Mich verwundert diese Entwicklung insofern, als ich dachte, die Differenzen zwischen Linken, SPD und Grünen bei der Ausgestaltung eines Vergabegesetzes wären überschaubar. Andere Bundesländer, egal, ob rot-rot oder rot-grün regiert, die Vergabegesetze verabschiedet haben, haben doch auch sehr gute und vorbildliche Gesetze verabschiedet, in denen zum Beispiel Umweltkriterien berücksichtigt wurden.
Ich denke, die Ausgangssituation für die Beratung im Ausschuss war gar nicht so schlecht. Es lag ein alternativer Gesetzentwurf von uns vor, und es gab eine umfangreiche Anhörung, die einen umfassenden Input ermöglichte. Es gab eine Koalition aus Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und NGOs, die als Minimalkonsens forderten, die Schwellenwerte radikal zu senken. Das Erstaunliche ist, dass das alles fast keine Wirkung zeitigte, jedenfalls nicht im Gesetzentwurf. Übrig blieb die Absenkung des Schwellenwertes für Bauaufträge von 100 000 auf 50 000 Euro, und damit bleibt der Gesetzentwurf der Landesregierung letztendlich wirkungslos. Ob die von Herrn Homeyer genannten 99 % der Fälle stimmen, in denen es nicht zur Anwendung kommt, das halte ich für übertrieben, aber in 80 bis 90 % aller Vergabefälle wird dieses Gesetz nicht zur Anwendung kommen. Das bedauern wir sehr.
Auch auf die Berücksichtigung von Umweltkriterien wird im Gesetz verzichtet - ein Brandenburger Sonderweg. Die beste Begründung dazu lieferte übrigens Herr Kosanke im Wirtschaftsausschuss, als er sagte, die Brandenburger Unternehmer wären noch nicht so weit. Gut, ich nehme zur Kenntnis, dass dies nach dem vorliegenden Entschließungsantrag nun die Landesregierung untergesetzlich regeln soll - immerhin ein kleiner Erfolg.
Aber - das haben wir auch kritisiert - der Gesetzentwurf löst auch bei den sozialen Aspekten nicht die Versprechungen der Koalitionsvereinbarung ein, denn die Höhe des Mindestlohnes, der Verzicht auf internationale Schutzstandards und die unzureichende Gleichstellung inländischer und ausländischer Bieter in Bewerbungsverfahren untergraben soziale Standards, wie sie in vielen anderen Bundesländern gelten.
Auch unser Aufgreifen der Gewerkschaftsforderung einer Vergabemindestentlohnung von 8,50 Euro pro Stunde verpuffte, und das, obwohl erst ein Mindestlohn von 8,50 Euro den Sprung über die aktuellen Pfändungsfreigrenzen ermöglicht. Mit 8 Euro wird weiterhin nur das Hartz-IV-Niveau erreicht werden, und Herr Domres, wenn Sie sagen, die Grünen hätten im Bundestag gegen einen Mindestlohn gestimmt:
Ich gehe davon aus, dass das in der rot-grünen Koalition vor 2005 war, als die SPD noch nicht so weit war, sich der Forderung nach einem Mindestlohn anschließen zu können.
Sie wissen ja selbst, wie das ist: In Koalitionen muss man mitunter auch einmal in einen sauren Apfel beißen.
Ich hätte mir aber auch nicht träumen lassen, dass das Herkunftslandprinzip mit dem Vergabegesetz wieder eingeführt wird - eine Regelung, die Gewerkschaften, Grüne, SPD und Linke vor fünf Jahren in Brüssel und Straßburg gemeinsam erfolgreich bekämpft haben. Gerade bei Ausschreibungen im öffentlichen Nahverkehr zweierlei Maß anzulegen entbehrt jeglicher Grundlage, denn nach der gültigen europäischen Rechtsprechung gelten aufgrund der Länge des Dienstleistungsvertrages und der Niederlassungspflicht bei Verkehrsausschreibungen ohnehin immer die regionalen Arbeitsmarktbedingungen.
Ich fasse zusammen: Neben den sozialen Schwächen ist die ökologische Handschrift in dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung nicht zu erkennen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf in dieser Form ab.
Nun liegt aber ein Entschließungsantrag vor, der diese Mankos beheben soll. Diesen Antrag kann man als ein einziges Entschuldigungsschreiben der Regierungskoalitionen an die Öffentlichkeit lesen, warum die Vorschläge der Grünen noch nicht im Gesetzentwurf verankert worden sind.
