Protocol of the Session on September 8, 2010

Zum Antrag: Ich bin etwas verwundert, Herr Prof. Schierack und Herr Lipsdorf. Sie beide kommen hier vor und reden zum Antrag. Der eine kann gar nichts dazu sagen und geht nach einer Minute wieder, und der andere muss viele Bücher mitschleppen, damit er überhaupt etwas sagen kann.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wenn man sich mit dem Antrag auseinandersetzt, dann muss man es auf mehreren Ebenen tun. Zur ersten Ebene: In dem Antrag steht:

„Der Hochschulpakt II... muss durch die Landesregierung eingehalten werden.“

Das klingt so, als ob Ministerin Münch in einer Pressemitteilung oder einem Interview angekündigt hätte, den kompletten Hochschulpakt aufzukündigen. Das tut sie eben nicht. Ich sage Ihnen einmal, was alles an Maßnahmen zur Stärkung der Hochschulen in diesem Hochschulpakt II steht: Vereinbarungen zur Sicherung der Qualität der Lehre, Maßnahmen zur Erhöhung der Bildungsbeteiligung, Maßnahmen zu Kinderund Familienfreundlichkeit, etwas zur Forschungsinitiative, zum Wissens- und Technologietransfer sowie Maßnahmen zur Stärkung der Hochschulautonomie. Das alles bleibt, das alles macht die Landesregierung zusammen mit den Hochschulen weiter. Ich finde auch gut, dass sie das macht. Dann kann man nicht davon reden, dass die Landesregierung irgendwie aufgefordert werden müsse, den Hochschulpakt einzuhalten, sondern dies findet statt.

Die zweite Ebene: In der Regelung zur Hochschulautonomie ist ein Punkt dabei, in dem es um Finanzen geht. Zur Übertragung der Haushaltsmittel für den Fall, dass sie nicht verbraucht worden sind, heißt es ganz konkret:

„In den Haushaltsjahren 2004 und 2005“

auf diese Formulierung im Hochschulpakt I bezieht sich nämlich der Hochschulpakt II

„werden nicht verbrauchte Haushaltsmittel über die bisherigen Regelungen hinaus in vollem Umfang übertragen und stehen damit bis Ende des Haushaltsjahres 2006 zur Verfügung."

Das heißt, die übertragenden Mittel stehen nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung und können nicht über 10 bis 15 Jahre hinweg angehäuft werden, sondern sie müssen innerhalb des nächsten Haushaltsjahres ausgegeben werden. Aber das ist hier nicht passiert. Die Hochschulen haben über Jahre hinweg Gelder angehäuft. Es gibt, wenn man es richtig liest, die Zusicherung, dass man die Haushaltsmittel übertragen kann, aber nicht die Zusicherung, dass sie die Landesregierung nicht eventuell doch wieder einziehen kann.

(Lachen bei CDU und FDP)

Insofern sehe ich hier nicht den Wortbruch, den Sie mit so großen Worten skizzieren wollen.

Die dritte Ebene ist: In der Praxis hat sich die Übertragung der Haushaltsmittel bewährt. Sie ist sinnvoll für die Hochschulen, das haben Sie alle gesagt, das stellt auch die Ministerin überhaupt nicht in Abrede. Aber es ist ein Unterschied, ob ich wie zu Anfang, als der Hochschulpakt eingeführt wurde, für alle Hochschulen 1 Million Euro Rücklage habe oder ob ich, wie heute, 25 Millionen Euro Rücklage habe, also eine viel, viel größere Summe - Gelder, die seit Jahren nicht ausgegeben werden. Die Hochschulen haben offensichtlich kein Konzept, was sie mit diesem Geld anstellen sollen.

(Zurufe von der CDU)

Deswegen glaube ich, dass diese Anhäufung von Geldern nicht wirklich sinnvoll ist. Der Eingriff ist schmerzhaft, das ist definitiv so, und er ist ein Beitrag der Hochschulen zur Haushaltskonsolidierung. Er ist formal korrekt; dazu wird die Ministerin sicher gleich noch etwas sagen. Frau Melior hat auch schon etwas dazu ausgeführt. Es ist definitiv besser, einmalig - ich betone: einmalig - auf die Rücklage zuzugreifen, als dauerhaft in den Haushalt einzugreifen.

