Protocol of the Session on February 22, 2012

„Gleichwohl müssen wir die bestehenden Strukturen an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen.“

Das war vollkommen richtig, und deswegen überrascht es auch gar nicht, dass das Reformkonzept der CDU zahlreiche Parallelen zum letztendlich mittlerweile umgesetzten Reformkonzept der Landesregierung aufweist. So weit waren wir in verschiedenen Punkten gar nicht auseinander, was künftige Struktur, Organisationsform und Arbeitsweisen der Polizei angeht. Sie als CDU-Fraktion waren damals der Meinung, dass mit 8 000 Beschäftigten - und ich zitiere wieder aus Ihrem Konzept, auch wenn Sie es nicht gern hören - „die vielfältigen Aufgaben der einzelnen Bereiche“ der Polizei zu erledigen sind - so ist es hier niedergeschrieben. Nun aber sind Sie der Meinung, dass die Arbeit mit einem Personalbestand von rund 8 600 Leuten angeblich schon heute nicht mehr hinreichend zu bewältigen ist. So steht es in Ihrem heutigen Antrag. Es passt eben vorn und hinten nicht zusammen, was Sie hier vortragen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Man merkt eines: Es gibt hier eine vordergründige politische Absicht. Ich kann Ihnen jedoch eines versichern: Die Koalition wird selbstverständlich nicht über das von Ihnen hingehaltene Stöckchen springen.

Bemerkenswert an Ihrem Antrag ist weiterhin, dass er in verantwortungsloser Weise mit angeblichen Kriminalitätsentwicklungen in diesem Land spekuliert: Worte wie „ständig steigende Fallzahlen“, „Gewaltspirale“ usw. - woher Sie diese Weisheiten nehmen, soll Ihre Sache sein. Meine Sache ist es, die Öffentlichkeit in der kommenden Woche über die Polizeiliche Kriminalstatistik zu unterrichten. Eines kann ich Ihnen heute schon sagen: Es ist eine Bilanz mit Licht und Schatten, es ist aber auch eine Bilanz, die Ihren Horrorszenarien in keiner Weise entspricht.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Sehr geehrter Herr Lakenmacher, zu einer guten Politik der inneren Sicherheit gehört auch, dass man mit Ängsten und Sorgen der Bürger nicht in verantwortungsloser Weise spielt. Aber genau diesen Vorwurf mache ich Ihnen. Es geht Ihnen nicht um die Sicherheit in Brandenburg, Ihnen geht es hier um Parteipolitik!

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, es hat wohl seinen guten Grund - einen bekommen wir heute auch wieder

sozusagen live vorgeführt -, dass die CDU in Brandenburg laut einer aktuellen Umfrage bei der Kompetenzzuweisung, wer die Bürger wirksamer vor Verbrechen schützen kann, deutlich hinter die SPD zurückgefallen ist. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Herzlichen Glückwunsch an die CDU von meiner Seite!

(Beifall und Heiterkeit SPD)

Trotzdem enthält Ihr interessanter Antrag einen richtigen und wichtigen Gedanken. Dieser findet sich nicht im Text, sondern in der Begründung. Sie weisen zutreffend darauf hin, dass die Aussagen des Kommissionsberichtes vor dem Hintergrund der tatsächlichen Entwicklung kritisch zu hinterfragen und neu zu bewerten sind. Ich füge hinzu: gegebenenfalls. Auch bis jetzt haben wir mehrfach Anpassungen am Konzept vorgenommen, wo dies aus überzeugenden Gründen möglich war. Wir haben dies auch hier im Landtag ausführlich diskutiert. Der Personalabbau findet politisch seine Grenzen dort, wo es um die Sicherheit der Bürger geht, und hier gilt ganz klar die Aussage: Sicherheit ist Bürgerrecht, und Brandenburg muss und wird immer so viel Polizei haben, wie notwendig ist, um die Sicherheit der Bürger dieses Landes zu gewährleisten. Derzeit sind drei unserer vier Polizeihundertschaften schwerpunktmäßig an der Grenze im Einsatz. Ich finde es bemerkenswert, dass Ihnen das nicht gefällt, Herr Lakenmacher. Die Menschen in den Grenzregionen sprechen da eine deutlich andere Sprache als Sie vorhin von diesem Podium.

