Ich war fast der Auffassung, dass er für den ersten Teil seiner Rede Kreide gegessen hat, so wie der Wolf im Märchen. Danach hat er mich dann eines Besseren belehrt und ist zu alter Form aufgelaufen; dazu werde ich dann noch etwas sagen.
Zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen: Ich glaube, uns eint hier im Hause, dass die Justiz aus unterschiedlichen Gründen eine herausragende Bedeutung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Brandenburg besitzt. Der Bürger kann sein Recht einklagen. Er muss sein Recht einklagen können. Er wird geschützt vor Rechtsverletzungen von Privatpersonen und des Staates. Das ist eine wichtige Funktion, die Herrschaftskontroll- oder Machtkontrollfunktion des Rechtes. Jeder, der aus der DDR kommt, weiß, dass genau das in der DDR verfehlt worden ist, dass der Krebsschaden der Rechtskonzeption in der DDR derjenige war, dass Recht nur Instrument der Macht war, aber nicht deren Maßstab.
Ein Kollege hat vor einiger Zeit in einem Vortrag gesagt, die Justiz sei der Kitt der Gesellschaft, die immer mehr auseinanderdriftet. Zumindest bringt eine funktionierende Justiz der Gesellschaft Sicherheit und Frieden. Und es muss Aufgabe des Justizhaushalts sein, sicherzustellen, dass die Funktionen gewährleistet sind, und die Politik muss darauf drängen. Wir haben uns dem gestellt, indem wir die Amtsgerichte, die Gerichtsstandorte im Land Brandenburg erhalten haben, um dem Bürger den Zugang zum Recht zu ermöglichen - auch in der Fläche, um weite Wege auszuschließen.
Im Übrigen hat das nicht dazu geführt, dass der Bauhaushalt überbelastet ist, sondern es führt dazu, dass die Bedingungen vor Ort besser sind. Ich gehe hier nur auf das Beispiel Cottbus ein. Mit dem neuen Standort für die Strafabteilung des Amtsgerichts Cottbus in der Thiemstraße werden hervorragende Bedingungen geschaffen, damit dort entsprechende Strafverfahren durchgeführt werden können.
Wir setzen uns mit unserem Justizhaushalt auch dafür ein, dass die Unterprivilegierten, die sozial Schwächeren Zugang zum Recht bekommen, indem wir einen entsprechenden Posten für die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe zur Verfügung stellen und uns vor Wochen im Bundesrat dagegen ausgesprochen haben, dass die Zugangsvoraussetzungen für die Prozesskostenhilfe durch eine Reformierung der Prozesskostenhilfe durch die Bundesregierung heraufgesetzt werden, der Zugang zum Recht für die Schwachen verhindert oder erschwert wird, was die Waffengleichheit zwischen den Besitzenden und den Nichtbesitzenden vor Gericht konterkariert.
Wir werden als Justizverwaltung natürlich auch immer auf die Verfahrenslaufzeiten schauen, weil sich daran zeigt, ob der Justizgewährleistungsanspruch, das Grundrecht auf ein faires und zügiges Verfahren, gewährleistet und gesichert wird. Herr Eichelbaum, Sie haben in der Pressemitteilung mit Frau Voßhoff thematisiert, dass zum Beispiel bei Zivilverfahren vor den Landgerichten Brandenburgs die Verfahrenslaufzeiten von neun Monaten auf 10,5 Monate angestiegen sind. Es ist natürlich nicht so, dass damit der Rechtsstaat gefährdet ist und der Justizstandort Brandenburg ausfällt, wie Sie es dort polemisch formuliert haben. Man muss sich genau anschauen, Herr Goetz, woran es liegt. Bei den Zivilverfahren ist es zum Beispiel so - das haben die OLG-Präsidenten verschiedener Länder festgestellt -, dass insbesondere die Gutachtertätigkeit dazu führt, weil die Gutachter nicht daran gebunden sind, das Gutachten in einer bestimmten Frist zu erstellen, dass sich Verfahrenslaufzeiten verlängern. So muss man in jeder Gerichtsbarkeit nach den Ursachen sehen und versuchen, sie abzustellen. Dort, wo es eine Unterbesetzung ist, dort, wo wir den PEBB§Y-Schlüssel 100 % verfehlen, muss natürlich, wenn man strukturell bedingt und auf lange Sicht unterbesetzt ist, Personal zur Verfügung gestellt werden.
