Protocol of the Session on August 31, 2011

(Lachen des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

dann stellt sich die Frage: Welche Folgen hätte das für den Landeshaushalt Brandenburgs? Unsere Bundestagsfraktion hat ver

sucht, dies einmal durchzurechnen. Wenn wir den Spitzensteuersatz auf 45 % anheben, würde das den Ländern 950 Millionen Euro zusätzlich bringen, 950 Millionen, die aber gleich wieder aufgefressen würden, weil SPD und Linke gemeinsam eine Anhebung des Grundfreibetrags auf 8 500 Euro fordern. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 % würde den Ländern 2,5 Milliarden Euro bringen, jedoch aufgrund der Absetzbarkeit der Gewerbesteuer von der Einkommensteuer gleich wieder aufgefressen werden, wenn wir die Selbstständigen in die Gewerbesteuer einbeziehen.

Eine Rücknahme des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie und für gastronomische Außer-Haus-Umsätze würde den Ländern weniger als 1 Milliarde Euro bringen. 1 Milliarde Euro - immerhin, aber man muss doch sehen: Was bleibt davon beim Land Brandenburg hängen?

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Selbst wenn wir 2,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen für die Länder generieren würden,

(Görke [DIE LINKE]: Die Ökosteuer wieder erhöhen!)

blieben am Ende für Brandenburg weniger als 100 Millionen Euro übrig.

(Zuruf DIE LINKE: Deswegen lassen wir es sein!)

Auch eine Verdoppelung der Erbschaftssteuer würde statt 16 Millionen nur 32 Millionen Euro bringen - alles relativ unbedeutende Größenordnungen, wenn wir in den nächsten Jahren Jahr für Jahr 100 Millionen Euro Bundeszuschüsse zurückführen müssen und bis zum Jahr 2019 auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro aus dem Solidarpakt zu verzichten haben.

Auch wir sind für Steuererhöhungen, genauso wie wir dafür sind, alle Einnahmemöglichkeiten des Landes auszuschöpfen. Ich erinnere an das Wassernutzungsentgelt im Braunkohlentagebau sowie an die vollständige Erhebung der Steuern durch eine leistungsfähige Steuerverwaltung. Die Lehre ist allerdings eindeutig: Es gibt keine Hoffnung für die Länder, sich durch Steuererhöhungen zu sanieren. Wir kommen um Ausgabenreduktionen nicht herum.

(Beifall GRÜNE/B90 - Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Es bleibt die Frage, um welche Beträge der Haushalt gekürzt werden soll und wo Spielräume bestehen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wo denn?)

- Richtig. Lassen Sie mich noch einmal kurz zu den in den letzten beiden Jahren von uns zur Kürzung vorgeschlagenen Titel referieren.

„Völlig unmöglich“ hieß es, als wir für 2011 den Titel „Bonifikation, Disagio und Diskont“ um 30 Millionen Euro zugunsten der Kommunen kürzen wollten.

(Görke [DIE LINKE]: Das hat sich schon erübrigt!)

„Ohne Reduzierung von Ausgabekursen oder Ankaufsvergünstigungen bringen wir unsere Wertpapiere nicht unter“, hieß es.

Inzwischen liegt die Abrechnung für 2010 vor. Statt mit Kursabschlägen konnten wir unsere Wertpapiere demnach mit Aufschlägen emittieren. Aus einem Ausgabentitel wurde so ein Einnahmentitel.

„Völlig unmöglich“ hieß es auch zu unseren Kürzungsvorschlägen beim Landesprogramm „Arbeit für Brandenburg“. Die Realität gibt uns Recht. Inzwischen liegen die Abrechnungen vor und bestätigen unser Bild von Fehlschlägen. So konnten 2010 und 2011 nur 60 % der geplanten Kontingente besetzt werden. Deshalb flossen 2010 auch nur 329 000 von 1,44 Millionen Euro ab; in diesem Jahr werden es wohl 700 000 von 5,5 Millionen sein.

Für das Haushaltsjahr 2010 hatten wir Minderausgaben in Höhe von insgesamt 234,6 Millionen Euro in den Hauptgruppen 4, 5 und 6 vorgeschlagen. Oh, wie groß war der Protest! Wie konnte ich solche Zahlen in die Welt setzen! Ich muss zugeben: Ich habe mich um glatte 140 Millionen Euro verrechnet; das ist keine Kleinigkeit. Ich habe die möglichen Einsparungen um 140 Millionen Euro zu niedrig angesetzt. Laut Jahresergebnis 2010 blieben die Ist-Ausgaben um 374 Millionen Euro unter den Ausgabenplanungen. Bei den Personalausgaben habe ich mich um knapp 20 Millionen verschätzt und bei der Hauptgruppe 5 sogar um gut 70 Millionen Euro.

