Protocol of the Session on January 14, 2013

Zugleich bittet der Ministerpräsident, ihm aufgrund des aktuellen politischen Geschehens im Zusammenhang mit dem Flughafen Berlin Brandenburg und seiner Absicht, den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft zu übernehmen, nach Artikel 87 der Verfassung des Landes Brandenburg das Vertrauen auszusprechen. Vertrauen in den BER und Vertrauen in den Ministerpräsidenten verschmelzen so zu einem Tagesordnungspunkt - welche Symbolik.

Nach Artikel 95 unserer Landesverfassung darf kein Mitglied der Regierung einem auf wirtschaftliche Betätigung gerichteten Unternehmen oder einem seiner Organe angehören. Über Ausnahmen entscheidet der Landtag. Insofern hätte nichts dagegengesprochen, wenn sich der Ministerpräsident für die Kandidatur als Aufsichtsratsvorsitzender zuvor die Zustimmung dieses Landtages eingeholt hätte. Dabei hätte er dann auch feststellen können, inwieweit ihm die Mehrheit des Landtages die Erfüllung dieser Aufgaben zutraut. Warum der Ministerpräsident allerdings glaubt, diese doch recht übersichtliche Entscheidung mit der Vertrauensfrage nach Artikel 87 verbinden zu sollen, erschließt sich zunächst nicht.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Nach dem Kommentar von Lieber/Iwers/Ernst zur Landesverfassung ist in Auslegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das Stellen der Vertrauensfrage eine Lage der Instabilität als ungeschriebenes Tatmerkmal zwingende Voraussetzung:

„Danach darf der Ministerpräsident den Vertrauensantrag nur stellen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Landtag bestehenden Kräfteverhältnissen weiter zu regieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Landtag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, dass er eine vom stetigen

Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag.“

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Lage der Instabilität im Landtag, politische Kräfteverhältnisse im Landtag am Kippen oder gar schon gekippt - ist mir da irgendetwas entgangen? Hat die Linke die Koalitionsfrage gestellt?

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Hat Frau Wehlan ihr eigenes politisches Schicksal mit einem konsequenten Nachtflugverbot verbunden? Hat Finanzminister Markov dem Aufsichtsratsmitglied Platzeck mitgeteilt, dass er lieber den Flughafen insolvent gehen lässt, als den verlorenen Millionen noch einige mehr hinterherzuschmeißen? Hatte zuvor der Koalitionsausschuss getagt? Hatte der Ministerpräsident die Verschiebung des Eröffnungstermins und neue unabsehbare Mehrausgaben seinen Regierungsfraktionen mitgeteilt? War er dort auf entschiedenen Widerstand gestoßen, was ich als verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß für das Auslösen einer Vertrauensfrage ansehen würde? - Keine Rede. Stattdessen haben wir es hier mit der Folgeerscheinung klassischer Hinterzimmer-Absprachen in trauter Männerrunde zu tun.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Nach der offiziellen Erklärung des Regierungssprechers am 07.01.2013 entschied er dies nach einer Sitzung der Spitzen der Flughafengesellschaft im Roten Rathaus zu Berlin und damit offenkundig im Alleingang ohne Rückkoppelung mit den Koalitionsgremien. Insofern ist diese Vertrauensfrage für mich die Inszenierung eines Politikspektakels, dessen Ergebnis von vornherein feststeht. Das nenne ich in der Tat Verfassungsmissbrauch.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Dabei wäre es - wie wir heute wissen - für Matthias Platzeck vermutlich vernünftiger gewesen, zunächst bei Bundesfinanzminister Schäuble die Vertrauensfrage zu stellen, ehe er seine bevorstehende Ernennung zum Aufsichtsratsvorsitzenden einer privatrechtlichen GmbH auf dem Kopfbogen des Landes durch den Regierungssprecher verkünden ließ.