Zu dem, was Herr Goetz sagte: Natürlich sind die Polizeihundertschaften eine flexible Einsatzreserve in der Polizei, und natürlich werden diese Polizeihundertschaften zu besonderen Einsatzsituationen und -lagen der Polizei zum Einsatz gebracht, und, meine Damen und Herren, um eine solche besondere Lage handelt es sich momentan im Bereich der Grenzkriminalität. Deshalb sind die Polizisten dort genau richtig, und ich danke Ihnen noch einmal für Ihre schwierige Arbeit unter sehr schwierigen Bedingungen in den letzten Wochen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Daher bleiben wir auch bei den vier Polizeihundertschaften und nicht bei einer Hundertschaft weniger, wie es ursprünglich einmal vorgesehen war. Auch die Revierpolizisten sind für uns von großer Bedeutung. Ich bin froh über jeden Repo, den wir haben, und angesichts der erheblichen Altersabgänge, aber auch der Kriminalitätsbelastung in Brandenburg müssen wir außerdem - auch dies ist ein gemeinsames Anliegen - kontinuierlich für ausreichend Nachwuchs in der Polizei sorgen.

2010 wurden 101 Anwärter angestellt, für 2011 und 2012 haben wir die ursprünglich vorgesehenen 125 Anwärterstellen auf 150 pro Jahr aufgestockt. Die Polizei braucht dringend junge Leute. Wir wollen in Brandenburg sicher leben und jungen Leuten in unserem Land eine sichere berufliche Perspektive bieten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße eine kritische und selbstkritische Debatte um die Zukunft der Polizei in Brandenburg. Aber nicht jeder Antrag leistet dazu einen Beitrag, und es ist das Verdienst der CDU, dies heute wieder eindrucksvoll demonstriert zu haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Woidke. - Das Wort erhält noch einmal die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Lakenmacher, Herr Minister Woidke hat für Sie noch gute drei Minuten erwirtschaftet, sodass Sie jetzt noch einmal fünf Minuten sprechen könnten.

(Frau Stark [SPD]: Hoffentlich fällt ihm noch etwas ein!)

Alle anderen können, wenn sie unbedingt müssten, ebenfalls noch einmal drei Minuten sprechen.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Stark, ich kann und will Sie auch nicht mehr wegdenken und missen. - So viel vorab.

(Frau Stark [SPD]: Hey! - Heiterkeit bei der SPD)

Mit Bedauern stelle ich aber auch fest, dass der Innenminister heute erneut nicht die Gelegenheit genutzt hat, etwas für die Brandenburger Bediensteten und die Sicherheit zu tun. Sie weigern sich weiterhin, die Personal- und Sicherheitsabbaupolitik kritisch zu hinterfragen. Ich frage mich wirklich, ob Sie nicht zweifeln, wenn Sie - wie zum Beispiel in der letzten Woche beim Europäischen Polizeikongress - unter Ihren Innenminister-Kollegen sitzen, als Thematik auf der Agenda „Zuwachs von Polizeiaufgaben, zum Beispiel Internetkriminalität“ steht, und Ihre Kollegen berichten allesamt von Personalaufstockung.

(Frau Stark [SPD]: Allesamt?)

- Ja. Berlin: 250 neue Stellen, Niedersachsen: 1 000, Bayern: 40 neue Stellen.

(Minister Dr. Woidke: Sie müssen das aber gegenrechnen!)

Dann sitzen Sie dort, und was wollen Sie Ihren Kollegen berichten? Wollen Sie von Ihrer Abbauorgie erzählen? Dies tun Sie nicht, deshalb flüchten Sie in Ihre Textbausteine und Allgemeinplätze und erzählen, dass dem Bürger innere Sicherheit gewährleistet werden müsse und dies Bestandteil Ihrer Politik sei.

