Protocol of the Session on December 14, 2022

„[…] [D]enn nicht nur das Bundesverwaltungsgericht hat Defizite aufgezeigt, sondern auch das Justizministerium hat öffentlich bekannt gegeben, zwei Verfassungswidrigkeiten im Richtergesetz entdeckt zu haben, zum Beispiel bei den Zuständigkeiten des Richterwahlausschusses. […]

‚Der weitere Ausbau der richterlichen Selbstverwaltung, mehr Autonomie und eine stärkere organisatorische Trennung der Gerichte von der Exekutive sind dringender denn je.‘“

Diese verheerende Kritik ist durchaus nachvollziehbar. Das Gewaltenteilungsprinzip wird durch das vorliegende Gesetz weiterhin missachtet, die Exekutive mischt sich weiterhin - trotz des klarstellenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts - in den Bereich der Judikative ein; es erfolgt mit diesem Gesetzentwurf keine wesentliche Verbesserung. Die versuchte Reparatur ist misslungen. Aktuell kontrolliert der Kontrollierte den Kontrolleur, was unverzüglich abzuändern ist!

Leider wurde bis heute verpasst, auch nur eine dieser Schwachstellen zu beseitigen, geschweige denn die Vielzahl der sich aus der Anhörung ergebenden Verbesserungsvorschläge in den Gesetzentwurf zu übernehmen.

Herr Abgeordneter, Sie müssten zum Schluss kommen; Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Wir kommen zum Redebeitrag der CDU-Fraktion. Für sie spricht Herr Abgeordneter Eichelbaum.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Anpassung der in § 9 des Richtergesetzes geregelten rechtlichen Grundlagen für die dienstliche Beurteilung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten vor. Anlass dafür - das wurde von meinen Vorrednern erwähnt - ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Rechtsprechung bestätigt aber, Herr Hanko, die inhaltlichen Regelungen, die in Brandenburg für die Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten gelten. Das Bundesverwaltungsgericht hat lediglich neue Anforderungen an die formale Struktur dieser Regelung entwickelt. Demnach müssen dienstrechtliche Beurteilungen aufgrund der Verwirklichung grundrechtsgleichen Rechts aus Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz in Rechtsnormen und nicht mehr in Verwaltungsvorschriften geregelt werden. Dabei hat der Gesetzgeber das Beurteilungssystem festzulegen, und er muss anordnen, dass am Ende der Beurteilung ein zusammenfassendes Gesamturteil gebildet wird. Alle weiteren Einzelheiten können in einer Rechtsverordnung geregelt werden.

Bislang sind in § 9 des Richtergesetzes zwar wesentliche Grundlagen des Beurteilungswesens festgelegt. Die genauen Bestimmungen werden jedoch den Beurteilungsrichtlinien der obersten Dienstbehörde überlassen. Das ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur noch für eine Übergangszeit ausreichend. Dementsprechend muss eine Anpassung des Beurteilungssystems vorgenommen werden.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird eine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung geschaffen, die Anforderungen der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden damit erfüllt.

Außerdem mahnte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Rechtslage in Rheinland-Pfalz an, dass bei der Beurteilung Eignung, Leistung und Befähigung in eine Gesamtnote einfließen müssen. Das bedeutet für Brandenburg aber keine Neuerung, da dies ja schon so praktiziert wird.

In der Anhörung im Rechtsausschuss wurde die vorgenommene Novellierung des Gesetzes sowohl vom Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg als auch vom Deutschen Richterbund sowie von der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter begrüßt und eine schnelle Umsetzung gefordert. Zusammenfassend möchte ich deshalb noch einmal betonen, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auf eine Vorgabe der dritten Gewalt reagieren und damit unser Beurteilungssystem für Richter und Staatsanwälte auch für die Zukunft rechtlich tragfähig machen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD und B90/GRÜNE)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abgeordnete Block.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Richterinnen und Richter sind gemäß Artikel 97 Abs. 1 Grundgesetz unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Ihnen kommt auch die wichtige Aufgabe der Kontrolle der Exekutive zu. Aus diesem einfachen Grund verbietet es sich im Sinne der Gewaltenteilung, die Exekutive so weit zu ermächtigen, dass sie durch Verordnungen die Bewertungskriterien für die Beurteilung richterlicher Arbeit aufstellen und somit bei Bewerbungen durch Beurteilungen - Hoch- oder Runterbenotung der richterlichen Arbeit - Einfluss auf die Besetzung von Stellen und damit letztendlich auch auf die Rechtsprechung nehmen kann. Aber genau das passiert mit vorliegendem Gesetzentwurf.

