Protocol of the Session on August 21, 2012

Diese Landesregierung hat im Jahr 2004 - nach vielen Hinweisen, es gab die große Anhörung in Oberschöneweide, die sich über ein Dreivierteljahr hinzog - das Schallschutzziel festgesetzt. Das kann man im Planfeststellungsbeschluss nachlesen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Aber eigentlich ist der Antrag abgelehnt worden im Aufsichtsrat!)

Die Regelungen, die dort drinstehen, sind seit dem 24. August 2004 geltendes Recht und vom Bundesverwaltungsgericht in dieser Phase bestätigt worden. Seit 2004 - seit acht Jahren! - ist es das, wonach man sich zu richten hat. Wenn jetzt, im August 2012 - nach acht Jahren! -, erreicht worden ist, festzusetzen, dass das auch gemacht wird, nachdem jahrelang dagegen verstoßen worden war, ist das meiner Ansicht nach mindestens die Bemerkung wert: „nicht besonders gut gelaufen“, und es ist zu fragen: Wer hat zugeguckt?

Im Übrigen darf ich erwähnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht in den Kram passt: Seit Mai 2011 war der Landesregierung bewusst und klar - das ist aktenkundig, auch durch den Verkehrsminister auf eine Kleine Anfrage hin beantwortet -, dass die Flughafengesellschaft systematisch gegen den Planfeststellungsbeschluss verstößt. Wir werden nächste Woche noch darüber reden, weil es dazu einen Antrag gibt. Er mag sich vielleicht punktuell überholt haben, aber er ist noch vor dem Urteil des OVGs eingereicht worden. Zu der Aussage, der Beschluss des Aufsichtsrates, das OVG-Urteil zu akzeptieren, sei ein großer Erfolg, sage ich: Nein, das hieße, sozusagen die Wahrheit zu verdrehen. Es ist das, worauf die Menschen ein Anrecht haben, es ist eine Selbstverständlichkeit.

Deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sage ich: Das war ein guter und richtiger Schritt, aber erst ein Schritt auf einem langen Weg. Ich war relativ überrascht und entsetzt über das, was Herr Büttner von der FDP gesagt hat: dass der Schallschutz volkswirtschaftlicher Unsinn sei und uns unsere Kinder noch schlagen würden, dass wir hier etwas für den Schallschutz tun. Herr Büttner, ich rate Ihnen: Lesen Sie die einschlägigen Gutachten vom Umweltbundesamt und von anderen, die vorrechnen, welchen Schaden nichtrealisierter Schallschutz und Nachtflug für die Volkswirtschaft, für die gesamte Gesellschaft verursachen. Hunderte von Millionen Euro! Das kann man nachlesen.

(Beifall des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Insofern ist dieses Geld, wenn wir es denn investieren - und ich plädiere dafür -, gut eingesetztes Geld.

(Beifall)

Im Übrigen glaube ich nicht, dass Sie, wenn es um Ihre Gesundheit oder um die Gesundheit Ihrer Familie ginge, mit irgendjemanden über Geld diskutieren würden. Es gibt zwei Dinge, die man nicht im Laden kaufen kann: Lebenszeit und Gesundheit. Darüber sollten wir bitte auch nicht verhandeln.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fort. Der Abgeordnete Vogel spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aufsichtsrat lupfte den Deckel und ließ etwas Dampf entweichen - so die „Süddeutsche Zeitung“ zur Sitzung des Aufsichtsrates der FBB am 16. August, genauer: zur Sitzung des Aufsichtsgremiums der vollständig im öffentlichen Eigentum stehenden Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH.

Bevor die sprichwörtlichen Spökenkieker etwas genauer in das Gebräu gucken konnten, war der Deckel schon wieder zugeklappt. „Näheres nach der nächsten Sitzung am 14. September“, heißt es nun für die interessierte Öffentlichkeit und für uns Abgeordnete, Näheres zu dem wirklichen Eröffnungstermin, zu Kosten, Finanzbedarf und Finanzierungsquellen, erst nächstes Mal.

Nichts Genaues weiß man also nicht. Aber immerhin weiß man schon von 1,177 Milliarden Euro zusätzlichem Finanzbedarf und mindestens 430 Millionen Euro benötigter Überbrückungskredite, um die sich abzeichnende Liquiditätslücke abzudecken - Geld, das benötigt wird, um eine Insolvenz abzuwenden. Das kann man doch auch einmal ansprechen, ohne dass man als Überbringer schlechter Botschaften gescholten wird.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Wer das meiste Geld aufbringen darf, weiß man auch schon: die Steuerzahlenden. Bereits Wochen vor der Aufsichtsratssitzung hatte der linke Finanzminister Helmuth Markov das Zeichen gesetzt und im vorauseilenden Gehorsam 252 Millionen Euro in den Haushaltsentwurf 2013/2014 eingestellt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das war gut so!)

