Protocol of the Session on June 18, 2024

(Abgeordneter Lux [SPD] tritt ans Rednerpult. - Frau Kotré [AfD]: Jeans im Parlament! Wenn das Frau Schier sieht!)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Ja, junge Menschen in Deutschland beschleicht zunehmend ein Ge-

fühl der Verunsicherung. Laut aktueller Sinus-Studie geht das auf mehrere Krisen zurück, mit und in denen junge Menschen aufwachsen: Kriege, Energieknappheit, Inflation, Wohnungsnot oder der vom Menschen gemachte Klimawandel.

Dieses Gefühl äußerte sich zuletzt auch im Wahlverhalten. So wächst die Zustimmung für populistische und national-konservative Parteien auch unter jungen Menschen. Diese Entwicklung muss alle demokratischen Kräfte gleichermaßen nachdenklich stimmen,

(Beifall SPD sowie vereinzelt B90/GRÜNE)

und das tut sie auch. Sie verlangt nach einer kritischen Analyse und darf nicht als jugendlicher Leichtsinn abgetan werden.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. - Ich zitiere aus der aktuellen Pressemitteilung des Landesjugendrings Brandenburg:

„Ein [zunehmender] Teil der Jugend glaubt den etablierten Parteien nicht, dass diese ihre Sorgen ernst nehmen und […] in ihrem (Zukunfts-)Sinne handeln.“

(Münschke [AfD]: Wie recht sie haben!)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag vereinfacht und verfälscht jedoch ganz bewusst die Gründe für dieses Wahlverhalten. Wie werden solche Vereinfachungen und Verfälschungen zu einem Mittel der Politik, und welchen Effekt hat das?

Lassen Sie mich mit der Vereinfachung beginnen: „Die Jugend“, von der im Antrag mehrmals die Rede ist, gibt es nicht. Die Erhebung zur U-16-Wahl und die Ergebnisse der Kommunal- und der Europawahl zeigen, dass es eben kein Jugendkollektiv gibt, sondern dass eine Vielzahl junger Menschen vielschichtig denkt und wählt - und zwar so heterogen wie noch nie. Das darf uns durchaus hoffnungsvoll stimmen.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, in ihrem Antrag trifft die Fraktion zu meiner Rechten zudem bewusst Falschaussagen. Lassen Sie mich das an drei entscheidenden Punkten verdeutlichen: Erstens wurde die AfD bei den Europawahlen bei den 16- bis 24-jährigen Wählerinnen und Wählern nicht stärkste Kraft. Stärkste Kraft wurde die Union.

(Bretz [CDU]: Aha! - Heiterkeit bei der Fraktion B90/GRÜNE - Zuruf von der AfD: Brandenburg! - Freiherr von Lützow [AfD]: Wir sind hier in Brandenburg! Nicht ver- gessen! - Zuruf: Das war peinlich! - Weitere Zurufe)

Zweitens fühlt sich die Mehrheit der jungen … - Herr Vizepräsident, ich würde gern weitermachen, mit Ihrer Erlaubnis.

Sehr gerne, tun Sie das.

Ich denke, es wäre gut, wenn man besonders am rechten Rand zuhören würde.

(Zuruf: Einfach weitermachen!)

Zweitens fühlt sich die Mehrheit der jungen Wählerinnen und Wähler bei der Europawahl nicht von der AfD, sondern von Kleinparteien repräsentiert.

(Zuruf des Abgeordneten Münschke [AfD])

Exemplarisch nenne ich die Tierschutzpartei, VOLT und die Ökologisch-Demokratische Partei - mit insgesamt 28 % schenkten Ihnen die unter 25-jährigen eben mehr Vertrauen als der AfD.

(Rostock [B90/GRÜNE]: Und in welcher europäischen Fraktion sitzen die?)

Zudem stimmten Europas U-18-Wählende mehrheitlich für Parteien, die sich zur EU bekennen und die europäische Zusammenarbeit ausbauen wollen.

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE sowie des Abgeordne- ten Domres [Die Linke])

Drittens: Dass sich die politischen Vorstellungen junger Menschen nicht im Landtag widerspiegelten und junge Menschen in Brandenburg politisch bevormundet würden, ist eine perfide Verfälschung von Tatsachen.

(Lachen bei der AfD)

Seit 2011 besteht in Brandenburg das aktive Wahlrecht für junge Menschen ab 16 Jahren. Seitdem werden ihre politischen Präferenzen im Landtag und in den Kommunalvertretungen abgebildet. Die Zusammensetzung des aktuellen Landtags ist selbstverständlich auch von jungen Menschen bestimmt worden.

Brandenburg nimmt zudem wie kein anderes Bundesland die Wünsche, aber auch die Verunsicherung junger Menschen über den Wahltag hinaus sehr ernst. So soll mit dem Gesetz zur Förderung und zum Schutz junger Menschen in Brandenburg - darüber werden wir hier im Haus ja in Kürze debattieren - ein weiterer großer Schritt hin zu noch mehr politischer Selbstbestimmung vollzogen werden.

