Protocol of the Session on September 17, 2008

Ich denke, man muss Realität Realität und Fakten Fakten sein lassen, und man kann sagen: Trotz der Schwierigkeiten, die wir in den letzten 15 Jahren hatten, schreiben wir eine Erfolgsstory. Nichtsdestotrotz gibt es noch sehr viel zu tun. Wenn Kollege Domres sagt, das klappe nur mit den Linken …

(Domres [DIE LINKE]: Das habe ich in Bezug auf den Mindestlohn gesagt!)

… dann entgegne ich: Sie müssen erst einmal auf dem Boden der Tatsachen stehen, anstatt bestimmte Dinge opportunistisch zu verdrehen, nur die schlechten Dinge zu sehen und alles madig zu machen, was nicht madig ist.

(Beifall bei der Fraktion der SPD)

Der Abgeordnete Claus setzt für die DVU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sogenannte Brandenburger Weg zeigt sich bei der vorliegenden Großen Anfrage der Linken nicht nur beim Fragesteller, sondern auch bei der Landesregierung. Gerade was die sozialistische Ausrichtung der kommunalwirtschaftlichen Betätigung betrifft, spielen sich das Innenministerium und die Linke die Bälle zu. So wird zum Beispiel in der Antwort auf die Frage 119 ganz

pauschal behauptet, dass kommunale Haushalte durch kommunale Unternehmen entlastet würden. Das Ganze stützt sich jedoch nicht auf eine repräsentative landesweite Erhebung, sondern auf die bloße Einschätzung einzelner Städte und Gemeinden, dass die von den kommunalen Unternehmen wahrgenommenen Aufgaben effizienter erledigt und somit mittelbare Haushaltsentlastungen erreicht werden könnten.

Insbesondere die in der Begründung zum Kommunalverfassungsreformgesetz letzten Jahres noch großspurig geäußerte Erwartung an die Kommunalisierung der Wirtschaft reduziert sich hier in der Antwort auf Frage 18 und 19 nun auf den Bereich des ÖPNV und die Inanspruchnahme des steuerlichen Querverbundes. Dass gerade die Re-Kommunalisierung zulasten der vor Ort ansässigen Gewerbetreibenden und Dienstleister geht, hat die Anhörung zur Kommunalrechtsreform im Innenausschuss gezeigt. Danach sollen die Kommunen zukünftig alle möglichen Dienstleistungen - und das auch noch überörtlich - an sich ziehen können, und zwar ohne ein dringendes öffentliches Erfordernis und ohne den Ausschluss wirtschaftlicher Schädigung von Unternehmen. Wie groß die Gefahr ab dem 28. September sein wird, zeigte die Antwort der Landesregierung auf die Frage 124, wonach die Kommunen bei der Auslegung des Begriffs „öffentliches Interesse für die kommunalwirtschaftliche Betätigung“ einen großen Beurteilungsspielraum haben werden.

Dass die Landesregierung mit direkter Demokratie auf kommunaler Ebene ein Problem hat, zeigt sich auch in den Antworten zu den Fragen 48 und 50. So ist es schon ziemlich widersprüchlich, dass sie einerseits zur Frage 48 behauptet, dass die Einwohnerbeteiligung zukünftig nicht mehr der Ausgestaltung der Hauptsatzung überlassen sein solle, sie sich andererseits aber zur Frage der Weiterentwicklung der Einwohnerbeteiligung - Frage 50 - darauf beruft, dass eine sinnvolle Einwohnerbeteiligung letztlich den Kommunen in der Hauptsatzung überlassen bleibe. Das ist ein Widerspruch in sich. Den zusätzlichen Hinweis, eine Änderung der Kommunalverfassung im Hinblick auf die Einwohnerbeteiligung sei denkbar und bedürfe einer entsprechenden Evaluierung, halte ich für einen rechtspolitischen Offenbarungseid der Landesregierung. Schließlich hätte die umfangreiche und lang vorbereitete Reformgesetzgebung zur Kommunalverfassung hier die Chance eröffnet, mehr Demokratie auf der unteren Verwaltungsebene einzuführen. Aber dies war offensichtlich von der Koalition so nicht gewollt.

Ihre strukturpolitische Ratlosigkeit zeigt die Landesregierung indes in ihrer Antwort auf die Frage 29, zum Wegfall des Status von Kommunen als „Grundzentrum“, der potenziell immerhin rund 1 500 Gemeinden in Brandenburg betraf. Der Hinweis auf die Kompetenzzuweisung der Gemeindeordnung bei der kommunalen Selbstverwaltungsaufgabe hilft hier niemandem, meine Damen und Herren. Ich frage mich überhaupt, was die Landesregierung unter Strukturpolitik versteht. Im Landesplanungsrecht gilt auch in Brandenburg nach wie vor das Gegenstromprinzip, das heißt, dass sich Art und Umfang der örtlichen Versorgung aus den übergeordneten Zielen der Raumordnung und der Landesplanung ableiten lassen. Offensichtlich war die Landesregierung bei der Beantwortung der Frage 29 zu bequem, weil sie natürlich auch zu den eigentlichen Zielen, nämlich der Konzentration strukturpolitischer Maßnahmen auf wenige sogenannte Wachstumskerne, Stellung hätte nehmen müssen.

