oder 1 : 50 000 ausgesprochen.
Ich stelle mal eine Vermutung in den Raum: Das zuständige Ministerium wusste, dass der Druck der Betreuungsvereine auf die Abgeordneten im Ausschuss groß sein würde. Wenn man also dem Landtag einen Schlüssel von 1 : 120 000 vorlegt, kann man sich eine Verbesserung abhandeln lassen und landet am Ende wieder bei den geplanten 100 000. - Insofern, Herr Staatssekretär: Klug gemacht! Aber offensichtlich war der Druck der Opposition und der Betreuungsvereine noch ein bisschen größer und hat noch besser gewirkt. Wir, die Linksfraktion, hatten einen Änderungsantrag für einen Bemessungsschlüssel von 1 : 50 000 im Landtag eingebracht. Dieser Antrag wurde abgelehnt, aber die Koalitionsfraktionen haben einen eigenen Änderungsantrag für einen Schlüssel von 1 : 70 000 eingebracht - und damit, sage ich Ihnen, liebe Koalitionäre, können wir gut leben. Und ich denke, die Betreuungsvereine können damit auch erst einmal gut leben. Wir werden bei der Evaluierung dann sehen, ob eine weitere Verbesserung notwendig ist oder nicht.
Angesichts der vielfältigen Neuregelungen, die im Betreuungsorganisationsgesetz vorgenommen wurden, werden sehr verschiedene umfangreiche Veränderungen auf alle Akteure im Betreuungswesen zukommen. Wir finden, der vorliegende Gesetzentwurf ist in weiten Teilen gut gelungen. Auch ich wünsche mir, dass sich die Landkreise deutlich stärker beteiligen - wir kennen den entsprechenden Wunsch der Betreuungsvereine. Das ist in den Landkreisen sehr unterschiedlich: Manche Landkreise beteiligen sich, manche tun es nicht, manche lehnen es komplett ab, manche ein bisschen. Zum Beispiel ist der Wunsch der Betreuungsvereine nachvollziehbar, die Overhead-Kosten, die Verwaltungskosten besser erstattet zu bekommen. Es wäre doch eine schöne Aufgabe für die Landkreise, da mit einzusteigen.
Wir wünschen uns noch, dass die Landesregierung bei der Umsetzung der Reform des Betreuungsrechts angesichts der erheblichen Mehrarbeit auch auf die Betreuungsvergütung Einfluss nimmt. Das muss sie auf Bundesebene tun, da findet dann auch eine Evaluierung statt. Das sollte man jetzt aber nicht ausblenden, sondern miteinbeziehen.
Was wir allerdings nicht akzeptieren, ist die versteckte Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Das gewählte Omnibusverfahren ist möglich, aber es ist kein schönes und auch kein sauberes Verfahren. Möglicherweise dachten Sie auch, dass das untergeht. Mit der Änderung des Paragrafen 4 im Infektionsschutzgesetz nehmen Sie die Parlamentsbeteiligung tatsächlich auch noch ein Stück zurück. Das ist für die Linksfraktion nicht akzeptabel.
Daher haben wir beantragt, über die einzelnen Punkte der Drucksache getrennt abzustimmen. Wir stimmen dem Betreuungsausführungsgesetz zu. Dem vorliegenden Änderungsantrag der Koalition stimmen wir auch zu. Den Artikel 4 lehnen wir in der Form ab. Sollte die getrennte Abstimmung nicht möglich sein, werden wir uns enthalten. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.