(Beifall GRÜNE/B90 - Frau Alter [SPD]: Was ist Ihre Meinung zum Flughafen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was wir am Montag im RBB sehen konnten, war ein kreidebleicher Ministerpräsident,

(Die Abgeordnete Alter [SPD] lacht.)

der zum dritten Mal in Folge in einer für ihn zugegebenermaßen unschönen Situation

(Frau Alter [SPD]: Dann war er gut geschminkt! - Frau Lehmann [SPD]: Dann gucken Sie mal, wie Sie aus- sehen!)

eine Verschiebung des Eröffnungstermins des Flughafens BER mit verlautbaren durfte. Die Verschiebung des Flughafentermins war zu diesem Zeitpunkt schon keine Neuigkeit mehr. Wie üblich hatten wir die Hiobsbotschaft zuvor aus den Medien erfahren.

Dass der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Wowereit von seinem Posten zurücktrat, war die Botschaft des Tages. Dabei hätte man es auch bewenden lassen können. Doch dann kam das Wort von der Verknüpfung des politischen Schicksals mit dem Erfolg des Flughafens. Ich denke, Matthias Platzeck muss hier nicht so tun, als übernehme er erst jetzt Verantwortung für weiß Gott was, und muss sich auch nicht von Herrn Holzschuher als Held dafür feiern lassen; denn als Ministerpräsident hat er diese Verantwortung ohnehin. Zudem ist seine politische Zukunft bei dem sich abzeichnenden Eröffnungstermin jenseits des Wahltages 2014 sowieso mit dem BER verknüpft. Was soll also die Aussage „entweder das Ding fliegt oder ich fliege“ bedeuten? Was soll es bedeuten, dass seine Zukunft am Erfolg des Flughafens hängt, wenn er nicht benennt, woran Scheitern oder Erfolg festgemacht wird?

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Ist ein Eröffnungstermin 2015, 2016 oder 2017 noch ein Erfolg? Wären 6, 7, 8 oder erst 10 Milliarden Euro Gesamtkosten als Beleg für ein Scheitern zu werten?

(Frau Muhß [SPD]: Oh!)

Keine Aussage. Damit ist aber die ganze Verknüpfung von politischem Schicksal und Erfolg des Flughafens reine Rhetorik - eine Luftnummer.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)

Welcher Teufel unseren Ministerpräsidenten zudem ritt, die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzenden als feststehende Tatsache zu verknüpfen, erschließt sich uns auch nicht. Mit der vorschnellen Ankündigung, es sei bereits entschieden, dass er Wowereit an der Spitze des Aufsichtsrats ablösen soll, legt er als sozialdemokratischer Ministerpräsident die Beurteilung seiner Eignung als Aufsichtsratsvorsitzender sowie seine politische Reputation ausgerechnet in einem Wahljahr in die Hände von zwei Bundesministern einer schwarz-gelben Bundesregierung. Da scheint ihm sein politischer Instinkt abhandengekommen zu sein.

Ich sage: Die Folgen dieser im ersten Anlauf fehlgeschlagenen Absprachen unter Männern betreffen uns alle; denn Matthias Platzeck wird für das nun mit Verzögerung erfolgende Absegnen seiner Vorstandsambitionen durch den Bund auch einen politischen Preis bezahlen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, Hohn, Spott und Häme für die sich seit Mitte November abzeichnende und anscheinend nur für Platzeck aus heiterem Himmel kommende fünfte Verschiebung waren zu erwarten gewesen. Dass man aber mit dem angekündigten Tausch im Aufsichtsratsvorsitz die politische Führung von Berlin und Brandenburg zusätzlich bundesweit zum Gespött macht, lässt nur noch an einen Akt der Verzweiflung denken; denn Wowereit und Platzeck agieren wie zwei Schelme, die in der Straßenbahn nach der Kontrolle des

Ersten vor den Augen des Kontrolleurs die Jacke tauschen und denken, dieser merke nicht, dass zweimal dasselbe Ticket aus der Jackentasche gezogen wird.

(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)

Schließlich unterscheidet sich die Verantwortung vom Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter lediglich in Nuancen. Vor allem war es doch gerade Matthias Platzeck, der nicht müde wurde, zu betonen, dass alle Entscheidungen im Aufsichtsrat einstimmig getroffen wurden.

