Protocol of the Session on December 17, 2010

Aber die Ausgabensituation des Landes erfordert mehr als nur einzelne Aufgabenreduzierungen und Verwaltungsstrukturreformen. Wir benötigen eine ausschließliche Ausrichtung der Haushaltspolitik an Nachhaltigkeitskriterien. Aber wie soll das funktionieren? Auch wenn es anders als im amerikanischen im deutschen Haushaltsrecht keine Unterscheidung zwischen gebundenen und disponiblen Ausgaben gibt, weiß doch jeder, was gemeint ist. Ein immer größerer Anteil der Ausgaben ist aufgrund früherer Entscheidungen auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus festgelegt und steht für politische Entscheidungen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung. Im Bundeshaushalt gelten inzwischen rund 93 % der Ausgaben als indisponibel. Musterbeispiel für die von uns zu tragenden Folgen früherer politischer Entscheidungen sind die Zinsbelastungen als Ergebnis früherer Verschuldungspolitik, sind aber auch die Ausgaben für das gegenwärtig beschäftigte Personal oder die künftigen Pensionszahlungen.

Heißt das aber nun, dass wir Haushaltspolitik im Parlament nur noch als „symbolische Inszenierung von Nichtigkeiten auf der Oberfläche unantastbarer Sachzwänge betreiben“, wie es ein aktuelles Papier beschreibt? Ist die Demokratie im Haushaltsbereich am Ende, und geht es nur noch darum, in der Vergangenheit aufgelaufene Ansprüche irgendwie zu befriedigen? Früher gab es dafür einen einfachen Lösungsansatz. Verteilungskonflikte sollten durch Rückgriffe auf erst noch zu schaffende zukünftige Ressourcen bewältigt, also durch eine optimistische Verschuldungspolitik, gelöst werden.

Wie in den letzten Monaten schon mehrfach gezeigt, ist uns dieser Weg durch die Schuldenbremse versperrt. Das heißt aber im Gegenzug, wir müssen uns in die Verteilungskonflikte hineinbegeben, nicht unbedingt lustvoll; aber es bleibt uns nicht erspart, wenn wir die Handlungsfähigkeit in der Haushaltspolitik zurückgewinnen wollen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Im Prinzip hat das ja auch die Regierung erkannt, oder sagen wir, zumindest die Linke scheint das Problem erkannt zu haben. Im Gegensatz zur SPD traute sich die Linke immerhin zum ersten Jahrestag von Rot-Rot, eine Bilanz - ich vermeide den Begriff Erfolgsbilanz - vorzulegen, in der sie die Haushaltspolitik ein Stück weit in den Mittelpunkt ihrer Politik rückt. In ihrer Analyse ist die Linke dabei schonungsloser oder, sollen wir sagen, ein ganzes Stück weit realistischer, als es nach den Schönfärbereien des Ministerpräsidenten bei seiner ersten Regierungserklärung zu erwarten war. Hier heißt es:

„Brandenburg ist ein Land mit einer hohen Sockelarbeitslosigkeit, verbreiteter Armut, einer kleinteiligen, eigenkapitalschwachen Wirtschaftsstruktur, erheblichen demografischen Problemen und starken regionalen Disparitäten. Eine selbsttragende Entwicklung ist bislang nicht erreicht worden. Der Landeshaushalt wird nur rund zur Hälfte aus dem eigenen Steueraufkommen gedeckt.“

Das ist mir, ehrlich gesagt, schon fast zu viel Schwarzmalerei. Man könnte die kleinteilige Wirtschaftsstruktur ja auch als Chance werten. Aber die Herausforderungen sind immerhin erkennbar.