Er will mit einem Haushaltsvermerk den Zugriff auf weitere 372 Millionen Euro Rücklagen sichern. Adieu Schwankungsreserve, sage ich da nur. Wenn diese Rechnung aufgeht, wird es eines Nachtragshaushaltes nicht bedürfen, auch dann nicht, wenn der bislang öffentlich verkündete Anteil des Landes von 435 Millionen Euro nicht ausreichen sollte.

Ich frage Sie: Wie fühlen Sie sich als Linke, wie fühlen Sie als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, wenn hier kurzer

hand dreistellige Millioneneurobeträge für eine notleidende Landesgesellschaft über den Tisch geschoben werden sollen?

(Beifall GRÜNE/B90)

Wurde letztes Jahr nicht der finanzielle Kollaps des Bildungssektors an die Wand gemalt, wenn nicht sofort die Zuschüsse für die freien Schulen gekürzt werden? Wurde nicht den Hochschulen des Landes eine globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro aufgedrückt?

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Und nun 220 Millionen Euro plus x allein 2013 für den Flughafen! Wissen Sie, wie viel im gleichen Jahr für die Hochschulen zur Verfügung stehen? Insgesamt 299 Millionen Euro! Ich sage das nur, um zu zeigen, in welchen Dimensionen wir uns bewegen.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Aber eines gegen das ande- re auszuspielen finde ich fürchterlich!)

Wenn wir Grüne heute über die Gefährdung der Sicherheit und Zukunft Brandenburgs reden, dann reden wir über den Sprengstoff für unseren Landeshaushalt. Wir reden nicht über einen islamistischen Gefährder, der in den Sicherheitsdienst am Flughafen gar nicht erst hätte eingestellt werden dürfen. Denn nicht dieser junge Mann, der aufgrund der Aufmerksamkeit unserer Sicherheitsbehörden innerhalb von zwei Tagen aus dem Verkehr gezogen wurde, ist unser primäres Problem. Das wahre Problem für die Sicherheit und Zukunft unseres Landes ist das Handeln der FBB mit all ihren Gremien und Entscheidungsträgern,

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

deren Fehleinschätzungen nicht nur ein kaum abzuschätzendes Haushaltsrisiko für das Land, sondern auch ein massives Glaubwürdigkeitsdefizit der Politik insgesamt hervorgerufen haben.

Das, was wir mit den Vorgängen um den Flughafen BER erleben, ist einer der krassesten Fälle, nein, nicht von Politikversagen, sondern von Politikerversagen. Die Verantwortung für die Malaise ist in diesem Fall nicht einer „unsichtbaren Hand“ geschuldet, sondern Personen eindeutig zuzuordnen: Wowereit, Platzeck, Bomba - alle mit einem Blick auf der Liste der Aufsichtsratsmitglieder der FBB zu erfassen -, gefolgt von Dr. Körtgen und Prof. Dr. Schwarz.

(Beifall GRÜNE/B90)

Geplant mit ursprünglich 2 Milliarden Euro erreichen die Kosten inzwischen mehr als 4 Milliarden Euro. Niemand will bis vor Kurzem mitbekommen haben, dass da irgendetwas aus dem Ruder läuft. Wo waren denn die Aufsichtsratsmitglieder mit ihren Gedanken, als in insgesamt sechs Sitzungen in sechs Jahren sechsmal Erweiterungsbauten für das Terminal beschlossen wurden und sich die Baukosten von ursprünglich 565 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelten?

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Kam da niemand auf den Gedanken, dass man nicht nur mehr Geschossfläche für zusätzliches Geld bekommt, sondern dass

man dazu irgendwann mehr Geld als eingeplant benötigen könnte?

