Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Lipsdorf hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Gregor-Ness, um zunächst eines klarzustellen: Hier hat nie
mand den Rechtsextremismus verharmlost. Es ist seit Jahren und Jahrzehnten Parteipolitik der FDP, dass wir gegen jede Form von Extremismus sind, und wenn das ein Zukunftspapier ist, Frau Gregor-Ness, dann werden wir uns auch dem zukünftigen religiösen Fanatismus und Extremismus stellen müssen, der bereits in Deutschland angekommen ist, und er wird auch vor der Lausitz nicht haltmachen. Deshalb sind wir gegen jede Form von Extremismus: politisch, religiös, welcher Couleur auch immer.
Kommen wir aber zu dem Antrag. Er ähnelt einem Antrag, der in Sachsen gestellt und dort abgelehnt wurde. Die Intention in Brandenburg ist, gerade vor den Unruhen in der Lausitz - Hochschulfusion usw. -: Da muss man natürlich etwas tun. Wenn mir ein Geschäftsführer eines Unternehmerverbandes - übrigens CDU-Mitglied - beim Neujahrsempfang sagt: „Die da oben in Potsdam lieben uns nicht!“, dann ist in diesem Satz sehr viel Sprengkraft, denn nicht nur in dem Wort „lieben“ und „wer liebt hier wen“ drückt sich eine Haltung aus, die gefährlich ist. Das ist schon fast Untertanengeist, und dem will man hier offensichtlich etwas entgegentreten.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Antrag Liebesgrüße aus Potsdam darstellen soll, dann bin ich, ehrlich gesagt, froh, wenn Sie mich nicht lieben - was Sie ja auch nicht tun.
Aber wir haben uns einmal in Sachsen zu dem Antrag umgehört und als Antwort bekommen, es gebe bereits seit vielen Jahren eine enge Zusammenarbeit der Wirtschaftsförderung Sachsens und verschiedener Wirtschaftsförderungen in Brandenburg zur Entwicklung und Vermarktung der Lausitz. Es gibt bereits vieles, was darin steht, und andere Dinge, die vollkommen richtig sind, sind nicht mit Maßnahmen untersetzt. Es ist viel zu allgemein. Untersetzen Sie das doch mit Maßnahmen. Nein, es ist viel zu schwach, deshalb unser Änderungsantrag dazu.
Gehen wir einmal auf die Wirtschaftsförderung zwischen den Lausitzer Landkreisen und der kreisfreien Stadt Cottbus ein. Da bekomme ich einen Lachkrampf. Seit Jahren ist das in mehreren Anträgen FDP-Linie: Stadt Cottbus und Kreis - eine Wirtschaftsförderung. Herr Hänel in Spremberg hat mit uns dafür gekämpft.
Am Ende hat er Götz von Berlichingen zitiert und gesagt … Ich zitiere jetzt in Anbetracht der Präsidentin nicht, die dann wieder mit mir schimpfen würde. Also, es ist vieles möglich, aber es wird nicht gemacht. Sperren Sie doch Szymanski und Altekrüger mal bei Wasser und Brot in einen Saal mit ihren Padawanen, bis sie endlich mal dazu kommen, gemeinsame Dinge zu machen - was sie ja können. Wenn ich heute die „LR“ lese: „Cottbus verweigert Katasteramtsfusion“ - meine Güte, bei solchen Pillepalle-Sachen versagen die Protagonisten vor Ort schon!
Das ist doch das Problem. Die Protagonisten vor Ort versagen an der Stelle. Was Sie hier schreiben, ist sicher gut und schön. Aber wie wollen Sie es am Ende umsetzen?
Gehen wir weiter zu den Sorben: Die sorbisch-wendische Kultur ist keine Folklore, bei der ich ein sorbisches Kostüm trage und dann Sorbe bin. Dazu gehört die Sprache. Genau das müssen wir endlich fördern und entwickeln. Die Sorben müssen sogar selbst ihre Unterrichtsmaterialien herstellen. Da stellt sich die Frage: Wo leben wir eigentlich? - Das muss in den Antrag hinein und bedarf einer Änderung.
Bei der diesbezüglichen Zusammenarbeit mit Sachsen schreibt uns die Universität in Leipzig: Den Menschen, die ihr zu uns zum Studium schickt, müssen wir zunächst Sorbisch beibringen; denn sie können es nicht. - Das ist peinlich und daran müssen wir arbeiten. Davon sehe ich jedoch kein Wort in Ihrem Antrag. Diese Dinge gehören dort hinein, wenn Sie schon darüber sprechen.
