Schauen wir uns ein anderes Beispiel an, in der ländlichen Region, schauen wir gemeinsam ins Oderbruch, Richtung Seelow. In der Kreisstadt sind, wie Sie wissen, einige Arztsitze nicht besetzt. Es ist auch schwierig, diese mit Fachärzten und Hausärzten zu besetzen. Es gibt vor Ort ein Krankenhaus, das gut verankert ist und die entsprechende Versorgung sicherstellt. Diese Region ist keine unterversorgte Region. Sie ist zwar eine, wie es so schön heißt, von der Unterversorgung bedrohte Region, aber keine nach der Bedarfsrichtlinie unterversorgte Region. Obwohl es dringend notwendig ist, hier Ärzte anzusiedeln, dürfte dieses Krankenhaus keine ambulante Versorgung in dem Sinne vornehmen.
Ich will mit diesen Beispielen deutlich machen, dass die ambulante Versorgung durch Krankenhäuser keine Bedrohung für niedergelassene Ärzte wäre. Wichtig ist vielmehr eine regional ausgeglichene Verteilung der ambulanten Behandlung. Die strenge Trennung der Sektoren - ambulant und stationär - ist nicht mehr zielführend und auch nicht zukunftsweisend, um dem flächendeckenden gesundheitlichen Versorgungsmaßstab einerseits und dem Ärztebedarf andererseits gerecht zu werden.
Werte Kollegen! Ich möchte an zwei Beispielen aber auch deutlich machen, dass Brandenburg, dass diese rot-rote Landesregierung den neuen bundespolitischen Vorstellungen längst vor
(Senftleben [CDU]: Wobei? - Beyer [FDP]: Das wollen wir jetzt aber genauer wissen! - Vereinzelt Heiterkeit bei der Fraktion B90/GRÜNE)
oder mein Kind wieder einmal ausgerechnet am Samstagabend krank wird und die medizinische Behandlung nicht bis Montag warten kann, was tut man? Man fährt in die Notaufnahme eines Krankenhauses und wird dort glücklicherweise behandelt, und mit Glück - zumindest war es bei uns bisher so - darf man anschließend, nach der Behandlung in der Notaufnahme wieder nach Hause fahren.
Auf Bundesebene ist jetzt für diesen Fall vorgesehen - ich zitiere -, „eine regelhafte Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenhäuser zur Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung anzustreben.“ - Aha, anzustreben!
Da lohnt sich doch der Blick nach Brandenburg, denn wir sind hier schon ein Stück weiter. Hier hat sich die Landesebene mit den Verantwortlichen abgestimmt. Im Dezember 2013 - also vor nicht allzu langer Zeit - öffnete bereits die dritte Bereitschaftsarztpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung an einem Krankenhaus. Nach Potsdam und Cottbus kann man sich nun auch im Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde vom Bereitschaftsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung ambulant versorgen lassen.
Ich habe mehrmals die wirklich gute Erfahrung mit meinem Sohn machen dürfen, was den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus angeht. Sie können mir glauben, dass ich weiß, wovon die Rede ist, wenn man mit einem zweijährigen Sohn, der vierzig Grad Fieber hat, am Wochenende einen Arzt aufsuchen muss - aber dann auch die notwendige Hilfe bekommt.
An diesem Beispiel wird auch deutlich, wie sinnvoll diese Kooperation ist, weil einerseits die Notaufnahmen entlastet werden und andererseits eine ambulante Versorgung am Krankenhausstandort möglich ist. Das heißt, selbst in den Fällen, wo dann der Bereitschaftsdienst sagt: „Es ist doch schwieriger, als ich denke!“, kann man das Know-how und die Fachkompetenz des Krankenhauses nutzen. Das ist beispielhaft und wichtig und aus meiner Sicht auch für das Land ausbaufähig, um sowohl die derzeitige wie auch die zukünftige gesundheitliche Versorgung in Brandenburg sicherzustellen. Warum sollte dies nicht auch bundesweit Schule machen? Gern ist Brandenburg hier auch für den Bundesgesundheitsminister Ratgeber.
Ein anderes Beispiel ist das Modell AGnES II, die arztentlastende Fachkraft. Dieses Modell läuft in Brandenburg, wie Sie wissen, bereits seit Jahren - nicht nur in den unterversorgten Regionen, sondern überall - erfolgreich. Diese Unterstützung und Entlastung des Arztes bei besonders betreuungsintensiven und immobilen Patienten gerade im ländlichen Raum ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Sicherstellung der flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung. Klar, es ist kein Ersatz für den Arzt, sondern eine Unterstützung, eine sinnvolle und kluge Delegierung von Aufgaben.
