Protocol of the Session on September 8, 2010

Nein, ich würde gern fortfahren. - Ich bin der Ansicht, dass vielen der Ernst der Lage immer noch nicht bewusst ist; man sieht das auch an vielen Äußerungen in der Öffentlichkeit. Wir werden in absehbarer Zeit - wir gehen da sehenden Auges hinein und werden das auch konstruktiv gestalten - unseren Haushalt von derzeit 10 Milliarden Euro auf ein Volumen von etwa 8 Milliarden Euro zurückführen müssen. Das wird nicht ohne Einschnitte gehen. Trotzdem werden wir nicht mit der Gießkanne quer über alle Ressorts fahren, sondern Prioritäten setzen. Wir haben die Priorität bei Wissenschaft, Bildung, Forschung und Wirtschaft gesetzt; dabei bleibt es auch. Prio

rität heißt aber nicht - wie man vielleicht meinen könnte -, dass es automatisch immer einen Aufwuchs geben wird. Priorität heißt, dass die uns wichtigen Bereiche deutlich weniger einsparen müssen als andere. Wir werden beispielsweise auch über die Polizeireform sprechen.

Sie wissen, dass es Bereiche gibt - ich denke auch an die Infrastruktur -, die sehr viel mehr einsparen müssen. Es geht darum, dass der Bereich Wissenschaft einen vergleichsweise geringen einmaligen Beitrag aus den Rücklagen erbringen soll. Das ist der Vorschlag, der im Haushaltsplanentwurf 2011 steht. Dieser Haushaltsplanentwurf - ich sage es noch einmal - wird heute nicht debattiert. Er wird durchs Kabinett und anschließend in den Landtag gehen. Das wird der Ort sein, an dem konkret über Zahlen und auch über Kompensationsmöglichkeiten zu sprechen sein wird.

Was ist passiert? Die Hochschulen sollen eine einmalige Entnahme von 10 Millionen Euro aus ihren Rücklagen zur Sanierung des Landeshaushalts zur Verfügung stellen. Diese Rücklagen - viele meiner Vorredner haben das bereits gesagt - sind über die Jahre - in neun Jahren - von ungefähr 900 000 Euro auf derzeit fast 25 Millionen Euro angewachsen. Ich habe niemals unterstellt, dass die Hochschulen damit Luxus oder Überfluss betreiben oder nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Tatsache ist, dass die Hochschulen seit mindestens drei Jahren auch von meiner Vorgängerin, die aus Ihrer Fraktion stammte, darauf hingewiesen wurden, dass Rücklagen in dieser Höhe nicht mehr akzeptabel sind.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Aha!)

Jedes Jahr wurden die Hochschulen gebeten, einen Maßnahmenplan vorzulegen, wie sie diese Rücklagen zu reduzieren gedenken. Das ist nicht passiert.

(Zuruf von der CDU)

Das ist Bestandteil der Haushaltsverhandlungen mit den Hochschulen gewesen; da könnten Sie auch bei Ihrer ehemaligen Kollegin nachfragen, die das jedes Jahr mit Sorge beobachtet hat. Insofern kann man in Zeiten einer dramatischen Sparsituation, in der es darum geht, die Neuverschuldung nicht weiter in die Höhe zu treiben, angesichts der Fesselung, die wir jetzt schon durch unsere Zinszahlungen haben, nicht allen Ernstes glaubwürdig argumentieren, dass die Hochschulen immer weiter wachsen und trotzdem eine akute Finanznot besteht. Meine Vorredner haben darauf hingewiesen.

Ich bin grundsätzlich dafür, dass Hochschulen Rücklagen bilden können. Die Hochschulen werden auch in diesem Jahr wieder Rücklagen bilden können. Sie werden in wenigen Tagen die Personalverstärkungsmittel in mehrfacher Millionenhöhe zugewiesen bekommen. Das ist das Geld, das in der Regel in die Rücklagen geflossen ist. Wir müssen aber darüber sprechen, wie wir künftig mit diesen Rücklagen umgehen. Sie sollen sich nicht über Jahre anhäufen, sondern im Idealfall im Folgejahr ausgegeben werden. Wenn das nicht der Fall ist, brauchen wir verlässliche Konzepte, wie diese Rücklagen ausgegeben werden.

Das soll auch Bestandteil der Verhandlungen über den neuen Hochschulpakt sein. Wir müssen hier zu klaren und eindeutigen Regelungen kommen. Das war sicherlich im alten Hochschulpakt nicht befriedigend gelöst.

