Protocol of the Session on January 23, 2014

Das, worüber wir hier diskutieren, sind die Nachwehen der einzigen nennenswerten bildungspolitischen Maßnahme der rotroten Koalition im Bereich der frühkindlichen Bildung. Natürlich begrüßen wir diese neue Regelung. Wir begrüßen auch einige andere Änderungen - auch wenn die noch zu konkretisieren sind -, nämlich als erstes die Finanzierung von Gebärdendolmetschern und anderer Kommunikationshilfen für die Wahrnehmung von Elternbeteiligungsrechten und zweitens die Klarstellung der notwendigen Qualifikationen für Kitapersonal, die in einer Kita-Personalverordnung neu geregelt werden.

Auf den zweiten Blick gibt es aber noch ein paar Fragen, die weder in der Begründung noch im Gesetz selbst beantwortet werden und auch von meinen Vorrednerinnen nicht auf wirklich schlüssige Art und Weise geklärt worden sind. Wenn zum Beispiel eine Stadt oder ein Landkreis nach dem Verwaltungsgerichtsurteil nun mehr Kosten geltend machen kann, als ihr bzw. ihm vorher entstanden sind - das wurde ja gesagt -, kann das im Ministerium beantragt werden. Aber diese Mehrkosten müssen ja irgendwie aus dem Landeshaushalt, das heißt aus Landesmitteln finanziert werden. Oder geht die Landesregierung davon aus, dass sich die Mehrkosten an einer Stelle mit geringeren Kosten der Landkreise an anderer Stelle verrechnen lassen? Ist das letztendlich ein Gesamttopf, aus dem die Gelder genommen werden, oder wird tatsächlich mit einer Aufstockung gerechnet? Wie wirkt sich dieses Gesetz genau aus?

Zweite Frage: Das Gesetz regelt ja nur die Finanzbeziehung des Landes mit den Landkreisen und den kreisfreien Städten neu. Wie diese auf sich verändernde Zuschüsse reagieren, wie sich das also auf die einzelnen Träger vor Ort auswirkt, ist auch nicht ganz klar. Heißt das, dass am Ende einige mehr kriegen und andere vielleicht auch weniger?

Drittens: Im Gesetz wird eine neue Bemessungsgrundlage festgelegt, die eine Wirkung entfalten kann, die wir uns nicht wünschen können. Das Gesetz definiert nämlich die erforderlichen Perso

nalkosten einer bestimmten Fachkraftstelle. Da aber als Bemessungsgröße die Durchschnittssätze der jeweils gültigen Vergütungsregelung dienen, kann das bedeuten, dass die zugrunde gelegte Vergütungsgruppe als Bemessungsgröße genommen wird, obwohl wir alle wissen, dass das nur eine ziemlich niedrige Eingruppierungsstufe ist. Wir wollen doch aber - das ist ja eigentlich Konsens in diesem Haus - eine Aufwertung der Bezahlung der Fachkräfte in den Kindertagesstätten erreichen. Und wir wollen auch mehr Hochschulabsolventen und -absolventinnen für den Job in der Kita gewinnen. Wir wollen gut ausgebildetes Personal für Sprachförderung und Inklusion einstellen können.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Wenn wir diese Fachleute tatsächlich vor Ort bekommen, werden dann die Mehrkosten nicht als erforderliche Personalkosten anerkannt? Muss das im Ministerium beantragt werden? Wird das Ministerium das dann selbstverständlich alles zahlen, weil es sinnvoll ist?

Ein Weiteres gilt es zu bedenken: Es mag sein, dass die im Gesetzentwurf benannte Normkategorie im Moment die am weitesten verbreitete Lohnkategorie der Fachkräfte in Brandenburg ist. In den letzten Jahren aber ist der Arbeitsmarkt für Fachkräfte zusammengebrochen, und qualifiziertes Personal ist schwer zu finden. Manchmal müssen auch deutliche Gehaltsaufschläge gezahlt werden; da kann sich in den nächsten Jahren auch noch etwas ändern. Und das ist nicht berücksichtigt! Wir müssen im Ausschuss noch einmal darüber diskutieren, ob wir nicht die jetzige Definition im Gesetz als Mindeststandard oder Ähnliches festschreiben können, anstatt sie als Durchschnittsdefinition zugrunde zu legen.