Dann folgen in dieser Bilanz die üblichen kleinen und frommen Selbsttäuschungen, wie der Hinweis auf die neuen Lehrer, die in Wirklichkeit keine zusätzlichen Lehrer sind, sondern mit denen eben nur ein Teil der frei gewordenen Lehrerstellen nachbesetzt wird, oder der Hinweis auf den öffentlichen Beschäftigungssektor. Aber dann wird es interessant:

„Bei der Kofinanzierung von Bundes- und Europamitteln haben jene Programme Priorität, die die höchste Hebelwirkung und Effizienz haben. Je mehr Mittel wir mit einem Euro Landesmitteln mobilisieren können, desto sinnvoller ist es, daran festzuhalten.“

Prinzipiell ein richtiger Ansatz, auch wenn wir Bündnisgrünen zunächst einmal all die Programme aus der Förderung nehmen würden, die mehr ökologischen Schaden als Nutzen anrichten, auch wenn sie viel Eigenmittel mobilisieren.

(Beifall GRÜNE/B90)

Aber wie sieht es denn in der Realität aus? Welche Programme sollen denn beispielsweise in der zweiten Säule der Agrarförderung zukünftig nicht mehr oder nur noch verkürzt bedient werden? Genau diejenigen, die den höchsten Nutzen für das Land bringen, zum Beispiel das vom Nachhaltigkeitsbeirat hochgelobte LEADER-Programm, die Beihilfe für die Umstellung auf biologische Landwirtschaft, die Dorferneuerungsprogramme oder Komponenten des KULAP. Stattdessen wird mit der ganz dicken Gießkanne weiterhin eine pauschale Flächenprämie in Höhe von rund 30 Euro pro Hektar an die Landwirtschaftsbetriebe auf 70 % der Landfläche, sogenannte benachteiligte Gebiete, ausgeschüttet. Dass die Landwirte bereits 300 Euro Flächenprämie von der EU am Landeshaushalt vorbei erhalten, wird dabei geflissentlich ignoriert.

(Frau Alter [SPD]: Keine Ahnung!)

Ein klarer Kniefall vor dem Brandenburger Bauernverband! Stattdessen reist der Agrarminister im Land herum und versucht, den klammen Gemeinden einen erhöhten Eigenanteil für die Dorferneuerung aus dem Rücken zu leiern.

Unverändert besteht in dieser Landesregierung die Illusion, dass dem ländlichen Raum am besten damit gedient sei, wenn rund 350 landwirtschaftliche Großbetriebe maximale Förderung genießen. Wir halten diese Ausrichtung der Politik für den ländlichen Raum an den Interessen einer kleinen Minderheit für fatal und eine Verschwendung von Ressourcen.

Zur Ehrenrettung der Linken gebe ich zu, dass es sich hier um die Fortsetzung klassisch brandenburgischer SPD-Agrarpolitik in Zuständigkeit eines SPD-Ministers mit einem vom Ministerpräsidenten zum Landwirtschaftsunterstaatssekretär geadelten Abteilungsleiter handelt.

(Beifall GRÜNE/B90)

In die Zuständigkeit der linken Verbraucherschutzministerin fällt dagegen die Abschaffung des Zuschusses für die Tierkör

perbeseitigung. Auch wenn wir uns hier einen gleitenden Übergang insbesondere für die Kleinbetriebe gewünscht hätten, Respekt! Ja, es ist wirklich nicht einzusehen, warum jemand extra bezahlt werden soll, wenn er sich rechtskonform verhält.

Respekt, Frau Ministerin Tack, übrigens auch für Ihre beharrliche Weigerung, für vollgelaufene Keller im Oderbruch die Landeskasse zu öffnen. Wie bereits Landrat Schmidt im RBB zu Recht ausführte, baut seit Alters her kein vernünftiger Mensch auf überschwemmungsgefährdeten und grundwassernahen Flächen Häuser mit Kellern. Wer dies dennoch getan hat, soll sich bei seiner Versicherung, der Baubehörde oder seinem Architekten das Geld wiederholen. Hierbei sollte die Landesregierung die Bürger konkret unterstützen. Sie sollte aber auch durch entsprechende Bauvorschriften dafür Sorge tragen, dass in diesen gefährdeten Gebieten künftig weder Keller noch Ölheizungen genehmigungsfähig sind.

