Protocol of the Session on March 20, 2024

Eine Studie, die das Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Ergebnis, das auch die Erfahrungen anderer Länder bestätigen, nämlich dass die Freigabe - auch die teilweise Freigabe - von Cannabis die Zahl der Konsumenten erhöhen und die Nachfrage nach Cannabis auf dem Markt ansteigen lassen wird.

Wie soll dieser Cannabisbedarf nun gedeckt werden? Der Gesetzentwurf sieht vor, dass jedermann an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort drei Hanfpflanzen für den privaten Eigenbedarf anpflanzen kann.

(Kretschmer [Die Linke]: Jede Frau auch!)

- Ich bevorzuge das generische Maskulinum.

(Beifall des Abgeordneten Schieske [AfD])

Aber die große Menge, die den Bedarf an legalem Cannabis decken soll, soll von sogenannten Anbauvereinigungen kommen. Diese Anbauvereinigungen unterliegen aber sehr starken Beschränkungen, insbesondere müssen sie die Plantagen mit Zäunen, mit einbruchssicheren Türen und Fenstern sichern. Sie müssen ein Jugendschutzkonzept vorlegen, sie müssen einen Suchtpräventionsbeauftragten bestellen. Sie haben erhebliche Berichts- und Dokumentationspflichten zu erfüllen, und sie dürfen Cannabis auch nur an die eigenen Mitglieder abgeben, und auch nur dann, wenn diese sich aktiv an dem Anbau des Cannabis beteiligen.

Das heißt - so muss man sich das vorstellen -: Der Großstädter aus Berlin reist am Wochenende auf die Plantage nach Brandenburg, hilft bei der Ernte, um dann das von ihm benötigte Cannabis zu beziehen.

(Zuruf von der AfD: Oh mein Gott!)

Das mag überspitzt formuliert sein, aber es ist natürlich völlig realitätsfremd, zu meinen, dass dies häufig passieren wird. Viel komfortabler ist es doch, beim Händler - beim Dealer an der Straßenecke oder im nahe gelegenen Park - sein Cannabis zu besorgen.

Und das heißt, dass das Ziel des Gesetzentwurfs, den Schwarzmarkt auszutrocknen, gerade nicht erreicht wird. Dieser steigende Bedarf an Cannabis, den wir durch die Legalisierung produzieren, wird dem Schwarzmarkt zugutekommen. Der Gesetzentwurf schwächt den Schwarzmarkt nicht, sondern er stärkt ihn, und er stärkt damit die organisierten kriminellen Strukturen, die dahinterstehen.

(Beifall der Abgeordneten Redmann und Bretz [CDU] sowie des Abgeordneten Drenske [AfD])

Und diese Einschätzung teilt - parteiübergreifend - nicht nur die Mehrheit der Innen- und Justizminister; nein, diese Analyse teilt auch Frau Abgeordnete Block, wie ich der Presseberichterstattung entnehmen darf - und wir wissen ja alle, dass sie die Meinung der Justizministerin nicht leichten Herzens teilt.

(Vereinzelt Heiterkeit CDU und AfD - Zuruf des Abgeordne- ten Domres [Die Linke])

Ich komme nun zu einem weiteren Punkt, der die Justiz sehr stark belastet, und das ist die von Herrn Schierack bereits angeführte Amnestie, die in dem Gesetz vorgesehen ist.

Das Gesetz sieht vor, dass auch in der Vergangenheit ergangene Urteile, die sich auf einen Besitz von Cannabis beziehen, der

nach dem neuen Gesetz straflos wäre, rückwirkend aufzuheben sind. Das betrifft in Brandenburg etwa 3 200 und bundesweit 100 000 Urteile. Diese Urteile sind zu sichten, und in dem Fall, dass es sich tatsächlich um einen Fall handelt, bei dem jetzt Straffreiheit anzunehmen wäre, muss die Strafe erlassen werden oder - und das betrifft die Mehrzahl der Fälle - müssen die Akten erneut dem Gericht vorgelegt werden. Das Gericht muss die Strafe dann neu festsetzen und die Strafe reduzieren.

