Protocol of the Session on January 14, 2013

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Die Linke, von der außer einigen verschwurbelten Ankündigungen, man erwarte ein Überdenken der Ruhezeiten beim Nachtflugverbot, nichts zu hören war, wird sich wieder einmal viel zu billig verkauft haben. Im Gegensatz zur CDU in Berlin übrigens, die zwar der rot-schwarzen Regierung, nicht jedoch Wowereit das Vertrauen ausgesprochen hat, wird sich die Linke an Matthias Platzeck als Person binden. Aber was heute als leicht errungener Sieg des Ministerpräsidenten wirken mag, wird am Ende teuer bezahlt werden, vielleicht nicht von ihm persönlich, aber mit Sicherheit von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Brandenburg. - Recht herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Als Letzter auf der Rednerliste erhält der Abgeordnete Christoph Schulze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese heutige Aussprache ist der vorläufige, sicher nicht der letzte Höhepunkt einer schier endlosen Geschichte, die dieses Haus über 20 Jahre begleitet. 1991 wurde im Landtag Brandenburg das Vorschaltgesetz zum Landesplanungsgesetz beschlossen. Da

wurde das erste Mal die Frage eines Großflughafens, eines Standorts thematisiert. Seitdem gibt es in diesem Hause ein mehr oder weniger großes Ringen, was wo wie passieren soll.

Herr Ministerpräsident, ich gebe Ihnen Recht, es gibt jetzt nun einmal einen Standort. Und dass es die Aufgabe der Regierung ist, sich zu bemühen, dies erfolgreich zu Ende zu bringen, das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber die Frage ist nicht, ob man es zu Ende bringt, sondern wie man es zu Ende bringt.

Womit wir es hier zu tun haben, ist letztendlich ein politisches Vollversagen nicht nur im Aufsichtsrat, nicht nur in der Landesregierung, sondern auch hier im Landtag Brandenburg. Jeder, der ein wenig ehrlich ist, wird sich das eingestehen müssen. Wir haben heute in dieser Debatte gehört, dass es vornehmlich um materielle Werte gehe: Wie viel Geld wird uns das kosten, wie viel Zeit? Wer leidet wirtschaftlich wann und wie darunter?

Ich möchte eine andere Problematik in den Mittelpunkt meines Beitrags stellen. Das ist der immaterielle Wert, die Frage des Vertrauensverlusts, die Frage: Gibt es noch ein Grundvertrauen in Politik, oder gehen die Leute letztendlich von dem aus, was spöttisch schon immer gesagt wird: „Die machen ja, was sie wollen.“ In dieser Hinsicht haben wir einen politischen Totalschaden. Jeder, der sich das vergegenwärtigen will, möge sich den Kommentar von Elmar Theveßen, dem stellvertretenden Chefredakteur des ZDF, vom 7. Januar in der Mediathek anschauen. Ich meine, er hat es auf den Punkt gebracht.

Das, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe und worum es hier geht, ist die Wiedergewinnung von Vertrauen. Herr Ministerpräsident - Herr Vogel hat das gut herausgearbeitet -, Sie fordern heute einen Vertrauensvorschuss von diesem Haus - bei all dem, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich werde am Ende mein Resümee ziehen.

Was ist die Frage vor Ort? Im engeren Umfeld des Flughafens herrschen Verzweiflung, Wut, Enttäuschung, ein vollständiger Vertrauensverlust in die handelnden Personen. Das kann man nicht nur in der MAZ-Umfrage, an der mittlerweile über 1000 Leute teilgenommen haben und die schon einen repräsentativen Wert hat, nachlesen. Ich habe mir in der letzten Woche erlaubt - wir alle sind ja von der Problematik auf dem linken Fuß erwischt worden -, eine Umfrage zu machen. Es gab 142 Rückmeldungen; 139 Mal hieß es: Nein, der Ministerpräsident soll nicht den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen, und 139 Mal: Ich soll ihm nicht das Vertrauen aussprechen. - Daran kann man sich orientieren. Drei, die mir geschrieben haben, sagen: Doch, das soll man tun. Das zeigt ein ähnliches Verhältnis wie die MAZ-Umfrage. Umfragen sind Umfragen, die einen äußern sich, die anderen nicht. Man darf das nicht in den Himmel heben, aber es sind schon Dinge, die man bedenken muss.

