All diese Anträge sind auf Druck von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einzelner Abgeordneter und - in letzter Zeit - auch der CDU-Fraktion hin verfasst worden. Sie von der Koalition haben also stets nur reagiert, anstatt zu agieren.
Doch wie haben Sie bisher reagiert? Beispielsweise haben Sie sich gegen ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr ausgespro
chen - gegen die Maßnahme, die am meisten zum Lärmschutz der Bürgerinnen und Bürger beitragen würde! Sie verweisen darauf, dass weitergehende Nachtflugbeschränkungen auf Bundesebene geregelt werden müssten; aktiv werden sie in diese Richtung aber nicht.
Unseren Antrag für eine Bundesratsinitiative haben Sie abgelehnt, obwohl wir es Ihnen mit einem nahezu wortgleichen Antrag zu dem Ihrigen einfach gemacht haben. Ihre Forderung an den Bund wurde spätestens damit als vorgeschobenes bzw. Scheinargument enttarnt.
Zum Thema Schallschutz: Seit Mai 2011 ist bekannt, dass die Schallschutzmaßnahmen der Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage eines unzureichenden Schutzniveaus berechnet werden. Der Flughafen rechnet mit einer sechsfachen Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB/A tags im Rauminnern; im Planfeststellungsbeschluss steht jedoch: keine Überschreitung!
Das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft räumt zwar ein, dass die Flughafengesellschaft hier einen Fehler begeht; Ministerpräsident Platzeck hat es als Aufsichtsratsmitglied aber bis heute versäumt, ein Machtwort zu sprechen.
Mittlerweile stehen wir vor der paradoxen Situation, dass die Flughafengesellschaft einen Klarstellungsantrag eingereicht hat, um genau diese Frage des Schutzniveaus zu klären. Das Land ist aber mit 37 % Gesellschafter des Flughafens. Also stellen Sie jetzt einen Antrag auf Klarstellung an sich selbst, um sich dann selbst zu erklären, was Sie denn eigentlich wollen? Das versuchen Sie einmal den Leuten da draußen zu erklären!
Die Umsetzung des Schallschutzprogramms ist aber bisher nicht nur fehlerhaft, sondern erfolgt auch viel zu langsam. Seit 2006 hatten Sie Zeit, den im Planfeststellungsbeschluss festgeschriebenen Lärmschutz umzusetzen. Aber kurz vor Eröffnung des Flughafens sind erst 1 000 von immerhin über 25 000 notwendigen Schallschutzmaßnahmen tatsächlich eingebaut bzw. erstattet worden. Schneckentempo ist im Vergleich zu diesem Agieren Highspeed.
Und die Flughafengesellschaft? Sie sieht ihre Aufgabe als erfüllt an, da ja alle Kostenerstattungsvereinbarungen vor Inbetriebnahme des Flughafens an die Antragsteller versandt wurden. Es heißt, nun sei die Mitwirkungspflicht der Anwohnerinnen und Anwohner gefragt; diese müssten unterschreiben. Kurz gesagt: Die Betroffenen sind selbst schuld, wenn sie noch keinen Schallschutz erhalten haben.
Da das zugrundegelegte Schutzniveau aber unzureichend ist und in den Kostenerstattungsvereinbarungen Abgeltungsklauseln enthalten sind, sind viele Betroffene verunsichert, was dazu führt, dass sie die Kostenerstattungsvereinbarung eben nicht unterschreiben. Es ist geradezu zynisch, den Betroffenen angesichts falscher oder uneindeutiger Formulierungen in den Vereinbarungen mangelnde Mitwirkung vorzuhalten.
Wir begrüßen den Änderungsantrag von SPD und Linken insofern, als sie die Formulierung zum Anspruchsverzicht in den Vereinbarungen streichen lassen wollen. Wir hätten uns aber
eine konkrete Nennung des einzuhaltenden Schutzniveaus im Änderungsantrag gewünscht. Die Interpretationen des Planfeststellungsbeschlusses fallen ja durchaus unterschiedlich aus, wie wir leider feststellen müssen.
