Protocol of the Session on April 10, 2019

- Schönen Dank.

(Frau Lehmann [SPD]: Was ist das fĂŒr ein Wort: Gequat sche?!)

- Ihr Gequatsche - Ihr Dazwischenreden habe ich gesagt.

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist in Ordnung!)

Wenn Sie allerdings weiter in die Zukunft blicken, ist ein kon junktureller Abschwung und damit das Ende einer zehnjĂ€hri gen weit ĂŒberhitzten Wachstumsphase unausweichlich. Der drohende Brexit, die Neuordnung der EU-Fördergebiete ab 2020, die Abschmelzung bzw. der Wegfall des SolidaritĂ€tszu schlags, die zwingende Einhaltung der Schuldenbremse oder eine mögliche Beendigung der Niedrigzinspolitik werden un ser Land Brandenburg gewaltig durchschĂŒtteln.

Statt nun die VersĂ€umnisse der letzten 30 Jahre und die Her ausforderungen der Zukunft ehrlich anzusprechen, reisen die Vertreter der Landesregierung durch das Land, verteilen groß zĂŒgig Geldgeschenke und verkĂŒnden, dass alles im Lot sei.

Der sehr kurzfristige Entschließungsantrag der Regierungskoa lition zeigt dann auch, wie ernst man die wirtschaftliche Ent wicklung in Brandenburg nimmt. Ich finde das falsch und fĂŒr 30 Jahre SPD-Regierung unehrlich und peinlich. - Ich bedanke mich trotzdem fĂŒr Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Sie hatten angekĂŒndigt, am Ende Ihrer Rede ei ne Zwischenfrage zu beantworten. Das lasse ich zu. Herr Ab geordneter Loehr, bitte.

Frau Kollegin Schade, Sie haben am Anfang Ihrer sehr schnel len Rede darauf abgestellt, dass die Telekommunikationsstruk tur im Land Brandenburg ungefÀhr zwei Jahrzehnte hinterher hinke. - Mich interessiert: Worauf basiert diese Aussage? Wo mit vergleichen Sie das?

Wenn Sie der Rede von Herrn Homeyer zugehört haben, wer den Sie festgestellt haben, dass er das sehr schön detailliert aufgeschlĂŒsselt hat. Fragen Sie Herrn Homeyer.

(Lachen bei SPD, CDU, der Fraktion DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Ich kann das leider nicht so schön wiedergeben, wie Sie es strukturiert vorgetragen haben. Fragen Sie ihn. Er hat es sehr schön auf den Punkt gebracht.

(Beifall AfD - Heiterkeit SPD und DIE LINKE)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Schinowsky fĂŒr die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau PrĂ€sidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe GĂ€s te! Nach dem Katastrophenszenario der AfD wollen wir jetzt wieder ein StĂŒck weit in die Mitte zurĂŒckkommen, auch wenn wir das natĂŒrlich ein bisschen kritischer sehen als Sie; aber das muss auch so sein.

Die Brandenburger Wirtschaft boomt wie in allen anderen BundeslĂ€ndern auch - darauf wurde schon hingewiesen. In der Brandenburger Wirtschaft krankt es aber nach wie vor bei den Zukunftsthemen Internationalisierung, Digitalisierung und In novation. Laut dem Landesamt fĂŒr Statistik folgte Branden burg in den letzten zehn Jahren zwar dem Wachstumstrend des gesamten Bundesgebietes. Damit kann aber wegen des weiter hin geringen Arbeitslohnes, der stagnierenden Exportquote, ge ringerer ArbeitsproduktivitĂ€t niemand zufrieden sein.

Es greift jedoch zu kurz, bei diesem Thema immer nur die OstKarte zu ziehen und sich zu beklagen, dass immer noch kein DAX-Konzern seinen Sitz in die neuen BundeslĂ€nder verlegt hat. Das Leibniz-Institut fĂŒr Wirtschaftsforschung Halle hatte vor Kurzem wichtige Hinweise zu den Problemen in Ost deutschland geliefert. Zu der in den meisten ostdeutschen Re gionen nach wie vor wenig ausgeprĂ€gten Wachstumsdynamik hieß es, das liege nicht nur an den fehlenden Konzernzentralen in den Ost-BundeslĂ€ndern, ostdeutsche Betriebe seien im Schnitt unproduktiver.

Warum ist das so? Die Subventionen seien an die falschen Stel len geflossen, heißt es in der Studie. Es seien vor allem alte, unproduktive und Industriebetriebe gefördert und erhalten worden. Das kennen wir in Brandenburg auch nur zu gut. Ob es ein Kohlekraftwerk oder ein Stahlwerk ist, die alten Industrien sind der Landesregierung immer lieb und teuer gewesen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: NatĂŒrlich muss es jetzt auf allen Ebenen und mit ganzer Kraft darum gehen, die Ar beitsplĂ€tze in EisenhĂŒttenstadt zu erhalten. Deshalb hĂ€tten wir dem inzwischen zurĂŒckgezogenen Antrag selbstverstĂ€ndlich zugestimmt.

