Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE kann man eigentlich nur sagen: Alter Wein in neuen Schläuchen. - Ich möchte dazu drei Anmerkungen machen.
Was mich wirklich ärgert, ist die von Ihnen suggerierte Sichtweise bzw. Ihr Blickwinkel auf Europa, der die Realität nicht wiedergibt. Wenn Sie sagen, dass wir uns in den letzten Jahren nur eine Auseinandersetzung über den Europäischen Verfassungsvertrag geliefert hätten, dann ist das schlichtweg falsch. Wir haben über wichtige zielführende Weichenstellungen entschieden, wir haben über die Förderpolitik 2007 bis 2013 gesprochen sowie über die Dienstleistungsrichtlinie, über Klimapolitik, Agrarpolitik etc.
Sie suggerieren, dass es in Frankreich und in den Niederlanden eine Mehrheit gegeben habe, die gegen den Verfassungsvertrag gewesen sei. Wenn Sie sich das Wahlergebnis einmal unter Berücksichtigung der Wahlbeteiligung anschauen, werden Sie erkennen, dass sowohl in Frankreich als auch in den Niederlanden jeweils nur 38 % der Wahlberechtigten dagegen gestimmt haben. Mit keinem Wort erwähnen Sie, dass es auch zwei positive Referenden gab. Das geht bei Ihnen unter, denn für Sie ist natürlich immer nur das Negative gut; ähnlich wie in der Presse: Only bad news are good news.
Ebenso suggerieren Sie, dass das Verfassungsprojekt gescheitert sei. Ich möchte meinen Kollegen Bochow unterstützen, wenn er sagt, es ist klar erklärt worden, dass der Verfassungsvertragsentwurf so, wie er vorlag, gescheitert ist. Man hat sich Zeit genommen, um zu sehen, was verändert werden muss, und hat gefragt, ob der Wunsch, einen Verfassungsvertrag zu haben, nicht eventuell zu groß ist und man nicht nur die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, sondern auch die Politiker überfordert.
Zweitens - auch das hat Herr Bochow schon angesprochen demaskieren Sie sich in Bezug auf Ihre Haltung gegenüber einer repräsentativen Demokratie. Sie sagen in der Begründung Ihres Antrags, dass nur Referenden den wirklichen Willen der Bürgerinnen und Bürger ausdrücken können. Das ist selbstverständlich ein Nein zum europäischen Verfassungsvertrag. Die meisten Mitgliedstaaten der EU sind repräsentative Demokratien. Wir unterstreichen dies dadurch, dass wir mit dem neuen Reformvertrag die Handhabe des Europäischen Parlaments stärken; denn auch dessen Mitglieder sind gewählte Abgeordnete und repräsentativ für ihre Wähler verantwortlich.
Drittens suggerieren Sie, dass das Zustandekommen des Verfassungsvertrags und des Reformvertrags intransparent gewesen sei. Bei beiden Prozessen gab es ein Maximum an Transparenz und Offenheit. Insbesondere die Reflektionsphase, die wir nach den Negativreferenden in Frankreich und in den Niederlanden eingeleitet hatten, hat gezeigt, dass wir eine neue Strategie auf den Markt gebracht haben. Auf vielen Veranstaltungen in den Regionen und über das Internet gab es die Möglichkeit, sich zu informieren. Wir wissen, dass die entsprechenden Einlassungen und Dokumente einsehbar waren und nichts hinter verschlossenen Türen geschah. Im Grunde genommen ist es nachahmenswert, mit welcher Transparenz man gearbeitet hat.
Ein Tipp für die geneigten Interessierten, wie sie an europäischen Verfahren, nicht nur was den Verfassungsvertrag bzw. die Verträge, sondern auch Konsultationen, Grünbücher, Weißbücher anbelangt, teilhaben können: Googlen Sie einmal „Ihre Stimme in Europa“. Dann gelangen Sie auf Internetseiten, auf denen Sie zu bestimmten Projekten Ihre Meinung abgeben können. Ich habe mich selbst auch schon des Öfteren in der Bewertung dieser Punkte wiedergefunden.
Entscheidend ist, dass wir mit dem Reformvertrag wichtige Elemente übernommen haben und nicht vergessen dürfen, dass es zwei positive Referenden gab. Zwei Staaten haben unter der Prämisse des Verfassungsvertrages ihren Beitritt zur Europäischen Union angezeigt; 16 Staaten - jeweils repräsentative Demokratien - haben dem Verfassungsentwurf zugestimmt. Auch sie und ihr positives Votum müssen wir berücksichtigen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens: Ich bin wie Frau Richstein und Herr Bochow ebenfalls der Auffassung, dass Ihre Grundannahme, der Verfassungsvertragsentwurf sei in Frankreich und in den Niederlanden gescheitert, weil sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Grundausrichtung ausgesprochen habe, nicht richtig ist. Wir wissen, dass die Abstimmung im Wesentlichen von innenpolitischen Auseinandersetzungen überlagert war, und das beschreibt die Problematik.
Zweitens: Seit dem 20. Dezember ist der Gesetzentwurf zum Vertrag von Lissabon im Bundesrat. Das heißt, wir befinden uns in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren. Die Landesregierung wird sich dazu verhalten. Ohne dass es bereits eine Entscheidung gibt, bin ich persönlich stark davon überzeugt, dass Brandenburg diesen Verträgen zustimmen wird.
Zur Frage, ob ein Volksentscheid aus Sicht der Landesregierung notwendig ist, sage ich: Ein solcher Entscheid ist nicht notwendig. Der neue Vertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der der Ratifizierung bedarf. Ich hoffe, dass dies vor dem 1. Januar 2009 gelingt, denn dieser Vertrag ist zur Vorbereitung der Europawahl im Jahr 2009 notwendig. Lediglich in einem der 27 Mitgliedsstaaten, nämlich in Irland, gibt es ein Referendum; das hat mit der Verfassungssituation in Irland zu tun. Die bundesdeutsche Verfassungssituation ist in der Tat eine grundsätzlich andere. Sie sagen, Sie wollen die Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland ändern, weil Sie über die Verfasstheit der Europäischen Union abstimmen wollen. Das ist darauf hat Herr Bochow hingewiesen - eine sehr viel weitergehende Diskussion, als es in Ihrem Antrag tatsächlich zum Ausdruck kommt.
In der Tradition der Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza gibt es eine völlig andere Diskussionslage.
Ich will aber auch noch einmal daran erinnern, dass Bundestag und Bundesrat dem Verfassungsentwurf mit überwältigender Mehrheit zugestimmt haben. Ich glaube nicht, dass irgendeine oder irgendeiner der Abgeordneten ihren oder seinen Wählerinnen und Wählern verschwiegen hat, dass sie oder er für die weitere Integration der Europäischen Union ist. Von daher glaube ich auch, dass hier Demokratie tatsächlich funktioniert hat.
Worum geht es in diesen Verträgen? - Ich glaube, dass auch dies nicht unwichtig ist. Denn im Ergebnis des Scheiterns des Verfassungsvertrages in der ersten Runde haben ja diejenigen, die diesen kritisiert haben, das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollten.
Wir haben in der Tat als weitere Schritte zur Demokratisierung Europas, zur Transparenz auf der europäischen Ebene die Möglichkeit, in schwierigen Fragen im Rat auch Mehrheitsentscheidungen durchzuführen, das heißt, auch den Boykott einzelner Staaten in Europa nicht möglich zu machen.
Wir haben eine Grundrechtecharta, die mit Ausnahme von Großbritannien in der Tat eine Rechtsqualität in ganz Europa gewinnt. Ich glaube, die britischen Bürger werden noch an der einen oder anderen Stelle darüber nachdenken, ob dieses OptOut ihrer Regierung wirklich ein guter Weg war.
Die Rechte des Europäischen Parlaments werden deutlich gestärkt. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Demokratisierung Europas. Europa hat wesentliche Punkte gesetzt, die Diskriminierung, soziale Ausgrenzung verhindern und die soziale Gerechtigkeit stärken sollen. Nicht zuletzt - das muss uns als Bundesland auch interessieren - sind die Subsidiaritätsrechte gestärkt worden. Wenn die Rechte von Regionen und von Staaten in Europa durch die Kommission oder durch den Rat verletzt werden, gibt es die Möglichkeit, dagegen zu klagen und sich zur Wehr zu setzen.
Frau Stobrawa, ich will noch einmal einen Punkt aufgreifen, der Sie besonders gestört hat, nämlich die Frage der Freihandelszone. Jetzt sage ich einmal: Aus deutscher Sicht, aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland, halte ich diese Kritik nun wirklich für hochgradig abwegig - mit Verlaub. Wir diskutieren ja viel und auch gut über Europa. An der Stelle sage ich Ihnen aber: Wenn ein Staat in Europa von der Öffnung der europäischen Märkte profitiert, dann ist das die Bundesrepublik Deutschland.
- Europa ist solidarisch, Europa ist im hohen Maße solidarisch. Aber diese Entwicklung einer Freihandelszone in ganz Europa ist etwas, was der Bundesrepublik Deutschland in hohem Maße nutzt.
Zum Stichwort „solidarisches Europa“ sage ich Ihnen: Brandenburg hat in den letzten Jahren - es tut das auch jetzt in dieser Förderperiode - mit mehr als 3 Milliarden Euro von der Solidarität in Europa profitiert. Auch dieses System funktioniert.
Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, für eine schnelle Ratifizierung dieser Verträge zu sorgen, weil sie positive Effekte für uns alle bringen - übrigens in einem zukunftsoffenen Europa, das wir gemeinsam wollen. - Herzlichen Dank.
Der Abgeordnete Hammer nimmt die letzten vier Minuten dieser Debatte für die Fraktion DIE LINKE wahr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen habe ich, was die großen Fraktionen betrifft, mehrmals bekennende Europäer reden hören. Ich selber bin auch bekennender Europäer. Meine Haltung zu Europa hat der Kollege Pohl, der ja wie ich aus Frankfurt (Oder) kommt, treffend zum Ausdruck gebracht. Wenn man sich zur gleichen Sache bekennt, kann man aber unterschiedlicher Auffassung im Detail sein.
- Muss nicht. Aber darum geht es hier. - Ich sage es einmal so: Wenn ich jetzt nicht einmal den alten Verfassungsentwurf betrachte, sondern Entwicklungen, die Sie durchaus als negativ beschreiben können - wie die Ablehnung der Hafenrichtlinie oder die heftigen Debatten um die Dienstleistungsrichtlinie oder eben auch die Ablehnung des Verfassungsentwurfs in den Niederlanden und in Frankreich -, kann mich das möglicherweise, wenn ich Verantwortung trage, erschrecken. Aber ich kann auf der anderen Seite auch sagen: Ich habe in der Zwischenzeit einen Diskussionsstand erreicht, der kenntlich macht, dass wir mündige europäische Bürger haben,
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich reagiere mit Vertrauensentzug - eine Denkpause kann zum Beispiel auch eine Vorstufe zum Vertrauensentzug sein -, oder ich denke wirklich produktiv nach und sage: Ich will diese mündigen Bürgerinnen und Bürger in Europa abholen und schaffe sozusagen mehr Voraussetzungen und gebe mehr Vertrauensvorschuss.
Herr Hammer, sind Sie mit mir einer Meinung, dass ein Bürger, der sein Wahlrecht innerhalb einer repräsentativen Demokratie wahrnimmt, genauso ein mündiger Bürger sein kann wie jemand, der es in der direkten Demokratie wahrnimmt? Oder sind per se alle Bürger in einer repräsentativen Demokratie Ihrer Lesart nach - so haben Sie es nämlich gerade ausgedrückt unmündig?
Die Dinge stehen nicht gegeneinander, sondern ergänzen sich wechselseitig. Davon bin ich überzeugt. Ich kann beispielsweise über Bürgerentscheide, Volksbefragungen etc. pp. auch außerhalb von Wahlzeiten meine demokratischen Rechte in Anspruch nehmen. Genau darum geht es bei unserem Antrag. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger befragt werden.
Ich sage auch - das hat Gerlinde Stobrawa vorhin schon dargelegt -, wir haben uns grundsätzlich ja von Anfang an nie gegen den Verfassungsentwurf in Gänze ausgesprochen, sondern wir haben einzelne Punkte zu kritisieren gehabt. Frau Richstein, Sie sagten vorhin etwas von Sicherheit in Europa. Wenn man zur Sicherheitspolitik unter anderem auch Passagen finden kann, nach denen Interessen auch außerhalb des Territoriums von Europa liegen können, die die Sicherheit betreffen, dann ist das ein Grund für DIE LINKE, das schärfstens zu kritisieren.
Wie gesagt: Es geht in unserem Antrag erst einmal um nichts Weiteres als darum, dass wir mündige Bürgerinnen und Bürger in Europa befragen und abholen wollen. Da zu dieser europäischen Bürgerschaft auch Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gehören, wollen wir auch in diesem Land einen Volksentscheid. Insofern bitte ich Sie einfach, noch einmal darüber nachzudenken und unserem Antrag vielleicht doch zuzustimmen. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der Antrag der Fraktion DIE LINKE, Änderung der Europäischen Verträge nur über einen Volksentscheid in der Bundesrepublik - Drucksache 4/5744 -, zur Abstimmung vor. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mehrheitlich - ohne Enthaltungen abgelehnt worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE ist für ihre Hartnäckigkeit bekannt und dafür, dass sie sich mit großer Konsequenz für eine Stärkung der Kommunen einsetzt.
Deshalb rufen wir mit unserem Antrag ein Thema auf, das wir wiederholt, zuletzt im Oktober vergangenen Jahres, zur Diskussion gestellt haben. Wir mussten leider immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen mit der Funktionalreform, also der gezielten Übertragung von Verwaltungsaufgaben von oben nach unten, wenig - um nicht zu sagen, gar nichts - am Hut haben.