Sie hatten und haben mit der Rücklagenbildung die Möglichkeit, die Profilierung langfristig zu steuern und zu planen. Die Geschichte der Entwicklung unserer Hochschulen ist ja eine absolute Erfolgsgeschichte. Auf diese Hochschulentwicklung sind wir sehr stolz. Wir verzeichnen eine deutliche Steigerung der Studierendenzahlen. Wir haben erst kürzlich in der Studie der OECD gehört, wie wichtig es ist, noch mehr junge Menschen an das Studium heranzubringen.

Die Hochschulen werden auch massiv unterstützt und erhalten zusätzlich Geld aus Bundesmitteln. Dieser Tage wird die dritte Säule des Hochschulpaktes greifen, bei der es um die Lehrqualität geht. Die Universität Potsdam und die Europa-Universität haben sich in der Exzellenzinitiative beworben. Wir hoffen sehr, dass zumindest der eine oder andere Antrag positiv beschieden wird. Das bedeutet, dass wiederum mehr Geld an die Hochschulen kommen wird. Zu glauben, dass jetzt alles zusammenbricht und sich das Hochschulsystem wegen dieses das betone ich ausdrücklich - schmerzlichen Eingriffs ins Negative entwickeln wird, halte ich wirklich für übertrieben. Wir sollten zur Sachlichkeit zurückkehren.

Ich werde auch in diesem Sinne gemeinsam mit den Hochschulen Lösungsansätze suchen. Den hier ständig wiederholten Vorwurf, die Landesregierung werde vertragsbrüchig, lasse ich so nicht gelten. Wenn zwei Partner eine Vereinbarung treffen es ist kein einklagbarer Vertrag und kein Gesetz, es handelt sich bei dem Hochschulpakt um eine gemeinsame Willenserklärung -, tun sie das auf der Basis einer Geschäftsgrundlage. Die Geschäftsgrundlage des Hochschulpaktes II war die damalige wirtschaftliche Situation, die in den Jahren 2006, 2007 und 2008 erfreulicherweise gut war. Die damalige Haushaltssituation und die damalige Höhe der Hochschulrücklagen waren andere als die im Jahre 2010. Das hat sich zwischenzeitlich drastisch verändert. Wenn sich die Geschäftsgrundlage derart ändert, muss der Inhalt der Vereinbarung dem angepasst werden, was die Partner zu leisten vermögen.

Dies werden wir im Rahmen der auf den Weg gebrachten Bilanzierung des Hochschulpaktes II gemeinsam mit den Hochschulen besprechen. Ich habe Verständnis dafür, dass die Hochschulen nicht begeistert über die Teilentnahme ihrer Rücklagen sind. Aber angesichts der Haushaltslage des Landes in den nächsten Jahren kommen wir nur mit Sachlichkeit weiter, um die ich im Interesse des Hochschulstandorts auch die Abgeordneten der Opposition bitte. Ich gehe davon aus, dass wir alle zu diesem sachlichen Standpunkt zurückkehren, uns miteinander verständigen und gemeinsam über diesen neuen Hochschulpakt sprechen werden, in dem klare und eindeutige Regelungen enthalten sein werden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal die CDU-Fraktion. Prof. Schierack, bitte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen aus den Hochschulen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bin enttäuscht und sogar ein bisschen böse, da Sie sich nicht der Verantwortung dieses Vertrages gestellt haben. Sie ignorie

ren somit lapidar die Realität an den Hochschulen in unserem Land.

Ich versuche, auf Ihre Argumentation einzugehen; in der Realität aber ist das Bild ein völlig anderes als das, das Sie hier beschreiben. Der Hochschulpakt II ist damals aus gutem Grund aus dem Hochschulpakt I entwickelt worden. Da waren Begriffe enthalten wie Partnerschaft, Kommunikation, Konsens. Ziel war, die Bildungsbeteiligung zu erhöhen - also mehr Studienplätze zu schaffen -, die Qualität der Lehre zu erhöhen, die Autonomie der Hochschulen zu stärken. Diese Partnerschaft werden Sie mit einem Schlag sozusagen aufkündigen. Wenn das keine Katastrophe ist, dann weiß ich es nicht.

(Beifall CDU)

Sie haben im Kabinett einen Beschluss zu diesen Rücklagen gefasst. Ich verweise auch auf den Haushaltsbeschluss vom Mai dieses Jahres hier im Parlament. Im Einzelplan 06 steht auf Seite 66 eindeutig: Die Hochschulen können Rücklagen bilden. - Das haben wir mit der Mehrheit dieses Hauses so beschlossen. Ich frage mich, warum wir überhaupt noch einen Haushalt beschließen, wenn wir uns nicht daran halten.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Es ist ein Mythos, immer von den „reichen Hochschulen“ zu sprechen, die Geld angeblich bunkern und nicht wissen, was sie damit tun sollen, um dann möglicherweise Luxus zu finanzieren. Meine Damen und Herren, so funktioniert das nicht, so funktionieren die Diskussionen gar nicht, nein!