Insgesamt ergeben sich aus den Antworten keine neuen Er

kenntnisse, meine Damen und Herren, und damit will ich es bewenden lassen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Petke spricht für die CDU-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es fehlen noch einige, zum Beispiel Frau Kaiser - Große Anfrage, große Kritik -: Wo ist sie denn?

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Sehr gut, dann bin ich beruhigt und kann beginnen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es zu Beginn der Aktuellen Stunde schon einmal gesagt: Die Brandenburger leben gern in Brandenburg. Sie sind mit dem Leben in Brandenburg und in den Kommunen zufrieden. Sie sind zufrieden mit dem sozialen Angebot, das sie sozial in Anspruch nehmen können, ob es die Kitas sind, die Schulen oder andere soziale und kulturelle Einrichtungen. Sie sind in den letzten Jahren auch zufriedener geworden, weil es gelungen ist, mehr Arbeitsplätze in Brandenburg zu schaffen.

Ich habe vorhin gehört: Schauen Sie sich die Löhne an, prekäre Beschäftigungsverhältnisse. - Natürlich müssen wir darüber reden. Aber wir müssen vor allen Dingen darüber reden, dass es hier in diesem Landtag eine von der Größe her bedeutende Fraktion gibt, die alles, was positiv passiert, selbst wenn sie es vor zwei oder drei Jahren eingefordert hat, in Abrede stellt. Sie stellen in Abrede, dass es mehr Beschäftigung gibt, dass es uns gelungen ist, einen besseren Ausgleich zwischen den Wohlhabenden der Gesellschaft und denen, die auf dem Aufstieg sind, zu organisieren.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Unsere Zwischen- rufe haben mehr Gehalt als Ihre Rede!)

- Da hilft es auch nicht, wenn man einen unqualifizierten Zwischenruf macht. Sie stellen dies in Abrede. Sie stellen es in Abrede, weil Sie natürlich ein Problem haben. Sie haben auf der Bundesebene 150 Punkte. Sie sind die einzige Partei, die im Bundestag sitzt, die noch nicht einmal ein Programm hat. In diesen 150 Punkten versprechen Sie allen alles. Da gibt es sogar Dinge, die mir persönlich gefallen könnten. Sie haben seit der Vereinigung von PDS und WASG und der Umbenennung zur LINKEN noch nicht einmal die Verantwortung wahrgenommen, sich auf ein programmatisches Fundament Ihrer eigenen Partei zu einigen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Das spürt man hier natürlich. Ja, das spürt man im Landtag.

Es gibt eine Antwort der Landesregierung, für die ich mich bei der Landesregierung ausdrücklich bedanken möchte; denn da haben sich viele Frauen und Männer in der Landesregierung die Mühe gemacht, das alles aufzuschreiben, was Sie nachgefragt haben. Da wird deutlich: Es ist nun einmal eine Erfolgsbi

lanz, was in den letzten 20 Jahren auf der kommunalen Ebene passiert ist. Sie tun sich doch keinen Gefallen, indem Sie das abstreiten. Es sind doch auch Ihre Frauen und Männer in den Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen. Vereinzelt stellen Sie sogar die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Es sind ja nicht viele, aber einige sind es eben doch, die daran mitgewirkt haben. Wer das abstreitet, schießt sich doch politisch ins Knie.

Wachen Sie endlich auf! Wenn Sie noch nicht einmal im Jahr 2008 in der Lage sind, zu erkennen, dass es in Brandenburg vorangegangen ist, dann werden Sie sich politisch weiter ins Abseits stellen. Das ist einfach die Situation. Wer noch nicht einmal in der Lage ist anzuerkennen, dass das Land finanziell, rechtlich und in vielen anderen politischen Dingen die Verantwortung für die kommunale Ebene wahrnimmt, der ist einfach noch nicht im Jahre 2008 und in dem, was es in den letzten Jahren an Entwicklungen gegeben hat, angekommen.

Viele Kollegen sind darauf eingegangen, der Kollege der SPD gerade eben sehr authentisch, was die eigene Position zur Gemeindegebietsreform betrifft. Ich würde mir das auch von einem Abgeordneten oder einer Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wünschen. Wir haben damals im Innenausschuss über 100 Stunden zusammengegesessen.

(Schulze [SPD]: 144!)

- Oder 144. Das sind über 100 Stunden! - Und in 144 Stunden gab es immer nur ein Njet der Fraktion DIE LINKE.

(Schulze [SPD]: Njet haben sie nicht gesagt!)

