Protocol of the Session on September 17, 2008

Das brandenburgische Polizeirecht wird seit Jahren immer restriktiver und eingreifender. Die polizeilichen Befugnisse werden mit jedem Änderungsgesetz durch die Koalition von CDU und SPD immer weiter ausgedehnt. Eine umgekehrte Entwicklung ist zu keinem Zeitpunkt sichtbar gewesen.

Der wichtigste Innenpolitiker der SPD scheint mittlerweile der Finanzminister zu sein, der, wenn man den Medienberichten glauben darf, sich zum wiederholten Mal beim Polizeigesetz in die Bresche geworfen hat. Fragt sich nur, wofür das gut ist. Herr Speer muss sich irgendwann entscheiden. Mann kann nicht einerseits mit brachialem Druck und einem technokratischen Personalschlüssel Stellen kürzen - mit der absehbaren Folge, dass Wachen geschlossen werden müssen und die Präsenz der Polizei immer weiter eingeschränkt wird. Denn der Ausgleich für den Personalabbau soll ja - so wird immer wieder dargestellt - andererseits auch durch die Ausweitung technischer Einsatzmöglichkeiten erfolgen, wobei wie selbstverständlich - Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden.

In den letzten Jahren sind in Brandenburg 725 Stellen bei der Polizei abgebaut worden. Weitere 1 042 Stellen sollen bis 2012 wegfallen. Demzufolge sind Polizeiwachen in Potsdam, Cottbus, Jüterbog und Beeskow geschlossen worden, und die Folgen dieser Schließungen, meine Damen und Herren, können Sie vor Ort zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Die Schließung weiterer Polizeiwachen soll folgen. Damit ist sicherlich keine Stärkung der öffentlichen Sicherheit erreicht worden.

Zudem steht Brandenburg nach dem Wegfall der Grenzkontrollen nach Polen, die wir LINKEN grundsätzlich begrüßen, vor neuen Herausforderungen bei der Sicherheitspolitik, wobei der Personalabbau der Landesregierung nach Auffassung der LINKEN nicht die zeitgemäße Antwort sein kann.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Dazu kommt dann noch der als Umstrukturierung beschönigte Abbau von 471 Stellen bei der Kriminalpolizei.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben in den letzten Jahren mit Ihrer Finanzpolitik in der Polizei und

in der Bevölkerung Verunsicherung und Unzufriedenheit ausgelöst.

(Minister Speer: Na, na!)

- Ja, Sie hätten es gern, Herr Speer, dass das nicht so wäre. Wir betrachten die geplante Novellierung des Polizeigesetzes auch vor diesem Hintergrund. Die Ortung von Mobilfunktelefonen zur „Gefahrenabwehr“ und die automatische Kennzeichenerfassung sind weit in die Persönlichkeitsrechte eingreifende Mittel. Die Befristung dieser Mittel ist nach unserem Verständnis festgelegt worden, um die Geeignetheit und die Angemessenheit zu prüfen. Das sollte dann aber auch keine formale Übung sein, die nur dazu dient, das Gewissen zu entlasten, sondern eine wirkliche inhaltliche Prüfung.

Nach dem Bericht des Innenministers wurde die Kennzeichenfahndung im Jahr 2007 genau dreimal eingesetzt. Der damit verbundene Erfolg ist sehr überschaubar. Brauchen Sie eigentlich einen deutlicheren Beweis, dass dieses Mittel nicht benötigt wird? Es gibt in Brandenburg keine polizeiliche Lage, die es erfordert, dieses Mittel zur Gefahrenabwehr einzusetzen. Bezüglich der Handyortung möchte ich erneut darauf hinweisen, dass aufgrund der enormen Eingriffsmöglichkeiten höchste Sensibilität gefragt ist, und die vermissen wir, meine Damen und Herren. Wie Sie sicher wissen, ist dieser Eingriff in Berlin auf die Suche nach hilflosen bzw. gefährdeten Personen begrenzt. Das wäre auch allenfalls das Maximum, das wir uns vorstellen könnten.

Absurd wird die Diskussion allerdings dann, wenn die Weiterführung des Einsatzes der Handyortung mit der Notwendigkeit der Auslastung bereits angeschaffter Technik begründet wird.

Dass die SPD hier deutlichen Fragebedarf sieht, zeigt die Häufung von Kleinen Anfragen zu diesem Thema. Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis diese offensichtlichen Bedenken innerhalb der Koalition am Ende führen werden oder ob es so sein wird wie immer: Bedenken beiseite schieben und die Hände hoch bei der SPD.

Die Linke wird dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form und einer Verlängerung von Handyortung und automatischer Kennzeichenerfassung nicht zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Abgeordnete Stark setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stets findet Überraschung da statt, wo man es nicht erwartet hat. Das dachte ich mir auch während der Sommerpause, als die ersten Überlegungen zum Entwurf des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes die Runde machten. Wir, die Parlamentarier, waren nicht wirklich erstaunt darüber, dass Überlegungen angestellt werden müssen; denn es ist auch uns gegenwärtig, dass zum 21. Dezember die befristeten Regelungen zur Kennzeichenfahndung und zum IMSI-Catcher auslaufen.