(Beifall CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

Die Rücklagen haben nämlich den Zweck - jetzt kommen wir zu dem Thema -, bei dem äußerst geringen Etat unserer Hochschulen - das Land Brandenburg stellt den Hochschulen den geringsten Etat bundesweit zur Verfügung, das wissen Sie -, den Hochschulen in schwierigen Zeiten überhaupt einen sinnvollen Mitteleinsatz zu ermöglichen. Dafür sind diese Rücklagen notwendig.

Wir und Sie wissen genau, dass nach dem Mittelverteilungsmodell der Hochschulen in der Kategorie Ausfinanzierung jetzt schon eine deutliche Unterfinanzierung besteht. Sie reden von dem Aufwuchs - das ist einzig und allein ein Tarifaufwuchs von 2009 auf 2010 gewesen. Damit ist es bei den Universitäten überhaupt nicht kassenwirksam.

Ich sage Ihnen: Die Rücklagen werden zum Einwerben von Drittmitteln gebraucht. Das sind Mittel, die das Leben einer Universität, einer Hochschule überhaupt ermöglichen. Dazu gehören überjährige Projektförderungen. Vor allen Dingen dienen die Rücklagen dazu, die steigenden Preise für Energie, Wärme und Bewirtschaftung zu zahlen. Denn das Geld dafür überweisen Sie den Hochschulen nicht, das müssen die Hochschulen aus ihrem eigenen Etat bezahlen. Die Rücklagen dienen natürlich auch zur langfristigen Profilierung unserer Hochschulen. Die Möglichkeit, auch einmal etwas auszuprobieren, wird ihnen genommen.

Zu Ihren weiteren Argumenten: Sie meinen, der Hochschulpakt sei nicht einklagbar, weil der Partner keine rechtsfähige Körperschaft sei. Ich lese den Pakt so, dass Sie einen Vertrag mit

den einzelnen Hochschulen dieses Landes geschlossen haben. Unterschrieben hat ihn Frau Dr. Kunst. Daher meine ich: Es ist ein Vertrag, und er muss unbedingt eingehalten werden.

Sie sagen, es sei besser, eine Rücklage anzugreifen, als den Haushalt im nächsten Jahr zu reduzieren. Ich bin der Auffassung, man kann das durchaus in den Haushalt hineinbringen. Dann allerdings muss man darüber und über alle Dinge, die hier in der Bildungspolitik eine Rolle spielen, diskutieren.

Es ist schon schizophren, wenn man die Zeitung aufschlägt und auf der einen Seite „Priorität für Bildung und Forschung“ liest, während auf einer anderen Seite steht: „10 Millionen Euro werden von der Hochschule entfernt“. Da ist doch irgendetwas nicht in Ordnung. Wir führen hier doch eine versteckte Diskussion.

(Beifall CDU und FDP)

Wenn wir das in den Haushaltstitel eintragen, werden die Lasten aus den Sparmaßnahmen auch gerecht verteilt. Erklären Sie mir einmal, warum die Viadrina bei dieser Rücklagenüberführung nicht dabei ist! Sie hat das Glück, eine Stiftungsuniversität zu sein. Wollen wir, dass jetzt alle Universitäten Stiftungsuniversitäten werden? Das kann doch wohl nicht wahr sein.

Sie sagen, Rücklagen in dieser Größenordnung seien in dieser Notsituation unseres Landes nicht vermittelbar. Dann müssen Sie den Bürgern aber auch sagen, dass das kein Geld ist, das irgendwo auf der Kante liegt, für das man Zinsen eintreibt. Das sind einzig und allein Ausgabenermächtigungen, die noch keinen Mittelabfluss zur Folge hatten. Das ist die Wahrheit.

Sie wissen auch, dass diese Rücklagen vor allen Dingen in den letzten drei Jahren gebildet worden sind, weil die Mittel zur Personalverstärkung in Millionenhöhe immer am Ende eines Jahres geflossen sind, im November, Dezember und womöglich noch im Januar des Folgejahres. Die Hochschulen mussten sie natürlich den Rücklagen zurückführen. Was sollten sie sonst damit machen? Das bitte ich dabei immer zu beachten.

Sie sollten auch wissen, dass andere Bundesländer ihren Hochschulen Rücklagen von bis zu 25 % ihres Haushaltes angedeihen lassen. 25 Millionen Euro sind, bezogen auf unseren Haushalt, nicht einmal 10 % des Globalhaushaltes. Ich bitte Sie! Hier von „hohen Rücklagen“ zu sprechen ist eine Katastrophe! Das ist nicht wahr.