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Dachte niemand daran, dass hier irgendwann der Kostenrahmen gesprengt würde und Nachschüsse der Gesellschafter ausgelöst werden müssen? War niemandem aufgefallen, dass Welten zwischen dem Planfeststellungsbeschluss und den dort festgesetzten Lärmschutzmaßnahmen sowie dem angesetzten Kostenrahmen bestanden und sich das irgendwann einmal rächen muss? Konnte es bei vier Sitzungen im Jahr überhaupt jemandem auffallen, dass man möglicherweise auf Basis unzureichender Informationen entschied? Hat man sich jemals einen Kopf darüber gemacht, dass alle Gesellschafter ihre Zuarbeiten auf der Basis desselben Controllingberichts erhielten? Ehrlich gesagt, ich habe nicht den Eindruck, dass alle Aufsichtsratsmitglieder die laut Gesellschaftsrecht vorgeschriebene Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters an den Tag legten.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Nur gut, dass laut GmbH-Recht nicht die Gesellschaft den Aufsichtsratsmitgliedern nachweisen muss, dass diese unkorrekt gehandelt haben, sondern umgekehrt. Man darf angesichts dieser gesetzlichen Beweislastumkehr schon einmal mit Spannung dem Verlauf des Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus entgegensehen.

Als Brandenburger Abgeordnete hatten wir jedenfalls bisher nur beschränkte Möglichkeiten, alle - von der FBB-Geschäftsführung vollständig als Betriebsgeheimnis deklarierten - Aufsichtsratspapiere frei zu lesen oder uns gar öffentlich darüber zu verbreiten. Alles, was uns Abgeordnete über die Aufsichtsratsunterlagen hinaus noch interessieren könnte - Businessplan, Zielvereinbarungen, Boni für den Geschäftsführer -: Geschäftsgeheimnisse! Nebenbei bemerkt: Ich kann mir keine Zielvereinbarung vorstellen, mit der auch nur ein einziger Euro Bonus für Prof. Dr. Schwarz und Dr. Körtgen hätte gerechtfertigt sein können.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Aber anscheinend hatte diese Zielvereinbarung so viele Schlupflöcher, dass ein Sieb dagegen eine Betonwanne ist. Wie gesagt: undurchschaubar für uns, alles Geschäftsgeheimnis. Wobei uns die letzte Zeit eines gelehrt hat: Geheim ist zwar alles. Das heißt aber nicht, dass es nicht doch den Weg in die Öffentlichkeit findet. Fast alle Aufsichtsratspapiere haben inzwischen ihren Weg in den öffentlichen Raum gefunden. Aus den Zeitungen erfahren wir mehr als aus dem Mund unserer Vertreter im Aufsichtsrat.

(Zuruf von der CDU: Ja, so ist es!)

Manche als vertraulich deklarierte Papiere, zum Beispiel der Sachstandsbericht BER vom 25. Juni 2012, lassen sich inzwischen aus dem Internet herunterladen. Gleiches gilt für die Änderungen am Terminal, die den teilnehmenden Fraktionsvorsitzenden am 22. Juni vom Ministerpräsidenten als vertrauliche Unterlagen weitergereicht wurden - ich habe hier vertraulich draufgeschrieben - und die, ich staunte bei meinen Recherchen am Sonntag nicht schlecht, auf der Internetseite

der Staatskanzlei als PDF-Datei heruntergeladen werden können.

(Genilke [CDU]: Sonst hätten Sie sie auch nicht bekom- men! - Heiterkeit bei der CDU)

So weit zum Thema vertrauliche Insiderinformationen der Fraktionsvorsitzenden durch den Ministerpräsidenten.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Sie haben selbst darum ge- beten!)

Nein, so kann man uns nicht abspeisen, und so dürfen sich auch weder Rechnungshöfe noch das Parlament abspeisen lassen. Was immer am Ende als Zuschussbedarf für die FBB ansteht: Ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages und ohne Einführung weitergehender Akteneinsichts- und Kontrollbefugnisse für Rechnungshöfe und Abgeordnete, ohne vollständige Offenlegung der Aufsichtsratsprotokolle und Controllingberichte werden wir Grüne keiner Mittelaufstockung zustimmen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ohne Vorlage eines geprüften neuen Businessplans, der aufzeigt, wie sich die Einnahmen und die Ausgaben in den nächsten Jahren absehbar entwickeln, sollte keiner hier im Hause zustimmen, wenn er sich nicht dem Vorwurf völliger Gleichgültigkeit gegenüber Geldverschwendung ausgesetzt sehen will.

Denn eines ist offenkundig: Diese Landesregierung wird - koste es, was es wolle - alles unternehmen, um eine Insolvenz der FBB zu verhindern. Das haben wir schließlich gehört. Da wird man auch einmal alle fünfe gerade sein lassen, wenn nur auf diesem Weg die Flughafenpleite verhindert werden kann.