Nun kann ich im Koalitionsvertrag der CDU-geführten Bundesregierung nachlesen, dass - ich zitiere - „der Einsatz von quali
fizierten nichtärztlichen Gesundheitsberufen, die delegierte ärztliche Leistungen erbringen, flächendeckend ermöglicht und leistungsgerecht vergütet werden soll.“ Ja, das ist ein richtiger Ansatz trotz der auch mir bekannten Skepsis unter der Ärzteschaft, die immer wieder fragt: Können sie es überhaupt? Ja, sie können es, und es funktioniert gut. Das beweist Brandenburg gemeinsam mit seiner Kassenärztlichen Vereinigung. Die Fachkräfte sind qualitativ sehr gut ausgebildet und kommen in der Fläche des Landes entsprechend gut an. AGnES kann es, AGnES muss vom Modell zum Standard werden.
Überraschenderweise - die Kunde hör‘ ich wohl - geht der Koalitionsvertrag sogar ein Stück weiter, möchte nämlich in Modellvorhaben neue Formen der Substitution ärztlicher Leistungen testen. Diese neuen Formen könnten auch in Brandenburg eine weitere Chance für die zukünftige gesundheitliche Versorgung in der Fläche sein. Beraten wir also gemeinsam mit den Partnern neue Modellansätze. Ich denke, das gemeinsame Landesgremium nach § 90a SGB V ist genau der richtige Ansprechpartner für diese sektorenübergreifenden Versorgungsfragen.
Das ist eine große Herausforderung und eine wichtige politische Aufgabe. Aber aktuelle Brandenburger Sozialindikatoren und entsprechende Studien machen deutlich, dass Menschen aus sozial benachteiligten Lebenslagen nur schwer Zugang zur Gesundheitsversorgung haben - angefangen von der finanziellen Möglichkeit für die Nutzung präventiver Angebote bis hin zum Besuch beim Arzt.
Ein Beispiel: Ein 60-jähriger Rentner, der zusätzlich - obwohl er ein Leben lang gearbeitet hat - Leistungen vom Sozialamt erhält, ist stark an Parkinson erkrankt und muss dringend zur ambulanten Behandlung. Diese befindet sich jedoch in einem anderen Ort. Was ist jetzt zu tun? Selbst fahren ist aufgrund der Erkrankung unmöglich; auch die Nutzung des ÖPNV ist aufgrund der Erkrankung einschränkt. Er ist allein, hat keine Verwandten vor Ort. Und nun? Da sein Schwerbehindertenausweis „nur“ das Merkzeichen „G“ trägt, wird ihm aufgrund der bundesweit gültigen Bundeskrankentransportrichtlinie auch noch der Krankentransport bzw. die Übernahme der Fahrtkosten verweigert. Der kranke Mann muss regelmäßig zum Arzt; ihm bleibt nur, auf eigene Kosten selbst zu fahren bzw. gefahren zu werden, was er sich aber nicht leisten kann. Und nun? Wie weiter? Genau auf diese Fragen fehlen mir die Antworten vom Bundesgesundheitsminister - die vermisse ich. Ich gehe davon aus und habe die große Erwartung, dass er sich auch genau um diese Menschen mit kümmert.
Im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten und die Qualität ihrer medizinischen, gesundheitlichen Versorgung; ich denke, darüber sind wir uns alle hier einig. Dies muss auf Landes- wie auf Bundesebene Anspruch der Gesundheitspolitik sein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste! Wie weiter mit der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg? Diese Frage stellt die Linke zum dritten Mal in einer Aktuellen Stunde - als ob sie nicht regieren würde! Ich bin gespannt, was die Gesundheitsministerin dieses Landes nachher dazu sagt. Was bietet also die Gesundheitsministerin an?
(Beifall CDU - Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Die CDU stellt zum fünften Mal einen Antrag zur Polizei!)
Aber die soeben gehörte Rede lässt vermuten, dass Sie das alte Konzept wieder aufleben lassen: Die Bedeutung der medizinischen Versorgung wird hervorgehoben, und dann wird auf den Bund geschimpft.
Genau so etwas wird nicht mehr durchgehen. Das kann man vielleicht am Anfang einer Legislaturperiode machen, aber nicht, wenn man schon vier Jahre in diesem Land regiert.
Meine Damen und Herren, da gehört es schon dazu zu fragen: Was bleibt von dieser Legislatur? - Und: Was kommt dann? Wo sind die Konzepte?