Lassen Sie mich etwas zur Frage der Verfahrenslaufzeiten bei den Verwaltungsgerichten sagen. Diesbezüglich geht es ans Eingemachte: Es geht um das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Der Bürger wehrt sich gegen Verletzungen seiner subjektiven Rechte durch Verwaltung, staatliches Agieren und möglicherweise auch durch Polizei.
Bei meinem Amtsantritt - wenn ich ein wenig unseriös wäre, wie Herr Eichelbaum, würde ich auf das Jahr 2008 zurückgehen - da betrugen die Verfahrenslaufzeiten vor den Verwaltungsgerichten 32 Monate. Im Jahr 2009 waren es noch 27,5 Monate. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt, die dadurch charakterisiert war, dass die Zahl der Verfahrenseingänge in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gesunken ist. Insofern war nach den Verfahrenseingängen ein Personalüberschuss vorhanden, aufgrund des riesigen Berges an Altverfahren waren jedoch die Verfahrenslaufzeiten so lang.
Daraufhin installierten wir dieses Proberichtermodell im Vorgriff auf Richter, die in die ordentliche Gerichtsbarkeit gehen. Wir haben 15 Proberichter eingesetzt, um Altverfahren abzubauen. In diesem Jahr wurde das evaluiert, wobei sich die Ergebnisse sehen lassen können; denn diese sind rechtsstaatsgemäß. Wir konnten die Altverfahren um zwei Drittel abbauen und die Verfahrenslaufzeiten auf 19 Monate - nicht 20 -, in Cottbus sogar auf 15 Monate reduzieren. Für Asylverfahren ein politisch sensibler Bereich -, bei denen die Verfahrenslaufzeiten im Jahr 2009 bei 30 Monaten lagen, konnten wir sogar auf zwölf Monate gehen.
Dies ist eine Stärkung des Rechtsstaates, die dem Bürger zugutekommt. Dieses Modell werden wir - wenn auch in etwas abgespeckter Form - bis zum September 2013 mit noch fünf Richterkräften fortsetzen, um den Erfolg nicht zu gefährden.
Lassen Sie mich nun noch etwas zur Sozialgerichtsbarkeit sagen. Man darf das Pferd bei der Sozialgerichtsbarkeit natürlich nicht von hinten aufzäumen. Die Ursache für die Verfahrensflut in der Sozialgerichtsbarkeit - wir hatten im Jahr 2011 bei den Verfahrenseingängen einen Anstieg um 16,4 %, in diesem Jahr kommen voraussichtlich noch einmal 2 % hinzu - liegt in einer problematischen Gesetzgebung. Ich thematisiere diese jetzt nicht inhaltlich; nur so viel: Handwerklich ist sie schlecht. Es gibt dort sehr viele Ermessensrechtsbegriffe, also dem Ermessen geöffnete Rechtsbegriffe. Auf der zweiten Ebene sind die Bescheiderklärungen bzw. die Bescheidausstellungen in den Arbeitsagenturen und Job-Centern, wenn diese fehlerhaft sind, eine Ursache.
Am Ende der Kette sitzt die Sozialgerichtsbarkeit. Das Problem kann man natürlich nicht lösen, indem man Unmengen von Personal hineinpumpt. Dies verhält sich ein wenig so wie das Märchen „Der Hase und der Igel“, wobei der Hase die Sozialgerichtsbarkeit ist und der Igel immer sagt: Ich bin all hier. Dabei erhält man dann nicht einmal mehr den Branntwein sowie den Silbertaler, liegt in der Furche und ist erschöpft oder möglicherweise sogar besinnungslos.
