Es gibt folgenden Antrag: Die CDU-Fraktion beantragt zum TOP 13 „Bericht zur Umsetzung der landespolitischen Prioritäten und Querschnittsaufgaben für den Einsatz der EU-Fördermittel aus EFRE, ESF und ELER in der EU-Förderperiode 2014 - 2020 in Brandenburg“ Redezeiten nach Variante 1 statt, wie bislang vorgesehen, ohne Debatte. Gibt es zu diesem Antrag Bemerkungen? - Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen. Wer zu diesem Tagesordnungspunkt die Redezeit Null auf Redezeit 1 erweitern möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Beides stelle ich nicht fest. Damit ist diesem Antrag gefolgt worden.
Gibt es ansonsten zum vorliegenden Entwurf der Tagesordnung Bemerkungen? - Das stelle ich nicht fest. Ich lasse also über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach ihr verfahren möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.
Wie Sie bereits wissen, müssen wir heute auf Ministerpräsident Dr. Woidke verzichten; er wird von Herrn Minister Dr. Markov vertreten. Frau Ministerin Tack verlässt uns ab 12 Uhr, sie wird ebenfalls von Minister Dr. Markov vertreten. Das wird ein stressiger Tag für Sie, Herr Minister.
Wir sind es ja nicht gewohnt, so früh anzufangen. Aber es gelingt ganz gut, der Saal ist schon ganz ordentlich gefüllt, und wir haben heute auch ein wichtiges Thema.
Der Ministerpräsident hat gestern in seiner Regierungserklärung eine Vokabel geprägt, die, glaube ich, sehr treffend ist: Brandenburg ist wirtschaftlich ein Aufsteigerland. Und das ist keine Selbstverständlichkeit, darüber können wir uns, glaube ich, alle in diesem Land freuen.
Denn wir müssen uns vor Augen halten, woher wir kommen, welche Entwicklung dieses Land Brandenburg genommen hat.
Wir haben gestern an die vielen Gedenkjahre erinnert. Für uns ist das Wichtigste in diesem Herbst „25 Jahre friedliche Revolution“. Aber damit begann auch die Transformation in Ostdeutschland.
Die Transformation in den 90er-Jahren in allen ostdeutschen Ländern, auch in Brandenburg, war davon geprägt, dass die Wirtschaftsstruktur, die bis dahin existiert hatte, zunächst zusammenbrach. Wir haben in Brandenburg in den 90er-Jahren eine dramatische Deindustrialisierung erlebt. Wir haben erlebt, dass auch im landwirtschaftlichen Bereich Arbeitsplätze in Größenordnungen vernichtet worden sind. Heute gibt es dort noch gut 36 000 Arbeitsplätze. Wir hatten einmal 230 000 Arbeitsplätze im ländlichen Raum, in der Landwirtschaft in Brandenburg. Das alles brach weg. Und das hat in den 90er-Jahren dazu geführt, dass eine dramatische Abwanderung aus allen Regionen, aus allen Städten, aus allen Gemeinden, einsetzte, größtenteils nach Westdeutschland; mit den Folgeproblemen haben wir heute noch zu tun. Es sind ja damals nicht die 60-/65-Jährigen abgewandert, sondern abgewandert ist die Generation der 20- bis 40-Jährigen. Sie haben zum Teil ihre Kinder mitgenommen bzw. die Kinder, die sie noch zeugen wollten eigentlich geplant hier in Brandenburg -, haben sie dann in Baden-Württemberg und Bayern gezeugt. Das hat die Effekte gehabt, die wir alle kennen, nämlich dass zunächst die Krippen geschlossen wurden, dann die Kindertagesstätten, dann die Grundschulen. Das Ganze zog sich einmal durch das gesamte Bildungssystem. Mit den Folgeproblemen des demografischen Echos auf diese Abwanderung haben wir heute immer noch zu tun.
Es gab in den 90er-Jahren in Brandenburg, auch in Sachsen, auch in Thüringen, eine Phase der Depression. Es war nicht selbstverständlich, dass wir eine neue Wirtschaftsstruktur aufbauen. Wir können aber heute feststellen, dass wir da sehr rasant herausgekommen sind, und zwar vor allem in den letzten acht Jahren. Noch 2005 hatten wir in Brandenburg 240 000 Arbeitslose. Heute, acht Jahre später, hat sich diese Arbeitslosenzahl halbiert. Das ist ein Riesenerfolg, an dem viele mitgearbeitet haben.
Brandenburg ist auf einem guten Weg, auf einem sehr guten Weg, und Sie, liebe Kollegen von der CDU, haben daran auch einen gewissen Anteil. In der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung sind auch wichtige Entscheidungen getroffen worden. Malen Sie Ihre eigenen Leistungen nicht so schwarz! Sie haben auch Ihren Beitrag geleistet, und das erkennen wir an.
Aber ich will nicht nur an den Zahlen der Arbeitsplätze festmachen, dass Brandenburg ein Aufsteigerland ist. Zwischen 2005 und 2013 ist das Bruttoinlandsprodukt von 47,5 Milliarden Euro auf mittlerweile 59,1 Milliarden Euro gestiegen. Damit liegt Brandenburg auf dem zweiten Platz im Osten. Das ist eine gute Entwicklung, auf die wir gemeinsam stolz sein können.