Richtig war es auch, Frau Tack, dem ständigen Drängen des dortigen Gewässerunterhaltungsverbandes nach Kostenerstattung für den Schöpfwerksbetrieb und für die Erhaltung von Gewässern II. Ordnung, die allein in dessen Zuständigkeit fallen, zu widerstehen. Nachdem der GEDO über Jahre hinweg mit den niedrigsten Umlagekosten von 7,50 Euro pro Hektar das Grabennetz hat verfallen lassen, sah er sich jetzt endlich veranlasst, seine Umlage dem Landesdurchschnitt anzupassen.

Man sollte sich auf keinen Fall von dem ständigen Ruf nach der finanziellen Verantwortung des Landes für alles und jedes ins Bockshorn jagen lassen.

Allerdings muss das Land seinen Pflichten für die Unterhaltung der Gewässer I. Ordnung gerecht werden. Hierzu haben die Gewässerunterhaltungsverbände auch Anrecht auf eine verstetigte Ausstattung mit den erforderlichen Mitteln. Ihre Praxis, den Ansatz im Haushalt niedrig zu veranschlagen, um ihn dann mit nicht eingeplanten Mehreinnahmen im Jahresverlauf aufzufüllen, trägt nicht und stößt zu Recht auf Widerstand. Dabei, Frau Tack, stünde die Finanzierungsquelle Bergbau ja bereit. Leider ist es Ihnen aber bis heute nicht gelungen, sich gegen die professionell organisierten Lobbyinteressen von Vattenfall durchzusetzen und endlich alle bei der Kohleförderung anfallenden Sumpfungswässer dem Wassernutzungsentgelt zu unterwerfen. Hier zeigen sich die Grenzen einer einzelnen Ministerin.

Kommen wir daher zu einem anderen Minister mit einem größeren Förderetat, dem Wirtschaftsminister: Wie ich bereits gestern ausführte, ist die wirtschaftsfachliche Diskussion in diesem Lande weiter, als es die Fortführung des Operationellen Programms 2007 bis 2013 im Haushalt anzeigt. Die zusammen mit Berlin geführte Diskussion über gemeinsame Zukunftsfelder und Clusterbildung zeitigt in der Realität erste Erfolge. Sie eröffnet die Möglichkeit, endlich Zukunftsfelder im gesamten Land in den Blickwinkel zu nehmen und sich von der Orientierung auf einzelne Standorte, die sogenannten Regionalen Wachstumskerne, zu lösen. Vom Konzept der räumlich definierten Branchenschwerpunktorte als Grundlage der Förderpolitik hatte sich der Wirtschaftsminister ja bereits Anfang des Jahres zu Recht verabschiedet.

Das Prinzip Stärken stärken - so neu definiert und richtig verstanden - findet auch unsere Unterstützung, nur muss man dann als Wirtschaftsminister auch die Traute haben, die Förder

politik konsequent an den Ansprüchen der Clusterpolitik auszurichten und Mitnahmeeffekten wie der Umsiedlung von Luftfahrtunternehmen von Tegel nach Schönefeld oder Förderbegehren der Zigarettenindustrie entgegenzutreten. Zur Notwendigkeit der konsequenten Umstellung auf Darlehensförderung und Bürgschaftsgewährung haben wir gestern schon ausführlich debattiert.

Was wir uns als Grüne von einem Linken-Wirtschaftsminister wünschen und gewünscht hätten, ist bekannt: klare Absage an Niedriglöhne, keine Werbung für ein Niedrigsteuerparadies Schönefeld, keine Förderung der ILA aus Steuermitteln und vor allem keine Fortsetzung der Braunkohlepolitik Ihres Vorgängers. Mit dem Entwurf des Vergabegesetzes ist Bewegung in die Mindestlohndebatte gekommen. Das war es aber schon an Fortschritten.

Ich kann mich noch sehr genau an Ihre Wahlplakate im Oderbruch gegen die CO2-Versenkung erinnern, das ist gar nicht so lange her. Heute heißt es in der Linken-Bilanz, dass der Wirtschaftsminister keine Diskussion mit den CCS-Gegnern scheut. Na toll! Der von Ihnen berufene Regionale Erkundungsbeirat ist vor diesem Hintergrund auch nicht als Instrument zur Bürgerbeteiligung, sondern zur Sedierung der Region zu werten.

