Protocol of the Session on December 16, 2011

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Haben eigentlich die Grünen immer dagegen gestimmt?)

Auch das ist haushaltsrelevant, und ich empfehle allen die Lektüre des neuen Landesrechnungshofberichtes auf Seite 225 ff.

Bei allen Verdikten gegen solche Fehlentwicklungen will ich das Positive nicht übersehen. Positiv ist für uns die Stärkung der Kommunalwirtschaft. Ich selber stamme aus Bayern. Aus den 60er Jahren sind mir kommunale Badeanstalten, kommunale Freibäder und sogar kommunale Sessellifte sowie vor allem kommunale Stadtwerke als Energieversorger in Erinnerung.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Und, ist der Kommunismus ausgebrochen?)

- Der Kommunismus ist nicht ausgebrochen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Und auch im Wahlkampf 1980 von Franz Josef Strauß wurde die bayerische Kommunalwirtschaft nicht als Beleg für einen ausbrechenden Sozialismus gewertet.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Frau Ludwig, haben Sie es gehört?)

Was finden wir noch positiv? - Das Land und seine Kommunen sind mit ihrer Nachfragemacht von über 2 Milliarden Euro im Jahr im Wirtschaftsleben eine gewaltige Größe. Deswegen haben wir die Festlegung eines Mindestlohns im Vergabegesetz auch ausdrücklich unterstützt, fordern aber unverändert, dass weitere Sozial- und Umweltkriterien bei Vergabeentscheidungen verbindlich zu beachten sind.

Hier kritisieren wir die andere Seite des politischen Spektrums, die sich gegen einen existenzsichernden Mindestlohn wehrt und lieber auf Hartz-IV-Aufstockung setzt. So werden Menschen in Beschäftigungsverhältnissen ohne Zukunft gehalten, statt sie in Zeiten des heraufziehenden Fachkräftemangels fit für die Zukunft zu machen.

Bildung: Bildung ist ein weiterer Schlüsselbegriff für die nachhaltige Entwicklung. Die Beratung des Bildungsetats wurde von der Diskussion über die Kürzungen bei den freien Schulen beherrscht, und das Thema wird die Landespolitik auch das gesamte nächste Jahr beschäftigen. Herr Holzschuher, ich fand Ihre Strategie interessant, nun von den Kürzungen ablenken zu wollen und nur die Transparenz und die angeblich gerechtere Berechnungsweise für die Zuschüsse an die freien Schulen hervorzuheben.

Wie Sie zu Recht bemerkt haben, ist die Existenz der freien Schulen in Artikel 7 GG verfassungsrechtlich garantiert. Aber es gibt eben erhebliche Zweifel daran, dass die massiven Kürzungen im zweistelligen Prozentbereich für die einzelnen Schulen verfassungsrechtlich zulässig sind. Allein schon diese ernsthaften Zweifel bedingen, dass das Haushaltsbegleitgesetz 2012 auf seine Verfassungskonformität überprüft wird.

(Frau Melior [SPD]: Das ist auch in Ordnung!)

Im Gegensatz zu der von Vertretern der Regierungskoalition gerne ins Feld geführten Darstellung der freien Schulen als elitäre Privatschulen betuchter Familien halten die freien Schulen in Brandenburg das Sonderungsverbot der Verfassung strikt ein.

(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Ein Beispiel möge hier für alle stehen. Ich lese aus einem gestern bei uns eingegangenen Schreiben vor:

„Betreff: Wegen Nominierung Deutscher Schulpreis. Eben erhalten wir die Info, dass die Evangelische Schule Neuruppin zu den 20 besten Schulen der Republik - als einzige aus Brandenburg - gehört und für den Deutschen Schulpreis nominiert wurde.“

(Unruhe bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

„70 % der Schülerinnen und Schüler der Schule zahlen ein Schulgeld in den untersten Einkommenskategorien oder sind vom Schulgeld befreit. Nach den Kürzungen belaufen sich die staatlichen Zuschüsse nur noch auf 50 %. Herzliche Grüße, Iris Stegmann, Schulstiftung der Evangelischen Kirche.“

(Widerspruch bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Vielleicht ist auch schon vergessen worden, dass der mit 25 000 Euro dotierte Schulpreis 2010 von der Templiner Wald

hofschule - eine Schule für alle, eine integrative Grundschule und ebenfalls eine freie Schule - gewonnen wurde. Das ist übrigens auch eine Gemeinschaftsschule. So erfreulich jedoch diese Preise sind, wird aber hoffentlich niemand davon ausgehen, dass die freien Schulen in Brandenburg die Kürzungen in Zukunft über Preisgelder finanzieren sollen. Dazu gibt es einfach zu wenig Wettbewerbe.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)

Als Resümee kann ich hier nur der Analyse von Marie Luise von Halem in der vorgestrigen Debatte zustimmen:

Nach diesen Monaten der Debatte um die freien Schulen bleiben große Fragezeichen. Das Einsparargument ist in meinen Augen verpufft oder zumindest in der Größenordnung irrelevant. Was bleibt, ist ein kaum wiedergutzumachender Affront gegenüber Zigtausenden engagierten Bürgerinnen und Bürgern, Ärger bei den großen Kirchen und Verunsicherung bei den Kommunen.

