Protocol of the Session on May 14, 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Plenarsitzung.

Ich begrüße insbesondere unsere Gäste, eine Delegation aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Mazedonien. Ich habe noch keinen Sammelbegriff dafür gefunden. Wir werden über Mittag noch Gelegenheit haben, uns miteinander zu unterhalten. Herzlich willkommen in Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Der Entwurf der Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Dies ist nicht der Fall. Wer nach dieser Tagesordnung verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Klarer Kurs für Brandenburg - verbindliche Standards für die Windkraft im Rahmen der Energiestrategie der Landesregierung

Antrag der Fraktion der CDU

(Allgemeine Unruhe)

Wenn jetzt der Kollege Dombrowski ans Rednerpult tritt, um die Debatte für die CDU zu eröffnen, bitte ich die Übrigen, ihre Gespräche einzustellen, denn dann hat nur er das Wort. Bitte, Herr Kollege Dombrowski!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Klarer Kurs für Brandenburg - verbindliche Standards für die Windkraft im Rahmen der Energiestrategie der Landesregierung“ lautet das Thema der heutigen Aktuellen Stunde; der Präsident hat es gesagt.

Meine Damen und Herren! Brandenburg stellt sich mit der Energiestrategie 2020 dem Klimaschutz und der Frage, wie die Energiepolitik unter den Bedingungen einer weltweit steigenden Energienachfrage unter Einhaltung des im Kyoto-Protokolls formulierten Reduktionsziels der klimaschädlichen Treibhausgase um 20 % bis 2020 nachhaltig gestaltet werden kann.

Vor dem Hintergrund knapper werdender Energieressourcen wird es zunehmend wichtiger, die Versorgung mit Energie im Land auch in Zukunft sicherzustellen. Dabei dürfen wir aber weder die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft noch die Bürger überfordern. Wir müssen uns dieser Herausforderung unweigerlich stellen - jetzt und in der Zukunft -, um zu garantieren, dass Energie und die Versorgung mit Energie zur wirtschaftlichen Preisen sichergestellt ist.

Wir haben im Land Brandenburg mit der Energiestrategie 2020 die energiepolitischen Zielsetzungen für die nächsten Jahre

formuliert. Die Bundesrepublik hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase um 40 % gegenüber 1990 zu senken.

Der Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz benennt die konkreten Maßnahmen für Brandenburg. Der erste Blick in diesen Katalog zeigt schon, dass kaum ein Bereich ausgespart bleiben kann. Handeln ist überall notwendig, egal, ob es sich um die Energiewirtschaft selbst, die Gebäudewirtschaft, den Verkehr, die Entsorgungswirtschaft, die Land- und Forstwirtschaft oder den kommunalen Bereich handelt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir uns in diesem Haus über die energie- und klimapolitischen Zielsetzungen im Grundsatz einig sind. Wir brauchen in Brandenburg eine dauerhaft sichere, umweltverträgliche und wirtschaftliche Energieversorgung für die Wirtschaft und die Menschen im Land. Die Kombination dieser Ansprüche, die ich eben formuliert habe, stellt gleichzeitig die Herausforderung dar, da jede Energieform selbstverständlich auch ihre Kritiker hat.

Die Energiestrategie 2020 sieht vor, den Energieverbrauch bis zum Jahre 2020 um 13 % zu senken und den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis 2020 auf 20 % gegenüber 1990 auszubauen.

In der Bilanz sollen damit bis zum Stichtag die CO2-Emissionen um 36,4 Millionen t CO2, also um 40 %, gesenkt werden. Erreichen können wir diese Vorgaben allerdings nur, indem wir gleichzeitig mehrere Ziele verfolgen:

Erstens: Die Energieeffizienz in der Energieerzeugung und -verteilung muss deutlich verbessert werden. Mit Maßnahmen zur emissionsarmen Energiebereitstellung, einer besseren Energieeffizienz und zur weiteren Energieeinsparung lassen sich die größten Energieeinsparpotenziale erzielen und damit die CO2Emissionen deutlich verringern.