(Zurufe von der CDU)

Das machen wir nämlich nicht. Wir bleiben bei der Priorität für Wissenschaft und Bildung. Dieser Haushaltsposten wird hiermit definitiv nicht angetastet. Ich hätte mir natürlich einen etwas besseren Prozess gewünscht; das muss ich ehrlicherweise zugeben. Jetzt ist es an uns und ist es die Aufgabe der Ministerin, das Vertrauen der Hochschulen zurückzugewinnen. Ich bin mir sehr sicher, dass sie das machen kann und dass sie das schafft. Denn es gibt wirklich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium, den Regierungsfraktionen und den Hochschulen. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Der Abgeordnete Vogel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Sondersitzung des Haushaltsausschusses am 18. August

(Glocke der Präsidentin)

hatte ich einen Bericht des Finanzministers zur Kürzung der Hochschulrücklagen beantragt. Nachdem Herr Markov berichtet hatte, dass die vorgesehenen Kürzungen nur die Jahre 2011 ff. beträfen und keine Auswirkungen auf den Haushalt 2010 hätten, stimmte ich der Vertagung dieses Tagesordnungspunkts auf die reguläre Sitzung am 16. September zu. Ich hätte nicht so vertrauensselig sein sollen. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, wurden den Hochschulen mit dem mir damals unbekannten Schreiben des Staatssekretärs Gorholt vom 23. Juli 10 Millionen Euro aus der Rücklage 2010 gesperrt, also ziemlich genau ein Viertel der übertragenen Landesmittelrücklage aus dem Jahr 2009.

Die Antwort von Herrn Markov war ziemlich tricky. Vermutlich hatte ich meine Frage falsch gestellt, denn haushaltstechnisch werden die 10 Millionen Euro 2010 nicht verausgabt, sondern nach 2011 übertragen und erst 2011 dort eingespart. Das ändert aber nichts daran, dass die Antwort des Ministers einem offenen und ehrlichen Umgang mit uns Hohn spricht.

Vertrauensselig wären besser auch die Hochschulpräsidenten nicht gewesen, als sie am 4. Juni 2007 den Hochschulpakt II unterzeichneten, in dem ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Regelungen zur Rücklagenbildung in vollem Umfang beibehalten werden. „Pacta sunt servanda“ sagen nicht nur die Lateiner und Franz Josef Strauß, „Verträge sind einzuhalten“ werden sich auch die Hochschulen gesagt haben, als sie im Vertrauen auf die Gültigkeit dieser Vereinbarung die Rücklagen als Eigenanteile für Drittmittelprojekte oder Investitionsrückstellungen für Ausbaumaßnahmen an Gebäuden zurücklegten, statt sie im „Dezemberfieber“ zu verprassen. Darauf, dass die neue Wissenschaftsministerin - immerhin die Ministerin einer linken Koalition, die sich der Hochschulautonomie und der Wissenschaftsförderung verpflichtet fühlt - diese Mittel nicht nur wieder einsammeln will, sondern den gesamten Vertrag für nicht rechtmäßig zustande gekommen erklärt, wären sie wohl niemals gekommen. Denn das ist die Realität: In dem Versuch, zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist, wurden den Hochschuldirektoren immer neue Argumente entgegengehalten, die die Nichtigkeit dieser Vertragsbestimmung belegen sollten. So wird der Hochschulrektorenkonferenz kurzerhand die Satisfaktionsfähigkeit abgesprochen, weil sie keine rechtsfähige Körperschaft und damit kein Partner sei.

(Oh! bei der CDU)

So steht nun in Rede, dass der Vertrag der Zustimmung des Parlaments bedurft hätte. Die Zustimmung des Kabinetts, auf die sich die Hochschulen verließen, hatte die Vereinbarung ja erhalten. Der damalige Staatssekretär im MdF, Herr Zeeb, wie auch Clemens Appel, waren bei allen Beratungen zu haushaltswirksamen Vereinbarungen - egal ob zur Übertragbarkeit oder zur Flexibilisierung der Stellenpläne - anwesend und gaben ihr Plazet. Wie viel Verbindlichkeit will man mehr? Man kann gern den nächsten Hochschulpakt im Parlament beraten und

verabschieden, aber kurz vor Auslaufen des bewährten Hochschulpaktes II diesen gänzlich infrage zu stellen spricht nicht für ein vertrauensvolles Arbeitsklima.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt FDP)

So behauptet die Wissenschaftsministerin - so klang es auch gerade bei Frau Melior und Herrn Jürgens -, dass die Hochschulen kein Konzept zur Mittelverwendung hätten. Dabei können wohl die meisten Hochschulen sofort minutiös nachweisen, wofür sie die Mittel verwenden wollen, zum Beispiel die Fachhochschule Eberswalde - jetzt HNE -, die 85 % der Rücklagen unter anderem für die Aufrechterhaltung des drittmittelfinanzierten Graduiertenkollegs vorgesehen hatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade einmal zehn Monate ist es her, dass sich die Bildungspolitikerinnen und -politiker der Landtagsparteien bei der streikenden Studentenschaft an der Uni Potsdam die Klinke in die Hand gaben. Während der hochschulpolitische Sprecher der Linken, Herr Jürgens, noch während des Bildungsstreiks an der UP aufseiten der Studierenden lautstark die Besetzungsaktion befürwortet und die Forderung der Studierenden nach auskömmlicher Finanzierung der Hochschulen vertreten hat - es heißt sogar, er wäre federführend an der Verfassung der Texte beteiligt gewesen -,