Wenn Sie über Kultur sprechen, ist noch Folgendes anzumerken: Die Lausitz ist mehr als nur Sachsen und Brandenburg; denn die Lausitz geht noch ein wenig weiter. Es gibt dort einen Parkverbund. Warum entwickeln wir dann kein Tourismuskonzept dazu?
Der nächste Punkt betrifft die Grenzkriminalität. Unter anderem könnten wir die Sprachkompetenz unserer Polizei verbessern. Das ist eine Maßnahme, die umgesetzt werden kann.
Bleiben wir bei der Kultur, da ist noch Folgendes hinzuzufügen: Die Landesregierung hat sich wirklich bemüht - das ist auch anzuerkennen -, dass der Pückler-Park Branitz in die Weltkulturerbeliste aufgenommen wird. Dazu gehört jedoch noch ein Schritt mehr. Wir müssen nämlich von einer unselbstständigen kommunalen Stiftung zu einer Landesstiftung kommen, damit wir uns auf Augenhöhe mit Sachsen befinden und den Muskauer Park und den Pückler-Park Branitz zusammenführen können, um vom Bund weiterhin Gelder zu erhalten.
Das sind zentrale Forderungen vom Bund, was Sie verkennen. Kein Wort lese ich dazu in Ihrem Antrag, der viel zu unkonkret ist. Insofern ist mein Vorschlag: Dies alles sollte noch einmal zur Beratung in die Ausschüsse, damit wir die einzelnen Fälle konkretisieren können und etwas Ordentliches dabei - vielleicht sogar in Einzelanträgen - herauskommt. - Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lipsdorf. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Der Abgeordnete Vogel erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe direkt bei Herrn Lipsdorf an: Eine Region fühlt sich
abgehängt: Von den beredten Klagen des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus über deren mangelhafte Finanzausstattung, Bürgerinitiativen gegen die braune oder für die klare Spree bis hin zum Volksbegehren gegen die Neuordnung der Hochschullandschaft in der Lausitz - egal, ob begründet oder nicht: Es brennt allerorten in der Lausitz. Zunehmend brauen sich Ressentiments gegen „die dort oben“ in Potsdam zusammen - damit sind wir alle gemeint -, Ressentiments gegen uns wie andernorts gegen Brüssel oder Berlin.
Es ist also allerhöchste Eisenbahn, sich im Landtag nach 18 Monaten erneut mit der Lausitz zu beschäftigen und sich mit deren Problemen auseinanderzusetzen - Probleme, die die „Lausitzer Rundschau“ in einem Interview mit Prof. Ragnitz vom ifo-Institut Dresden heute so zusammenfasst:
„Die Lausitz hat ein schlechtes Lohnniveau, ist wenig attraktiv und wird von der demografischen Keule mit voller Wucht getroffen.“
Dabei handelt es sich um denselben Prof. Ragnitz, der ausführt, dass die Lausitz zu lange auf die Braunkohle gesetzt hat.
Das vorliegende Papier täuscht eine Auseinandersetzung mit den Lausitzer Problemen höchstens an und geht über ein Sammelsurium - es tut mir leid - an mehr oder weniger häufig schon ventilierten Ideen nicht hinaus.
In seiner Grundüberzeugung knüpft das Papier immer noch an das Leitbild des 1952 ausgerufenen „DDR-Kohle- und Energiebezirks Cottbus“ an und schreibt dieses mit ein wenig Nachhaltigkeitslyrik und erneuerbaren Energien angereichert fort, ohne tatsächlich eine grundsätzliche Neuorientierung einzuleiten. Wir müssen unsere Köpfe jedoch von der Kohle freimachen.
Wenn Herr Vogelsänger heute in der Fragestunde zu WelzowSüd - Teilfeld II - sagt, die Genehmigung dieses Tagebaus sei die Existenzfrage für die Lausitz, dann sage ich: Nein, nicht das Genehmigen neuer Tagebaue, sondern der organisierte Abschied von der Braunkohle ist die Existenzfrage für die Lausitz.