Warum, meine Damen und Herren von der Regierung, tun Sie sich das eigentlich an? Traurig muss einem bei dieser alles überlagernden Debatte zumute werden, da bei den freien Schulen nicht die größten Baustellen im Bildungswesen zu finden sind. Wir müssen uns eher um die Kinder kümmern, deren Eltern nicht für die Schulsituation ihrer Kinder auf die Straße gehen. Das sind die Bildungsverlierer, denen unsere größte Sorge gelten muss. Hier werden Kinder ihrer Zukunftschancen beraubt, und volkswirtschaftliches Potenzial wird verschleudert.

Soweit sinngemäß Marie Luise von Halem am vorgestrigen Tag.

Das eigentliche Problem dieser Diskussion ist, dass dadurch die Bildungspolitik an staatlichen Schulen aus dem Blick geraten ist. Alle Defizite im staatlichen Bildungs- und Wissenschaftssystem in Brandenburg bestehen fort. Bei uns verlässt von zehn Jugendlichen immer noch einer die Schule ohne Abschluss. In Ländervergleichen steht Brandenburg kontinuierlich auf einem der letzten Plätze. Beim Kita-Betreuungsschlüssel sind wir im Ländervergleich unverändert auf Platz 16. Wir haben den letzten Platz in der Betreuungsrelation von Studierenden und Professoren. Wir haben den letzten Platz bei den Pro-Kopf-Ausgaben für die Hochschulen.

Unterrichtsausfall, Qualitätsprobleme, überalterte Lehrerschaft, zu wenig Schulpsychologinnen, fehlende Fortbildungsbereitschaft und die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler - all diese Themen sind von der Tagesordnung gerutscht.

Wir Grüne sehen auch, dass mehr Geld für den Bildungssektor nicht die Lösung aller Probleme ist. Aber wir sehen recht klar, dass wir ohne höhere Mittel für den Bildungssektor die rote Laterne nicht loswerden. Dass das möglich ist, haben wir mit unseren Anträgen bewiesen, wo wir für jede Mehrausgabe auch einen Deckungsvorschlag an anderer Stelle unterbreitet haben.

Lassen Sie mich aus der Fülle der haushaltspolitisch relevanten Themen noch einen Bereich kurz aufgreifen, nämlich die Personalbedarfsplanung, wobei der Begriff der Bedarfsplanung grob irreführend ist. Es geht schwerpunktmäßig um die Planung des Wegfalls frei werdender Stellen und weniger um die Absicherung des zukünftig erforderlichen Personalbedarfs.

Unbestritten ist für uns Grüne, dass die Stellenzahl im öffentlichen Dienst des Landes reduziert werden muss. Wir erkennen an, dass die Landesverwaltung bei einem Rückgang von 110 000 Beschäftigten im Jahr 1990 über 66 000 im Jahr 2000 auf heute rund 49 000 einen beispiellosen Aderlass hingenommen hat. Damit verbunden wurden in zentralen Bereichen über viele Jahre keine Neueinstellungen mehr vorgenommen. Das Problem der Lehrkräfte ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass dies für große Bereiche der Landesbehörden genauso gilt. Die Zahl der Genehmiger und Immissionsschützer im Umweltbereich sinkt beharrlich, die Veterinäraufsicht ist bald nicht mehr existent usw.

Fast jeder Mitarbeiter der Landesverwaltung hat in seinem unmittelbaren Arbeitsumfeld erleben dürfen, dass ausscheidende Mitarbeiter nicht ersetzt und allen anders lautenden Versprechungen zum Trotz die Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt wurde. Vor der entscheidenden Aussage, wo denn nun Arbeit wegfallen soll, drücken sich alle. In einem solchen Umfeld werden Modernisierungsvorhaben in erster Linie als Drohung empfunden.

Kein Wunder, dass inzwischen nicht nur die Polizistinnen und Polizisten mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden sind oder mit den Worten der GdP -:

„Was aber gänzlich in diesem sogenannten Modernisierungskonzept fehlt, ist die soziale Komponente, ist der Mensch. Man spricht von einem leistungsfähigen öffentlichen Dienst, ohne zu sagen, wie man Leistung honorieren und die Beschäftigten in diesem Prozess mitnehmen will.“

Auch wenn ich die abgeleiteten Forderungen der GdP nach einem neuen Altersteilzeit- und Vorruhestandsmodell nicht teilen will, hat die Klage dennoch ihre Berechtigung.