Zweitens müssen wir die Entwicklung und Nutzung zukunftsfähiger Energietechnologien weiter voranbringen. Die Forschung und Nutzung nachhaltiger Energietechnologien generiert Wertschöpfung für unser Land und schafft Hunderte von Arbeitsplätzen.

An dritter Stelle steht die Sicherung der zukunftsfähigen Nutzung der heimischen Braunkohle. Die Braunkohle zählt im Land Brandenburg zu den Hauptverursachern der energiebedingten Klimagasemissionen. Dennoch bestehen gerade im Bereich der Braunkohleverstromung enorme Reduktionspotenziale durch neue Technologien wie CCS. Deshalb bekennen sich die Landesregierung und auch meine Fraktion zur weiteren Verstromung der Braunkohle in Brandenburg. Die Braunkohle ist momentan der einzige wettbewerbsfähige heimische Energieträger, der maßgeblich zur Versorgungssicherheit und zur wirtschaftlichen Grundlaststromerzeugung für Brandenburg und über die Landesgrenzen hinaus beiträgt.

Viertens: Nach der Energiestrategie 2020 soll in Brandenburg der Anteil der erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 20 % am Primärenergieverbrauch ausgebaut werden. Im Zentrum stehen dabei Energiegewinnung aus Windkraft, die Solarenergie und die Energieerzeugung aus Biomasse, obgleich der Windkraft die größte Bedeutung bei den regenerativen Energien zufällt. Mit 45 % hat sie den höchsten Anteil am Ausbauziel.

Durch die Nutzung der erneuerbaren Energien werden Ressourcen geschont. CO2-Emissionen können spürbar gesenkt werden, wenn ein Teil der Energieerzeugung auf der Basis fossiler Energieträger ersetzt wird.

Seit 1990 beobachten wir, dass die energiebedingten CO2Emissionen in Brandenburg zurückgehen. Durch den forcierten Einsatz der regenerativen Energien werden inzwischen mehr als 7 Millionen t CO2 vermieden. Eine vermehrte Energieerzeugung durch regenerative Energien führt aber bei den Endverbrauchern vor Ort zu höheren Strompreisen. Erinnern möchte ich hier an die Energieeinspeisevergütung, an das EEG.

Lassen Sie mich aber bei der Windenergie bleiben - darum soll es ja heute auch gehen: Um die 45 % des Ausbauziels durch die Nutzung der Windenergie erreichen zu können, müssen neue Windenergieanlagen gebaut, ältere Anlagen durch Repowering modernisiert und weitere Windeignungsgebiete in Brandenburg ausgewiesen werden.

Herr Präsident, Sie haben am 27. April die Unterschriftenlisten der Volksinitiative gegen die Massenbebauung Brandenburgs mit Windindustrieanlagen entgegengenommen. Insgesamt wurden Ihnen und damit uns allen mehr als 26 000 Unterschriften überreicht. Gestern hatten wir hier vor dem Haus eine Demonstration, und einige Kolleginnen und Kollegen haben sich der Diskussion gestellt. Das ist bei den Demonstranten sehr gut angekommen; so viel sei an dieser Stelle auch gesagt. Es ist also ein Problem für viele Bürger im Land.

Die in der Energiestrategie 2020 des Landes und dem Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz gesteckten Ziele sehen vor, die Windkraft bis 2020 auf 15 300 Gigawattstunden auszubauen. Das bedeutet eine Verdoppelung der installierten Anlagenleistung und eine Zunahme der Windeignungflächen um ca. 50 %.

Die Ausweisung der Windeignungsgebiete liegt bislang in der Verantwortung der Regionalplanung, also den fünf Regionalen Planungsgemeinschaften im Land. Die Entwicklung der Windenergie im Land Brandenburg konzentrierte sich in der Vergangenheit - und wird sich auch in der Zukunft darauf konzentrieren - auf die in den Regionalplänen ausgewiesenen Eignungsflächen, was den Bau von Windkraftanlagen außerhalb dieser planfestgesetzten Gebiete ausschließt.