Doch was schreiben Sie diesbezüglich in Ihren Antrag? Die Landesregierung solle bei ihrer Position bleiben. Aber welche Position ist das denn genau? Warum schreiben Sie nicht konkret hinein: Schutzniveau gleich keinmal? Das wäre doch eine klare Ansage gewesen, die den Betroffenen vor Ort etwas gebracht hätte. Stattdessen lesen wir das übliche Herumgeeiere. Deshalb ist der Antrag der Abgeordneten Goetz und Schulze genau die richtige Initiative.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist die von Ihnen vorgeschlagene Schlichtungsstelle. Leider setzt diese erst an, nachdem das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das Schallschutzprogramm beim Flughafen anzusiedeln bedeutete, den Bock zum Gärtner zu machen. Da die Umsetzungspraxis gezeigt hat, dass das nicht funktioniert, wünschen wir uns in unserem Änderungsantrag eine unabhängige Koordinierungsstelle, welche die Umsetzung des Schallschutzprogramms vollumfänglich übernimmt. Doch auch hier haben Sie Angst vor Ihrer eigenen Courage bekommen; herausgekommen ist nämlich nur eine weichgespülte Schlichtungsstelle.
Wie das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes vom 16. April ergeben hat, könnten die Aufgaben durchaus unmittelbar oder zumindest mittelbar auf die Staatsverwaltung übertragen werden, um verbindliche Regelungen treffen zu können; als Beispiel sei hier das LUGV genannt. Wir sind jedenfalls sehr skeptisch, ob die Einrichtung einer Schlichtungsstelle tatsächlich ausreichen wird, um mehr Bürgerinnen und Bürger zur Unterzeichnung der Kostenerstattungsvereinbarung zu bewegen.
Das Grundübel ist, dass das Schallschutzprogramm bei der Flughafengesellschaft angesiedelt wird. Das wird hiermit jedenfalls nicht beseitigt.
Da die Schallschutzmaßnahmen als Auflage des Planfeststellungsbeschlusses nicht bis zur Eröffnung des Flughafens umgesetzt sein werden, fordert unsere Fraktion wie auch die CDUFraktion, die Zahlung eines Schadensersatzgeldes bis zur Umsetzung der Schallschutzmaßnahmen. Selbstverständlich gilt als umgesetzt nur, wenn das Kriterium „keine Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB(A) tagsüber“ eingehalten wird.
Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss selbst nicht den Zeitpunkt der Umsetzung festschreibt, so steht doch zumindest im Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.03.2006:
„Aus dem Regelungszweck ergibt sich, dass die Schutzeinrichtungen jedenfalls zu dem Zeitpunkt vorhanden sein müssen, zu dem die Anwohner ohne sie den Einwirkungen ausgesetzt wären, die es abzuwehren gilt. Das ist der Tag, an dem die neue oder geänderte Verkehrsanlage in Betrieb genommen wird.“
Hiervon sind wir aber noch weit entfernt, obwohl die Flughafengesellschaft schließlich auch die Möglichkeit gehabt hätte,
Da die Flughafengesellschaft ihrer Pflicht zur Umsetzung der Maßnahmen nicht nachgekommen ist, sehen wir die Zahlung eines Schadensersatzgeldes als Mindestmaßnahme, die der Flughafen den Anwohnerinnen und Anwohnern gegenüber ergreifen sollte. Wohl wissend, dass Geld Lärmschutz nicht ersetzen kann, kann ein Schadensersatzgeld aber als Druckmittel gegenüber dem Flughafen dienen, damit die Schallschutzmaßnahmen zügiger umgesetzt werden. Wir fordern daher auch, dass Gemeinden und Bürgerinitiativen die Höhe der Zahlung mitbestimmen sollen.