Eine Idee dazu, wie das gelingen kann, fand sich darin jedoch lediglich - und zwar gut versteckt - in einem Nebensatz wieder.

Dort war nĂ€mlich von „nachhaltiger Stahlproduktion“ die Re de. Aber Nachhaltigkeit ist die zentrale Aufgabe, damit das Werk in EisenhĂŒttenstadt und die Brandenburger Wirtschaft ei ne Zukunft haben.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir mĂŒssen vor allem klimafreundlicher und innovativer wer den, um zukĂŒnftig nicht nur noch „verlĂ€ngerte Werkbank“ zu sein. Ein einfaches „Weiter so!“ reicht nicht aus. Und Wasser stoff allein wird uns auch nicht retten; denn unser aktueller Energieverbrauch liegt weit ĂŒber der Menge, die wir in Bran denburg aus erneuerbaren Energien gewinnen können. Ener gieeffizienz und Energieeinsparung sind deshalb das Gebot der Stunde.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir GrĂŒnen wollen den Schwerpunkt der Wirtschafts- und In dustrieförderung kĂŒnftig auf die Themen Innovation bzw. kli mafreundliche und ressourcenschonende Technologieentwick lung und Digitalisierung legen. HierfĂŒr bereitstehende Mittel werden seit Jahren nicht abgerufen. Genau deshalb brauchen wir die von uns vorgeschlagene „Innovationsplattform zu kunftsfĂ€hige Industrie“.

Das gesamte Innovationssystem Brandenburgs ist allenfalls mittelmĂ€ĂŸig. Wir haben darĂŒber schon im Zusammenhang mit der sogenannten GrĂŒndungs- und Unternehmensnachfolgestra tegie gesprochen. WĂ€hrend klassische Investitionsförderung jĂ€hr lich mit einem dreistelligen Millionenbetrag im Haushalt steht, betrĂ€gt die GrĂ¶ĂŸe der Kapitel fĂŒr Innovation und Technologie entwicklung nur einen Bruchteil dessen. Allein in das jetzt in der Diskussion stehende Stahlwerk in EisenhĂŒttenstadt und sei ne Belegschaft ist seit dem Mauerfall insgesamt ĂŒber eine Mil liarde Euro an Steuergeldern geflossen. Jetzt versucht Rot-Rot mit Appellen an die Konzernleitung von ArcelorMittal, fĂŒr den Standort zu werben. Was wir aber wirklich brauchen, sind sub stanzielle VerĂ€nderungen und neue LösungsansĂ€tze fĂŒr die In dustrie.

(Beifall B90/GRÜNE)

Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Landespolitik soll ten zusammen in Innovationsteams arbeiten und Lösungen fĂŒr die Industrie von morgen entwickeln. In Cottbus wurde jetzt der Grundstein fĂŒr das DLR-Institut fĂŒr CO2-arme Industrie prozesse gelegt. Ebenfalls starten soll jetzt das vom Bundesum weltministerium finanzierte Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien. Das sind hervorragende Voraus setzungen, um zusammen mit den Unternehmen der Region eine solche Brandenburg-Plattform mit Leben zu fĂŒllen. Mit diesem Instrument ist jetzt ĂŒbrigens auch Nordrhein-Westfalen an den Start gegangen. Gerade die Herausforderungen des Kli mawandels lassen sich anders auch gar nicht vernĂŒnftig lösen.

Der Handlungsdruck ist groß und der Weg ist noch weit. Wenn wir die industriepolitischen Rahmenbedingungen jetzt nicht auf Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit ausrichten, wer den wir bald keine Industrie mehr haben - jedenfalls nicht mehr in den berlinfernen Regionen und keine mehr mit guten Ar beitsplĂ€tzen.

Ihrem Entschließungsantrag werden wir zustimmen. Darin steht viel Richtiges,

(Beifall des Abgeordneten LĂŒttmann [SPD])

aber Brandenburg braucht mehr, nĂ€mlich industriepolitische Leitplanken fĂŒr das 21. Jahrhundert. Wir bitten daher auch um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Sehr geehrte Frau PrÀsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ja, auch ich habe mich gemeldet.

Der Bezug zur AktualitÀt im Sinne der GeschÀftsordnung ist bei diesem Antrag schon zu hinterfragen. Es scheint vielmehr darum zu gehen, positive Begriffe anzuhÀufen, um etwas Auf merksamkeit zu erzeugen. Dass man sich der Sache nicht mit der gebotenen Ehrlichkeit nÀhert, zeigt auch die selektive Aus wahl an Daten und statistischen Bezugspunkten.

Dass sich das Bruttoinlandsprodukt in Brandenburg seit 2008 prozentual besser entwickelt hat als im Durchschnitt der ande ren BundeslĂ€nder, liegt vor allem in der leider geringen industriellen Wertschöpfung begrĂŒndet. Die EinbrĂŒche infolge der Finanzkrise im Industriesektor wirkten sich folglich in Bran denburg nicht in so starkem Maße wie in anderen BundeslĂ€n dern aus. Es zeigt sich, dass mit einer geschickten Auswahl des Betrachtungszeitraums das gewĂŒnschte Ergebnis selektiert wird.