Unserem Anspruch werden wir natürlich gerecht werden müssen, auch diese Verfahren in vernünftiger Zeit zu absolvieren. Dies haben wir getan - Herr Kuhnert hat den Personalaufwuchs benannt - und werden dies auch weiterhin tun. In diesem Haushalt haben wir es ermöglicht, einen begrenzten Einstellungskorridor für Richter in der Sozialgerichtsbarkeit zu erstreiten. Ab dem 01.01.2013 werden vier Richter - drei in Cottbus, wo sich die Verfahren besonders angehäuft haben, einer in Neuruppin - neu in die Sozialgerichtsbarkeit eintreten.
Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Unter anderem der Direktor des Sozialgerichts in Neuruppin hat gesagt, mit den jetzigen 14 Richtern sei er - im Gegensatz zu seinem Amtsantritt, wo er über zehn Richter verfügen konnte - nun so ausgestattet, dass er sich der Aufgabe stellen kann und wir somit die Verfahrenslaufzeiten in der Sozialgerichtsbarkeit zurückdrängen werden.
Die Sozialgerichtsbarkeit betrifft den sozialen Rechtsstaat in seiner Kernkompetenz, weshalb wir dort investieren und für geringe Verfahrenslaufzeiten sorgen müssen.
Wenn wir die Justiz stärken wollen, müssen wir auch nach Alternativen von Konfliktbewältigung und Konfliktlösungen Ausschau halten. Dies haben wir in Brandenburg getan. Seit 2009 haben wir das Pilotprojekt der gerichtsinternen Mediation mit großartigem Erfolg organisiert. Dort wurden Einigungen zwischen 60 und 70 % erzielt. In diesem Projekt wurde schnell, effektiv, abschließend und auch finanziell günstig agiert. Insofern ist Mediation nicht nur in der Politik anzusprechen und einzuführen, sondern auch in der Gerichtsbarkeit.
Brandenburg hat sich im Vermittlungsausschuss - als die Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres versuchte, mit dem
Mediationsgesetz die gerichtsinterne Mediation zu beerdigen erfolgreich dafür eingesetzt, dass mit einem Güterichtermodell die gerichtsinterne Mediation möglich ist. Dies führen wir nun in allen Gerichten ein, um die Justiz zu entlasten, zu ergänzen und um alternative Verfahrensformen zu finden.
Nun noch eine Bemerkung zur Kriminalpolitik: Der Haushalt sieht vor, dass wir die in der letzten Plenardebatte diskutierte elektronische Fußfessel maßvoll einführen können; denn das ist eigentlich nicht die Linie der Landesregierung in der Kriminalpolitik. Unsere Linie betrifft vielmehr einen anderen Punkt im Haushalt, und zwar die forensische Ambulanz. Derzeit geben wir wieder 400 000 Euro für die forensische Ambulanz in Potsdam aus, bei der wir die Möglichkeit haben, rückfallgefährdete Sexual- und Gewaltstraftäter therapeutisch zu behandeln.
Die forensische Ambulanz als Pilotprojekt läuft seit 01.09.2011. Sie läuft sehr gut und erfährt - wie es so schön auf Neudeutsch heißt - ein Feedback bei den Staatsanwaltschaften, Justizvollzugseinrichtungen, Gerichten und Bewährungshelfern. Gegenwärtig haben wir eine Kapazität für 40 Probanden, die in dieser Ambulanz sozialtherapeutisch oder psychotherapeutisch behandelt werden können. Derzeit werden dort 30 Bürgerinnen und Bürger behandelt.
Die forensische Ambulanz ist mit zwei Psychologen und drei Sozialarbeitern ausgestattet. Wenn dieses Pilotprojekt vernünftig läuft, werden wir in zwei Jahren zwei weitere forensische Ambulanzen einrichten; denn wir gehen in der Kriminalpolitik nicht in die Richtung noch mehr Überwachung und Überwachungsstaat. Vielmehr wollen wir in erster Linie Hilfsangebote installieren, die durch Kontrollangebote ergänzt werden. Dafür steht die forensische Ambulanz.
