Protocol of the Session on December 14, 2012

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das grundlegende Manko dieser rot-roten Landesregierung ist, dass sie nach einigen überschaubaren Prestigeprojekten, wie der Einführung des Schüler-BAföG, angesichts der gescheiterten Etablierung eines zweiten Arbeitsmarktes und dem bis heute nur unzureichend umgesetzten Vergabegesetz keine Visionen für das Land entwickelt hat. Da hat Herr Dombrowski völlig Recht.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

In der Brandenburger Landespolitik herrscht, wie die gerade von Rot-Rot hochgelobten Gutachter für die Enquetekommission Lorenz, Anter und Reutter es wissenschaftlich feinsinnig formulieren, eine Politik des Inkrementalismus, des vorsichtigen Reformierens - oder weniger fein ausgedrückt: eine Politik

des Muddling through, des Durchwurstelns, von Versuch und Irrtum.

(Frau Melior [SPD]: Das Ergebnis haben die Gutachter auch gelobt!)

Gefordert wäre aber eine konzeptorientierte Politik, eine Politik, die ambitionierte Ziele setzt und diese auch umsetzt auf allen Ebenen, in allen Politikbereichen, mit allen Instrumenten.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Eine solche Politik birgt in sich natürlich genauso wie die Status-quo-Verteidigung das Risiko des Scheiterns, aber sie wäre in der Lage, Zukunftsperspektiven nicht nur zu benennen, sondern auch die Bevölkerung zu begeistern, so wie es die Gründung des Landes Brandenburg in den ersten Legislaturperioden war. Aber diese Gründungsperiode ist lange abgeschlossen, und wir müssen uns neue Ziele setzen. Das gilt nicht allein für die Empfehlung der Gutachter, Brandenburg und Berlin zum aktiven Vorreiter zukünftiger Länderfusionen zu machen. Selbstbewusstsein können wir dabei ruhig an den Tag legen, denn Berlin ist ohne sein Umland nur die Hälfte wert. Und nebenbei: Berlin ist unverändert die größte Stadt in der Mitte von Brandenburg. Berlin-Brandenburg - eine aufstrebende Metropole mit einem faszinierenden Umland und nicht zwei Loser, die sich aneinander klammern. Das wäre in der Tat eine neue Entwicklungsperspektive.

(Beifall GRÜNE/B90 - Frau Melior [SPD]: Für wen?)

Berlin-Brandenburg, das wäre eine Boomregion in Europa, das wäre das Bild eines Landes der Kultur und Natur, ein Land, das gleichermaßen stolz auf seine Wölfe wie auf seine Theaterszene ist.

(Beifall GRÜNE/B90 - Lachen bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Ein Land, das mehr verbindet als eine verfärbte Spree und ein defizitärer Flughafen. Ein solch großes Ziel könnte auch die Entwicklung Brandenburgs zum Vorreiterland der ökologischsozialen Wende in Deutschland werden. Die Voraussetzungen sind günstig, weil erste Erfolge, insbesondere in der Energiepolitik, schon auf allen Ebenen zu finden sind,

(Ness [SPD]: Er ist stolz auf sein Braunkohlekraftwerk!)

von Landkreisen bis zu energieautarken Dörfern. Und ja, wir haben auch zum dritten Mal in Folge den Leitstern für den Ausbau erneuerbarer Energien,

(Frau Melior [SPD]: Na wenigstens haben Sie das mitbe- kommen!)

einen Leitstern, der allerdings nur die Hälfte der Energiewende, nämlich die Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien, widerspiegelt,

(Unmut bei der SPD - Bischoff [SPD]: Freut euch doch!)

die andere Seite der Medaille, den schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle, jedoch ausblendet.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ökologisch-soziale Wende in einem Flächenland, das bedeutet aber mehr als Energiewende und ressourcenschonende Produktionsverfahren - weg vom zentralistischen Förderansatz der regionalen Wachstumskerne, Einstieg in die Ermutigung von Raumpionieren, neue Konzepte der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum und neue Gemeindestrukturen mit mehr Bürgerbeteiligung, ein Land, das Provinz nicht als Rückzugsraum für Provinzialität versteht, sondern als spannendes Zukunftslabor mit Ausstrahlung.

Ein genauso großes Ziel könnte die Entwicklung eines Bildungslandes Brandenburg sein, eines Landes, das sich - von ganz hinten kommend - nicht mehr mit anderen Ländern beim Halten der roten Laterne abwechselt, sondern sich an die Spitze vorarbeitet,

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

eines Landes, das weder bei der Qualität der Kitas noch bei der Inklusion Nachholbedarf hat, sondern zur Pilgerstätte für Bildungspolitiker aus aller Welt wird. Wir fahren nicht mehr nach Finnland, sondern die Finnen kommen zu uns. Das wäre doch mal etwas ganz anderes.

(Frau Melior [SPD]: Machen wir schon!)

Mit solchen Zielsetzungen könnten wir Begeisterung auslösen und Menschen aus aller Welt als Neubürgerinnen und -bürger gewinnen, Menschen, die wir dringend brauchen, um die sich rapide entleerenden Räume wieder zu bevölkern.

(Bischoff [SPD]: Super Idee!)

Aber wo steht die Landesregierung, was ist ihr Leitbild? Nähere Ausführungen zur Länderfusion kann ich mir wohl sparen.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE: Ja!)