Fakt ist, dass Brandenburg beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf immer noch hinterherhinkt, beispielsweise im Vergleich zu ThĂŒringen: In Brandenburg lag das Jahresbruttoinlandsprodukt im Jahr 2017 bei 27 800 Euro, in ThĂŒringen bei 28 900 Euro - ganz zu schweigen von den westdeutschen Bun deslĂ€ndern, wo das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf teilweise doppelt so hoch ist. Was in diesem Land fehlt, ist eine mittel stĂ€ndische Wirtschaftsbasis insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Alle Versuche der Landesregierung, hier Cluster strukturen und Leuchtturmprojekte zu schaffen, sind geschei tert. Wir können nicht auf prozentuale Steigerungen verweisen, ohne die nominalen Werte einer ernsthaften Betrachtung zu unterziehen.

Bezeichnend ist auch, dass in der BegrĂŒndung des Antrags die Entwicklung im lĂ€ndlichen Raum mit keinem Wort erwĂ€hnt wird. WĂ€hrend der SpeckgĂŒrtel durchaus positive Entwicklun gen verzeichnen kann und vor allem von der Dynamik des Ber liner Stadtgebiets profitiert, erleben wir in berlinfernen Regio nen anhaltende Stagnation. Vor allem das rigide Sparen bei der verkehrlichen Infrastruktur hat zu einer SchwĂ€chung beitragen. So erleben wir seit geraumer Zeit eine anhaltende Urbanisie rungsdynamik, obwohl das eklatante MietgefĂ€lle zwischen berlinnahen RĂ€umen und lĂ€ndlichem Raum eigentlich ein star kes Argument fĂŒr den lĂ€ndlichen Raum sein mĂŒsste. Dass die ser sich abzeichnenden Entwicklung nicht entgegengetreten wird, sehen wir beispielsweise auch beim Landesnahverkehrs plan. Dort finden die BedĂŒrfnisse der berlinfernen Regionen nicht angemessen BerĂŒcksichtigung - mit entsprechend negati ven Auswirkungen auf die Wirtschaft. Das strĂ€fliche Ver

schleppen der flĂ€chendeckenden Digitalisierung, das immer zuvörderst den lĂ€ndlichen Raum trifft, ist ebenso ein Beispiel wie das Schlechtreden des lĂ€ndlichen Raumes in der gesamten ersten HĂ€lfte der Wahlperiode, als man uns mit sinkenden Be völkerungszahlen erschrecken wollte; das tat sein Übriges. Ebenso denken wir an die gĂ€ngelnde Wirkung des Landesent wicklungsplanes.

Ich glaube, dass die Wirtschaftskraft Brandenburgs auf Dauer nur dann mit derjenigen der anderen BundeslĂ€nder mithalten kann, wenn der lĂ€ndliche Raum die WĂŒrdigung erfĂ€hrt, die er verdient. Sie sollten sich daher nicht mit Selbstlob mittels se lektiver Daten zufriedengeben, sondern in die Zukunftsberei che investieren, die es dringend nötig haben. - Vielen Dank.

Vielen Dank. - Wir kommen nun zu Minister Prof. Dr.-Ing. Steinbach. Er spricht fĂŒr die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau PrĂ€sidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Lie be GĂ€ste! Eine kleine Vorbemerkung: Ich habe mir zu den Bei trĂ€gen der Vorredner einige Notizen gemacht, auf die ich aber erst im zweiten Teil eingehe, weil ich zunĂ€chst meine eigene Botschaft vortragen möchte. Bitte fĂŒhlen Sie sich davon nicht in Ihren Aussagen ignoriert.

Ich will einmal ganz vorne beginnen - mit einer Definition, was Wirtschaft eigentlich ist. Egal, ob man in eine EnzyklopĂ€ die schaut oder bei Wikipedia sucht, die Antwort lautet: Man versucht, durch Handlungen wie Tausch, Produktion, Handel und Konsum eine planvolle Befriedigung von BedĂŒrfnissen zu erreichen.

(Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])

Warum wÀhle ich diese Einleitung? Weil ich verdeutlichen will, dass alles, was uns in unserem tÀglichen Leben umgibt und in erster Linie steuerfinanziert ist, nur deshalb existiert, weil wir eine funktionierende Wirtschaft haben.

(Frau Schade [AfD]: Weil wir eine Wirtschaft haben!)

Wenn wir sie nicht hĂ€tten, wĂ€re ein großer Teil unseres Wohl stands und unserer Situation nicht gegeben. Das sollte man ent sprechend wĂŒrdigen.

(Beifall SPD und CDU sowie vereinzelt DIE LINKE)

Ich benutze gern ein Bild, demzufolge das schon in der Stein zeit angefangen hat:

(Genilke [CDU]: Wikipedia!)