Was uns Grünen auch fehlt - wenn wir schon über das Kindertagesstättengesetz und die dazugehörigen Verordnungen reden -: Wir brauchen endlich die Leitungsfreistellung im Gesetz.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Wir brauchen eine Erhöhung der Leitungsfreistellung. Und uns fehlt der begleitende Stufenplan, über den wir schon so oft geredet haben, um den Betreuungsschlüssel weiter zu verbessern, die Kitas besser mit Sprachförderung auszustatten usw. Diese Forderungen sind alle nicht neu, aber wir werden sie weiterhin wiederholen, schon im Hinblick auf die heute früh vorgestellte Kampagne. Es darf wirklich nicht sein, dass wir durch diesen einen Schritt der Koalition von Platz 16 auf Platz 16 „hochgerutscht“ sind.

Auch über die Qualität von Kindertagesbetreuung müssen wir weiter diskutieren. Zu sagen, das ginge nicht, weil uns durch den Beschluss des Doppelhaushalts die Hände gebunden seien, ist kurzsichtig. Wenn wir es von den Vertretern der Regierungskoalition hören, dann ist es auch nur die halbe Wahrheit; denn genau Sie haben diesen Haushalt so beschlossen. Jetzt zu sagen, Ihnen seien die Hände gebunden, Sie könnten das nicht machen, weil die Beschlusslage so sei, ist wirklich eine feige Lösung.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Beliebigkeit ist keine Lösung!)

- Feige sein ist auch eine Lösung? Das kann man so sehen, Frau Mächtig. Aber das sollte nicht Ihr Einstieg sein.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Beliebigkeit ist keine Lö- sung!)

- Von Beliebigkeit habe ich nicht geredet.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Aber ich!)

Das sind die gleichen Forderungen, die wir hier immer wieder stellen und die Sie immer wieder abgelehnt haben. Die Baustelle Kindertagesstättenbetreuung ist längst nicht fertig.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Dr. Münch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir die Ausschussdiskussion haben werden; denn eine Fülle der Fragen, die Sie gestellt haben - auch der Vermutungen, meine Herren von CDU und FDP -, werden sich im Ausschuss mit ein bisschen mehr Zeit auch aufklären lassen.

Es geht hier mitnichten darum, ein Gesetz zur grundsätzlichen Veränderung unserer Kindertagesstätten, zur Veränderung der Qualität oder Ähnlichem umzusetzen, sondern es geht darum, dass wir in Bezug auf die komplexe Finanzierungsstruktur zwischen Land und Kommunen zu einer Modifikation kommen müssen. Die mehr als 9 Millionen Euro, die wir dafür einsetzen müssen, dienen nicht dazu, Personalschlüssel zu verändern oder anderes Personal einzustellen. Vielmehr soll eine scheinbare Verteilungsungerechtigkeit ausgeglichen werden. Frau Große und Frau Lieske haben schon dargestellt, wie komplex die Finanzbeziehungen an dieser Stelle zwischen Land und kommunaler Ebene sind.

Wir haben übrigens im Austausch mit der kommunalen Ebene intensiv über die Schlussfolgerungen aus dem Verfassungsgerichtsurteil gesprochen. Wir sehen, dass beide Spitzenverbände hierzu diametral entgegengesetzte Auffassungen haben. Beispielsweise ist der Landkreistag sehr für die Vereinfachung durch den Sockelbetrag, den wir eingeführt haben, während der Städte- und Gemeindebund strikt dagegen ist. Die Spitzabrechnung, die manche fordern, ist auch gar nicht möglich, weil es gar keine gesetzliche Grundlage gibt, detailliert in die Finanzkostenabrechnungen, Schätzungen und Kalkulationen der Kommunen hineinzuschauen, weil kommunale Autonomie einen sehr hohen Stellenwert hat.