Alles in allem sehen wir den Änderungsantrag von SPD und Linke als viel zu schwach und unkorrekt, auch wenn Sie sich unter dem Druck von Öffentlichkeit und Opposition zumindest ein kleines Stück bewegt haben. So kurz vor der Inbetriebnahme brauchen wir aber keine weichgespülten Anträge, sondern Anträge mit klaren Ansagen und Sanktionen, damit wir beim Schallschutz endlich Taten sehen.
Wir werden die Beschlussempfehlung des Ausschusses deshalb ablehnen und bitten gleichzeitig um Unterstützung der Anträge der CDU- und unserer Fraktion sowie des Antrags der Abgeordneten Goetz und Schulze. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren Antragsteller. Deshalb ist die Reihenfolge der Redner etwas verändert. Das ist keine Missachtung Ihrer Person. Jetzt rufe ich die Abgeordnete Wehlan von der Linksfraktion zu ihrem Beitrag auf.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Ansage von Herrn Jungclaus wäre das erneut ein Antrag des Landtages, der zwar sozusagen mit Tätigwerden der Opposition zustande gekommen ist, aber ohne Zustimmung der Opposition durch den Landtag beschlossen wurde. So ist das. Wenn man von Anträgen des Landtages spricht, dann hat sie der Landtag beschlossen. Dass der Landtag nicht nur aus den Regierungsfraktionen besteht, ist völlig klar. Auch die Opposition hat hier ihren Beitrag zu leisten.
Die Fraktion DIE LINKE hat eine grundlegend andere Herangehensweise als Sie von der CDU-Fraktion. Frau Ludwig ist nicht hier im Saal. Wir meinen, die Betroffenen haben einen Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen, die dem Planfeststellungsbeschluss entsprechen. Dafür - genau dafür - hat es keine finanzielle Obergrenze zu geben. Das habe ich in der letzten Debatte hier im Landtag schon einmal gesagt. Das hat nun Sie alle oder die meisten haben es möglicherweise verfolgen können - gestern Herr Schwarz gesagt. Das wurde auch von den Betroffenen in der Anhörung deutlich vermittelt, Herr Jungclaus. Ob aus Blankenfelde-Mahlow, vom Verband der Grundstücksnutzer oder aus Schulzendorf, alle waren sich darin einig: Die Lärmrente ist kein probates Mittel, Menschen vor Lärm
zu schützen. Die Entschädigung im Planungsrecht ist nur ein Notnagel und fällt ohnehin nicht üppig aus. Wie die Lärmrente auszugestalten ist und welche nachfolgende Rechtswirkung sie auf andere Leistungen, zum Beispiel bei Rentnern und HartzIV-Empfängern, hat, kann keiner beantworten. Ihr Betreuungsgeld, verehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion, lässt in Bezug auf die Nichteinbeziehung von Hartz-IV-Empfängern grüßen.
Trotzdem heute Ihr Antrag, der überdies sehr hemdsärmelig gestrickt und rechtlich nicht haltbar ist. Warum? Wie Sie wissen, hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Parlamentarischen Beratungsdienst mit der Erstellung eines Gutachtens zur Klärung der Frage beauftragt: Zu welchem Zeitpunkt müssen die passiven Schallschutzmaßnahmen im Rahmen des Schallschutzprogramms für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg hergestellt sein? Sie werden mir zustimmen, dass dieser Punkt sehr wichtig ist, um überhaupt über Entschädigungsleistungen jedweder Art zu reden. Seit dem 13. März liegt diese Antwort vor. Demnach ist klar:
Erstens: Im Planfeststellungsbeschluss existiert keine eindeutige Regelung, wann das Schallschutzprogramm umgesetzt sein muss.
Zweitens: Für die betroffenen Grundstücke, die planfestgestellt sind, ist der 3. Juni 2012 ein belastbares Datum.