Zeitgleich nehmen alle von uns - gerade in jüngster Vergangenheit - einen zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung wahr, der die Windkraft und die Ausbaupläne verurteilt. Die Kritik der Windkraftgegner richtet sich vor allem gegen die zu geringen Abstände der Windräder zu den Wohngebieten. Die Windkraftgegner führen die Lärmemissionen, den Schattenwurf und die Verspargelung der Landschaft, wie es heißt, als Gegenargumente ins Feld. Ein Umweltminister der letzten Wahlperiode hat die Verspargelung zum geflügelten Wort gemacht. Ihr Kernanliegen ist, dass Windräder einen größeren Abstand zu den Gemeinden und Kommunen aufweisen sollen bzw. müssen, als dies bislang der Fall ist.

Ich sage an dieser Stelle ganz klar, dass wir an dem Ausbauziel der Energiestrategie 2020 festhalten. Die Windkraft ist wichtig, um bis zum Jahre 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 % am Primärenergieverbrauch auszubauen. Dieses Ziel stelle ich nicht infrage. Infrage stelle ich aber, ob die Bemühungen der Landesregierung und auch unsere Bemühungen,

für verbindliche planerische Standards zu sorgen, bislang ausreichend waren.

Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, auch der Windkraft, ist notwendig und sinnvoll. Aber auch die Bedenken und Einwände der Menschen in Brandenburg dürfen wir bei den Ausbauzielen weder vernachlässigen noch unter den Tisch kehren. Der Widerstand der Menschen macht uns deutlich, dass wir eine derartige Problematik nicht ohne die Bürger lösen können.

Trotz des hohen umweltpolitischen Nutzens, den die Windkraft im Rahmen der Energiestrategie 2020 hat, brauchen wir in Brandenburg einen klaren Kurs und verbindliche Regelungen zum Mindestabstand von Windkraftanlagen, zur Grenze der Innenbereiche, also dort, wo die Menschen wohnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die bislang ausgesprochene unverbindliche Empfehlung in der Energiestrategie 2020, bei neuen Windkraftanlagen einen Abstand von 1 000 Metern zur Ortsrandbebauung einzuhalten, reicht nicht aus. Jedenfalls ist die Praxis bisher eine andere. Die Widerstände der Bürger zeigen uns, dass die praktizierten Abstände offenbar als ungenügend empfunden werden und es aus meiner Sicht auch sind. Der Unmut der Bürgerschaft sollte nicht einfach beiseite gewischt werden. Es gibt auch gute Gründe, näher hinzusehen und sich den Argumenten gegenüber aufgeschlossen zu zeigen.

Ein Blick in den Windkrafterlass des Landes Brandenburg zeigt, dass Natur- und Umweltschutz über die Belange der Bürger gestellt bzw. nicht gleichberechtigt behandelt und geregelt werden. Im Windkrafterlass heißt es wörtlich:

„Eine deutliche Verminderung der beeinträchtigenden Wirkung des Eingriffs besteht, wenn die Windkraftanlage oder der Windpark folgende Abstände einhält: zu Brut- und Rastgebieten gefährdeter Vogelarten und zu den Rast- und Überwinterungsgebieten der Vögel von 1 000 Metern und zu den Außengrenzen von Naturschutzgebieten von 1 000 Metern.“

Meine Damen und Herren, was will ich damit sagen? Das, was wir im Planungsrecht der Natur und den Tieren als Verpflichtung angedeihen lassen, sollte auch für den Abstand zur Wohnbebauung unserer Menschen hier im Lande gelten.

(Beifall bei der CDU)

Es gab in der Vergangenheit auch irritierende Äußerungen. Als es vor einem guten Jahr darum ging, die Energiestrategie zu erläutern usw., hat auch der für Infrastruktur zuständige Minister öffentlich erklärt: Ja, das wollen wir - aber ohne neue Windeignungsflächen auszuweisen. - Das konnte natürlich nicht aufgehen, war auch nicht so gemeint, wie hinterher klargestellt wurde. Aber ich denke, wir müssen, wenn wir die erneuerbaren Energien ausbauen wollen, auch in diesem Bereich den Menschen ganz klar sagen, dass wir dahinter stehen und sie damit auch Einschränkungen zu ertragen haben, dass wir aber versuchen, durch verbindliche Vorgaben die Einschränkungen und Belästigungen in einem erträglichen Rahmen zu halten. Das genannte Beispiel belegt jedoch, dass wir für bedrohte Tiere und Naturschutzgebiete Mindeststandards aufgelegt haben und praktizieren, dies aber beim Abstand zur Wohnbebauung in unseren Städten und Gemeinden nicht der Fall ist.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine weitere Anmerkung: Wenn wir heute über den Ausbau der erneuerbaren Energien debattieren, ist es auch angebracht, offen über einen möglichen Anstieg der Stromkosten für die Endverbraucher zu reden. Auch das gehört zur Wahrheit. Das EEG der Bundesregierung, das erst kürzlich novelliert wurde, beschleunigt die Entwicklung auch im Bereich der Windenergie.