Bevor eine Entscheidung des Gerichts fällt, müssen die Verfahrensbeteiligten angehört werden. Gegen die Entscheidung des Gerichts sind Rechtsmittel zulässig. Darüber hinaus sieht der Entwurf für alle Urteile - also nicht nur für Urteile, die bisher nicht vollstreckt sind, sondern auch für Urteile, die sehr weit in der Vergangenheit liegen - vor, dass eine Tilgung aus dem Bundeszentralregister möglich ist.

Das betrifft nach Schätzungen der Bundesregierung bundesweit etwa 300 000 Verfahren. Dies bedeutet einen erheblichen Arbeitsaufwand für die bundesweit ohnehin hochbelastete Strafjustiz, und deswegen wenden sich die Justizminister der Länder parteiübergreifend gegen die vorgesehene Amnestieregelung.

Diese Amnestieregelung ist auch Hauptgegenstand der Erörterung, die derzeit im Bundesratsverfahren stattfindet. Die Landesregierung hat sich hierzu noch nicht abschließend positioniert. Ich erlaube mir aber, hier abschließend berufene Amtsträger aus anderen Bundesländern zu zitieren.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Baden-Württemberg: Das Gesetz ist

„in vielen Fragen in dieser Zeit schwer oder gar nicht umsetzbar […]“.

Justizministerin Kathrin Wahlmann, SPD, Niedersachsen:

„Es wird unweigerlich landauf, landab zu rechtswidrigen Zuständen und zu Entschädigungspflichten kommen. Wenn der Bund die Justizbehörden der Länder sehenden Auges in eine solche Situation laufen lässt, zeugt das von einer gehörigen Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten.“

Justizministerin Jaqueline Bernhardt, Die Linke, MecklenburgVorpommern:

„Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.“

Justizminister Herbert Mertin, FDP, Rheinland-Pfalz:

„Der geplante rückwirkende Straferlass stößt bei

mir - freundlich formuliert - auf äußerst wenig Verständnis. […] Die Stellungnahmen der Landesjustizverwaltungen werden abgetan und diesen wird das Gefühl gegeben, sie könnten ebenso gut den Mond anbellen.“

Selbst das Bundesjustizministerium hat inzwischen Unterstützung bei der Suche nach einer konstruktiven und für die Länder tragbaren Lösung zugesagt. Das macht Hoffnung: Wenn alle gemeinsam laut bellen, vielleicht bewegt sich der Mond ja doch.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Ich würde gerne alle Nachfragen im Block behandeln, sollte es also noch weitere Nachfragen geben, dann begeben Sie sich bitte zu einem der Mikros. Herr Prof. Schierack hat das Wort.

Vielen Dank, Frau Ministerin, für diese so ausführliche Antwort. Ich würde gern noch zwei kleine Nachfragen zu den Themen kontrollierter Anbau und Nutzung von 25 g bzw. 50 g Cannabis im privaten Bereich stellen und Sie bitten, diese und die Frage des Jugendschutzes hier noch einmal aus Ihrer juristischen Sicht zu beurteilen.

Die Frage von Frau Dr. Oeynhausen schließen wir gleich an. Frau Dr. Oeynhausen, bitte schön.

Vielen Dank. - Frau Ministerin, im ASGIV haben wir das Thema der Cannabisteillegalisierung regelmäßig. Die letzte Auskunft war, dass die Landesregierung hier noch nicht zu einer Entscheidungsfindung gekommen ist. Ist sie mittlerweile zu einer Entscheidung gekommen und, wenn ja, zu welcher? Denn am Freitag wird im Bundesrat ja genau dieses Gesetz behandelt.

Bitte schön, Frau Ministerin.

Ich ziehe die letzte Frage vor: Ich habe ja gerade in meiner Rede erklärt, dass sich die Landesregierung noch nicht abschließend positioniert hat.