Ich denke, der Fortschritt ist eine Schnecke, aber die Regierungsfraktionen bewegen sich doch: langsam, aber stetig in die richtige Richtung.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Christoffers, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Homeyer, um die Besorgnis zurückzugeben: Erstens darf ich Ihnen versichern: Ich weiß, worüber ich rede. Zweitens: Die CDU ist eine Partei im Umbruch. Bitte passen Sie auf, dass Sie nach dem nächsten Bundesparteitag der CDU, der ansteht, nicht in bestimmten zentralen gesellschaftlich-politischen Fragen so weit hinten stehen, dass es Ihnen schwerfällt, das politische Profil in Brandenburg auszubauen!
Ich möchte mich zunächst für die intensive Arbeit aller Fraktionen im Zusammenhang mit der Erstellung des Vergabegesetzes bedanken. Ja, es war richtig: Die ursprüngliche Intention war, auf freiwilliger Basis Kommunen und weitere Akteure einzubeziehen. Dieses Ansinnen, diese Herangehensweise ist nach intensiven Beratungen nach Vorlage der Eckwerte sowohl mit Kammern wie auch Verbänden im politischem Raum korrigiert worden, weil man befürchtete, dass dieser Weg dazu führen kann, das Gesetz rechtlich angreifbar zu machen. Insofern gab es eine politische Umorientierung, in der das Gesetz so entstand, wie es entstanden ist. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal für die intensive Zusammenarbeit bedanken.
Gestatten Sie mir trotzdem, mit einigen Legenden aufzuräumen. Das Ziel dieser Koalition war kein Mindestlohn - das dürfen wir laut Grundgesetz gar nicht -, sondern die Einführung von Lohnuntergrenzen für die Vergabe öffentlicher Aufträge, und zwar vor dem Hintergrund, dass öffentliche Aufträge nicht zu einem Dumpingwettbewerb zur Realisierung dieser Aufträge führen dürfen. Das war das zentrale politische Ziel. Dieses zentrale politische Ziel ist weder unsozial noch „nicht-links“, sondern es ist ein gesellschaftlich notwendiges. Insofern glaube ich, dass diese Hauptforderung der Kernpunkt der Auseinandersetzung gewesen ist und auch den Kernpunkt in der Umsetzung darstellen muss. Erstens.
Zweitens: Lieber Herr Vogel, auch wenn die Grünen gegenwärtig aus vielerlei Gründen in einem bestimmten Umfragehoch stehen - dazu meinen herzlichen Glückwunsch -, ist es trotzdem nicht so, dass sie immer Recht haben.
Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen ist doch kein Entschuldigungsschreiben, sondern eine Bestätigung einer gängigen Rechtspraxis im Land Brandenburg.
Der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung enthält den Hinweis auf § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Herr Vogel, Sie wissen genau, was das bedeutet. Auf dieser Grundlage ist im Barnim die Null-Emissions-Strategie entstanden, aufgrund dieser Grundlage ist eine ganze Reihe ökologischer und sozialer Kriterien in einer Vielzahl von öffentlichen Auftragsbeschreibungen bereits enthalten. Wir haben mit dem Hinweis auf § 97 GWB und mit der Bekräftigung im Entschließungsantrag auf das Vergabehandbuch, in denen genau das geregelt ist, das, was Sie politisch einfordern. Wenn es geregelt ist, was Sie politisch einfordern, dann frage ich Sie: Warum fordern Sie es denn ein? Das macht doch dann keinen Sinn. Das zum zentralen Gegenstand der politischen Auseinandersetzungen zu machen halte ich schlicht und ergreifend für falsch.
Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie dem Entschließungsantrag zustimmen wollen, dazu kann ich Sie nur auffordern. Dann bin ich guter Dinge, dass wir im kommunalen Bereich, auch mit Unterstützung anderer Parteien, die Umsetzung
des Vergabehandbuchs im Land Brandenburg konfliktfrei gestalten können. Auf diese Zusammenarbeit, und zwar in allen Kreis- und Stadtparlamenten, freue ich mich.
