Protocol of the Session on September 12, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, wenn man sich mit materiellem Strafrecht befasst, muss man sich schon intensiv vorbereiten. Straf- und Strafprozessrecht

sind bekanntlich Materien mit Grundrechtrelevanz. Sie sind aufgrund ihres besonderen Eingriffscharakters sensibel zu behandeln. Dem Rechtsstaatsprinzip kommt hier eine ganz besondere Bedeutung zu. Insofern es ist nicht unproblematisch, eine bestimmte Geisteshaltung - man mag dazu stehen, wie man will - quasi einer gesonderten strafrechtlichen und strafprozessualen Behandlung zu unterziehen. Man gerät damit ziemlich leicht in die Nähe strafrechtlicher Sondergesetze, die bekanntlich dem besonderen Verbot der Einzelfallgesetzgebung des Artikels 19 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen. Dabei hätte es Sie nur wenig Mühe gekostet, meine Damen und Herren von SPD und CDU, die Grundsätze der Strafzumessung des § 46 StGB einmal genau durchzulesen. Im Absatz 2 steht schon seit Langem ausdrücklich, dass unter den Aspekten der Täterschuld bei der konkreten Strafzumessung insbesondere die Beweggründe und die Ziele der Täter sowie die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille besondere Berücksichtigung zu finden haben.

Würde ein Gericht menschenverachtende Motive einer angeklagten Gewalttat nicht berücksichtigen, so wäre jede darauf gegründete Entscheidung reversibel. Das ist eine juristische Binsenweisheit. Insofern erschließt sich der besondere rechtspolitische Grund für den vorliegenden Antrag nicht, Frau Ministerin. Noch weniger besteht eine Lücke im geltenden Strafrecht; das haben Sie in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses dargelegt. Dies zeigt nicht zuletzt auch Ihre eigene Begründung zur vorliegenden Initiative, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen. Dort sprechen Sie von einem normverdeutlichenden Zeichen in der Gesetzgebung. Damit ist die entsprechende Bundesratsinitiative der Länder Sachsen-Anhalt und Brandenburg schließlich auf der rein deklaratorischen Ebene angesetzt. Rechtspolitische Deklarationen gehören indes nicht ins abstrakt-generell zu fassende Gesetz, schon gar nicht ins materielle oder formelle Strafrecht, sondern maximal in die Kommentare und juristischen Lehrbücher.

Aufgrund der bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken und der letztlich fehlenden Normsetzungsbefugnis müssen wir Ihren Antrag ablehnen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Die Justizministerin rundet diese Debatte ab.

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Am 14. August 2007 haben die Landesregierung von Brandenburg und die von Sachsen-Anhalt eine gemeinsame Bundesratsinitiative zur verbesserten Bekämpfung von aus Hass und Vorurteilen begangenen Straftaten eingebracht. Bereits in der ersten Sitzung nach der Sommerpause am 21. September 2007 wird sich der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf befassen. Ich freue mich, dass die Fraktionen von SPD und CDU die Bundesratsinitiative der Landesregierung unterstützen wollen, so, wie es bereits der Landtag von Sachsen-Anhalt getan hat und wie es noch in diesem Monat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern tun will.

Wir haben diese Initiative nicht eingebracht, weil wir der Mei

nung wären, Herr Dr. Bernig, dass Repression Prävention ersetzen könnte. Aufzuzählen, welche Maßnahmen die Landesregierung und viele andere in diesem Bereich Tätige im Bereich der Prävention schon eingeleitet und auch verabschiedet haben, würde den Rahmen sprengen. Darauf ist schon eingegangen worden; das Thema Prävention hat schon immer einen breiten Rahmen eingenommen.

Nur müssen wir nun einmal auch Antworten auf die Frage geben: Was ist, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist? Gemeint ist: wenn Jugendliche oder Erwachsene in einem Maße straffällig geworden sind, dass man es nicht mehr tolerieren kann. Das Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, Hass und Vorurteilskriminalität wirksamer zu bekämpfen. „Wirksam“ heißt, möglichst so, dass der Straftäter nicht rückfällig wird.