Überrascht waren über die ersten Schlussfolgerungen seitens des Innenministeriums. Von der Notwendigkeit, dass diese beiden entsprechenden polizeilichen Befugnisse dauerhaft im Brandenburgischen Polizeigesetz zu verankern sind, und auch von der Entbehrlichkeit der Berichtspflicht gegenüber dem Parlament war dort zu hören und zu lesen.

Da wir in der Sommerpause nicht nur Ferien gemacht, sondern auch Sachverhalte bearbeitet haben, haben wir postwendend Einspruch eingelegt - mit Erfolg. Dieser Gesetzentwurf, der uns heute auf dem Tisch liegt, zeigt, dass diese beiden Instrumente erst einmal eine weitere Verlängerung um drei Jahre erfahren haben und auch die für uns sehr wichtige Berichtserstattungspflicht gegenüber dem Parlament weiterhin verankert ist.

Wir müssen natürlich die Frage der Verhältnismäßigkeit beantworten. § 33 unseres Polizeigesetzes ermöglicht es, die Unterbrechung oder Verhinderung von Telekommunikationsverbindungen vorzunehmen, um dringende Gefahren oder auch bestimmte Straftaten, und zwar schwere Straftaten, abzuwehren.

Von dieser Regelung hat die brandenburgische Polizei, wie hier auch schon gesagt worden ist, im Zeitraum 2006 bis 2007 keinen Gebrauch gemacht. Im gleichen Zeitraum wurde nur dreimal aktenkundig, dass die sogenannte anlassbezogene Kennzeichenfahndung zur Anwendung gekommen ist.

Das ist sehr erfreulich und zeigt einerseits, dass die brandenburgische Polizei mit diesen Befugnissen sehr sorgsam umgeht. Andererseits stellt sich natürlich die Frage, ob es angemessen ist, diese doch sehr großen Freiheitsbeeinträchtigungen von einem hohen Gewicht dauerhaft im Gesetz zu verankern. Denn der Polizei stecht insgesamt ein Instrumentenkoffer mit zahlreichen weiteren Möglichkeiten zur Verfügung.

Nun hat die Behörde selbst evaluiert, und das hinterfragen wir. Wir sind der Meinung, dass man bei solch starken Grundrechtseingriffen unabhängig evaluieren sollte. Die nächsten drei Jahre sind ein ordentlicher Zeitraum, um diese beiden Rechtsnormen wissenschaftlich und unabhängig noch einmal zu evaluieren.

Zur Frage Berichtspflicht kontra Bürokratieabbau: Vor diesem Hintergrund ist auch zu begrüßen, dass der jetzige Gesetzentwurf von der Idee der Abschaffung der Berichtspflicht gegenüber dem Parlament abgerückt ist. Es schafft Transparenz über das Ausmaß der durchgeführten Maßnahmen und damit letztendlich Vertrauen in die Arbeit der Polizei. Wenn die Regierung dem Parlament gegenüber Bericht erstatten muss, werden nur elementare Rechte des Parlaments mit Leben erfüllt.

Wir sehen die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation und begrüßen aus diesem Grunde, dass a) die Berichtspflicht erhalten geblieben ist und b) diese beiden Normen um drei Jahre verlängert werden. Damit können wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf leben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die DVU-Fraktion setzt der Abgeordnete Claus fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Polizeiliche Eingriffsverwaltung unterliegt verfassungsrechtlich dem strengen Normsetzungsbedürfnis. Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes am 20. Dezember 2006 wurden für die Geltungsdauer von zwei Jahren polizeiliche Eingriffe in die Telekommunikation und die anlassbezogene automatische Kennzeichenerfassung als polizeiliche Befugnisnorm eingeführt. Diese Maßnahmen stellen aufgrund der Intensität ihres Eingriffscharakters in das informationelle Selbstbestimmungsrecht erhebliche Überwachungsmöglichkeiten dar. Der Evaluationszeitraum läuft nun im Dezember ab und soll mit dem vorliegenden sechsten Änderungsgesetz bis zum 31. Dezember 2011 verlängert werden.

Hinsichtlich des Normsetzungs- bzw. Verlängerungsbedürfnisses macht es sich das Innenministerium sehr einfach. So steht unter der Rechtsfolgenabschätzung zur Erforderlichkeit lediglich, dass die Gesetzesänderung unter tatsächlichen Gesichtspunkten erforderlich sei. In der Begründung steht, dass der bisherige Zeitraum von zwei Jahren noch keine abschließende Bewertung über die Auswirkung der einschlägigen Vorschriften zulasse und für die einschlägigen Befugnisse ein polizeifachliches Bedürfnis bestehe. Dabei müsste gerade dieses polizeifachliche Bedürfnis mit Fakten aus der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung belegt werden. Dem widersprechen jedoch vom Ministerium selbst genannte Fakten; denn Maßnahmen zur Ermittlung spezifischer Kennung von Mobilfunkgeräten waren im Zeitraum vom 21. Dezember 2006 bis zum 30. November 2007 nicht erforderlich. Aus diesem Grund ist die gezogene Schlussfolgerung, dass die Befugnis zur Ermittlung spezifischer Geräteerkennung auch für die präventive Telekommunikationsüberwachung eine unverzichtbare Vorbereitungsmaßnahme sei, falsch.