Meine Damen und Herren! Im ZDF-Interview, das die antragstellende Fraktion zitiert, führt der Politikberater Johannes Hillje wie folgt aus:

„Das Absenken des Wahlalters […] [für die Europawahl] zeigt, in welcher Breite die Stimmungsmache der AfD auf eine Resonanz trifft.“

(Hünich [AfD]: Und das trotz eurer Hetze!)

Vereinfachungen und Verfälschungen, wie ich sie anhand des vorliegenden Antrags aufgezeigt habe, sind genau solche Stimmungsmache.

Wer vereinfacht und verfälscht, interessiert sich nicht für die Verunsicherung junger Menschen.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und Die Linke)

Ich erinnere hier auch sehr gern an die letzte Debatte im Bildungsausschuss zum Gesetz zur Förderung zum Schutz junger Menschen. Wo waren da eigentlich Ihre Beiträge und Ihr Interesse an den Themen junger Menschen?

(Zurufe von der SPD: Es gab keine! So ist es!)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag zeigt: Die AfD hält Vereinfachungen und Verfälschungen für ein probates politisches Mittel. Wir tun das allerdings nicht. Deswegen lehnen wir diesen Antrag mit aller Entschiedenheit ab.

(Beifall SPD, CDU, B90/GRÜNE und Die Linke)

Vielen Dank. - Für die Fraktion Die Linke spricht Frau Abgeordnete Dannenberg. Bitte schön.

Herr Vizepräsident! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Europa- und Kommunalwahlen sind durch, und wer steht im Fokus? - Die Jugend. Schaut man sich im Netz um, springen einem die Plattitüden ins Gesicht: „Wir radikal ist unsere Jugend?“, „Eine pessimistische Jugend rückt nach rechts“. Es war klar, dass die AfD diese Ergebnisse für sich vereinnahmen würde.

Wir müssen differenziert auf die Ergebnisse blicken und sie analysieren. Hardy Lux hat es gerade getan. Aber wir müssen auch überlegen, welche Schlussfolgerungen wir als Erwachsene und politisch Verantwortliche daraus ziehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie begeistert viele Politikerinnen und Politiker waren, als Hunderttausende junger Menschen für Klimaschutz auf die Straße gingen. Die Sorge um ihre Zukunft trieb die jungen Menschen auf die Plätze.

Die Frage ist doch nur: Welche Konsequenzen folgten denn daraus? Einige wenige, lange nicht zufriedenstellend für die junge Generation. Es gab eher Verunsicherung, auch durch komplizierte Gesetze, die keiner verstand - etwa ein Heizungsgesetz -, Elektroautos, Photovoltaikanlagen, die sich ihre Familien mit durchschnittlichem Einkommen nicht leisten können, Klimakleber, die strafrechtlich verfolgt wurden. Sehr geehrte Damen und Herren, ist das glaubwürdig? Schafft man so Vertrauen in politisches Handeln?

Ich sage Ihnen: Die jungen Menschen haben den etablierten Parteien den Mittelfinger gezeigt. Das ist Fakt. Und sie sind geprägt von Krisenmüdigkeit. In Coronazeiten haben wir sie einfach vergessen und vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie haben sich nicht wahrgenommen gefühlt. Weitere Krisen belasten ihre Realität und machen sie hilflos: bröckelnder Zukunftsoptimismus, gepaart mit massiven Ängsten - Angst vor dem Krieg, Angst vor

Mieten, die sie nicht bezahlen können, Angst vor dem Klimawandel und, extrem angestiegen, die Angst vor Flüchtlingsströmen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Angst frisst Seele auf - und die Demokratie. Und das nutzt die AfD und hat Erfolg bei einem Teil unserer jungen Menschen.

Im Übrigen sei hier deutlich gesagt, dass es keinen großen Unterschied zwischen Wählern im Allgemeinen und Jungwählern gibt. Die Wahlergebnisse insgesamt sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Trends dahin gehend, dass bei größerer Verarmung - und vergessen wir nicht: Jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen - und ökonomischer Unsicherheit autoritäre rechte Parteien wie die AfD Sympathien und Zustimmung erhalten. Und das macht natürlich vor jungen Menschen nicht halt.

Besonders in den sozialen Medien spricht die AfD zielgerichtet junge Menschen an - mit Fakenews, volksverhetzenden manipulativen Hassparolen. Sie wettern über Messerstecher, Schläger und Vergewaltiger mit Migrationshintergrund und vermeintliche linke Denunzianten-Lehrer.

(Zurufe von der AfD)

Das ist kindeswohlgefährdend, was Sie da tun. Und das verfängt.

(Beifall Die Linke, CDU, SPD und B90/GRÜNE)