Wir Grüne haben kein Problem damit, wenn die Regierung mutige Modernisierungsvorhaben ins Gespräch bringt. Selbstverständlich muss es einen Rationalisierungsgewinn durch die elektronische Finanzverwaltung geben, können Behörden fusioniert oder getrennt werden, können Verwaltungsstrukturen gestrafft oder an die Kommune gegeben oder von den Kommunen wieder auf die Landesebene gehoben werden. Das Problem beginnt dort, wo alle Betroffenen das Gefühl haben, mit ihrem Wissen überhaupt nicht mehr gefragt zu sein. So gibt es eine Menge kluger Vorschläge der Deutschen Steuergewerkschaft, mit einem Neuzuschnitt von Verwaltungsstrukturen in Zukunft die Akten und nicht mehr die Menschen wandern zu lassen. Das Problem setzt sich fort, wenn die Landtagsabgeordneten, zumal diejenigen, die in der zuständigen Enquetekommission sitzen, der Zeitung entnehmen müssen, welche Vorhaben in einem klandestinen Zirkel erarbeitet und jetzt überfallartig in den Ministerien durchgesetzt werden sollen.

Warum verzichtet diese Regierung darauf, ihre Unterstützer mitzunehmen, und schafft sich unnötige Gegnerschaft? Auch das verstehe, wer will.

Die Regierung erweckt zunehmend den Eindruck, dass sie sich einmauert und sich mit dem Verweis auf gute Umfrageergebnisse gegen Kritik immunisiert. Nicht nur die Eltern und Lehrerinnen der freien Schulen wissen inzwischen ein Lied darüber zu singen. Die Wirtschaftsverbände fühlen sich im Gesetz

gebungsverfahren zur Förderung der Kommunalwirtschaft vom Ministerpräsidenten düpiert, die Gewerkschaften durch die nicht kommunizierten Modernisierungsvorhaben überfahren. Die Hochschulen protestieren wegen unzumutbarer Einsparauflagen, die den rot-roten Koalitionsvereinbarungen Hohn sprechen. Die vom Flughafenlärm betroffenen Einwohnerinnen der Berliner Randgemeinden fühlen sich sowieso seit langem verschaukelt. Kein Wunder, dass bei einer solchen Kommunikationsstrategie - oder muss man vielleicht besser Kommunikationsdesaster sagen? - an allen Ecken und Enden Bürgerinitiativen aus dem Boden schießen und Volksinitiativen gestartet werden.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Ich denke, so können Sie nicht ewig weitermachen, wenn Sie die unterschiedlichen Interessen in diesem Land zusammenführen wollen.

Ich komme zum Schluss. Dieser Haushalt bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Schuldenpolitik wird fortgesetzt und findet allen düsteren Warnzeichen am europäischen Finanzfirmament zum Trotz kein Ende. Es scheint gerade so, als ob die Regierung auf Anweisung von oben wartet, endlich mit der Neuverschuldung Schluss zu machen. Möglich wäre es schon in diesem Haushalt gewesen.

Der Haushalt bleibt aber auch weit hinter den Möglichkeiten zurück, Mittel in den Bildungsbereich umzuschaufeln. Die Vorschläge lagen vor. Umschichtungen aus der Straßenbauverwaltung in die Hochschulen statt der konzeptionslosen Förderung kommunaler Zusammenschlüsse, Förderung des Bildungssektors statt Aufbau weiterer Rücklagen, Aufstockung der Lehrkräftereserve - alles abgelehnt. Das Bedauerliche ist nur: Nicht Sie müssen die Konsequenzen tragen, sondern unsere Kinder. So sollten Sie nicht weitermachen! - Herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie FDP)

Das Wort erhält der Finanzminister, der für die Landesregierung spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde gern zu Beginn einige Zahlen nennen und dann die politische Bewertung dazu vornehmen. Ich habe einmal das Volumen des Bundeshaushalts mit der für 2012 geplanten Nettokreditaufnahme verglichen. Die Höhe beträgt rund 10 %. Dann habe ich mir Hessen vorgenommen, weil es schwarz-gelb regiert wird. Dort beträgt die Höhe der Nettokreditaufnahme im Verhältnis zum Haushalt 7 %. Im Land Brandenburg liegen wir bei 2,5 %.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: So ist es!)

Es stimmt, dass es ostdeutsche Länder gibt, die sich vorgenommen haben, 2012 keine Nettokreditaufnahme mehr zu tätigen. Aber wenn Sie sich anschauen, woher sie das Geld nehmen, werden Sie feststellen, dass sie das tun, indem sie den Kommunen weniger geben. Und genau das macht Brandenburg nicht.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Brandenburg hat zusätzlich zu den gesetzlichen Verpflichtungen, die wir haben, den Kommunen 2012 - das hätten wir auch erst 2013 machen können - rund 45 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.