Wenn Matthias Platzeck heutzutage vor einer Schulklasse zum Thema Berlin-Brandenburg referiert, können Sie sicher sein, dass hinterher fast alle Schüler gegen die Fusion stimmen.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Zurufe von der SPD)

So geschehen in einer Angermünder Schulklasse hier im Landtag.

(Görke [DIE LINKE]: Wir beschließen es einfach - wie Sie?)

Betrachten wir stattdessen exemplarisch die Reaktion der Koalition auf das erfolgreiche Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am Flughafen! Etwas Respekt für das demokratische Engagement der Initiatoren, gefolgt von der klaren Ansage wir haben es heute wieder gehört -, dass ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr aus Wettbewerbsgesichtspunkten nicht in Betracht kommt, schließlich könnte uns Rostock ja Konkurrenz machen.

Kurzum: Ein Nachtflugbetrieb am künftigen Flughafen BER sei aus wirtschaftlichen Gründen unabdingbar; Herr Görke hat es heute wieder gesagt.

(Görke [DIE LINKE]: Das habe ich nie gesagt!)

Wenn Nachtflugverbot, dann deutschlandweit! - Das war Frau Wehlan. Oder europaweit - das war Herr Ludwig. Vielleicht einigen Sie sich da einmal.

(Görke [DIE LINKE]: Wer denn nun, Herr Ludwig oder Herr Görke?)

Die bei der Diskussion um das Nachtflugverbot bei SPD und Linken erneut durchscheinende Grundüberzeugung ist, dass die Menschen der wirtschaftlichen Entwicklung nicht im Wege stehen dürfen.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Allen anderslautenden Festreden und Bekundungen auf Nachhaltigkeitskonferenzen zum Trotz kann sich unser Ministerpräsident, kann sich auch Herr Holzschuher nicht von der Vorstellung eines Gegensatzes von Ökologie und Ökonomie lösen und spielt im Zweifelsfall Profitinteressen einzelner Unternehmen gegen die Menschen aus.

Während die Landesregierung einerseits im Bundesrat für eine erhöhte Besteuerung von Vermögen und Einkommen - zu Recht - streitet, kämpft sie aber auf der anderen Seite gegen alle Abgaben, die Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen verteuern. So forderte sie erst vor drei Wochen im Bundesrat die Abschaffung der Flugticketsteuer oder kämpft seit Jahren für die Entlastung von Industrieunternehmen von der EEGUmlage oder von Netzkosten, wohl einkalkulierend, dass die Privatverbraucher und kleineren Gewerbebetriebe die Kosten der Energiewende damit allein schultern müssen.

Da passt es dann auch ins Bild, wenn Matthias Platzeck auf dem Brandenburg-Tag des DGB vor drei Monaten verkündet, dass man sich ab der Bekanntgabe der neuen Vergütungssätze für das EEG keine Sorgen mehr um die Braunkohle machen müsse, weil spätestens ab diesem Zeitpunkt der Klimaschutzgesichtspunkt gegenüber Kosten- und Versorgungsargumenten in den Hintergrund treten werde. Und genauso, wie Matthias Platzeck die Berlin-Fusion seit Jahren in Grund und Boden redet, torpediert er mit immer neuen Rettungsversuchen für die Braunkohle die Energiewende.

(Beifall GRÜNE/B90 - Bischoff [SPD]: Dafür werden wir noch ausgezeichnet - das ist ja unglaublich!)

Bis heute nicht verwunden ist, dass ausgerechnet die damals schwarz-gelb regierten Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein dem sozialistischen Fortschrittsglauben an CO2-Abscheidung und -Verpressung in Deutschland ein vorläufiges Ende bereitet haben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Jetzt sollen CO2-Pipelines in die Nordsee und vielleicht auch in unser Nachbarland Polen die weitere Braunkohleverstromung in Brandenburg vorantreiben helfen.

Und wenn sich Vattenfall bei der Barbara-Feier dieses Jahr dabei überbietet, dass zum Jahresende 62 Millionen Tonnen CO2 produziert sein werden, bejubelt die Landesregierung - statt dies zum Anlass zu nehmen, Vattenfall aufzufordern, mit den Brandenburger Bodenschätzen sparsamer umzugehen

(Ness [SPD]: Trauen Sie sich da mal hin! Gehen Sie da mal hin!)

dies als erneuten Beweis der Bedeutung und Notwendigkeit der sogenannten Brückentechnologie Braunkohle.

Dass die forcierte Braunkohleverstromung und der damit verbundene Aufschluss neuer Tagebaue mit der Vertreibung von mehr als 2 000 Menschen verbunden sein wird, wird ausgeblendet.

(Beifall GRÜNE/B90)

Gutachten des DIW, die aufzeigen, dass allein schon aus wirtschaftlichen Gründen neue Tagebaue nicht sinnvoll sind, werden als belanglos zur Seite gewischt. Wir spüren die Schrecksekunden, die entstehen, wenn der Vattenfall-Eigner Schweden einmal wieder auf erneuerbare Energien umsteigen will, und das spürbare Aufatmen, wenn das Wirken von Frau GregorNess im Vattenfall-Aufsichtsrat doch etwas geholfen hat.

Wie pervers es ist, dass die Lausitzer Braunkohle den Ausbau der Windenergie in Skandinavien finanzieren soll, um so der Stockholmer Regierung ein grünes Mäntelchen umzuhängen, fällt dieser Landesregierung gar nicht mehr auf.