(Jürgens [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Wir können der Regierung nur dringend abraten, Brandenburg als einziges Bundesland für die CO2-Endlagerung zu öffnen, um damit der Sackgassentechnologie Braunkohleverstromung eine Verlängerungsrunde einzuräumen.

(Jürgens [DIE LINKE]: Das stimmt gar nicht, Herr Vogel!)

Ich bedauere es sehr, dass die sich jährlich wiederholenden Platzierungen der Lausitzer Braunkohle-Landkreise auf den hinteren Plätzen des Zukunftsatlasses Deutschland immer noch keine ausreichende Wirkung im Wirtschaftsministerium hinterlassen haben. Ich sagte es gestern bereits: Die Lausitz ist nicht wegen der Grenzlage zu Polen, sondern wegen des jahrzehntelangen Fixierens auf die Braunkohle von der Wirtschaftsentwicklung abgehängt worden.

(Frau Gregor-Ness [SPD]: Quatsch!)

Wie bereits gestern ebenfalls ausgeführt, ist die Lausitz mit ihrer Forderung nach einem alternativen Entwicklungskonzept hier schon weiter als die Landesregierung. Ergreifen Sie die ausgestreckten Hände aus der Region! Nutzen Sie diese Chance zur Abkehr von einem Irrweg!

Herr Holzschuher, zum Leitstern 2010: Ich begrüße es, dass das Land Brandenburg ihn verliehen bekommen hat.

(Ness [SPD]: Das stimmt nicht, Herr Vogel!)

Ich sage aber auch sehr deutlich: Er zeigt auch die Defizite auf. Solarpaneele werden in Brandenburg zwar gebaut, aber sie werden nur unzureichend eingebaut. Wir sind zum Beispiel bei der Solarthermie absolut rückständig.

(Holzschuher [SPD]: Können Sie nicht erst einmal das Positive herausstellen! Das überwiegt doch!)

- Ich kann es positiv werten, dass wir diesen Leitstern bekommen haben.

(Ness [SPD]: Geben Sie zu, dass Sie das stört!)

Ich sage es ausdrücklich: Ich freue mich, dass dieses Land Brandenburg diesen Leitstern bekommen hat. Lassen Sie uns das auch als Ansporn nehmen, die dort festgestellten Defizite zu korrigieren.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor Sie aus meinen bisherigen Darlegungen falsche Schlüsse über die Zusammensetzung der Landesregierung ziehen:

(Zuruf von der SPD: Aber nein!)

Ja, es gibt nicht nur linke Minister. Und neben Herrn Vogelsänger gibt es noch weitere SPD-Minister in der Landesregierung. Sie haben manchmal sogar Erfolge.

(Görke [DIE LINKE]: So etwas soll es geben!)

Ohne dass ich jetzt das Bild vom blinden Huhn überstrapazieren will:

(Beifall CDU - Zurufe von der SPD - Bischoff [SPD]: Beachten Sie den Tierschutz bitte!)

Ein Körnchen Erfolg hat sogar Herr Rupprecht zu verzeichnen. Die Erhöhung des Betreuungsschlüssels in der Kita ist ein solcher Erfolg. Allerdings sind wir mit dieser Kraftanstrengung erst auf den drittletzten Platz im Bundesländer-Vergleich vorgerückt. In der frühkindlichen Förderung, wo die entscheidenden Weichen gestellt werden, fehlt unverändert das Geld. 20 % der Kinder haben Sprachförderbedarf. Erkannte Verbesserungsmöglichkeiten können aber nicht finanziert werden.

(Görke [DIE LINKE]: Deshalb senken wir die Nettokre- ditaufnahme!)

Ähnliches gilt für den Englischunterricht und die Förderung der Lesekompetenz in den Schulen.

Die Probleme sind zwar meist erkannt, nur Lösungen sind nicht in Sicht.