(Beifall CDU)

Die Ministerin hat hier wieder gesagt, trotz wiederholter Aufforderung habe es kein Konzept für die Mittelverwendung gegeben. Diese Aufforderung - Sie können mit allen Hochschulen sprechen - hat es nie gegeben. Ich habe mit der früheren Ministerin Wanka gesprochen. Sie hat das wirklich verneint. Es gab gelegentliche Besprechungen, in denen empfohlen wurde, nicht so hohe Rücklagen anzusparen, weil es womöglich Begehrlichkeiten geben könne. Es gab aber nie ein Gesprächsangebot des Ministeriums im Zusammenhang mit der Rückforderung von Rücklagen. Es hat auch nie eine Anhörung stattgefunden. Die Hochschulen haben quasi aus der Presse davon erfahren, dass sie Rücklagen zurückgeben müssen. Es gab - ent

gegen anderslautender Darstellungen - kein konsuales Verfahren zwischen Hochschulen auf der einen Seite und Ministerium auf der anderen Seite, um auszuloten, wo Einsparungen vorgenommen werden könnten. Nein, die Rücklagenentnahme wurde den Hochschulen übergestülpt. Damit ist das Verfahren, das hier stattfindet, intransparent und zutiefst ungerecht.

Wenn mir die Landesregierung sagt, sie habe nicht erfahren, wofür die Mittel ausgegeben werden, erwidere ich: Meine Damen und Herren, hätten Sie doch einmal die Hochschulen gefragt!

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

- Nein, das wurde auch hier so deutlich gesagt. Sie können wunderbare Word- oder Excel-Dateien präsentieren, in denen sie minutiös und auf den Euro genau zeigen, welche Mittel sie für welche Projekte in den folgenden Jahren ausgeben. Schauen wir uns die Fachhochschule Eberswalde an - das wurde schon gesagt; ich könnte es alles vorlesen, wenn ich mehr Zeit hätte -: Aufbau eines Graduiertenkollegs, Ankauf einer Software für das Campus-Management, Aufbau von Projekten, Wald- und Nachwuchsforschung. Fachhochschule Brandenburg: Stellenausschreibung im Jahr 2008, 2009, die nicht im Brandenburger Mittelverteilungsmodell enthalten ist, das können Sie weiterlesen; Drittmittel für EFRE-Programme. BTU Cottbus: viele Kofinanzierungsanteile für EFRE-Projekte, Boden, Wasser, Luft, Transregio-Projekte, ganzheitliche Biomassenutzung, Wasserstoffversorgung aus erneuerbaren Energien.

Auch bei der Universität Potsdam können Sie nachfragen, wofür sie das Geld braucht: für Drittmittelprojekte, für den Ankauf und die Anmietung von Räumen, für die Ausstattung der Exzellenzinitiative. Sie haben im Ausschuss gesagt, für die Exzellenzinitiative würden die Planungsaufgaben vom Land übernommen. Aber wenn man die Exzellenzinitiative gewinnt, muss man auch Räume dafür haben, Technik, Labore, eigenes Personal. All das muss gesichert sein.

Meine Damen und Herren, wenn Sie wissen wollen, wie die Maßnahmen konkret untersetzt sind, müssen Sie die Universitäten und Hochschulen fragen, dann geben sie Ihnen eine Antwort.

(Jürgens [DIE LINKE]: Fragen Sie Herrn Lipsdorf, er hat das gesagt!)

- Ja, Sie haben gesagt, Sie wissen nicht, was...

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Herr Lipsdorf hat das ge- sagt!)

- Sie haben doch selbst gesagt, dass Sie nicht wüssten, was die Universitäten damit machen, es sei ein Unding, das anzusparen.

Meine Damen und Herren, Sie nehmen damit den Hochschulen die Luft zum Atmen, und Sie werden damit drastische Kürzungen bei den Hochschulen hinnehmen. Es wird eine schlechtere Ausstattung geben. Die Lehrqualität wird leiden. Herr Jürgens, erklären Sie das bitte Ihren Studenten! Die Forderungen der Studenten werden nämlich konterkariert. Ich wundere mich über Ihren heutigen Auftritt. Vor einem Jahr hörte sich das noch ganz anders an.

(Beifall CDU)

Da haben Sie noch davon geredet, dass Frau Wanka die Suppe, die sie eingerührt hätte, auch auslöffeln müsse. Frau Wanka hat den Pakt eingehalten, meine Damen und Herren!