Im weiteren Umfeld, das heißt nicht im direkten Einflugbereich, nicht dort, wo unbedingt der Fluglärm „das“ Problem ist, herrschen Sprachlosigkeit und Verzweiflung auch bei denjenigen, die guten Willens waren und sich auf diesen Flughafen eingelassen haben. Auch sie sind verunsichert, wütend und haben kein Verständnis mehr.

Womit haben wir es zu tun? Am 6. Januar sickert durch: Der Eröffnungstermin wird zum soundsovielten Mal verschoben. Am 7. Januar steht es in der Zeitung. Am 8. Januar wird beschlossen: Es kommt zu Landtagssitzung, Sondersitzung, Vertrauens

frage und Aussprache. Ich darf Ihnen sagen, wie ich das empfinde. Erstens haben wir heute wieder eine typische Rollenverteilung gesehen, die ich zum Teil schade finde, weil ich die Sache für zu wichtig halte, als dass man sich in die üblichen Klischees begibt. Ich finde es schade, dass mit dieser Vertrauensfrage - das sehe ich ganz genauso wie einige Vorredner - ein gewisser Druck, eine Disziplinierung ausgeübt wird. Ich sage es ganz deutlich, und so sehe ich es auch.

(Bischoff [SPD]: Quatsch!)

- Ich finde es hervorragend, Herr Bischoff, dass Sie das als Quatsch bezeichnen. Das ist ja das Schlimme, dass man in diesem Land keine andere Meinung haben kann, ohne dass diese von Ihnen sofort mit dem Ausdruck Quatsch belegt würde.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Das ist genau die Form von Arroganz, die uns dahingeführt hat, wo wir heute sind.

Meine sehr verehrten Kollegen, waren die Regierungserklärung und die Landtagssitzung heute nötig? Ich glaube ja. Aber war die Vertrauensfrage notwendig? Dazu sage ich fest nein. Denn was ist damit verbunden? Natürlich ist damit verbunden, wenn der Landtag dem Ministerpräsidenten heute das Vertrauen ausspricht, dass wegen dieser ultimativen Vorfestlegung stets und ständig alles so getan werden muss, egal, was da kommt. Das finde ich in der Frage der Selbstbestimmung dieses Parlaments nicht in Ordnung.

Ich möchte an Folgendes erinnern: Es sind neben Frau Stark auch andere Matadoren hier, die sich 1989/90 an der friedlichen Wende beteiligt haben. Was haben wir denn damals gewollt, was haben wir postuliert? Wir haben gesagt: Wir wollen, dass nie wieder Politik über die Köpfe der Menschen hinweg gemacht wird. Wir wollen nie wieder zulassen, dass aktiv Politik gegen Menschen gemacht wird. Wir wollen Ehrlichkeit, Vertrauen und Transparenz. - Wenn ich mir anschaue, wo wir nach 22 Jahren angekommen sind, dann ist mir manchmal angst und bange. Wir haben vieles von dem Erreichten wieder verloren und manches regelrecht verraten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Regierungserklärung habe ich eines vermisst, so wie schon in der Regierungserklärung zur Nichteröffnung des Flughafens am 3. Juni. Ich hätte vom Ministerpräsidenten - das sage ich auch im Namen vieler Bürgerinnen und Bürger, die mich in der letzten Woche angerufen oder angesprochen haben - das Wort erwartet: „Ich habe Fehler gemacht, es tut mir leid.“ Was ist daran so schlimm? Dabei bricht niemandem ein Zacken aus der Krone.

(Zurufe aus der SPD)

Ich habe die Regierungserklärung hier, ich habe sie verfolgt. Sie ist wortwörtlich so vorgetragen worden - bis auf ganz kleine Nuancen. Aber von individuellen Fehlern steht nichts darin. Schuld waren immer alle gemeinsam, aber niemals jemand persönlich. Das halte ich nicht für richtig.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident hat nicht nur zu Beginn dieser Wahlperiode, sondern schon davor einen Amtseid geschworen. Er lautet:

„Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg widmen, ihren Nutzen mehren, Schaden von ihnen wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Da meine letzte Redeminute läuft, werde ich das nicht in der epischen Breite ausführen können, wie ich es eigentlich vorhatte. Aber ich will auf den letzten Punkt, Gerechtigkeit gegenüber jedermann zu üben, eingehen. Das, was ich einfordere, ist, dass Gerechtigkeit gegenüber denen geübt wird, die die Suppe auslöffeln müssen, nämlich den Betroffenen.