Lernen mussten wir bei den Diskussionen zum Haushaltsvollzug im Übrigen auch, dass der Mittelabfluss bei Investitionen seit Jahren generell um 10 % hinter den Ansätzen zurückbleibt und dies als ganz normal hinzunehmen sei.

Unsere Kürzungsvorschläge waren also alles in allem kein Kunststück. Inzwischen sollte auch bei Ihnen bekannt sein, dass sich jedes Jahr im Haushaltsvollzug mehrere hundert Millionen Euro Differenz zwischen Soll und Ist auftun. Auch im Haushaltsjahr 2011 wird der Saldo nach dem aktuellen Berechnungsstand um rund 300 Millionen Euro positiver abschließen.

(Senftleben [CDU]: Hervorragend!)

Angesichts dieser Zahlen habe ich keine Zweifel, dass wir alle zusammen für 2012 Einsparungsmöglichkeiten in Höhe der bislang vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 270 Millionen Euro finden werden und zugleich die erforderlichen Mittel für den prioritären Bildungsbereich freischaufeln können.

(Beifall GRÜNE/B90)

Damit komme ich zur Prioritätensetzung und zu der Frage, wo die für 2012 veranschlagten Steuermehreinnahmen in Höhe von 450 Millionen Euro versacken. Im selbst deklarierten Schwerpunkt Bildung und Wissenschaft jedenfalls nicht. Wenn ich Ihre Pressemitteilung vom 28.06.2011 ernst nehme, Herr Markov, so gibt es neben der Weiterleitung von Steuermehreinnahmen in Höhe von 70 Millionen Euro an die Kommunen zwei Ausgabenschwerpunkte: Altanschließerbeiträge in Höhe von 35 Millionen sowie nicht eingeplante Mehrausgaben in Höhe von 54 Millionen Euro durch den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes.

(Görke [DIE LINKE]: 60 Millionen, wenn schon!)

- Ich zitiere aus seiner Presseerklärung.

Bei einer Finanzprognose, die laut Seite 37 Ihrer mittelfristigen Finanzplanung 1,5 % Tariferhöhung pro Jahr einkalkuliert, und einem realen Tarifabschluss von 1,9 % sind solch hohe Mehrausgaben ein Wunder, zumal die Personalausgaben in der letzten mittelfristigen Finanzplanung lediglich um 15 Millionen Euro niedriger veranschlagt wurden, als es jetzt der Fall ist was übrigens diesen 0,4 % Differenz entspricht.

Dass steigende Steuereinnahmen auch steigende Zuweisungen an die Kommunen nach sich ziehen - geschenkt.

Mein Fazit ist: Die ungeplante Mehrbelastung im Bereich Personal ist ein Märchen. Übrig bleiben die einmaligen investiven Mehrausgaben für Wasseranschlussbeiträge in Höhe von 35 Millionen Euro, die jetzt als Begründung für dauerhafte Kürzungen im Bildungsbereich herhalten sollen.

Wenn wir den Umgang mit Ihrem angeblichen Schwerpunktfeld Bildung und Wissenschaft im Vorfeld der Haushaltsberatungen kurz beleuchten, dann wird es finster. So weist der Einzelplan 6 - Wissenschaft, Forschung und Kultur - zwar insgesamt Mehrausgaben in Höhe von knapp 46 Millionen Euro aus, diese 46 Millionen Euro resultieren aber ausschließlich aus der Umsetzung von Ausgaben anderer Einzelpläne - keine Mittelverstärkung.

Berücksichtigt man die höheren Personalkosten, so ergibt sich im Wissenschaftsetat sogar ein reales Defizit von 16 Millionen Euro. Diese Schieflage der Finanzausstattung wird im Kapitel Globalzuweisungen an die Hochschulen besonders deutlich. Die Mittel im Hochschulkapitel steigen gegenüber dem Vorjahr nur um 1,8 Millionen Euro, obwohl laut Haushaltsentwurf im Personalbereich Mehrausgaben in Höhe von 10 Millionen Euro und für den Hochschulpakt 2020 3 Millionen Euro mehr anfallen. Dieses mathematische Problem, Mehrausgaben in Höhe von über 13 Millionen Euro aus 1,8 Millionen Euro zusätzlicher Mittel zu finanzieren, soll durch eine globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro aufgelöst werden. Eine ressortbezogene globale Minderausgabe ist der Notausgang des Finanzministers. Man weiß nicht, wo man sparen kann, also zwingt man die Betroffenen, sich selbst die Luft abzuschnüren.