(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE] und Jürgens [DIE LINKE] - Zuruf des Ab- geordneten Ness [SPD])
Egal, wie lange die Kohle in der Lausitz noch gefördert wird, das Ende wird früher oder später kommen. Diesbezüglich sprechen wir über wenige Jahrzehnte und nicht über Jahrhunderte. Vor jede Aussage zur Perspektive der Lausitz muss die Frage gestellt werden: Wie kommen wir aus der Kohle heraus?
Wichtiger, als die Kraft an den Erhalt auslaufender Industriemodelle zu verschwenden, wäre es daher, sich mit Regionen mit einem vergleichsweise gut bewältigten Strukturwandel zu beschäftigen und von diesen zu lernen.
Als Beispiel nenne ich die Region Hochrhein-Bodensee, in der über viele Jahrzehnte die Textil- und Bekleidungsindustrie als
wichtigster Industriezweig den Globalisierungsdruck früh und intensiv zu spüren bekommen hat. Seit Anfang der 70er Jahre sind dort gut 20 000 industrielle Arbeitsplätze verloren gegangen.
Aber mit einer systematischen Neuausrichtung auf hochwertige Produkte und auf Innovation konnte diesem Niedergang entgegengewirkt werden. Das setzt allerdings ein ausreichendes und gut qualifiziertes Fachkräftepotenzial voraus. Die Suche nach einer Perspektive für die Lausitz muss also mit verstärkten Investitionen in Bildung und in die Hochschulstandorte einhergehen sowie mit der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen in der Region und mit einem Angebot für Zuwanderer aus dem In- und Ausland, wobei im vorliegenden Papier bedauerlicherweise immer nur auf Rückwanderer, nicht aber auf die dringend benötigten Zuwanderer aus dem Ausland Bezug genommen wird.
Jeder Versuch, die auslaufende Braunkohleverstromung als Bestandteil einer Zukunftsperspektive verwenden zu wollen, muss unweigerlich scheitern. Die Energiewende kann zwar ein Baustein in der Entwicklung der Lausitz werden, sie ist es aber zunächst einmal nicht - im Gegensatz im Übrigen zur Uckermark oder zur Prignitz -; denn die Energiewende bedroht zuerst das dort bestehende Geschäftsmodell - ähnlich, wie die Globalisierung die Region Hochrhein-Bodensee bedroht hat.
Die heimische Braunkohle wird bei der Energiewende keine Rolle als Brückentechnologie spielen, weil die Kraftwerke mit einer zunehmend dezentral organisierten und hochgradig flexiblen Energieversorgung in der Zukunft nicht kompatibel sind.
(Frau Gregor-Ness [SPD]: Wo ist denn die meiste Solar- Produktion in diesem Land? - Die findet in der Lausitz statt! Ist Ihnen das entgangen?)
Die Energiewende wird nur dann zur Chance für die Lausitz, wenn die vorhandenen Fachkräfte in die sich neu entwickelnden Sektoren einer dezentralen und nicht fossilen Energieversorgung umgelenkt werden. Anknüpfungspunkte gibt es genug seien es Speichertechnologien oder Netzsteuerung -, was ich überhaupt nicht bestreite. Allerdings wird dies nicht 1:1 funktionieren. Für 5 000 Arbeitsplätze in der Braunkohle weniger wird es kaum 5 000 Arbeitsplätze mehr bei den erneuerbaren Energien geben.
Angesichts der Tatsache, dass aufgrund des demografischen Wandels bis zum Jahr 2030 etwa 40 % weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter in der Lausitz sein werden, werden sich auch neue Chancen eröffnen. Das IfW spricht davon, dass rechnerisch bis zum Jahr 2020 Vollbeschäftigung möglich ist. Das heißt aber auch Folgendes: Wir brauchen qualifizierte Fachkräfte und Umschulungen.
Eine Perspektive für die Lausitz tut in der Tat Not und die Zeit wird knapp. Das hier vorgelegte Papier ist jedoch nicht in der Lage, diese Perspektive zu vermitteln - halbherzig, unvollstän
dig und vor allem zu zaghaft. Anstatt unangenehme Wahrheiten auszusprechen und den schmerzhaften Wandlungsprozess anzugehen wird der Eindruck vermittelt, mit etwas mehr Zusammenarbeit, Appellen an die Hochschulen und Maßnahmen gegen die Grenzkriminalität seien die Probleme dieser Region zu lösen.