Die Hochschulen haben eindringlich deutlich gemacht, wie kontraproduktiv dieser Antrag bei sinkenden Studierendenzahlen und Fachkräftemangel wäre.
Letzter Satz - zur Abschaffung der Rückmelde- und Verwaltungsgebühren -: Wie hinlänglich bekannt, teilt meine Fraktion das Anliegen vollumfänglich. Wir lehnen den Antrag aber ab. Das Thema sollte Teil der nächsten Koalitionsverhandlungen werden.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Hochschulen! Die Geschichte der Hochschulpolitik und der Hochschulgesetze ist eine Geschichte voll von Streiks und Protesten - im ständigen Ringen um die Öffnung der Hochschulen für alle gesellschaftlichen Schichten, die Ausgestaltung einer lebendigen Demokratie und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Viele der in der Vergangenheit artikulierten Forderungen wie die Öffnung für Nichtabiturienten haben bereits im Rahmen vergangener Gesetzesnovellen Eingang in die Regelungen gefunden. Um andere streiten wir bis heute, beispielsweise um die Einführung der Viertelparität.
Bevor ich auf die einzelnen Punkte eingehe, möchte ich jedoch noch einmal kurz rekapitulieren, was die Erwartungen an die Novelle des Hochschulgesetzes waren. Diese Novelle ist deshalb so zentral, weil unsere Verantwortung darin besteht, ein Gesetz zu schaffen, das das Hochschulsystem dazu befähigt, Antworten auf die sich ändernden Verhältnisse zu finden. Und damit meine ich nicht nur aktuelle politische und gesellschaftspolitische Fragestellungen, die bestmöglich erforscht werden können müssen, sondern es geht auch darum, dass das Studieren sich verändert.
Die Studierenden werden immer diverser. Viele müssen nebenbei arbeiten gehen, um sich das Studium überhaupt leisten zu können, und auch im Erwachsenenbereich sehen wir, dass immer mehr Brüche die Erwerbsbiografien durchziehen - Stichwort: lebenslanges Lernen. Nun ist die Frage: Findet der vorliegende Gesetzentwurf eine Antwort darauf? - Aus unserer Perspektive tatsächlich zu wenig.
Die Gesetzesnovelle ist auch deshalb relevant, weil alle Debatten zum Thema Hochschulpolitik, die wir in den vergangenen fünf bis zehn Jahren geführt haben, genau in diesem Gesetzentwurf kulminieren, und zwar in puncto: Welche Rechte und Pflichten
haben die einzelnen Hochschulangehörigen? Wer darf beispielsweise wie über die Hochschulverträge und über die Mittelverteilung mitentscheiden? Bei „unibrennt“, bei „TVStud“, bei #IchBinHanna, bei „Frist ist Frust“ und im Dialogprozess Gute Arbeit in der Wissenschaft haben wir in den vergangenen Jahren gesehen, wie groß die Erwartungen und wie hoch der Druck zur Änderung des Hochschulsystems tatsächlich sind. Und ich muss leider sagen, dass zumindest bei uns und auch bei vielen Betroffenen, mit denen ich mich unterhalten habe, schon ein ganzes Stück Enttäuschung zurückbleibt - wir sind enttäuscht von einer Ministerin, die sehr gerne mit großen Prestigeprojekten und Ankündigungen Vorreiterin ist, wovon im Gesetzentwurf aber leider sehr wenig übriggeblieben ist,
und, ja, auch enttäuscht von einer Koalition, der der Mut dazu fehlt, Entscheidungen zu fällen, die substanzielle Verbesserungen mit sich bringen.
Meine Damen und Herren, faule Kompromisse schaffen weder prekäre Arbeitsverhältnisse ab, noch demokratisieren sie die Hochschulen. Ich will das anhand von ein paar Beispielen untersetzen:
Es ist doch absurd, wenn zwar eine studentische Vizepräsidentschaft verpflichtend eingeführt wird, das Vorschlagsrecht aber bei den Präsidentinnen und Präsidenten liegt. Studentische Vizepräsidentinnen und -präsidenten haben doch die Aufgabe, die Belange der Studierenden zu vertreten und Ergebnisse rückzukoppeln. Dafür ist das Verhältnis zwischen Studierendenschaft und Vizepräsidentin bzw. -präsident entscheidend - und nicht das Verhältnis zwischen Vizepräsidentin bzw. -präsident und Präsidentin bzw. Präsident.