(Senftleben [CDU]: Einvernehmlich!)

Es war auch Matthias Platzeck, der mit dem Festhalten an Herrn Schwarz einen Großteil der Verantwortung dafür trägt, dass wir heute weiterhin mit einem funktionsuntüchtigen Flughafen, einer erneuten Terminverschiebung und absehbaren Forderungen nach neuen Millionen aus der Staatskasse konfrontiert sind.

(Frau Stark [SPD]: Schön, dass Sie alles wissen!)

Wenn jetzt zum wiederholten Male von Verantwortungsübernahme die Rede ist, darf man daran erinnern, dass gerade Matthias Platzeck - im Gegensatz zu seiner gegenwärtigen Verantwortungsrhetorik - das eine ums andere Mal im Hauptausschuss des Landtages begründete, warum der Aufsichtsrat aufgrund der Gesetzeslage eigentlich für fast gar nichts Verantwortung trage und der bisherige Geschäftsführer Schwarz aufgrund seiner eingeschränkten Zuständigkeit sowieso an allem unschuldig sei. Man hatte zunehmend den Eindruck, dass Herr Schwarz irgendein Zwischending zwischen Pressesprecher und Datenschutzbeauftragter sei,

(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)

allerdings mit einem Fixum von mehr als 300 000 Euro ausgesprochen gut bezahlt.

Dabei war es nach den ersten beiden Verschiebungen - als er Matthias Platzeck und Klaus Wowereit wie zwei dumme Jungs aussehen ließ - meines Erachtens bereits erkennbar, dass er nur noch als Opfer für den jetzt eingetretenen Fall vorrätig gehalten wurde. Erst jetzt, wo er geopfert werden soll, fällt den Verantwortlichen im Aufsichtsrat vorgeblich auf, dass sie von Schwarz schon seit längerem getäuscht wurden. Welche Verrenkungen Platzeck und sein Sekundant Holzschuher allerdings aktuell machen, um den Eindruck hervorzurufen, dass die Verantwortung im Aufsichtsrat erst beim Vorsitz beginnt, verblüfft.

(Heiterkeit und Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Lipsdorf [FDP])

Dass Holzschuher - der erste Mann der größten Landtagsfraktion - am 08.01. befand, dass Platzeck als stellvertretender Vorsitzender allenfalls ab und zu die Sitzung leiten, aber kaum Einfluss nehmen konnte, jetzt aber Berichte anfordern und für Transparenz sorgen könne, muss uns doch alle verwundern. Davon abgesehen, dass jedes Aufsichtsratsmitglied Berichte anfordern kann, hätte es mitunter schon gereicht, die vorgelegten Aufsichtsratsunterlagen auch einmal zu studieren und nicht nur die Ampeln anzugucken.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Es hätte immer die Möglichkeit gegeben, abweichende Auffassungen zu Protokoll zu geben

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist wie bei Ihnen mit dem Schatzmeister! Das Gleiche! Ich sage nur: Schatzmeister!)

oder durch Stimmverhalten im Aufsichtsrat zu verdeutlichen. Wenn Herr Holzschuher jetzt den Eindruck erwecken will, dass das Alphatier Wowereit den Laden quasi im Alleingang gegen die Wand gefahren hat, dann fragt man sich, welch beschämende Beschreibung unseres Ministerpräsidenten damit verbunden ist.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Wie unser Ministerpräsident ausgerechnet nach einer Hinterzimmer-Verabredung, über deren genauen Inhalt bezüglich der künftigen Aufsichtsratsbesetzung sich die Beteiligten bis heute nicht geeinigt haben, den Begriff „Transparenz“ neu entdeckt und in den Mittelpunkt seines künftigen Wirkens stellen will, macht sprachlos.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Während die Bundesregierung ganz selbstverständlich allen Fachabgeordneten die Controlling-Berichte und Gesellschafter-Protokolle zur Verfügung stellt, sieht die Landesregierung immer gleich die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens gefährdet und schützt Geschäftsgeheimnisse vor.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Burkardt [CDU])