Was Sie, Herr Eichelbaum, gerade als formale Struktur bezeichnet haben, ist keine formale Struktur, sondern eine Frage der Gewaltenteilung. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts gingen nämlich in die Richtung: Wer entscheidet eigentlich über die Beurteilungen? Dass der Gesetzgeber das in ein Gesetz gießt - und nicht in eine Verordnung der Exekutive -, ist keine Formalie, sondern etwas ganz Grundsätzliches; das hat mit der Gewaltenteilung zu tun - und da sollten wir als Gesetzgeber tatsächlich ganz genau hinschauen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist deshalb aus unserer Sicht mitnichten so, dass der Gesetzentwurf eine bloße Notwendigkeit - eine Kleinigkeit - ist, die schnell durchgewunken werden sollte; denn der Entwurf geht über eine schlichte Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung nach den Urteilen hinaus. Er lässt der Exekutive wieder zu viele Befugnisse bei der Festlegung der Kriterien für die Beförderung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwälten. Aus unserer Sicht handelt es sich hierbei um eine bloße Umetikettierung von Vorschriften, die auch nicht ausreichen wird, um die inhaltlichen Vorgaben der Rechtsprechung zu erfüllen. Es steht zu befürchten, dass wir es wieder mit längeren Gerichtsverfahren und wegweisenden Entscheidungen zu tun haben werden, die der Brandenburger Justiz nicht gut zu Gesicht stehen.

Um diese Problematik zu lösen, bringen wir mit unserem Änderungsantrag ein weiteres Mittel der Kontrolle der Exekutive ein: die richterliche Mitbestimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich erinnere Sie auch hier und heute wieder an den Inhalt des Koalitionsvertrages, in dem Sie ein Mehr an Selbstverwaltung und Autonomie der Justiz fest vereinbart haben. Damit können Sie heute beginnen, indem Sie dem Änderungsantrag der Freien Wähler und unserer Fraktion zustimmen, denn mit ihm werden die dienstlichen Beurteilungen von Richterinnen und Richtern einer deutlichen Mitbestimmung unterworfen.

So soll die vorgesehene Rechtsverordnung erst nach Beteiligung der Spitzenorganisationen und des Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrats und der Zustimmung des für die Justiz zuständigen Ausschusses des Landtages in Kraft treten; damit hätten wir dann auch die Legislative im Boot. Nur so ist gesichert, dass die wesentlichen Grundsätze des Beurteilungswesens nicht allein von der Justizverwaltung erstellt werden. Die Berücksichtigung der Beteiligungsrechte entspricht auch dem Geist des Brandenburgischen Richtergesetzes, das in der vergangenen Legislaturperiode mit Vorbildwirkung für andere Bundesländer die Gremien und die richterliche Selbstverwaltung und Unabhängigkeit gestärkt hat.

Ich habe vorhin natürlich der Ausschussvorsitzenden und Kollegin Fischer von der SPD zugehört und mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass wir - wie wir es im Ausschuss schon besprochen haben - vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Zukunftskonferenz, die ja demnächst vorliegen, das Richterbild der Zukunft besprechen werden. Auch ich hoffe auf gute Ergebnisse der Zukunftskonferenz und darauf, dass wir diese Ergebnisse im Ausschuss besprechen können. Ich hoffe auch darauf, eine Möglichkeit zu finden, über das Richtergesetz die Mitwirkungsrechte der Richterinnen und Richter und Staatsanwälte sowie damit letztendlich auch die brandenburgische Justiz zu stärken. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir kommen zum Redebeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für sie spricht Herr Abgeordneter Raschke, und ich übergebe an den Vizepräsidenten Galau.

Ob er sprechen kann, weiß er noch nicht, aber er versucht es. - Herr Vizepräsident! Werte Abgeordnete! Liebe Gäste! Meine Stimme ist fast weg; wir machen es kurz: Ja, das Bundesverwaltungsgericht hat uns Hausaufgaben mitgegeben. Der Landtag muss regeln, wie die Richterinnen und Richter in Brandenburg dienstlich beurteilt werden. Das ist die Grundlage für Beförderungen und Versetzungen, und deswegen ist es extrem wichtig, dass wir das auch tun. Es ist zwingend notwendig, dass wir die Hausaufgaben machen.

Wir haben mehrere Möglichkeiten, wann wir das tun; das wurde gerade schon diskutiert. Wir hätten in der Tat auch Sympathien dafür gehabt, es später zu tun, sind aber mit der schnellen Lösung einverstanden. Wir hätten auch Sympathien dafür gehabt bzw. sehen es als notwendig an, mehr Befugnisse auf das Parlament und weniger auf die Exekutive zu übertragen. Obwohl wir diese Fragen und noch mehr Punkte sehen, die beim Richtergesetz zu klären sind, sind wir mit der schnellen Lösung einverstanden.

Warum? Der Grund dafür wurde schon genannt: Das Gesetz wird in dieser Legislaturperiode noch einmal angepasst. In diesem Zusammenhang kommt alles noch einmal auf den Prüfstand - auch die Punkte, die wir heute behandeln. Deswegen stimme ich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern zu: Ich stimme Tina Fischer zu, die sagt: Diese Debatte zur Zukunft der Justiz ist notwendig. - Ich stimme Kollegen Eichelbaum zu, der sagt: Der Großteil der Anzuhörenden im Ausschuss hat sich für diese Lösung ausgesprochen. - Ich stimme Frau Block zu, die gesagt hat: Wir müssen mehr über die Mitbestimmung in der Justiz reden. - Das sollten wir auch tun; nach Auswertung der Zukunftskonferenz ist die Gelegenheit dafür. All dem stimme ich zu.

