Protocol of the Session on March 20, 2024

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie am Frühlingsanfang herzlich zur 103. Sitzung des Landtages Brandenburg begrüßen. Ich begrüße alle Abgeordneten, die Vertreter der Landesregierung, die Vertreter der Landtagsverwaltung, die Vertreter der Presse, die unsere Sitzung begleiten, und natürlich alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die am Bildschirm live dabei sind.

Vor Eintritt in die Tagesordnung informiere ich Sie darüber, dass der Antrag auf Drucksache 7/9374, „Frist für Schlussabrechnung der Coronawirtschaftshilfen verlängern“, von der antragstellenden Fraktion zurückgezogen worden ist.

(Zuruf: Schade!)

Meine Damen und Herren, gibt es von Ihrer Seite noch Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das sehe ich nicht. Dann lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer der Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit wurde die Tagesordnung einstimmig beschlossen. Es gab eine Enthaltung.

Ich begrüße ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Gymnasiums Luckenwalde. Die Schule kommt gleich mit zwei Klassen zu uns. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

In unserer heutigen Plenarsitzung werden die Tagesordnungspunkte 1 bis 4 in Gebärdensprache übersetzt.

Für den heutigen Sitzungstag wurde die ganztägige oder teilweise Abwesenheit von Frau Ministerin Nonnemacher, Herrn Minister Prof. Dr. Steinbach und Herrn Minister Genilke sowie der Damen und Herren Abgeordneten Block, Hanko, Hünich, Kubitzki, Lakenmacher, Philipp, Schäffer und Vida angezeigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf.

TOP 1: Aktuelle Stunde

Thema:

Brandenburgs Interessen verteidigen - Erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung braucht Sicherheit und Stabilität

Antrag auf Aktuelle Stunde der SPD-Fraktion

Drucksache 7/9388

Entschließungsantrag der AfD-Fraktion

Drucksache 7/9423

Die Aussprache eröffnet Herr Abgeordneter Keller für die Fraktion der SPD. Bitte schön.

(Beifall SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines gilt: Unsicherheit hemmt Investition. - Das sind nicht meine Worte, sondern die des Wirtschaftsnobelpreisträgers Ben Bernanke. Aber diese Worte teile ich, und ich will Ihnen auch ganz klar sagen - zahlreiche Brandenburgerinnen und Brandenburger wissen es ebenfalls -, Sicherheit und Stabilität sind entscheidende Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Sie schaffen das notwendige Vertrauen, um langfristige Investitionen auf den Weg zu bringen, und sie beeinflussen damit auch unmittelbar, ob in unserem Land gut bezahlte Arbeitsplätze und auch Wertschöpfung entstehen. Dementsprechend lassen Sie mich gleich am Anfang kurz sagen: Sicherheit und Stabilität machen Brandenburg stark.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Deshalb sind Angriffe auf kritische Infrastruktur eine konkrete Gefahr für den Wirtschaftsstandort Brandenburg. Das zeigt besonders der Brandanschlag auf einen Hochspannungsmast zwischen Steinfurt und Hartmannsdorf am 5. März dieses Jahres. Aufgrund dieses Schadens wurde die Stromversorgung der umliegenden Ortschaften unterbrochen, und somit fiel der Strom für zahlreiche Brandenburgerinnen und Brandenburger sowie für das Tesla-Werk und das Logistikzentrum der Handelskette EDEKA in Freienbrink aus.

Meine Damen und Herren, solche Anschläge verursachen einen erheblichen finanziellen Schaden, indem sie betriebliche Abläufe stören oder gar zu einem vollständigen Produktionsausfall führen, aber sie beschädigen vor allem eines: das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Brandenburg. Daher lassen Sie mich ganz klar sagen, dass meine SPD-Fraktion diesen Anschlag aufs Schärfste verurteilt. Das muss hier am Anfang sehr deutlich gesagt werden.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Das ist besonders fatal, weil die öffentliche Sicherheit und die politische Stabilität in Deutschland bis vor Kurzem zu den wesentlichen Standortvorteilen gehörten, auch im internationalen Vergleich. Laut einer regelmäßig durchgeführten Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG schwindet aber das Vertrauen ausländischer Investoren in die politische Stabilität der Bundesrepublik.

(Zuruf von der SPD: Deutlich!)

Noch 2021 zählten 80 % der befragten Investoren Deutschland zu den fünf stabilsten EU-Ländern. Im Dezember 2023 sank diese Quote auf 58 % - ein Minus von fast einem Viertel. Natürlich sind diese Zahlen nur eine Momentaufnahme, und auch andere Faktoren spielen hier eine Rolle.

Aber eines muss doch klar sein: Wir wollen ein Land mit hohen Löhnen sein, und wir wollen auch ein Land mit hohen Arbeitsstandards sein. Daher brauchen wir viele weitere Punkte, um für Investoren attraktiv zu sein, und das funktioniert vor allem, weil wir für Fortschritt und Innovation stehen, weil wir die benötigten

Fachkräfte haben und auch attraktiv für ausländische Fachkräfte sind und weil wir ein sicheres und stabiles Land sind, in dem man ohne Bedenken investieren kann.

(Dr. Berndt [AfD]: Wo leben Sie eigentlich? - Weitere Zurufe von der AfD)

- Im Gegensatz zu Ihnen möchte ich auch, dass das in unserem Land so bleibt.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE - Dr. Berndt [AfD]: Wo leben Sie denn?)