(Zuruf der Abgeordneten Melior [SPD])

Warum zweifeln Sie dann nicht an Ihrer Politik, Herr Woidke? „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“, sagte schon Goethe, und um diesem Wissen auf die Sprünge zu helfen, nenne ich Ihnen am Ende noch einige Zahlen, und zwar den durchschnittlichen Krankenstand der Polizeibediensteten hier im Land Brandenburg.

Insgesamt im Jahr 2007: 28 Tage, nach mehreren Jahren RotRot 2010: 33 Tage,

(Heiterkeit bei der SPD)

bei 50- bis 60-Jährigen im Jahr 2007: 33 Tage, nach mehreren Jahren Rot-Rot: 39 Tage, bei über 60-Jährigen, Herr Holzschuher, 2007: 20 Tage,

(Holzschuher [SPD]: Oh!)

nach mehreren Jahren rot-roter Innenpolitik: 45 Tage.

(Frau Stark [SPD]: Im Ernst? Das ist ja Wahnsinn!)

- Ja, 45 Tage. - Danke, Herr Bernig, für die Kleine Anfrage.

Herr Minister, lassen Sie die Zahlen einfach noch einmal wirken. Wenn Sie da nicht zweifeln, weiß ich auch nicht. Spätestens jetzt sollten Sie aber Zweifel an Ihrer Personalabbaupolitik bekommen. Nehmen Sie diese Zahlen einfach mit in die Abstimmung, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lakenmacher, auch dafür, dass Sie nicht die volle Redezeit, die Ihnen zusteht, genutzt haben.

Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung. Es geht um den Antrag in Drucksache 5/4759, eingebracht durch die CDU-Fraktion, „Personalabbau bei Brandenburger Sicherheitsbehörden sofort stoppen“. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Arbeitslosenversicherung als primäre Sicherung für Arbeitslose stärken

Antrag der Fraktion SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/4763

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion eröffnet. Derr Abgeordnete Baer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst hatte ich nach den zum Teil überraschend kämpferischen Reden heute Morgen zum Thema „Soziale Gerechtigkeit und Arbeitnehmerrechte“ den Eindruck gewonnen, dass es überhaupt nicht mehr notwendig sei, zu diesem Antrag heute zu sprechen. Ich möchte es trotzdem tun.

Ihnen liegt der Antrag der Koalitionsfraktionen vor, den wir mit dem Titel „Arbeitslosenversicherung als primäre Sicherung für Arbeitslose stärken“ überschrieben haben. Hintergrund ist folgender: Wir haben derzeit einen relativ robusten Arbeitsmarkt. So waren im Land Brandenburg im Januar noch 11,3 % Menschen ohne Arbeit. Das ist, wie wir alle wissen, immer noch zu viel. Aber in der Tendenz und im Vergleich zu den Vorjahreswerten ist dies eine Quote, die uns signalisiert, dass durchaus eine positive Entwicklung zu verzeichnen ist.

Dass der Arbeitsmarkt so stabil ist, verdanken wir aber nicht nur der Wirtschaft, den Unternehmen und dem Handwerk, son

dern leider auch einer zunehmenden Zahl von Arbeitnehmern, die sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden und sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Die Befristung der Verträge ist - entgegen häufig zitierten Meinungen nur in den seltensten Fällen eigener Wunsch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. So sind bundesweit derzeit fast 3 Millionen Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig. Das sind etwa 8,9 % aller Beschäftigungsverhältnisse.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist der Anteil der Befristungen bei Neueinstellungen in den letzten Jahren von 32 auf mittlerweile 47 % gestiegen. Im März 2010 waren im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen 21,2 % der Beschäftigungsverhältnisse befristet. Das ist inzwischen jeder vierte Arbeitsplatz.