Deswegen bitte ich auch Sie: Stimmen Sie diesem Antrag zu! - Herzlichen Dank.

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Vida fort. Er spricht für die Fraktion BVB / FREIE WÄHLER. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Welches Richterbild die Regierungskoalition hat, konnten wir in der Debatte zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt sehr gut sehen. Das reiht sich ganz gut in die Sonntagsreden ein, denen keine Taten folgen. Aber lassen wir das.

Meine Damen und Herren, bei diesem Gesetzentwurf geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Gewaltenteilung. Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes führt uns vor Augen, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung getrennte Bereiche - getrennte Gewalten - sind und die drei Gewalten gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Die Vorredner haben es gesagt: Der Grund für diesen Gesetzentwurf ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches die Situation in Brandenburg ungewöhnlich deutlich kritisiert hat. Es wurden ja einige Zitate aus dem Urteil genannt; ich glaube, das maßgebliche ist:

„[D]ie im Land Brandenburg für die dienstlichen Beurteilungen von Richtern maßgebliche Vorschrift erscheint defizitär.“

Dann haben wir gehört: Die Maßregelung des Bundesverwaltungsgerichts zwingt uns zu einem schnellen Handeln - aber nicht zu einem tiefgründigen Handeln! Das heißt, die Umsetzung dessen, was das Bundesverwaltungsgericht uns aufgetragen hat, ist einerseits sehr akut: Wir müssen sofort handeln und haben nicht einmal die Zeit, uns das tiefgründig anzuschauen. Andererseits ist die mangelnde Tiefgründigkeit kein Problem, denn die Kritik war ja nicht so tiefgründig. Aber es ist sehr eilig.

Es heißt in dem Urteil weiter:

„[D]ie Regelung der dienstlichen Beurteilung von Richtern in Gestalt einer Blankettermächtigung der obersten Dienstbehörde in Form von Beurteilungsrichtlinien [genügt] dem Wesentlichkeitsgebot nicht.“

Unter Juristen ist eine solche Aussage des obersten Gerichts mehr als nur eine ernste Aufforderung, zu reagieren. Das ist eine Standpauke, die man nicht weglächeln und kleinreden kann.

(Beifall BVB/FW)

Doch was macht die Landesregierung? Sie erklärt uns, dass all das nicht so schlimm sei und wir trotzdem sehr schnell sein müssten. Anstatt sich aber zum Beispiel am bayerischen Leistungslaufbahngesetz zu orientieren und alle wesentlichen Beurteilungskriterien vorzugeben - denn das Urteil nimmt auf die bayerische Regelung als ein positives Beispiel Bezug -, versucht die hiesige Landesregierung - verständlich angesichts der Hausleitung -, sich maximalen Einfluss auf die Verwaltung der Richterschaft zu sichern.

Nun könnte man natürlich sagen: Nein, diese Landesregierung wird diese Macht niemals ausüben. - Aber leider ist diese Vorstellung naiv, und ich bin nicht so neu auf der Welt, dass ich nicht weiß, dass das durch jüngste Ereignisse faktisch schon widerlegt ist: Erst kürzlich hat die Justizministerin entgegen dem doppelten Votum des Richterwahlausschusses zwei Richter des Arbeitsgerichts Eberswalde an Gerichte versetzt, die im Land nicht weiter entfernt von deren Wohnort sein könnten.

Jetzt könnte man natürlich sagen: Zufall!

(Zuruf von der Fraktion BVB/FW: Rache!)

Und die Mimik von Herrn Bretz lässt vermuten, dass er glaubt, dass es Zufall sei.

(Bretz [CDU]: Das ist ja eine großartige Unterstellung!)

Doch da irrt er sich. Denn wenn man weiß, dass es genau diese Richter waren, die es gewagt haben, lautstark gegen die Schließung ihres Gerichtes zu opponieren - und das gefällt der Ministerin natürlich nicht -, dann macht das nachdenklich.

(Beifall BVB/FW)

Wir sind aber nicht in der Strafrechts-AG des Referendariats, sondern im Parlament, wo man Widerspruch erheben darf - und auch Richter dürfen eine eigene Meinung haben.

Nach allem, was ich auch im Rechtsausschuss zu diesem ganzen Verfahren erfahren habe, komme ich nicht umhin zu glauben, dass die Justizministerin sowohl dort als auch hier und in Bezug auf zukünftige Entscheidungen gern ihre Macht ausspielt -

(Beifall BVB/FW - Bretz [CDU]: Na, na, na!)

eine Macht, die sich nach meinem Verständnis und dem meiner Fraktion nicht mit der Gewaltenteilung in Einklang bringen lässt. - Herr Bretz, Sie brauchen uns keine Verachtung von Macht vorzuspielen; das glaubt Ihnen sowieso keiner.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD - Heiterkeit des Ab- geordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW])