Protocol of the Session on July 1, 2009

Das verstehen wir unter einem Schutzschirm für Menschen, und den werden wir jetzt nicht zusammenklappen. Wir werden auch nicht akzeptieren, dass Politik künftig diejenigen schont, die die Krise zu verantworten haben. Wir werden also nicht akzeptieren, dass wieder nur die Menschen für die Krise bezahlen müssen, die schon bisher von Fortschritt und Aufschwung ausgeschlossen blieben. Das betrifft ebenfalls den Streit um die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Die entsprechende Große Anfrage steht heute noch auf der Tagesordnung. Ich meine, dass die Bilanz wirklich nicht nur positiv ist, und das wenigstens muss man an dieser Stelle zugeben. Wir werden morgen in der Aktuellen Stunde „Bildung“ diese Probleme noch einmal ausführlicher mit Ihnen diskutieren können.

Verehrte Damen und Herren, die Erneuerung aus eigener Kraft im Land ist stecken geblieben, oder Sie haben sie tatsächlich den Brandenburgerinnen und Brandenburgern überlassen. Es reicht offensichtlich in einer sozialen Demokratie nicht, immer nur Stärken zu stärken oder den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Das finnische Modell hat den Weg in unsere Schulen ebenso wenig geschafft, wie das Vorbild Niederösterreich nicht positive Impulse für die Entwicklung unserer Region geben konnte. Auch das erfolgreiche Studium des Mindestlohnes in London hat ihn noch nicht nach Brandenburg gebracht.

Ihr Leitbild für die Landesentwicklung verschwand im Gegensatz zu unserem in den Schubladen, nachdem die Befürchtung nie zerstreut werden konnte, Sie würden die berlinfernen Regionen einfach darauf vertrösten, dass sie sich nun selbst neu erfinden müssten und im Übrigen alle von der Metropolregion Berlin profitieren würden. Selbst wenn das so funktionieren könnte - mit der ersatzlosen Abschaffung der Grundzentren haben Sie der Idee einer ausgewogenen Regionalentwicklung nun wirklich nicht gedient, nach der man weiter weg von den großen Städten das Leben - dazu gehören für uns Bildung, Mobilität, Wohnung, Energieversorgung und soziale Dienste - künftig auch noch organisieren und bezahlen kann.

Was immer heute hier als Bilanz auf den Tisch kam - gegen die alltäglichen Erfahrungen der Brandenburger, gegen deren eigene Bilanz hilft es kein bisschen. Sie haben die Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gebracht und die Gerichte gegen sich aufgebracht. Ich erinnere auch an die Bodenreformaffäre. Sie haben Fehler gemacht, Chancen vertan und sich gegenseitig blockiert.

Meine Damen und Herren, nach zehn Jahren Ihrer Koalition steht das Land nun wieder vor der Wahl; und es ist doch ein bisschen anders als bisher. Mit der üblichen Routine, mit einem „Weiter so!“, business as usual, darf es in dieser Krisensituation nicht weitergehen. Die ganze Bankenrettung hätte doch keinen Sinn, wenn nicht endlich die Herstellung und Erhaltung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit ins Zentrum der Politik rückte, also gute Arbeit, von der man leben kann, gute Bildung für alle Kinder von Anfang an und Armutsbekämpfung. Deshalb wird der Ausgang dieses Herbstes auch darüber entscheiden, in welche Richtung und auf wessen Kosten die Krise bewältigt wird. Die Linke bleibt dabei: Für uns geht das nur konsequent sozial.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion setzt die Abgeordnete Dr. Funck die Debatte fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Abgeordnete! Dass es Aufgabe der Opposition ist, den Finger in die Wunde zu legen, darüber sind wir uns einig. Aber was Sie, Frau Kaiser, hier machen in Ihrer kommunistischen Tradition

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

- zu versuchen, Leute aufzuwiegeln, Unruhe zu stiften und nach wie vor das Paradies auf Erden zu versprechen -,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das machen Sie doch!)

halte ich nicht nur für realitätsfern, sondern auch für höchst gefährlich. Solange Sie diesen Kurs weiter fahren, sind Sie für mich auch keine demokratische Kraft.

(Beifall bei der CDU)

Heute soll in der Aktuellen Stunde Bilanz gezogen werden; aber in diesen Zeiten halte ich es für genauso wichtig, in die Zukunft zu schauen. Deshalb soll es einen kurzen Rückblick geben, aber es soll auch darauf gesehen werden, was in den kommenden Jahren wichtig ist.

Dass Brandenburg heute im Vergleich mit dem Anfang der Legislaturperiode besser dasteht, ist anhand vieler Daten und Fakten belegbar. Mein Kollege Baaske ist darauf eingegangen. Ich möchte deswegen auf solche Statistiken verzichten. Auch ist es schwierig, anhand einzelner Maßnahmen, Gesetze und Programme hervorzuheben, was in dieser Legislaturperiode erfolgreich war.