(Beifall bei der CDU)

Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sollen dazu angehalten werden, den Umstand, dass ein Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist, im Rahmen des allgemeinen Strafzumessungsvorgangs zu würdigen, und zwar regelmäßig in einem strafverschärfenden Sinne. Bei den Motiven haben wir uns am Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes bzw. an dem, was darin als Diskriminierungsmöglichkeit aufgeführt ist, orientiert.

Was unterscheidet nun solche Straftaten von gewöhnlicher Kriminalität? - Sämtlichen Straftaten, die aus einem der genannten Motive begangen werden, ist eines gemein: Sie zielen darauf ab, anderen Menschen die Anerkennung als „gleichberechtigt“ zu versagen, ihn als „minderwertig“ einzustufen und daraus die Legitimation zur Gewaltanwendung zu schöpfen. Die Betroffenen werden in der Regel nicht etwa aus einer persönlichen Konfliktsituation mit dem Täter heraus zum Opfer, sondern schlicht deshalb, weil sie so sind, wie sie sind, weil sie bestimmte Eigenschaften oder bestimmte Überzeugungen haben. Der Angriff erfolgt dabei nicht gegen das Opfer als Individuum, sondern exemplarisch als Repräsentant einer dem Täter verhassten Menschengruppe und ist deshalb geeignet, Angst und Schrecken zu verbreiten. Das ist das Ziel der Täter; auch zur Nachahmung anzuregen. Darin liegt die besondere Dimension des Unrechts, der es auch durch eine besondere strafrechtliche Sanktionierung zu begegnen gilt.

Da solche Straftaten in der Regel in Gruppen und unter Alkoholeinfluss begangen werden, ist die Bereitschaft der Täter, sich mit der Straftat auseinanderzusetzen, gering, wenn es nicht gelingt, sie aus der Gruppe herauszulösen, und das kann bei der Verhängung von Bewährungsstrafen in der Regel nicht gelingen. Das ist auch das Ergebnis einer Expertenanhörung zum Thema Hasskriminalität, die wir im Vorfeld der Erarbeitung des Gesetzentwurfs durchgeführt haben.

Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung - auch das wird durch eine Studie des Landespräventionsrates gestützt -, dass eine kurze Freiheitsstrafe ohne Bewährung junge Menschen, die am Anfang einer gewalttätigen kriminellen Karriere stehen, noch wachrütteln kann, bevor ein Ausstieg aus dem

kriminellen Milieu nicht mehr möglich ist und dem Richter dann nach mehreren Bewährungsstrafen - das ist leider Praxis: nach mehreren Bewährungsstrafen - nichts anderes mehr übrig bleibt, als eine lange Freiheitsstrafe zu verhängen. Durch den Gesetzentwurf soll deshalb klargestellt werden, dass bei Vorliegen solcher Taten, die von einem der genannten Beweggründe getragen sind, auch kurze Freiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt und Freiheitsstrafen von über sechs Monaten regelmäßig nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs gab es unterschiedliche Reaktionen. Befürworter sahen die verbesserten Möglichkeiten für die Gerichte, konsequenter zu reagieren. Kritiker sprachen davon, dass das Gesetz überflüssig sei und dass die Justiz es schon jetzt selbst in der Hand habe, konsequenter zu reagieren. Dagegen steht allerdings der § 56 des Strafgesetzbuches. Dort heißt es, dass eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr in der Regel zur Bewährung ausgesetzt wird, wenn nicht bestimmte Gründe dagegen sprechen. Einer der Gründe ist die Verteidigung der Rechtsordnung, der hier schon genannt worden ist. Das ist ein sperriger Begriff, weshalb diese Bestimmung in der Praxis kaum Anwendung findet. Auch das hat die Praxisanhörung gezeigt. Wir wollen deutlich machen, dass die Verteidigung der Rechtsordnung immer dann angezeigt ist, wenn Straftaten aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen menschenverachtenden Motiven heraus verübt werden.

Dass das kein rein ostdeutsches Problem ist, zeigt die bundesweite Kriminalstatistik, die ein Anwachsen insbesondere rechtsextremistischer Straftaten ausweist.

Im Übrigen ist das auch nicht nur ein deutsches Problem. Gestatten Sie mir, dazu aus dem unter deutscher Ratspräsidentschaft ausgehandelten Entwurf eines Rahmenbeschlusses der EU zu zitieren. In Artikel 4 des Entwurfs, der im April dieses Jahres erstellt wurde, heißt es unter der Überschrift „Rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe“:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei anderen Straftaten als denen in Artikel 1 und 2 aufgeführten rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe als erschwerender Umstand gelten und dass solche Beweggründe anderenfalls bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden.“

Genau das setzen wir um. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/5080 mit der Überschrift „Verbesserte Bekämpfung der politisch motivierten Gewalt - Verteidigung der Rechtsordnung“. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.

Der Kollege Sarrach hat sich zu einer mündlichen Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten zu Wort gemeldet, und er erhält hiermit das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich achte das Bemühen des Hohen Hauses, konsequent gegen rechtsextremistische Gewalt vorzugehen. Dennoch kann ich aus grundsätzlichen rechtspolitischen Bedenken heraus dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

Erstens: Der Antrag stellt die Unterstützung der Bundesratsinitiative in der Drucksache 572/07 in den Mittelpunkt. Dabei ist in der Koalition scheinbar offengeblieben, ob es sich um eine Klarstellung oder eine Strafverschärfung handeln soll.

Es ist schwer, kurzfristig zu einer rechtspolitisch abschließenden Bewertung der Initiative zu gelangen, wenn die Spruchpraxis brandenburgischer Strafgerichte und die Arbeit der Ermittlungsbehörden bei Straftaten mit rassistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund nicht evaluiert sind. Es genügt mir nicht, Schutzlücken zu behaupten, wenn durch Gesetzesänderungen bezweckt wird, strafbares Unrecht und die Schwere der Tat weniger am äußeren Tathergang, sondern an der Motivation und der Gesinnung eines Täters festzumachen. Das muss rechtspolitische Ausnahme bleiben, und zwar trotz und auch unter Beachtung des Beschlusses des Rates „Justiz und Inneres“ der EU. Wie schwer diese Entscheidung ist, zeigt das Schicksal der Bundesratsinitiative von Mecklenburg-Vorpommern vom November 2000, Drucksache 759/00, die diese Änderungen schon einmal beinhaltete. Sieben Jahre lang hat sich der Bundesrat dazu nicht verhalten wollen, weil die Bedenken zu gewichtig waren.

Zweitens: Die Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen ohne Bewährung ist meines Erachtens ein Systembruch im Strafgesetzbuch. Diesen Weg sollte man nicht einmal dann gehen, wenn Teile der Gesellschaft eine besondere Bestrafung bestimmter Täter wünschen und die Verschärfung im gesellschaftlich akzeptierten Bereich des Kampfes gegen Rechtsextremismus erfolgt. Diese Diskussion wird die Diskussion über die Abschaffung der Bewährungsstrafe insgesamt einläuten. Für bestimmte Deliktgruppen darf nicht von vornherein die Aussetzung der Vollziehung ausgeschlossen werden, sagt der Bundesgerichtshof. Diese Gefahr besteht jedoch bei Befolgung dieses normverdeutlichenden Zeichens in der Praxis.

Drittens: Die gegenwärtige Rechtslage lässt kurze Freiheitsstrafen ohne Bewährung zu. Eine Änderung ist nicht notwendig. Es geht Ihnen um die Schaffung eines anderen Bewusstseins aufseiten der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, rechtsextreme Gewalt als besonders strafbedürftig und -würdig zu behandeln. Dass es Staatsanwälten und Richtern an diesem Bewusstsein fehlt, vermag ich nicht zu erkennen. Sollte dies im Einzelnen doch der Fall sein, so wäre eine Gesetzesänderung nicht die Lösung, wenn es an der Sensibilität fehlt, rechtsextreme Motive erkennen und ahnden zu wollen.