Unser Außenhandel hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Der Export war 1990 quasi auf null gefahren worden. Wir waren kein Exportland mehr. Wir haben es geschafft, unseren Außenhandel zwischen 2005 und 2013 von 6,6 Milliarden Euro auf 13 Milliarden Euro zu verdoppeln. Das ist gut. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir in Brandenburg immer konsequent dazu gestanden haben, dass wir ein Industrieland sind und auch bleiben wollen.
Aber es gibt noch einen anderen Bereich, von dem 1990 einfach noch nicht vorstellbar war, dass er sich so gut entwickelt: Wir haben heute in Brandenburg mehr als 100 000 Arbeitsplätze im Tourismus. Hätte das 1990 jemand gesagt, der wäre ausgelacht worden. Wir haben dieses Land zu einem Land entwickelt, wo Menschen gerne Urlaub machen, gerne hinfahren, sich erholen und damit auch Arbeitsplätze schaffen.
Aber wir haben auch noch Probleme, und zwar auch neue Probleme, die in der aktuellen Debatte, glaube ich, noch einmal intensiv diskutiert werden müssen. Ein Problem ist, dass diese positive wirtschaftliche Entwicklung vor dem Hintergrund auch von Abwanderung in den 90er-Jahren mittlerweile zu Facharbeitermangel führt. Wir haben in der Tat im Land Regionen, in denen fast schon so etwas wie Vollbeschäftigung herrscht, insbesondere im engeren Verflechtungsraum um Berlin. Wir haben allerdings auch noch Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit bei 13, 14 % liegt. Aber in den Regionen, in denen faktisch Vollbeschäftigung herrscht, gibt es mittlerweile die Situation, dass Fachkräftesicherung ein riesengroßes Thema wird. Ich glaube, wir müssen ernsthaft darüber diskutieren, was als wirtschaftspolitisches Signal gesetzt werden muss, damit das gelingt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, da muss ich Sie ansprechen: Wir haben noch mit einem Manko zu kämpfen,
das Ihr früherer Wirtschaftsminister Junghanns diesem Land als Stempel aufgedrückt hat, nämlich dass wir ein Niedriglohnland waren.
Deshalb sage ich von dieser Stelle aus ganz ausdrücklich: Diese Zeit ist vorüber. Wir wollen kein Niedriglohnland sein. Wir werben auch nicht damit, sondern wir wollen ein Land der guten und vor allem der gut bezahlten Arbeit sein.
Sagen Sie jetzt nicht, Herr Junghanns ist weg und das sei nicht mehr die Linie der CDU. Gerade in der letzten oder vorletzten Woche hat Herr Homeyer - ich glaube, mit Herrn Schierack zusammen, ich weiß gar nicht, ob Sie dabei waren - Ihr wirtschaftspolitisches Papier vorgestellt. Da konnten wir wieder feststellen, dass diese CDU immer noch an diesen Träumereien festhält. Herr Homeyer hat nämlich erklärt, dass er den gesetzlichen Mindestlohn, den die CDU auf Bundesebene mit uns gemeinsam verabschieden wird, nicht durchsetzen wolle, sondern dass er regionale und sektorale Unterschiede anstrebe. Das muss man mal übersetzen.
Das heißt, er will keinen gleichen Mindestlohn in Ost und West, er will sogar noch innerhalb Brandenburgs unterschiedliche Mindestlöhne. Das ist die Position der CDU,
Wir müssen uns, wenn wir das Thema Facharbeitermangel in den Griff bekommen wollen, insbesondere auch darum kümmern, dass wir Rückkehrern, von denen es in Brandenburg mittlerweile eine nennenswerte Anzahl gibt, eine richtig gute Perspektive aufzeigen. Rückkehrerinitiativen vor Ort werden von der Landesregierung unterstützt; sie werden auch von diesem Hohen Haus, ich denke, über alle Fraktionen hinweg, unterstützt. Aber wir müssen auch die richtigen politischen Signale setzen. Ich glaube, dass insbesondere der gesetzliche Mindestlohn, der jetzt zum 1. Januar kommen wird, ein wichtiges Signal ist, denn er ist eben die Untergrenze. Und weil diese Untergrenze eingeführt wird, wird das Lohngefüge in Deutschland insgesamt steigen. Das ist auch dringend notwendig.
Es wird uns nur gelingen, junge Lausitzer - mittlerweile nicht mehr so junge Lausitzer wie vor 15 oder 20 Jahren - oder Uckermärker, die nach Baden-Württemberg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen gegangen sind, zurückzuholen, wenn sie hier erwarten können, dass sie Gehälter erhalten, die ihren Lebensstandard sichern. Wir können ihnen gute Schulen bieten, wir können ihnen gute Kinderbetreuung bieten. Wir können ihnen auch guten Wohnraum bieten. Aber die Menschen werden nur hierher zurückkommen, wenn sie ähnlich hohe Gehälter bekommen. Das ist die große Herausforderung. Deshalb muss
jetzt, im 25. Jahr nach der Revolution, endlich durchgesetzt werden, dass wir gleiche Löhne in Ost und West haben.