Zu den Fragen von Herrn Dr. Schierack möchte ich Folgendes ausführen: Ja, die 25 und 50 Gramm, die jetzt zulässig sind, das ist eine große Zahl. Das entspricht etwa 50 bis 100 Konsumeinheiten, also deutlich mehr, als man als durchschnittlicher Konsument innerhalb einer Woche verbraucht - das habe ich mir jedenfalls sagen lassen.

(Heiterkeit)

Bei den 50 Gramm - um nur einmal die Verhältnisse zu verdeutlichen - bewegen wir uns bei einem durchschnittlichen THC-Gehalt in dem Bereich, wo nach der früheren Rechtsprechung bereits ein Straftatbestand nach dem Betäubungsmittelrecht wegen nicht geringer Menge vorliegt, und das ist ein Verbrechenstatbestand mit einem Mindeststrafrahmen von einem Jahr. Ich glaube, das verdeutlicht, über welche Zahl wir hier sprechen - bei diesen Mengen kann es nicht um Eigenkonsum gehen.

Was den Jugendschutz angeht: Der Bundesgesundheitsminister selbst warnt in Kampagnen junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren vor dem Genuss von Cannabis. Das hat den Hintergrund, dass wissenschaftlich belegt ist, dass der Konsum von Cannabis ein hohes Risikopotenzial für das sich entwickelnde

Gehirn hat - und das Gehirn entwickelt sich noch bis zum Alter von 25 Jahren. Nun ist es natürlich irgendwie schizophren, auf der einen Seite junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren dringlich vor dem Konsum von Cannabis zu warnen und auf der anderen Seite eine Altersgrenze von 18 Jahren vorzusehen. Auch das war im Bundesratsverfahren Gegenstand der Erörterungen.

Vielen Dank. - Herr Abgeordneter Raschke von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird die Frage 2136 (Ermittlungsstand zu illegalen Straßenblockaden mit Mist und Gülle) stellen. Bitte sehr.

In der Nacht zum 11. Januar 2024 wurde die B 87 in Lübben mit einer Ladung Viehmist blockiert. Glücklicherweise kam es nicht zu Unfällen und Verletzten. In der Nacht vom 3. auf den 4. März 2024 kam es im Bereich der Polizeidirektion West aufgrund der Straßenblockierung der B 5 mit Mist, Gülle und Baumstämmen hingegen zu mehreren Unfällen mit fünf Verletzten. Darüber hinaus wurden Rettungskräfte und Abschleppdienste im Einsatz behindert und bedroht. Ein erster Ermittlungsstand konnte am 6. März 2024 im Innenausschuss des Landtags mitgeteilt werden.

Das ist jetzt 14 Tage her. Deswegen frage ich die Landesregierung: Welche aktuellen Erkenntnisse liegen ihr zu den beiden Straßenblockaden - in Lübben und auf der B 5 - vor?

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Stübgen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Raschke! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da es sich bei der Blockade der B 5 und der Blockade in Lübben um einen laufenden Ermittlungskomplex handelt, kann ich Ihnen keine neuen Auskünfte zum Ermittlungsstand geben, aber ich möchte - Sie haben es erwähnt - daran erinnern, dass ich in der letzten Woche im Innenausschuss den damaligen Stand wiedergegeben habe. Unsere Polizei hat im Zusammenhang mit diesen Straftaten neun Strafanzeigen gefertigt, unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Verbindung mit Personenschaden, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Verbindung mit Sachschaden, fahrlässiger Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Verstoßes gegen das Versammlungsrecht. Das ist der aktuelle Stand; die Staatsanwaltschaft ermittelt. - Danke schön.

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Abgeordneter?

Ja, vielen Dank. - Minister Stübgen, vielen Dank. Können Sie uns sagen, ob erstens in den konkreten Fällen die Beschuldigten namentlich bekannt sind und, zum Zweiten, ob es über die beiden

durch die Presse bekannt gewordenen Fälle hinaus weitere Vorfälle gibt? - Danke schön.

Um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu gefährden, kann ich Ihnen keine Details nennen. Von einigen - sogar mehreren, sogar vielen - ist die Identität bekannt, aber nicht von allen.

Danke schön.