Insofern handelt es sich um ein Gesetz, mit dem wir versuchen, etwas mehr Klarheit und Stringenz in diese komplexen Abrechnungsmuster zu bringen. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden - Frau von Halem, das war ein Teil Ihrer Frage -, dass wir innerhalb der gleichen Summe bleiben, aber einigen etwas wegnehmen und anderen etwas mehr geben. Das hätten wir aber als sehr ungerecht empfunden.

Daher haben wir uns dafür entschieden, den Kommunen, die höher ausgelastet sind, etwas dazuzugeben - das sind immerhin über 9 Millionen Euro, also kein kleiner Betrag -, um zu vermeiden, anderen etwas wegnehmen zu müssen. Das ist aber ein Zwischenschritt, um unterschiedliche Finanzierungsmodelle einander anzugleichen. Wir stehen in einem komplexen Geflecht

aus unterschiedlichsten Ansprüchen. Es kommt hinzu, dass Landkreistag und Städte- und Gemeindebund das Gesetz diametral entgegengesetzt beurteilen.

Wir werden in der Anhörung das eine oder andere Thema noch ansprechen. Aber es kann hier nicht darum gehen - ich weiß, die Neigung ist immer da, wenn man ein Gesetz anfasst; wir hatten eine ähnliche Diskussion beim Schulgesetz -, mittels dieser Regulierung der Finanzierungsströme zu versuchen, alles reinzupacken, was man schon immer an Kita oder Schule ändern wollte. Das wäre nicht zielführend. Wir haben die Aufgabe, rückwirkend und im Konsens mit allen Beteiligten ein Verfassungsgerichtsurteil umzusetzen, und dem wird dieses Gesetz gerecht.

Herr Büttner, ich habe mich übrigens sehr darüber gefreut, dass Sie mindestens drei Mal von „Schönheitskorrekturen“ gesprochen haben; denn wenn man Schönheit korrigiert, ist ja Schönheit da. Das heißt, Sie haben diesem Gesetz Schönheit bescheinigt. - Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Büttner [FDP]: Wenn es Sie glücklich macht!)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Münch. - Wir sind am Ende der Aussprache angelangt. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs zum Kindertagesstättenanpassungsgesetz in der Drucksache 5/8369 an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und eröffne Tagesordnungspunkt 5:

Altersgrenzen in Brandenburger Rechtsvorschriften

Bestandsaufnahme und Bewertung - Maßnahme Ziffer 1 des Seniorenpolitischen Maßnahmenpakets der Landesregierung „Aktives Altern in Brandenburg …“

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/8307

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Sieglinde Heppener, das Papier - 118 Seiten - liegt Ihnen/euch vor. Wer es durchgeschaut hat, ist vielleicht das eine oder andere Mal ins Schmunzeln darüber gekommen, was da so für Altersgrenzen nach oben und nach unten eingezogen sind. Ich finde es toll, dass wir damals die Idee hatten, uns brandenburgische Gesetze und Rechtsvorschriften daraufhin anzuschauen, ob sie nicht tatsächlich an irgendeiner Stelle diskriminierend sind. Dabei geht es um eine Diskriminierung nach oben wie nach unten, also um die Frage, ob man etwas erst

dann machen darf, wenn man so und so alt ist, oder ob man etwas nicht mehr machen darf, wenn man schon so alt geworden ist. Ich fand es recht spannend, mir das ganze Ding anzuschauen.

Ich bin wirklich froh, dass die Ressortkollegen dann auch durch die Bank gesagt haben: Wir machen mit und gucken auch mal drauf.

Bei dem einen oder anderen hätte ich gesagt: Naja, da muss man sich jetzt nicht so haben. Da könnte man ruhig sagen, das ändern wir auch ab. - Aber gut, das liegt immer in der Verantwortung der Ressorts. Im Großen und Ganzen wird die Zukunft zeigen, wenn wir uns die einzelnen Gesetze vornehmen, dass wir da sehr gut miteinander umgehen.