Damit komme ich zum Punkt. Im Punkt 5 auf Seite 13 der Regierungserklärung sagt der Ministerpräsident, dass die Frage des Lärmschutzes und der Akzeptanz noch weiter ins Zentrum der Diskussion zu rücken ist. Das müssen die Betroffenen nun wirklich als Verhöhnung empfinden, und ich empfinde das auch so. Das hat niemals im Zentrum gestanden. Es war immer ein eher lästiges Nebenthema. Ich sehe auch jetzt nicht, dass es hierzu viele konkrete Aussagen gibt. „Das Schallschutzprogramm wird komplett umgesetzt“, heißt es. Das Schallschutzprogramm ist bisher mit Füßen getreten worden, die Interessen der Bürger sind mit Füßen getreten worden.

(Ness [SPD]: Eine Milliarde Euro!)

Erzählen Sie doch nicht so etwas, Herr Ness, es ist auch nicht eine halbe Milliarde. 15 Millionen Euro sind ausgegeben worden, und das nach sieben Jahren. Entschuldigung, das ist doch lächerlich.

Meine Damen und Herren, wir hatten in der letzten Sitzung die Diskussion über die Lärmschutzkriterien. Null mal 55 dB (A) oder 0,45 mal 55 dB (A), das sind keine Petitessen. Ich möchte Ihnen im Namen der Bürgerinnen und Bürger meines Wahlkreises, die im Wesentlichen die Suppe auslöffeln müssen, ans Herz legen: Überlegen Sie sich das genau mit dem Vertrauensvorschuss. Mein Vertrauen hat der Ministerpräsident nicht. Vertrauen kann man nicht beschließen. Vertrauen kann wachsen, das kann er sich erwerben. Da bin ich offen, weil wir letztlich zueinander kommen müssen.

Herr Schulze, Sie haben Ihre letzte Minute doppelt überzogen.

Die heutige Verknüpfung von Aufsichtsratsvorsitz und Vertrauensfrage empfinde ich als Zumutung. Ein Blankoscheck war noch nie eine gute Sache.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Die letzten vier Minuten der Redezeit möchte der Wirtschaftsminister in Anspruch nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Schulze, Ihre Rede hat mich dazu gebracht, ans Mikrofon zu treten.

Es gibt in den letzten Wochen und Monaten deutschlandweit eine Debatte über eine politische Verantwortungsethik. Jeder kann natürlich zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, wie Verantwortung wahrzunehmen ist. Das ist legitim. Dann bitte ich aber anzuerkennen, dass alle Auffassungen legitim sind.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, dass ich die Entscheidung des Ministerpräsidenten unterstütze, als Aufsichtsratsvorsitzender zu kandidieren.

Ein zweiter Punkt: Ich möchte an dieser Stelle zurückweisen, dass ich durch das Stellen der Vertrauensfrage in meiner Gewissensfreiheit eingeschränkt bin. Als Abgeordneter dieses Landes kann ich Gewissensfreiheit ausüben und mich so entscheiden, wie ich mich dann entscheiden werde. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, damit beenden wir die Debatte. Sie haben die Regierungserklärung zur Kenntnis genommen. Wir

kommen zur Abstimmung über die Drucksache 5/6647, Antrag des Ministerpräsidenten, Vertrauensfrage gemäß Artikel 87 der Landesverfassung. Die CDU-Fraktion hat hierzu namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es Abgeordnete im Plenarsaal, die keine Gelegenheit hatten, ihre Stimme abzugeben? - Das ist nicht der Fall.

Ich schließe die Abstimmung und bitte Sie um etwas Geduld für die Auszählung.

Meine Damen und Herren, ich bitte noch um einen kleinen Moment Ruhe; das spannende Ergebnis der Auszählung liegt vor: Mit Ja haben 55 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 32.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 5600)

Herr Ministerpräsident, ich gratuliere Ihnen und dem Land Brandenburg und wünsche eine erfolgreiche weitere Arbeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der Fraktion DIE LINKE und zahlreichen Mitgliedern der Landesregierung)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich schließe die Sondersitzung - es war die 68. Sitzung des Plenums des Landtages Brandenburg und wünsche uns allen weiterhin eine erfolgreiche gemeinsame Arbeit.