Ich halte es dagegen für viel aufschlussreicher, wenn man darauf blickt, wie sich das Land und das gesamte Erscheinungsbild Brandenburgs in den vergangenen Jahren verändert hat - für unsere Bürger hier im Land, aber auch mit dem Blick von außen. Dieses Erscheinungsbild hat sich offenkundig verändert. Brandenburg ist eben nicht mehr Schlusslicht im PISA-Vergleich. Brandenburg ist nicht mehr das Land der gescheiterten Großprojekte und wird nicht mehr als wirtschaftliches Anhängsel von Berlin betrachtet. Recht und Sicherheit sind keine Problemthemen mehr, sondern Erfolgsgeschichten. Brandenburg ist nicht mehr die „kleine DDR“, in der die Wirkungsweisen der SED-Diktatur mitunter verklärt werden. Brandenburg ist nicht nur kultureller und landschaftlicher Anziehungspunkt, sondern auch ein attraktiver Standort für Forschung und Wissenschaft.

(Beifall bei CDU und SPD)

Statistiken sind immer etwas unterschiedlich. Herr Baaske sprach von 95 %, ich halte es aber auch für ein Superergebnis, dass 88 % der Brandenburger, unserer Leute hier, sagen, sie leben sehr gern oder gern in diesem Land. Das war vor fünf Jahren noch nicht der Fall. Das muss ja Gründe haben!

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gab eine deutliche Kurskorrektur. Im Bildungsbereich wurden seit 1999 die Weichen in Richtung Leistungsorientierung und bessere Unterrichtsqualität gestellt. Nicht zufällig ist das auch der Zeitpunkt, zu dem wir in Regierungsverantwortung eingetreten sind.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Auch wenn Kollege Baaske bestimmte Erfolge für die SPD reklamieren will - das ist ja okay und gehört sich auch so -, mache ich hier auch noch einmal deutlich, dass wir Unterschiede an dieser Stelle haben. Lassen Sie mich an die Leistungs- und Begabungsklassen erinnern. Ihre Beschränkung auf 35, obwohl wir den doppelten Bedarf haben, wird unseren Kindern nicht gerecht. An dieser Stelle werden wir natürlich weiter kämpfen.

(Beifall bei der CDU - Schulze [SPD]: Wir sind auch keine Einheitspartei!)

- Ja, das ist auch gut so; das gehört zur Demokratie. Deswegen lebe ich auch sehr gern in einer Demokratie.

Auch die Umstellung der Wirtschaftsförderung von einem erfolglosen Modell der dezentralen Konzentration zum zielgerichteten Einsatz der Mittel für Wachstumskerne ist wirklich ein entscheidender Schritt gewesen. Unser Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns hat sehr viel dafür getan, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Ich hatte heute früh ein Gespräch mit einem Berliner Unternehmer, der sagte: „Wir können uns in Berlin nur wünschen, dass der Spirit von Brandenburg endlich auch auf Berlin übergreift.“ Es ist gerade auch unserem Wirken in den letzten fünf Jahren zu verdanken, dass sich Unternehmer und Unternehmen hier in Brandenburg gut aufgehoben fühlen, ein offenes Ohr für ihre Probleme finden und ihnen auch geholfen wird. Das ist in Berlin definitiv anders.

(Beifall bei der CDU)

Der Tourismus, ein besonderes Aushängeschild jedes Landes, hat sich in seiner Verantwortung auch überaus positiv entwickelt.

Manche Erfolge sieht man zwar nicht auf den ersten Blick, sie sind gleichwohl von großer Bedeutung. So verhält es sich beispielsweise im Bereich der inneren Sicherheit und der Justiz. Denn dort bedeutet mediale Ruhe keineswegs Passivität, sondern dass Recht und Ordnung funktionieren und sich die Bürger sicher fühlen. Unsere Justizministerin Beate Blechinger hat hier genauso wie Innenminister Jörg Schönbohm in den letzten Jahren wirklich gute Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU)

In der Umfrage, die besagt, dass mindestens 88 % der Brandenburger sich hier wohlfühlen und hier gern leben, ist auch deutlich geworden, dass gerade das Sicherheitsgefühl in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.

Es wurden zudem viele Zeichen gesetzt, die für Modernität und Innovationsfähigkeit stehen. Im Bereich unserer Wissenschaftsministerin Prof. Wanka - heute steht es in der Zeitung haben wir eine neue tolle Ansiedlung: ein Spitzeninstitut für Klimaforschung. Wir haben Hamburg, München, Wuppertal und Freiburg ausgestochen. Das macht deutlich, wie interes

sant Brandenburg mittlerweile auch für Spitzenforschung geworden ist.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich denke auch an die stark gestiegenen Studentenzahlen und das moderne Hochschulgesetz, das viel Wettbewerb und Eigenverantwortung zulässt. Dass wir gerade als Land Brandenburg mit der Europa-Universität Viadrina die erste Stiftungsuniversität in den neuen Ländern eingerichtet haben, ist auch sehr bemerkenswert.

Aber nicht nur die Landesregierung, sondern auch das Parlament hat in den letzten fünf Jahren einiges getan. Ich erinnere an das Projekt des Einbürgerungsfestes, an den Sonderausschuss zur Überprüfung von Normen und Standards, der Normen und Standards für andere Bundesländer vorgegeben hat, sich mit Bürokratieabbau zu beschäftigen. Der Bund hat sehr viele Erkenntnisse des Sonderausschusses übernommen und arbeitet damit. Auch die erfolgreiche Bewerbung um die Ausrichtung der Bundesgartenschau im Jahre 2015 ist ein Beleg dafür.