Drittens: Für die betroffenen Grundstücke, die außerhalb der planfestgestellten Lärmschutzzonen liegen, verschiebt sich die Pflicht zur Herstellung der Lärmschutzmaßnahmen auf einen Zeitpunkt nach der Eröffnung des Flughafens.
Viertens: Für beide betroffenen Gruppen ist die Mitwirkung zwingend erforderlich. Genau diese Feststellung veranlasste die Linke, weitere zu klärende Fragen an den Parlamentarischen Beratungsdienst zu richten. Wie soll eine Mitwirkungspflicht ausgestaltet werden, wenn in der Anhörung deutlich wurde, dass die Kostenerstattungsvereinbarungen nicht unterschrieben werden, weil nicht das planfestgestellte Schutzniveau für die Anwohner verständlich geregelt ist und eine Abgeltungsklausel zur Anwendung kommt, derzufolge die Betroffenen auf alle Rechte zukünftig verzichten sollen?
Dazu wurde ebenso in der Antwort des Parlamentarischen Dienstes festgestellt, dass Betroffene nur die Kostenerstattungsvereinbarungen akzeptieren müssen, die den planfestgestellten Schutzzielen entsprechen. Die Abgeltungsklausel gilt nicht. Deshalb, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, präsentieren Sie hier Scheinlösungen. Sie wissen, dass eine sehr große Anzahl Anspruchsberechtigter nicht unterschrieben hat, weil man völlig berechtigt die Kostenerstattungsvereinbarung nicht unterschreiben konnte. Für diese Bürgerinnen und Bürger gäbe es in Ihrem Konzept keinen Anspruch auf Lärmrente.
Eine letzte rechtliche Frage: Kann das MIL, die Landesregierung, im Sinne der Durchsetzung von Entschädigungsleistun
gen oder einer Lärmrente gegenüber der FBB tätig werden? Das geht nicht. - Punkt! - Im Gutachten wird darauf verwiesen, dass die Flughafengesellschaft keine nachgeordnete Behörde des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft ist. Sie ist weder Teil der unmittelbaren noch der mittelbaren brandenburgischen Staatsgewalt, sondern eine unternehmerisch tätige juristische Person des Privatrechts.
Selbst wenn wir annähmen, dass der Aufsichtsrat einen Beschluss dieser Art fassen würde, hätte dieser - ich zitiere aus dem Gutachten - lediglich innergesellschaftsrechtliche Verpflichtungen; eine unmittelbare Rechtsposition für die betroffenen Anwohner lasse sich hieraus nicht herleiten. Nun haben Sie in der Ausschusssitzung gesagt, dass es Ihnen vor allem darum gehe, eine Drohkulisse des Landtages gegenüber der FBB zu errichten. Das entbindet Sie, verehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion, aber nicht von der Pflicht, die rechtlichen, juristischen Bedenken und die Bedenken der Anwohner ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen.
Gerade angesichts der groben Versäumnisse im Umgang mit den betroffenen Anwohnern haben wir Politiker heute die Verantwortung, nicht Hoffnungen zu schüren, wo am Tag der Beschlussfassung klar ist, dass sie sich so nicht erfüllen lassen.
Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Jungclaus, in der Debatte im Ausschuss haben Sie sinngemäß gesagt, Sie seien entsetzt gewesen, als Sie den Antrag der Koalitionsfraktionen gelesen haben. Ich frage Sie, ob Sie ihn überhaupt zu dieser Zeit gelesen hatten. Heute haben Sie es ein bisschen abgemildert: ein großes Paket, wenig Inhalt. Na gut. Ich möchte darüber berichten, was in dem Antrag steht, von dem Sie sagen, er vermittele wenig Inhalt, und dem Sie nicht zustimmen wollen. Wir haben drei von vier Punkten Ihres Antrags aufgenommen. Wir haben darüber hinaus weitere Punkte formuliert.