Meine Damen und Herren! Warum Lohnuntergrenze von 8 Euro und nicht 8,50 Euro? Wir hatten in Brandenburg eine Besonderheit: Gegen die Höhe der Lohnuntergrenze hat sich kaum jemand ausgesprochen. Warum ist das wohl im Gegensatz zu Berlin und vielen anderen Bundesländern so gewesen? Der Ministerpräsident und ich haben im Dezember 2009 mit den wesentlichen Akteuren zusammengesessen und diese politische Absicht deutlich kommuniziert. Dabei wurde auch eine Zahl genannt: 7,50 Euro, die zum damaligen Zeitpunkt real war. Aufgrund des Wechsels, der im Politischen und in Verbänden vorgenommen worden ist, was das Freiwilligkeitsprinzip der Kommunen betrifft, ist Zeit vergangen. Jetzt sind es 8 Euro. Auch das ist nicht unsozial oder „nicht-links“. Es wäre unsozial und nicht-links, wenn man bei den 8 Euro stehen bliebe. Aber nein; wir haben dafür gesorgt, dass diese Lohnuntergrenze dynamisiert werden kann. Wir haben eine Findungskommission per Gesetz definiert, und dem Landtag wird zur Entscheidung vorgelegt werden, wie und in welcher Höhe eine Anpassung erfolgt.
Wissen Sie, Herr Vogel, man kann Erreichtes - Herr Domres wies darauf hin - natürlich auch kleiner machen, als es ist. Was die Koalition vorgelegt hat, ist der Einstieg in die Lohnuntergrenze, ist der Einstieg in eine faire Bezahlung mit einer Dynamisierung,
die relativ schnell greifen wird; darin bin ich mir sicher. Ich finde: Das ist der einzig richtige Weg, wenn es uns dabei noch gelingt, andere Akteure auf diesem Weg mitzunehmen, dass sich wegen der Höhe der Lohnuntergrenze im Land Brandenburg keine politische Auseinandersetzung entzündet. Ich finde das richtig, ich finde das gut. Insofern halte ich den Weg für angemessen.
Hinsichtlich der Frage „Inländerdiskriminierung“ gibt es eine unterschiedliche Auffassung zum DGB, und da will ich auch gar nicht herumreden. Wir wissen, dass gegen das Gesetz geklagt werden wird, das hat der Kollege Tomczak deutlich gemacht. Diese Koalition hat sich entschieden, das zentrale politische Anliegen, die Einführung einer Lohnuntergrenze, nicht dadurch zu gefährden, dass dieses Gesetz nicht europakonform ausgestaltet wird. Das wird in anderen Ländern etwas anders gesehen, auch beim DGB. Ich möchte hier deutlich sagen: Wir halten das Gesetz so, wie es vorgelegt wird, für europarechtskonform. Dieser Weg wird vor Gericht dann nicht mehr dazu führen können, dass das Gesetz und damit eines der zentralen politischen Anliegen dieser Koalition gekippt werden kann.
Ich kann den DGB und alle anderen Akteure nur zu einem auffordern: Anstelle das Gesetz infrage zu stellen, lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken: Was muss sich an der betreffenden europäischen Richtlinie und ihrer bundesdeutschen Umsetzung verändern, damit genau dieser Punkt so nicht mehr ausgestaltet werden muss? Ich finde, das wäre zielführender
als eine Debatte darüber, ob ein Gesetz gut oder schlecht ist und damit die politische Zielsetzung infrage zu stellen.
Es gibt hinsichtlich der Konnexität unterschiedliche Auffassungen. Ich finde - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Tomczak -, dass die bereitgestellten Mittel einen hohen Umfang haben.
Wenn Herr Homeyer Recht hätte, dass es nur acht Fälle seien, frage ich mich, woher dann die Anforderungsprofile aus den Verbänden kommen, die Mittel in dieser Größenordnung im Rahmen des Konnexitätsprinzips bereitgestellt haben wollen.
Meine Damen und Herren! Wir werden sehen, wie die Frage der Konnexität dann vor Gericht ausgehen wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn der Bund bei der Kontrolle der Entsenderichtlinie seine Hausaufgaben machen würde, entstünde ein Großteil der anfallenden Kosten zur Kontrolle dieses Gesetzes überhaupt nicht. Was wir hierbei mitregeln, sind eigentlich auch Aufgaben des Bundes, die nicht erfüllt werden.
Wir machen es selbstverständlich trotzdem, weil Konnexität ein Verfassungsgrundsatz ist und bleibt und wir auch in diesem Fall selbstverständlich den Verfassungsrahmen einhalten wollen und werden.
Es ist eine Evaluation vorgesehen, das halte ich für richtig. Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass mit dem heutigen Tage eine abschließende Behandlung des Gesetzesvorhabens hier im Landtag erfolgt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns bei der Umsetzung des Gesetzes viel Glück. - Danke.