Betreiber von Windenergieanlagen erhalten seit Jahresbeginn eine höhere Vergütung für neue Windkraftanlagen von 9,2 Cent pro Kilowattstunde. Damit werden die Betreiber von Windkraftanlagen betriebswirtschaftlich motiviert, den Ausbau der Kapazitäten zu forcieren. Das ist auch der Hintergrund dieser Vergütung.

Das EEG verpflichtet die Netzbetreiber, Strom aus regenerativen Energien abzunehmen. Die Kosten dafür - auch die Netzausbaukosten - werden von den regionalen Netzbetreibern auf die Endverbraucher vor Ort, das heißt auf die Unternehmen und privaten Haushalte umgelegt. Schon jetzt fließen 35 % eines jeden Strom-Euros der privaten Haushalte an den Staat. 5 % sind dabei Mehrkosten, die sich aus der EEG-Umlage ergeben. Gewerbekunden zahlen auf jeden Strom-Euro bereits 30 % an staatlichen Abgaben, wobei die EEG-Mehrkosten hierbei 7 % ausmachen.

Meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit heißt nicht, sich nur auf ökologische Belange zu konzentrieren. Nachhaltigkeit meint auch, eine Balance zwischen der Wirtschaftlichkeit und bezahlbaren Strompreisen zu finden. Dies können wir nur durch einen ausgewogenen Energiemix erreichen. Die erneuerbaren Energien sind ein Teil des Ganzen, sollen sie doch bis 2020 ein Fünftel am gesamten Energieverbrauch in Brandenburg ausmachen.

In Brandenburg liegen die Strompreise im bundesdeutschen Vergleich schon jetzt im oberen Drittel der Skala. Auch in den anderen neuen Ländern ist das so. Dies hat Gründe, die auch daran liegen, dass wir aufgrund geschichtlicher Entwicklungen und der Entwicklung der Unternehmen auf dem Energiemarkt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nicht den Wettbewerb haben, der notwendig wäre, um hier einzugreifen.

Aber wir müssen auch sagen: Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, auch mit den Projekten, Höchstspannungsleitungen unter der Erde zu verlegen und vielem mehr, was sich alles sehr gut anhört, erhöhen wir natürlich auch die Energiepreise hier in der Region. Dies muss man den Menschen sagen. Das fällt nicht vom Himmel und ist auch ein Wirtschaftsfaktor für Brandenburg. Es trägt jedoch dazu bei, dass die Energiepreise ständig erhöht werden. Wenn man das will, dann soll man das auch sagen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Energiesicherheit ist das eine, ökologische Interessen sind das andere. Wenn es eine Begründung dafür gibt, warum trotz aller Belastungen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden müssen, dann ist es die Energiesicherheit. Denken Sie an den letzten Winter zurück, als Gazprom die Gaslieferungen an die Ukraine und damit an 15 europäische Staaten drosselte. Diesbezüglich müssen wir den Bürgern auch erklären: Es geht eben nicht nur um Preise - so wichtig das auch ist -, sondern auch darum, dass wir überhaupt Energie verfügbar haben.

Deshalb lassen Sie uns gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern offen mit dem Thema umgehen, die Bedenken ernst nehmen, aber auch unsere Vorstellung der Entwicklung der regenerativen Energien immer unter den Vorbehalt stellen, dass wir die Preisentwicklungsbeeinflussung dabei nicht aus den Augen verlieren dürfen. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Abgeordneter Heinze setzt die Debatte für die Linksfraktion fort.