(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Das ist eine gute Entschei- dung! - Beifall DIE LINKE sowie der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener [SPD])
Nun zunächst eine Grundsatzbemerkung zum Strafvollzug: Als ich mein Amt antrat, hatten wir 1 650 Strafgefangene in den sechs Brandenburger Gefängnissen. Jetzt sind es noch 1 350 Strafgefangene. Bei sechs Standorten stellt sich natürlich die Frage, ob man diese nicht verdichtet. Ich schließe lieber Gefängnisse, weil Gefangenenzahlen sinken, als dass ich Gefängnisse für Millionen von Euro baue, obwohl mir meine wissenschaftlichen Begleiter bereits gesagt haben, dass die Gefangenenzahlen möglicherweise sinken. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer damaligen Verantwortung und meiner heutigen Verantwortung.
die Ostgrenze und die Nähe zu einem Landgericht mit U-HaftAbteilung. Aber die Gründe, das Gefängnis in Frankfurt (Oder) zu schließen, überwiegen. Wir schließen dieses Gefängnis, um Personal effektiver einsetzen zu können. Natürlich bauen wir Personal ab, was aber vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gefangenenzahlen durchaus vertretbar ist. Wir bauen dieses Personal jedoch maßvoll ab. Durch das Schließen des Gefängnisses in Frankfurt (Oder) kann das verbleibende Personal effektiver eingesetzt und umgesetzt werden. Mit diesem Personal können wir die sicherlich hochgesteckten Ziele des Vollzugsgesetzes angehen.
Herr Eichelbaum, Sie haben gestern in einer Pressemitteilung gesagt, dass wir nicht verhandeln können und bei der Sicherungsverwahrung in den Verhandlungen mit dem Nordverbund gescheitert sind. Wenn man gut verhandelt, kann man Verwaltungsvereinbarungen schließen - wie mit Sachsen-Anhalt. Dies macht man ruhig und nicht im Parlament.
Ich kann Ihnen mitteilen, dass in der nächsten Woche insgesamt 45 weibliche Strafgefangene aus Sachsen-Anhalt in Luckau-Duben sein werden. Dafür halten wir dort 50 Plätze vor und 20 im offenen Vollzug. Uns versetzt das in die Lage, einerseits den Standort Duben sicher zu machen und andererseits Behandlungskonzepte für den Frauenstrafvollzug zu entwickeln; denn eine gewisse Zahl von Frauen ist im Gefängnis. Damit haben wir zudem eine Einnahmequelle, die sich auf 90 Euro täglich für jede Strafgefangene beläuft.
- Ja, ich komme jetzt zur Sicherungsverwahrung. Diesbezüglich haben Sie sich besonders weit hinausgelehnt. Dazu ist zu sagen: Wir hängen mit dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz zeitlich überhaupt nicht hinterher. Andere Länder sind auf dem gleichen Stand wie wir, andere hängen weiter zurück und wieder andere sind uns vier Wochen voraus.
Herr Lakenmacher sagte vorhin im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren, Gründlichkeit solle vor Schnelligkeit gehen.
Nun soll wahrscheinlich Schnelligkeit vor Gründlichkeit gehen. Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie wollen.
Apropos seriöse parlamentarische Arbeit: In der vergangenen Woche haben wir im Rechtsausschuss über die Sicherungsverwahrung gesprochen.
Dort habe ich Ihnen all das vorgestellt. Daraufhin wurde jedoch weder eine Frage gestellt noch eine Diskussion eröffnet.
Insofern haben Sie dort nicht sachlich an dem Problem gearbeitet. Gestern aber kommen Sie mit einer solch unterirdisch
falschen Pressemitteilung zum Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz, weshalb ich mich frage, ob Sie Ihre eigentliche Aufgabe als Landtagsabgeordneter verfehlt haben.
Die Bevölkerung erwartet von uns innerhalb der Ausschüsse eine sachorientierte Arbeit an Lösungen. Da kann man das sicherlich aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten - von einem sicherheitsfanatischen Blickwinkel wie Ihrem oder von einem Resozialisierungsausgangspunkt aus -, aber dann muss man darüber diskutieren. Dies tun wir doch nicht über Pressemitteilungen, wenn wir das Thema bereits zuvor im Rechtsausschuss behandelt hatten.