(Aha! sowie weitere Zurufe bei der CDU)

sind Sie jetzt nicht in der Lage, sich für die Bedürfnisse der Studierenden und somit der Hochschulen einzusetzen.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Die Vereinnahmung der Rücklagen aus dem Hochschulpakt II wird die Studienqualität, die unter anderem zum Ziel des Hochschulpaktes II erklärt wurde, nicht verbessern. Welchen Verlass haben die Hochschulen noch? Worauf können die Studierenden überhaupt noch zählen? Gewiss nicht auf die Zusicherungen des Wissenschaftsministeriums und der Linken während des Bildungsstreiks.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Inzwischen haben die brandenburgischen Hochschulen etliche Anstrengungen unternommen, um gegen diesen schwerwiegenden Eingriff in die Finanzautonomie zu protestieren und ihn abzuwenden. Unter anderem haben sie ein Gutachten beim renommierten Berliner Juristen Prof. Dr. Pestalozza in Auftrag gegeben. Ich möchte das inhaltlich nicht weiter ausführen, Sie kennen die Inhalte.

(Zuruf von der SPD: Ein Glück!)

Es ist beschämend, dass die Koalitionsfraktionen es abgelehnt haben, den Vorsitzenden der Brandenburgischen Landesrektorenkonferenz auf der nächsten Sitzung des Haushaltsausschusses zu hören. Noch schlimmer aber ist, dass die Vertreter der Linken die Absetzung dieses Tagesordnungspunkts beantragt haben, und man kann sicher sein, dass dies mit der Koalitionsmehrheit auch beschlossen wird.

(Oh! bei der CDU)

Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion - ich denke, ich spreche für alle Oppositionsfraktionen in diesem Haus - bei den Hochschulen für den Umgang der Landtagsmehrheit mit Ihnen entschuldigen. Ich sage ganz klar: So geht es nicht!

Wir stimmen dem Antrag der CDU zu. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Für die Landesregierung spricht Ministerin Münch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin vor allen Dingen Frau Melior und Herrn Jürgens dankbar, dass sie die Diskussion auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt

(Lachen bei der CDU)

und nicht von einem Ehevertrag - wie Herr Prof. Schierack vorhin - oder gar von der Wirksamkeit von Gottes Wort gesprochen haben. Ich wusste nicht, dass Sie unserem Ministerpräsidenten eine solche Ehrerbietung entgegenbringen. Ich bin der Ansicht, etwas weniger wäre realistischer gewesen.

Herr Vogel, es geht in keiner Weise darum, dass wir den Hochschulpakt aufkündigen wollen. Sie sollten - diesen Anspruch habe ich auch an die Damen und Herren Kollegen von der Opposition - die Dinge so sehen, wie sie gesehen werden müssen, damit man letztlich eine Gesamtübersicht hat: Die Hochschulen haben besonders im Haushalt 2010 einen deutlichen Aufwuchs erhalten, der noch nie so hoch gewesen ist.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Dieser gewachsene Haushalt, der Gesamthaushalt der Hochschulen, wird aller Voraussicht nach so ins Jahr 2011 überrollt werden, wenn der Haushaltsgesetzgeber - und der sind Sie; ich weiß nicht, Herr Vogel, warum Sie den parlamentarischen Einfluss so gering schätzen - nicht etwas anderes sagt. Das heißt, die Hochschulen werden im Jahr 2011 mindestens so viel Geld zur Verfügung haben wie im Jahr 2010.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich würde gern fortfahren. - Ich bin der Ansicht, dass vielen der Ernst der Lage immer noch nicht bewusst ist; man sieht das auch an vielen Äußerungen in der Öffentlichkeit. Wir werden in absehbarer Zeit - wir gehen da sehenden Auges hinein und werden das auch konstruktiv gestalten - unseren Haushalt von derzeit 10 Milliarden Euro auf ein Volumen von etwa 8 Milliarden Euro zurückführen müssen. Das wird nicht ohne Einschnitte gehen. Trotzdem werden wir nicht mit der Gießkanne quer über alle Ressorts fahren, sondern Prioritäten setzen. Wir haben die Priorität bei Wissenschaft, Bildung, Forschung und Wirtschaft gesetzt; dabei bleibt es auch. Prio