Zweitens: Es bleibt nichts übrig von der progressiven Idee zur Einführung einer neuen Personalkategorie, die mehr Planbarkeit der Karrierewege bringen sollte, wenn die betreffenden Personen auch noch befristet beschäftigt werden - und das nach einer positiven Evaluierung, die die Dozentinnen und Dozenten durchlaufen haben. Die GEW hat uns in der Anhörung und in einem extra Brief nach der Debatte noch einmal unmissverständlich mitgeteilt: Befristet bringen die Dozenturen rein gar nichts, und sie bleiben damit übrigens auch hinter den nationalen oder international anknüpfungsfähigen Standards zurück. - Sie sagen sogar: Dann streicht die Regelung lieber, als irgendetwas einzuführen.
Es ist im Übrigen auch zu kurz gesprungen, wenn studentische Beschäftigte bei uns eine Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten bekommen, Berlin aber 24 Monate anbietet. Ja, es ist ein Fortschritt, dass überhaupt etwas im Gesetz drinsteht, aber es ist noch immer ein Nachteil der brandenburgischen Studierenden gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern.
Es bringt auch absolut keine Verbesserung, wenn eine problematische Regelung zu den Lehraufträgen von 2014, die als solche erkannt wurde, jetzt nur rausgestrichen wird, ohne dass eine andere Lösung gefunden wird. Worum geht es konkret? Bis zu 38 % der Semesterwochenstunden an den Hochschulen werden
von Personen verrichtet, die weder sozialversicherungspflichtig angestellt sind noch über Mitbestimmungsrechte verfügen. Und die Frage ist doch: Wie können wir das einschränken? Wie können wir dafür sorgen, dass nicht so viel Lehrtätigkeit über diese Personen abgesichert wird? 2014 wurde die Regelung aufgenommen, dass Lehrbeauftragte maximal vier Semesterwochenstunden für maximal zwei Semester an einer Hochschule erteilen können. Das führte allerdings dazu, dass die Lehrbeauftragten von Hochschule zu Hochschule pendelten, womit die prekäre Situation mitnichten durchbrochen wurde. Sie streichen die Regelung jetzt einfach, sorgen aber überhaupt nicht dafür, dass jetzt eine andere Formulierung gefunden wird.
In unserem Änderungsantrag finden Sie den Vorschlag, zu definieren, was „ergänzende Veranstaltungen“ sind. Als ergänzende Veranstaltungen gelten demnach nicht Lehrveranstaltungen und Sprachkurse, die zur Erbringung von Prüfungsleistungen vorausgesetzt werden.
Liebe Isabelle Vandre, kannst du dich erinnern, dass ich auf einen ähnlichen Einwand im Ausschuss schon einmal ausgeführt habe, dass wir nicht einfach nur bei den Lehrbeauftragten kritische Passagen streichen, die damals, wie man zugeben muss, ja auch von Rot-Rot eingeführt worden sind, sondern, dass wir an anderer Stelle im Gesetz Vorsorge dafür treffen, dass mehr Dauerstellen geschaffen werden, die natürlich auch für Lehrbeauftragte genutzt werden können; nämlich indem wir den Grundsatz verankern, dass Dauerstellen für Daueraufgaben zur Verfügung gestellt werden sollen, und indem wir die neuen Dauerstellenkonzepte etablieren, wo natürlich genau das gemacht werden kann, nämlich Lehrbeauftragte in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen?
Das Problem mit Dauerstellen für Daueraufgaben ist, dass wir noch immer keine Definition haben, was denn Daueraufgaben eigentlich sind. Das ist genau der Knackpunkt, über den die Hochschulen seit vielen Jahren streiten. Und ja, es ist ein Fortschritt, dass verpflichtend Dauerstellenkonzepte erarbeitet werden müssen. Aber auch hierzu möchte ich noch einmal sagen: Wenn wir es nicht schaffen, den Hochschulen verbindliche Quoten vorzugeben, sind wir in der Situation gefangen, dass sich die Personalvertretungen und die Minderheit der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Hochschulen in den Senaten gegen die Professorinnen und Professoren durchsetzen
müssen, um überhaupt eine wirksame Quote zu beschließen. Und das ist ein Problem, denn damit sind diejenigen, die schon jetzt vom Gutdünken der Hochschulleitungen abhängig sind, auch weiterhin von ihnen abhängig.
Frau Abgeordnete, wir wollen jetzt nicht unbedingt in einen Dialog verfallen, aber es gibt noch eine …
Ich möchte Ihnen sagen, was es aus unserer Sicht eigentlich bräuchte. Erstens: Damit Studierenkönnen keine soziale Frage ist, müssen alle Gebühren an den Hochschulen fallen.