Dies kann auch nicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Dezember 2006 gestützt werden, weil dieser erstens einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anerkennt und sich dies zweitens auch nicht auf die präventiven Befugnisse des § 33 b Abs. 3 übertragen lässt; denn das Bundesverfassungsgericht hat sich hier ausschließlich mit der Telekommunikationsüberwachung im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens befasst.

Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass im Rahmen repressiver polizeilicher Tätigkeit bereits eine Straftat verübt und ein fremdes Rechtsgut durch eine Straftat verletzt wurde, während dies im Rahmen der Gefahrenabwehr nicht der Fall ist. Ein weiterer entscheidender Unterschied ist, dass Gegenstand des Nichtannahmebeschlusses gerade keine Abwägung zwischen dem Grundrecht und einem öffentlichen Gefahrenabwehrbedürfnis war. Insgesamt ist die auf Seite 7 gezogene Schlussfolgerung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von juristischer Unkenntnis getragen und kann daher nicht ohne Weiteres vom Landtag akzeptiert werden.

Bereits in der 2. Lesung zum vierten Änderungsgesetz habe ich die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Telekommunikationsüberwachung und die Kfz-Kennzeichen-Erfassung dargelegt. Im Wesentlichen betrafen unsere Bedenken die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bei rein präventiven Tätigkeiten. Diese möchte ich hier jedoch nicht noch einmal wiederholen. Sie können dies im Plenarprotokoll der 41. Sit

zung des Landtages nachlesen. Dazu hatten wir mehrere Änderungsanträge - diese haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, ignoriert - eingebracht. Dies werden wir wieder tun. Kurz und gut: Einer Ausschussüberweisung werden wir zustimmen, um unsere Änderungsanträge noch einmal einzubringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Petke setzt für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die anstehende Änderung des Polizeigesetzes des Landes ist notwendig, weil die Polizei für ihre wichtige Arbeit der Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung natürlich eine starke gesetzliche Grundlage braucht und sich die gesetzliche Grundlage auf entsprechende Maßnahmen beziehen muss.

Ich kann die Kritik, die hier und da an den in Rede stehenden Maßnahmen aufgeflackert ist, nicht nachvollziehen. Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn gesagt wird, dass eine polizeiliche Eingriffsmaßnahme vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts überprüft wird. Vor allem an diesem Punkt hat Brandenburg aber bewiesen - anders als bei anderen gesetzlichen Grundlagen -, dass das Polizeigesetz unter anderem einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe standgehalten hat, obwohl die Mehrzahl der anderen Länder die entsprechende Regelung korrigiert hat bzw. die Landtage Korrekturen vornehmen mussten.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Insofern weise ich den Vorwurf seitens der Fraktionen DIE LINKE und der DVU, dass es hier darum geht, Verfassungsrecht zu verletzen, klar zurück. Nein, das ist nicht der Fall!

(Zuruf des Abgeordneten Claus [DVU])

Sicherheit und Freiheit kann man nicht getrennt betrachten. Sicherheit und Freiheit gehören zusammen. Das eine ist ohne das andere nichts wert. Die Menschen in unserem Land - ich glaube, das wissen auch die Kollegen der Fraktion DIE LINKE - haben nicht nur ein Bedürfnis nach sozialer Sicherheit, sondern auch nach innerer Sicherheit. Sie wollen, dass ihr Leben und ihre Gesundheit sowie das Leben und die Gesundheit ihrer Angehörigen geschützt ist. Sie wollen auch, dass ihr Eigentum geschützt ist. Dafür haben wir die Verantwortung zu tragen.

Hinsichtlich der angesprochenen Beschränkung verrate ich sicher kein Geheimnis, Frau Kollegin Stark, wenn ich sage, dass wir das nicht für notwendig erachten. Innenminister Jörg Schönbohm kann sicherlich noch darauf eingehen, inwieweit das Innenministerium unabhängig oder nicht unabhängig ist. Ich glaube, dies ist eine etwas vorgeschobene Diskussion. Hier hat man aus anderen Gründen Argumente eingeführt, die in der Sache nicht stechen.

Wir brauchen diese in Rede stehenden polizeilichen Maßnahmen. Die Polizei in Brandenburg braucht diese Maßnahmen. Wer für Sicherheit sorgen möchte, der muss der Polizei die entsprechenden Möglichkeiten - personell, materiell und gesetzgeberisch - geben. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Mehrheit des Hauses heute dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Zunächst stimmen wir möglicherweise einer Überweisung zu; denn das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, der Ihnen in der Drucksache 4/6677 vorliegt, an den Ausschuss für Inneres. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen.1

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Drittes Gesetz zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung