Protocol of the Session on November 19, 2009

und indem er die Vermögenden, die nicht in die Realwirtschaft investieren, sondern in diese Überschussliquidität, Aktien etc., ebenfalls zur Kasse bittet. Das schadet dem Klein- und Mittelstand in keiner Art und Weise. Das fördert die Nachfrage, nämlich die Binnennachfrage, und führt tatsächlich zu mehr Steuereinnahmen.

(Zuruf von der CDU: Zum Thema!)

- Das ist das Thema. Genau das ist das Thema. Wenn Sie es nicht begreifen, dann gebe ich gern Nachhilfeunterricht.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD und GRÜNE/B90 - Oh! bei der CDU)

Das Thema ist die Frage, wie sich diese Krise ergeben hat, warum sie da ist; denn daraus lassen sich Schlussfolgerungen ziehen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie sagen, dass das, was die Regierungen gemacht haben, von uns nun als schlecht dargestellt wird, dann sage ich, dass das nicht stimmt. Wir gehen sehr wohl sehr differenziert heran. Ich habe Ihnen die Punkte genannt, mit denen wir unzufrieden sind, und habe aufgezeigt, welche Steuern Sie nicht gesenkt haben. Aber selbstverständlich gab es in der Vergangen

heit auch bestimmte Steuergesetzgebungen, die die Binnennachfrage ein Stück weit mit gefördert haben. Es ist nicht alles schwarz oder weiß oder gelb oder grün oder rot - das ist Unsinn. Ich glaube auch nicht daran - das sage ich Ihnen klar und deutlich -, dass derjenige, der in der Regierung sitzt, weil er die Macht hat, immer Recht hat, und derjenige, der in der Opposition sitzt und nicht die Macht hat, immer Unrecht hat. Eine solche Denkweise ist schizophren.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Wenn das der Fall wäre, dann hätten Sie zehn Jahre lang Recht gehabt und haben jetzt immer Unrecht. Daran glaube ich nicht. Ich glaube daran, dass auch Sie durchaus gute Vorschläge unterbreiten können. Damit meine ich nicht die, die die Kollegin Dr. Ludwig genannt hat, indem sie sich für eine Haushaltssperre aussprach. Zum Glück - die FDP ist nun wirklich nicht verdächtig, linkslastig zu sein - hat auch die FDP gesagt, das sei Unsinn. Kurz vor dem Jahresende eine Haushaltssperre einzuführen würde die Investitionen behindern. Sie wissen selber, was das bedeutet. Wir haben das Konjunkturpaket. Die Ausgabe der zur Verfügung stehenden Mittel gestaltet sich im Land Brandenburg sehr gut. Das ist ein Positivum der letzten Regierung; das will ich nicht abstreiten. Das heißt - darüber sollte man zumindest einmal nachdenken -, wenn wir das gemacht hätten, dann hätte die Gefahr bestanden

(Zurufe von der CDU)

- Sie haben es vorgeschlagen, sie wollten eine Haushaltssperre -, dass die Investitionen in den Jahren 2010 und 2011 unter denen der Jahre 2008 und 2009 gelegen hätten. Damit hätte das Land Brandenburg die Mittel zurückzahlen müssen, die es bekommen hat; denn die Verpflichtung lautet, dass die Investitionen über denen der Vorgängerperiode liegen. Das sollte auch eine finanzpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion wissen.

(Beifall DIE LINKE)

Die ganze Angelegenheit wird umso fragwürdiger, je mehr man sich verdeutlicht, dass das Konjunkturpaket, also die Bereitstellung zusätzlicher Investitionsmittel, durchaus positive Effekte bewirken wird, man aber gleichzeitig die Einnahmemöglichkeit reduziert, indem man solche Steuern wieder senkt, die keinerlei wirtschaftspolitische Auswirkungen haben, zumindest nicht für den Klein- und Mittelstand.

Ich möchte nicht alles wiederholen, was zu dem Kindergeld und zu den Steuerfreibeträgen gesagt worden ist. Dazu haben meine Kollegen sehr schön ausgeführt. Ich möchte mich auf Folgendes beziehen: Die Steuerreform 2008 hat 10 Milliarden Euro für die Großunternehmen erbracht. Damit eine Gegenfinanzierung zu dieser Unternehmenssteuerreform zumindest im Ansatz vorhanden gewesen wäre, hat die damalige Koalition die Verlust- und Zinsabzugsbeschränkung vorgesehen.

Nun werden sie noch einmal drastisch entschärft. Von den insgesamt vorhandenen 3,5 Millionen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland betraf es, weil diese Grenze bei 1 Million Euro gezogen worden ist, sowieso nur einen Anteil von 0,03 %. Jetzt setzen Sie diese Grenze auf 3 Millionen Euro hoch, und das ist die Lizenz zum Steuerminimieren.

(Beifall DIE LINKE)

Das bringt keinem einzigen Klein- und Mittelständler im Land Brandenburg etwas.

Natürlich - das hat heute ebenfalls eine Rolle gespielt - kann man wirtschaftspolitisch durchaus den Glauben haben, dass sich Steuersenkungen über Zeitabläufe refinanzieren. Damit Sie nicht sagen, es redet ein Roter irgendwelchen Unsinn, zitiere ich aus dem Gabler Wirtschaftslexikon. Das ist das führende Wirtschaftslexikon der Bundesrepublik Deutschland.

(Zuruf von der CDU: Wie heißt das?)

- Gabler.

(Zuruf von der CDU - Heiterkeit bei der CDU)

- Ich gebe gern Nachhilfeunterricht.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Heiterkeit bei allen Frak- tionen)

Der Glaube, dass sich Zinssenkungen durch Zeitläufe amortisieren, wurde durch die Realität widerlegt. Ich glaube, dass man Gedankengänge, die man hatte, durchaus korrigieren kann. Das nennt man Lernfähigkeit, und das ist etwas Positives. Das ist nicht sarkastisch gemeint, sondern das ist etwas Positives. Ich habe in meinem Leben, in meiner Biografie, in unterschiedlichen Bereichen eine Menge neu lernen müssen.

Insofern ist die Linke eine richtig konservative Partei.

(Zurufe von der CDU)

Der Begriff „konservativ“ leitet sich von dem Begriff „consevare“, das heißt „bewahren“, ab. Wir haben unsere Steueransätze, die wir schon immer vertreten haben, bewahrt. Wir haben sie aus konjunkturellen, machtpolitischen oder beteiligungspoltischen Gründen nicht geändert. Darauf bin ich ein Stückchen stolz.

Herr Platzeck, der Ministerpräsident, hat gestern einen unheimlich klugen Satz gesagt.

(Zuruf von der CDU: Einen klugen Satz! Hört, hört!)

- Die gesamte Regierungserklärung war gut. Ich will den für mich entscheidenden Satz herausnehmen. Nicht böse sein, dass ich das so formuliert habe. Das passiert beim freien Reden. Er hat gesagt:

„Es ist kein historisches Projekt. Zwei Parteien haben sich zusammengetan, Regierungspolitik anders gestalten zu wollen.“

Das ist richtig. Selbstverständlich bleiben wir politische Konkurrenten. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass wir, wenn sich diese Regierungskoalition nach fünf Jahren dem Ende nähert und die Wahlen anstehen, wieder mit unterschiedlichen Wahlprogrammen antreten werden. Das ist doch das Normalste der Welt.

Weil Regierungspolitik nicht a priori etwas Gutes und Oppositionspolitik nicht etwas Schlechtes ist, darf man durchaus auch als Regierungsmitglied nach wie vor Oppositionsgedanken hegen.

(Zuruf von der CDU: Ha, ha ha!)

- Nicht ha, ha, ha. Denn aus beiden Positionen heraus wird gesellschaftliches Nachdenken befördert. Nachdenken ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man sich auch korrigieren kann. Wenn aus Nachdenken ein Vordenken wird, wie man etwas anders gestalten muss, dann stimmen wir wunderbar überein.

(Widerspruch bei der CDU)

- Das gilt doch für alle. Ich habe Sie eingeschlossen; nicht hektisch werden!

Ich glaube, das war genau der Punkt …

(Petke [CDU]: Was hat das mit der Steuer zu tun?)

- Ich erkläre es Ihnen. Ich habe Redezeit.

(Petke [CDU]: Gut, dass die Regierung so viel Zeit hat! - Lachen bei der CDU)

Genau das ist der Wert dieser Regierungserklärung und dieser Koalitionsvereinbarung: der Ansatz eines neuen gesellschaftspolitischen Nachdenkens über Verfahrensweisen und Auswirkungen. Deswegen haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht.

(Beifall DIE LINKE - Petke [CDU]: Davon können sich die Bürgermeister nichts kaufen!)

Zu den Auswirkungen auf die Landesfinanzen: Es stimmt, dieses Land hat in den Jahren 2007 und 2008 einen ordentlichen Jahresüberschuss erzielt, und seitdem beobachten wir die Auswirkungen der Finanzkrise. Dadurch werden im Haushalt 2009 insgesamt - das können wir Ihnen noch nicht hundertprozentig sagen - Deckungslücken in Höhe von 600 bis 650 Millionen Euro entstehen. Die Haushaltssituation wird schwieriger, weil die Steuereinnahmen unabhängig von den Plänen der schwarzgelben Koalition weiter sinken werden. Daran sieht man schon die exorbitanten Herausforderungen an diesen Haushalt. Sie wissen, hinzukommt, dass sich die Einnahmen des Landes Brandenburg aus den Bundesergänzungszuweisungen jährlich um 100 Millionen Euro minimieren.

(Petke [CDU]: Wieder Berlin schuld!)

Um eines klarzustellen: Wer Geld aufnimmt, hat nicht von vornherein Schulden, sondern zunächst einmal Verbindlichkeiten. Wir hoffen natürlich, dass sich das Land Brandenburg vorzüglich entwickelt, weil es jetzt eine rot-rote Regierung hat.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Das kann dazu führen, dass wir mit unserem Bruttoinlandsprodukt über die 75 % des Durchschnitts in der Europäischen Union kommen und somit zu Beginn der neuen Förderperiode nicht mehr Ziel-1-Gebiet sind. Haushaltsmäßig betrachtet heißt das: Es wird zu weiteren Reduktionen kommen. Wir werden nicht mehr über die Mittel in der bisherigen Höhe verfügen.

(Frau Dr. Ludwig [CDU]: Das wissen wir doch aber alles schon! - Genilke [CDU]: Er erklärt es noch mal mit sei- nen eigenen Worten!)

Wir wissen, dass das Land Brandenburg - obwohl wir ja immer für „die Brandenburger“ antreten - von einer Menge Brandenburger verlassen wird. Die Steuermindereinnahmen, die sich