- Sie haben es auf Deutsch gesagt. Aber es gab zu keiner Zeit irgendwo ein politisches Mitwirken.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

- Das ist nicht alles falsch, Herr Kollege Scharfenberg. Sie haben damals ja noch nicht am Tisch sitzen dürfen. Sie saßen in der zweiten Reihe.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Wenn Sie die Protokolle lesen, werden Sie feststellen, dass es so war.

Zur Erfolgsgeschichte gehört eben, dass die Menschen in Brandenburg zufrieden sind. Zur Erfolgsgeschichte gehört auch, dass wir im Landtag sicherlich nicht die Hauptaktie daran haben. Wir haben Rahmenbedingungen setzten können, auch für die Kommunen. Eine Rahmenbedingung ist eine vernünftige finanzielle Ausstattung. Eine zweite Rahmenbedingung ist, dass man vor Ort die Dinge entscheiden kann, die man entscheiden will. Es gibt durchaus unterschiedliche Positionen, was die Koalitionsfraktionen betrifft. Die CDU würde gern weitergehen, was die Subsidiarität und Entscheidungsmöglichkeiten vor Ort betrifft. Aber wenn sich der innenpolitische Sprecher hierhin stellt und der Landesregierung bei der Funktionalreform und anderen Dingen Versagen unterstellt...

Herr Kollege Scharfenberg, ich verstehe es bis heute nicht: Ihre Fraktion möchte nicht, dass hauptamtliche Bürgermeister in

den Kreistag gewählt werden können. Sie üben Kritik daran, dass wir abschaffen, dass es geheime Abstimmungen in der kommunalen Vertretung gibt, und dass die Praxis des Landtages, dass nur noch dann geheim abgestimmt wird, wenn es um personelle Dinge geht, auf die Stadtverordnetenversammlung übertragen wird. Ich verstehe nicht, warum es da schon für die Fraktion DIE LINKE aufhört. Da ist ganz schnell Schluss. Wenn es um das Ende von Kungelei auf kommunaler Ebene geht, dann sagt die Linke: Das wollen wir dann lieber doch nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [DIE LINKE])

- Herr Kollege Vietze, ich wundere mich nur. Da wird Transparenz eingefordert, und wenn es um ganz konkrete Dinge in der Kommunalverfassung geht, dann heißt es sofort: Stopp! - Es ist bis heute nicht erklärt worden. Aber ich habe noch Zeit. Ich bin noch jung und kann auf die Antwort warten.

Meine Damen und Herren, auf der kommunalen Ebene ist es vorangegangen. Die Menschen sind zufrieden. Die Herausforderungen habe ich beschrieben, sie kommen insbesondere in der nächsten Legislaturperiode auf uns zu. Die CDU-Fraktion ist bereit, diese Herausforderungen anzunehmen, weil wir in den Mittelpunkt unserer Politik die Menschen stellen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Für die Landesregierung spricht der Innenminister. Herr Schönbohm, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte ja sagen: Es ist fast alles gesagt, nur nicht von jedem. Aber da meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Beantwortung dieser Anfrage intensiv gearbeitet haben, sehe ich mich gezwungen, dazu einige Bemerkungen zu machen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Nein, nein, ich muss Ihnen nur etwas auf den Weg mitgeben. Sie brauchen keine Bange zu haben, Herr Vietze. Gehen wir gleich in medias res! In dem ersten Satz Ihrer Anfrage beschreiben Sie einen Zustand, der hervorragend ist. Sie sagen: Seit 1990 ist im Land Brandenburg die kommunale Selbstverwaltung aufgebaut und praktiziert worden. - Dann wäre es doch an der Zeit, allen zu sagen: Herzlichen Dank für das, was Sie erreicht haben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Und da Sie damals schon Reisefreiheit in allen Bezirken hatten, Herr Scharfenberg: Fahren Sie doch einmal nach Luckau! Dort gibt es einen parteilosen Bürgermeister. Darum ist er unverdächtig. Unterhalten Sie sich mit Harry Müller über Luckau. Wie sah Luckau 1990 aus, und wie sieht es heute aus? Und dann fragen Sie einmal Harry Luckau, wie es nach seiner Auffassung weitergegangen wäre...

(Lachen und Beifall bei der CDU)

- Ja, Harry Luckau. Der ist so lange Bürgermeister, das ist sein Ehrenname. Also fragen Sie Harry „Müller-Luckau“ danach, wie es in seiner Stadt weitergegangen wäre, wenn die Bedingungen von 1989 fortgeschrieben worden wären. Seine Antwort wäre ganz einfach: Die Innenstadt wäre zusammengebrochen. - Sie sind doch Potsdamer. Wie wäre es denn hier mit den barocken Vierteln gewesen? Was sollte da alles abgerissen werden! Also denken Sie von daher gesehen daran, was wir alles erreicht haben, was wir bewahrt haben, was wir Ihren Zugriffen entzogen haben.

(Beifall bei der CDU)