Herr Berndt, im Umkehrschluss heißt das, dass alles, was Weltoffenheit und Stabilität bedroht, auch Gift für unsere wirtschaftliche Entwicklung und unseren Wohlstand ist. Jede Form von Extremismus und insbesondere von Rechtsextremismus ist wirklich Gift für unser Land,

(Dr. Berndt [AfD]: Jaja, das ist klar!)

und vor allem schadet es unserem Wohlstand und unserer wirtschaftlichen Entwicklung. Das kann man am Anfang einer Rede auch sehr deutlich sagen.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Sehr geehrte Damen und Herren, was können wir tun, um die Sicherheit und die Stabilität, aber auch die Weltoffenheit in Brandenburg zu erhalten und zu stärken? Wir brauchen einen Staat, der Recht und Ordnung zu jedem Zeitpunkt konsequent durchsetzt und dabei auch immer die gleichen Maßstäbe anlegt. Deswegen muss der Staat Anschläge auf eine kritische Infrastruktur entschieden verfolgen, ohne Wenn und Aber.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Dabei gilt für Unternehmen das Gleiche wie für Bürgerinnen und Bürger: Unternehmen müssen sich ebenfalls darauf verlassen können, dass der Staat sie schützt und das Recht durchsetzt. Das gilt für Tesla, das gilt für EDEKA, und das gilt auch für jedes andere Unternehmen; da machen wir keinen Unterschied. Anschläge auf die Energieversorgung sind eben kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, sondern das ist schlicht und einfach kriminell. Das sage ich hier auch ganz deutlich.

Ich sage auch: Wenn ich mich mit Mitarbeitern von Tesla oder EDEKA unterhalte, höre ich, wie der eine oder andere von einem „Terroranschlag“ redet. Wer soll das den Mitarbeitenden auch verübeln? Meine Damen und Herren, so etwas Kriminelles kann nicht unterstützt werden, sondern es muss bekämpft werden. Das sage ich hier ganz deutlich.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU, B90/GRÜNE und BVB/FW Gruppe)

Recht und Ordnung durchzusetzen bedeutet aber nicht nur die Verfolgung von Straftaten. Es bedeutet auch, darauf zu achten, dass sich alle an die Regeln halten. Das Demonstrationsrecht ist grundgesetzlich verbrieft. Es ist aber kein Freifahrtschein. Das sage ich hier ganz deutlich.

Das gilt auch für das Protestcamp im Wald von Grünheide. Wir haben keinen Zweifel daran, dass unser Rechtsstaat hier funktioniert. Die Polizei als Versammlungsbehörde hat für dieses Protestcamp Auflagen erteilt. Diese wurden nun richterlich überprüft. Ich gehe davon aus, dass das Ministerium des Innern und für Kommunales die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam intensiv auswertet und prüft, ob gegebenenfalls Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden muss.

Aber ich sage auch ganz deutlich: Unabhängig vom rechtsstaatlichen Verfahren gibt es auch eine Ebene der politischen Verantwortung. Auf dieser Ebene sehen wir nach wie vor die Notwendigkeit, die Demonstrationen und die Gefährdungslage in Grünheide kritisch zu beobachten. Was dieses Thema betrifft: Diese kritische Beobachtung würde ich hier bei einigen ein wenig vermissen.

(Walter [Die Linke]: Richtig! Bei Ihnen, Herr Keller!)

Ich will auch ganz deutlich sagen, warum ich als Mitglied der SPD-Fraktion erhebliche Zweifel am Protestcamp in der Form, wie es betrieben wird, habe. Es wird ein Waldstück für das Protestcamp genutzt, über das im Zusammenhang mit den TeslaErweiterungsplänen zurzeit gar nicht diskutiert wird. Des Weiteren werden zum Kampf dagegen und zum Schutz des Waldes bauliche Anlagen im Wald errichtet. Laut eigener Internetseite wird dort auch mit offenem Feuer umgegangen, und man hält sich nicht an baurechtliche Grundlagen.

Meine Damen und Herren, es werden aber auch europaweit Demonstranten mobilisiert. Von denen, die dort sind, weiß wahrscheinlich niemand genau, wo Grünheide liegt oder welche Probleme es mit Tesla vor Ort gibt. Das ist nichts anderes als Krawalltourismus, und das ist - das sage ich auch ganz deutlich - nichts, was man an dieser Stelle unterstützen kann.

Es geht nicht um einen politischen Kurs, sondern darum - wiederum laut eigener Internetseite; ich würde dem einen oder anderen Abgeordneten hier raten, sich diese Internetseite einmal anzuschauen -, dass eine etwaige Räumung zum Desaster wird. Es geht nur um eine maximale Eskalation, egal ob dabei die Gesundheit von Polizeibeamtinnen und -beamten oder auch Aktivisten gefährdet wird. Das wird einfach hingenommen. Und das hat dann eben nichts mehr mit dem grundgesetzlich verbrieften Demonstrationsrecht zu tun, sondern nur mit einem - das sage ich hier auch ganz deutlich -: mit Rücksichtslosigkeit.

(Beifall SPD sowie vereinzelt CDU und B90/GRÜNE)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Frau Abgeordnete Muxel, bitte.