Nicht viel anders sieht es übrigens beim Blick auf den Einzelplan 5 aus, der prima vista von Konsolidierungsmaßnahmen verschont zu bleiben scheint. Aber 36 Millionen Euro mehr gleichen gerade die tarifbedingten Mehraufwendungen bei den Personalkosten inklusive Versorgungsfonds - und den Zuweisungen an die freien Schulen aufgrund der dort gestiegenen Schülerzahlen aus. Die sich aus den gesunkenen Gesamtschülerzahlen ergebende demografische Rendite bleibt dagegen nicht im Bildungssystem, sondern wird vom Finanzminister abgeschöpft.

Im Windschatten der Haushaltsdiskussion soll den freien Schulen nun über die Neuregelung des Berechnungsverfahrens für deren Finanzierung im Haushaltsbegleitgesetz ab dem Schuljahr 2012/2013 schrittweise der Atem genommen werden. Die Koalition lebt - den Eindruck haben wir schon - hier eine ideologisch motivierte Aversion gegen die im Grundgesetz garantierten freien Schulen konsequent aus.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie CDU und FDP)

Das war Wortgeklingel von Herrn Holzschuher und Frau Kaiser über die besondere Rolle und die Anerkennung der freien

Schulen, denn mit Ihren Kürzungen zwingen Sie sie dazu, die Elternbeiträge zu erhöhen und in der Konsequenz entweder eine andere soziale Zusammensetzung der Schülerschaft an den freien Schulen zu generieren oder gleich dichtzumachen. Dass die Kinder trotzdem - dann auf öffentlichen Schulen - beschult werden müssen und die Kürzungen an dieser Stelle Mehrkosten pro Schüler an anderer Stelle verursachen, lässt die Koalition - nein! - nicht außer Betracht. Ihr erklärtes Ziel ist eben, möglichst viele Kinder aus den freien Schulen in die staatlichen Schulen umzulenken. Ich denke, das ist nicht die Art, wie wir uns kluges Staatshandeln vorstellen.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Wir wollen auch nicht ausschließen, dass in den Bildungsetats Einsparmöglichkeiten bestehen. Im Gegensatz zur Landesregierung heißt „Priorität“ für uns allerdings, dass die sogenannte demografische Rendite, also die mit dem Schülerrückgang eintretenden Kostensenkungen, im Bildungssystem verbleibt. Dabei geht es zunächst einmal nicht um zusätzliche Stellen, sondern nur um die Besetzung und Ausfinanzierung der vorhandenen Stellen.

Ich komme zum Schluss: Als Oppositionspolitiker könnte ich jetzt Ihren Erwartungen entsprechen und mit Aussagen wie „Diese Regierung kann es nicht“ oder „Sozis können nicht mit Geld umgehen und brauchen deshalb grüne Aufpasser“ in die Oppositionsroutine verfallen.

(Minister Dr. Markov: Ein ganz Linker, kein Sozi!)

Das stimmt zwar tendenziell, führt uns aber nicht weiter.

Ich meine, wir sind alle aufgerufen, uns in der Haushaltspolitik ehrlich zu machen. Wer immer noch glaubt, die Probleme notleidender Staatsfinanzen durch Steuererhöhungen zu lösen, ist ein Realitätsverweigerer,

(Beifall CDU)

so wie übrigens auch diejenigen, die immer noch meinen, hier Steuersenkungen durchsetzen zu können.

(Beifall CDU)

Angesichts der dringenden Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung muss jeder verausgabte Euro auf den Prüfstand. Ich denke, dazu sind wir alle verpflichtet. Alle Politiker - nicht nur die Haushaltspolitiker in diesem Hause -, tragen Verantwortung, wenn es darum geht, die Regierung zu unterstützen, die nötigen Einsparmöglichkeiten auch zu finden. Wir werden Ihnen helfen. - Herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren, ich beende die Aussprache. Die Unterrichtung in der Drucksache 5/3652 - Personalbedarfsplanung bis 2015 - haben Sie zur Kenntnis genommen.