Das meint sowohl die Immatrikulations- und Rückmeldegebühren als auch Gebühren für verpflichtende Sprachkurse, die notwendig sind, um einen Abschluss zu erreichen. Aber zur sozialen Frage des Studierens gehört auch, dass die Reglementierungen von Teilzeit und zur Beantragung von Urlaubssemestern zurückgedrängt werden, dass es einfacher wird, ein Teilzeitsemester zu nehmen, weil sich die Studien- und Lebenssituation von Studierenden ad hoc ändern kann - ich sprach gerade von der Diversifizierung der Studierendenschaft.
Zweitens: Gute Arbeit in der Wissenschaft - über die essenziellen Punkte habe ich hier bereits gesprochen, aber ein wesentlicher Punkt, der heute gar keine Rolle gespielt hat, ist die verpflichtende Zeit für die Qualifizierung der wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Auch dazu wären dringend mehr Regelungen notwendig. Das haben die Gewerkschaften sehr klar gemacht.
Drittens: Ich wünsche mir mehr Mut in puncto Demokratisierung der Hochschulen. Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem Sie die Einführung der Viertelparität finden, in dem wir fordern, dass die Macht an den Hochschulen, in den akademischen Senaten gestärkt wird. Das sind die Gremien, in denen die unterschiedlichen Statusgruppen zusammenkommen und miteinander diskutieren können - dort müssen auch die Kompetenzen liegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind übrigens die einzige Oppositionsfraktion, die überhaupt einen Änderungsantrag zu dieser Gesetzesnovelle vorgelegt hat, der auch so bezeichnet werden kann.
Ich finde es wirklich erstaunlich, dass, nachdem wir einen 25seitigen Änderungsantrag vorgelegt haben, andere Oppositions
fraktionen mit dem Antrag um die Ecke kommen, die Landesregierung zu beauftragen, eine Gesetzesänderung vorzulegen, wo wir doch gerade über die Gesetzesänderung diskutieren. Entschuldigung, Sie kommen Ihrer Aufgabe überhaupt nicht nach, Frau Dr. Oeynhausen!
Sie haben sich damit einen schlanken Fuß gemacht, und ich finde es eine absolute Frechheit, dass Sie sich dieser Debatte verweigern und nur Populismus vor sich hertragen.
Ja, einige zeitgemäße Änderungen und Verbesserungen - wie das Promotionsrecht der Fachhochschulen - haben tatsächlich Eingang in die Novelle gefunden. Aber: Zehn Jahre hat diese Novelle auf sich warten lassen. Nicht nur die Debatten um die bestehenden Regelungen von 2014, nicht nur die Debatten im Rahmen des Dialogprozesses und die Proteste der vergangenen Jahre hätten erwarten lassen, dass wir viel substanziellere Forderungen in die Novelle aufnehmen. - Sie haben noch einmal die Chance: Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu, ansonsten lehnen wir die Beschlussempfehlung ab.
Liebe Frau Vandre, ich möchte gern antworten, weil ich Sie im Dialog und in der Diskussion, die wir führen, durchaus schätze. Ich möchte darauf eingehen, dass Sie sagten, der Mut fehle, und von „faulen Kompromissen“ sprachen. Das war so das große Thema. Ich will Ihnen ehrlich sagen: Ich hätte von Ihnen auch mehr Mut erwartet. Ich komme gleich noch einmal darauf.
Ich glaube, Sie haben im Dialogprozess sehr viel Lobbyismus für eine Gruppe betrieben. Sie haben, und das ist schade - wirklich schade -, nicht das große Ganze im Blick: die ganze Universität, die Professorinnen und Professoren, die Präsidentinnen und Präsidenten - das Gesamtkonstrukt.
Sie reden hier immer nur von den Hochschulangehörigen: von den Mitarbeitern, von der GEW, von den Protestgruppen. Das ist ja alles gut und schön; das hatten wir ja im Dialogprozess. Aber wo sind Ihre Antworten auf die Fragen der Flexibilisierung der Hochschulen, die Verbesserung der Wissenschaft, die Exzellenz, darauf, wie wir mehr Output an den Hochschulen bekommen? Diese Fragen haben Sie heute nicht beantwortet, sondern Sie haben immer nur aus der Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen. Wo ist der Durchlauf für die wissenschaftliche Exzellenz in den Hochschulen? Das hätte ich heute gern von Ihnen erfahren.