Der demografische Wandel im Land bringt auch Chancen mit sich. Dann muss man aber der Generation, die älter wird, tatsächlich die Chance geben, etwas daraus zu machen. Das betrifft nicht nur die Feuerwehrleute - ich bin sehr dankbar, dass wir uns mit dem Innenministerium einig sind -, die bisher mit 65 Jahren aus dem aktiven Dienst ausscheiden mussten. Ich habe das vor 14 Jahren bei meinem Vater erlebt, als er nicht mehr zum Löschen ausrücken sollte. Da haben wir auch gesagt: Was soll denn dieser Quatsch? Er war damals - und ist es heute noch fit wie ein Turnschuh. Dass er dann nicht mehr ausrücken durfte, fand ich sehr unangemessen. Ich finde es gut, dass wir jetzt eine Lockerung einführen und das im Einzelnen geprüft werden muss.

Man sagt: Jeder ist so alt, wie er sich fühlt. - Auch darauf geht wahrscheinlich so manche Muskelzerrung zurück. Aber egal, am Ende des Tages muss man berücksichtigen, dass man mit 65 noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Wir haben gut dafür gearbeitet, dass man gesünder älter wird und im Alter fitter ist, als man es vielleicht noch vor 20 oder 30 Jahren war.

Wir wollen damit Diskriminierung beseitigen und Pauschalierungen abschaffen, weil wir gemerkt haben, dass Pauschalierungen an der Stelle nicht helfen. Wir haben einen österreichischen Außenminister, der 27 Jahre alt ist. Ich glaube, Schily war in seiner letzten Amtszeit als Innenminister 74, und er konnte in diesem Alter noch einen guten Job machen. Konrad Adenauer war, glaube ich, 72 Jahre alt, als er zum ersten Mal Bundeskanzler wurde. Daran merkt man, dass Altersgrenzen, die bei 62 oder 65 Jahren liegen, nicht gerade hilfreich sind. Man muss wirklich ein bisschen mehr Gespür dafür haben, wie es demjenigen geht.

Immer wieder sind es auch Wahlen gewesen, die dazu geführt haben, dass Menschen diese Position eingenommen haben. Da waren offensichtlich diejenigen, die gewählt haben, der festen Überzeugung: Die können das in dem Alter! Warum sollte man also womöglich pauschal ausschließen, dass etwas geht oder nicht mehr geht?

Wir haben zum Beispiel die Regelung, wonach der Rechnungshofpräsident mindestens 40 Jahre alt sein muss. Ich weiß auch nicht, was das soll. Ich kann mir vorstellen, dass man eine Regelung hat, die besagt: Er muss eine Befähigung zum Juristen haben, er muss soundso viele Jahre Diensterfahrung haben. All das kann ich mir denken. Aber die Altersgrenze von 40 Jahren finde ich nicht passend. Auch da, wie gesagt, werden wir genau hingucken und schauen, was wir machen können.

Der schlimmste Satz, der mir immer wieder unterkommt, ist der: „Es ist ja allgemein bekannt, dass man mit 65 Jahren ….“ Da kann ich nur sagen: Nein, das ist nicht allgemein bekannt, das ist eine Plattitüde. Dem sollte man nicht weiter auf den Leim gehen, sondern das gute alte chinesische Sprichwort gelten lassen: Es zählt nicht, wie alt du bist, sondern wie du alt bist. - Danke schön.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Schier hat das Wort.

Bitte wundern Sie sich nicht, uns bricht hier die Technik immer mal zusammen, es gibt also nicht nur Alarm.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier eine Rede vorbereitet, ich will die gar nicht halten. Herr Minister Baaske hat vieles gesagt, was auch in meiner Rede steht.

Es ist ein Bauchgefühl. Wenn jemand mit 18 oder mit 20 in die Pflege gehen will, fragt man: Hat der die soziale Kompetenz? Ist der reif genug? Bürgermeister mit 65 oder 70? - Klar, der eine ist frühreif und bringt die Kompetenzen mit, und der andere ist mit 70 noch in der Lage, ein Bürgermeisteramt auszuführen. Sie haben die Bundesminister genannt, die alt sind. Auch in der jetzigen Regierung sind einige, die schon etwas betagt sind. Man ist so alt, wie man sich fühlt.