Dazu kann ich nur sagen, dass die Zustandsbeschreibung durchaus stimmt: Für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist die medizinische Versorgung nicht besser, sondern eher schlechter geworden - das ist doch eine Tatsache. Es besteht ein zunehmender Hausärzte- und Fachärztemangel in diesem Land. Die Kliniken werden in diesem Land nicht ausreichend planerisch und finanziell unterstützt - trotz Bettenhausplanung, trotz neuem Finanzierungsgesetz. Ich sage auch deutlich: Die Kassenärztliche Vereinigung hat erst letzte Woche einen Warnruf losgeschickt, dass es auf dem Land große Lücken in der fachärztlichen Versorgung gibt. Was andere Landesregierungen längst haben, hat die Landesregierung eben nicht: ein Konzept, mit dem man junge Mediziner in dieses Land holt. Das wäre doch mal ein Ansatz.
Dass gesundheitliche Versorgung in diesem Land funktioniert, ist überhaupt nur den Aktionen der Ärzte, Schwestern und Krankenhäuser zu verdanken.
Nach wie vor wird auf den Bund gezeigt, um das eigene Versagen zu verdecken. Ich kann Ihnen versichern, dass wir in den Koalitionsgesprächen auf Bundesebene zwischen SPD und CDU
gerade die Themen Facharztgewinnung, Finanzierung, Wartezeiten, Versorgung, aber auch die Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung sehr intensiv besprochen haben. An den Koalitionsgesprächen waren insbesondere die Länderminister, die Länderpolitiker überproportional beteiligt, und wir hatten gerade diese Länderinteressen in der Diskussion. Auf CDU-Seite waren vor allen Dingen die ostdeutschen Politiker dabei, Lösungen zu suchen. Ich kann Ihnen sagen: In diesem Koalitionsvertrag steht sehr viel, was Länderinteressen entspricht. Ich gebe auch zu: Es ist durchaus ein Kompromiss zwischen SPD und CDU; Herr Baaske war mit dabei, wir haben darum gerungen. „Kompromiss“ bedeutet in diesem Fall, einen Kompromiss zwischen den Ländern, zwischen den Ländern und dem Bund, zwischen CDU und SPD. Aber die Themen sind doch gesetzt; über die schwierigen Felder ist doch gesprochen worden. Herrmann Gröhe, der neue Gesundheitsminister, hat das auch schon angesprochen.
- Ja. - Er hat darüber gesprochen, junge Leute bevorzugt zum Medizinstudium zuzulassen, wenn sie sich verpflichten, in die ländlichen Regionen zu gehen, und den Numerus clausus auszusetzen.
Wir haben auch über die Wartezeiten gesprochen. Nun bin ich nicht glücklich über die Formulierungen bezüglich der Wartezeiten im Koalitionsvertrag, weil sie den Ärzten und uns in Brandenburg nicht helfen. Ich gebe gern zu, da habe ich meine Situation auch geschildert; das halte ich nicht gerade für gut. Aber dass man die Wartezeiten überhaupt thematisiert und versucht, Lösungen anzubieten - was die Landesregierung eben nicht macht -, ist doch schon eine gute Voraussetzung, überhaupt das Problem anzugehen.
Aber sich dann immer wieder hier hinzustellen und zu sagen, Sie könnten gar nichts tun, das sollten die anderen tun, und vor allen Dingen die anderen Länder und der Bund müssten dafür sorgen, dass wir hier im Land mehr Ärzte haben, ist schon impertinent. Gerade ein Land, das keine Medizinische Fakultät hat, versucht, immer von den anderen zu fordern, in Brandenburg müsste es mehr Ärzte geben. Gerade wir müssten doch viel mehr tun - Netzwerke bilden -, damit Ärzte kommen, weil wir keine Medizinische Fakultät haben.
Unser Vorschlag als CDU-Fraktion - jetzt kommen wir einmal zu den Visionen -: Es gab doch einen Antrag, wir brauchen ein Konzept zu Studienbeihilfen für unsere Mediziner vom Land, wie es sie in anderen Ländern gibt.
werden noch Studienplätze im Ausland gefördert, in Pécs in Ungarn. Sie versuchen, den dortigen Mangel an Ärzten zu beheben. Selbst unserem Vorschlag, eine engere Kooperation mit der Charité aufzubauen, um wenigstens ein Landarztkontingent an der Charité zu entwickeln, ist von der Gesundheitsministerin nicht nachgegangen worden, meine Damen und Herren. Es gibt Aktivitäten von Ärzten und Kliniken in diesem Land für eine private Medizinische Fakultät - auch dem wird von der Landesregierung nicht intensiv nachgegangen, meine Damen und Herren.