All diese Puzzleteile haben das Bild von Brandenburg attraktiver und unsere Heimat noch lebenswerter gemacht. All diesen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie von Freiheit, Wettbewerb, Sicherheit und Eigenverantwortung getragen werden.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, die aber weiß Gott keine Systemkrise ist, wie in diesen Tagen mitunter behauptet wird. Bund und Land haben in der derzeitigen Situation viel unternommen, um die wirtschaftlichen Verwerfungen so gering wie möglich zu halten. Es stimmt nicht, dass die Bürger im Regen stehen gelassen werden. Ganz im Gegenteil: Heute, am 1. Juli 2009, treten Maßnahmen des Konjunkturpakets II in Kraft. Zum Beispiel werden der Beitragssatz zur Krankenversicherung von 15,5 auf 14,9 % und der Eingangssteuersatz von 15 auf 14 % gesenkt und wird der Grundfreibetrag von 7 664 auf 7 834 Euro erhöht. Darüber hinaus gibt es eine Milderung der kalten Progression; der Tarif wird um 400 Euro verschoben. Es wurden weitere Maßnahmen beschlossen, die ab 01.01.2010 greifen. Insofern können Sie nicht davon reden, dass der einfache Bürger im Regen stehen gelassen wird. Das Gegenteil trifft zu!

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir müssen in Zukunft verstärkt auf das setzen, was uns stark gemacht hat. Es ist Aufgabe der Regierung wie auch der Legislative, Möglichkeiten zu schaffen, damit die Bürger weiterhin kreativ sein können und es im Land vorwärts geht. Wir müssen alles dafür tun, damit der Fleiß, die Kreativität und die Leistungsbereitschaft unserer Brandenburger sich entfalten können.

Das System der Zukunft ist die soziale Marktwirtschaft. Nach einer Umfrage des Instituts Allensbach glaubt die überwältigende Mehrheit von 80 % an dieses Wirtschaftssystem. Entgegen mancher Anwürfe gerade von links und Ihrer Illusion von einem neuen Staatssozialismus ist die Zustimmung zum Wirtschaftsmodell Ludwig Erhards gerade in der Krise deutlich gestiegen. Die Bürger bauen auf die Vernunft, und sie vertrauen dem Markt. Sie lassen sich nicht von dem Irrglauben leiten, der Staat könne alles richten.

Eingebettet in einen demokratischen Rechtsstaat ist die soziale Marktwirtschaft die entscheidende Grundlage für Wohlstand.

Voraussetzung dafür ist ein freier Wettbewerb, der gegen Machtkonzentration und Missbrauch geschützt ist. Wer Fehler begeht, muss aus ihnen lernen. Aber wer sagt, es dürften in Zukunft keine Fehler mehr gemacht werden, dem muss klar sein, wohin das führt, nämlich nicht zu Freiheit und Kreativität, sondern zu Unfreiheit und Diktatur.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Der Staat - das sind wir Politiker, die Verwaltungen, der Bund, das Land, die Kommunen - besitzt nichts. Alle staatlichen Leistungen - ob Kindergeld, der Steuerbescheid als solcher oder die Filmförderung - werden vom Bürger bezahlt. Daher ist die entscheidende Frage der nächsten Jahrzehnte, in welchem Umfang staatliche Leistungen unter den Bedingungen sinkender Steuereinnahmen, des wirklich wichtigen Einbaus der Schuldenbremse und des sich weiter verschärfenden demografischen Problems erbracht werden können. Deshalb wird es aus meiner Sicht von großer Bedeutung sein, dass wir uns in den kommenden Jahren den Themen Aufgabenkritik, moderne Verwaltung und Verwaltungsstrukturen sowie dem Bürokratieabbau widmen.

Frau Kollegin, die rote Lampe leuchtet.

Ich habe es bemerkt; ich überspringe einiges.

Dass wir am Ende der 4. Legislaturperiode besser dastehen als am Anfang, ist unstrittig. Ich glaube, das muss der Anspruch einer jeden Regierung und eines jeden Parlaments dem Bürger gegenüber sein. Auch wenn die Aufgaben nicht einfacher werden, bin ich zuversichtlich, dass wir auch am Ende der 5. Wahlperiode ein positives Fazit ziehen können und besser dastehen werden, vorausgesetzt, dass der klare Kurs der CDU auch in Zukunft ein zentraler Bestandteil Brandenburger Regierungspolitik ist.

(Beifall bei der CDU)

Zum Schluss möchte ich mich recht herzlich bei den Kollegen, die dem Landtag der 5. Wahlperiode nicht mehr angehören werden, für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Es hat mir große Freude bereitet, um die besten Konzepte zu streiten. Ich wünsche denjenigen, die aussteigen werden, alles erdenklich Gute und einen schönen weiteren Lebensweg.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Abgeordnete Hesselbarth spricht für die DVU-Fraktion.