Danke. So viel zur persönlichen Erklärung.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Anhebung der Regelsätze bei Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Sozialhilfe - ein unverzichtbarer Schritt zur Bekämpfung von Armut und Kinderarmut

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/5081

Als Erste spricht die Abgeordnete Kaiser für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben seitens der Fraktion DIE LINKE in diesem Hause mehrfach versucht, durch den Hinweis auf die Einkommenssituation der Familien, die von Arbeitslosengeld II leben, und der Kinder, die von Sozialgeld leben, Sie davon zu überzeugen, dass Sie mit uns darauf hinwirken sollten, diese Situation zu verbessern. Ich halte jetzt einmal eine Karte aus einem Gutachten des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hoch. Diese Karte zeigt die Armutsquote in der Bundesrepublik. 2 Millionen Kinder - das ist nicht strittig - leben in der Bundesrepublik in Armut; 70 000 Kinder sind es in Brandenburg. Selbst auf die Entfernung erkennen Sie den sozusagen immer roter werdenden Streifen, der das Ausmaß der Problematik beschreibt, und Sie sehen damit auch, dass wir in einem Land leben, in dem die Kinderarmut groß und besorgniserregend ist.

(Unruhe bei der CDU)

- Das ist unter uns ja gar nicht strittig.

Damit komme ich zu der Frage, warum die Regelsätze angehoben werden sollen, und auch zu der Feststellung, die Sie, Herr Baaske, in der heutigen Haushaltsdebatte sehr vehement bestritten haben, nämlich dass die geltenden Regelsätze nicht armutsfest sind, bzw. zu Ihrer Behauptung, dass sich die Situation der Menschen, die von Arbeitslosengeld II bzw. von Sozialgeld leben, verbessert habe, jedenfalls im Durchschnitt. Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen ganz klar widersprechen. Ihre Behauptung trifft nicht zu.

Der Regelsatz für das Arbeitslosengeld II in Höhe von 347 Euro sowie erst recht die abgestuften Regelsätze für Kinder und Jugendliche sind nicht armutsfest. Artikel 1 des Grundgesetzes gewährt das Recht auf ein Leben in Würde, also nicht nur das Recht zum Überleben, sondern das Grundrecht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dafür waren und sind die Regelsätze von Arbeitslosengeld II in keiner Weise auskömmlich.

Deshalb plädieren wir für die Anhebung auf 420 Euro, wobei wir uns von den Sozialverbänden und den Gewerkschaften dabei unterstützt wissen. Des Weiteren plädieren wir für die Angleichung der Regelsätze für die Kinder an die der Erwachsenen.

Ich will Sie auf die aktuelle Broschüre des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aufmerksam machen. Gucken Sie bitte hinein!

(Baaske [SPD]: Habe ich schon!)

Auf Seite 54 steht, dass es ein neues, bedarfsdeckendes Bemessungssystem geben muss. Es ist ein Systemfehler, dass der Regelsatz besonders für Kinder nicht mehr bedarfsdeckend ist. Nicht nur die derzeitige Höhe, sondern das gesamte Bemessungssystem bedarf der Veränderung, wird der Geschäftsführer Werner Hesse zitiert. Das Bemessungssystem hat absurde Züge, sagt er. Über zweieinhalb Jahre nach Einführung des Arbeitslosengeldes II sei offensichtlich, dass die weitgehende Pauschalierung von besonderen Bedarfen ihr Ziel verfehlt habe. Die Versorgung der Kinder mit Lehrmitteln, mit medizinisch notwendigen Medikamenten und die gesunde Ernährung seien nicht mehr sichergestellt, und die Bedarfssätze müssten kurzfristig um mindestens 20 % erhöht werden.

Warum lese ich das vor? - Sie wurden heute offenkundig nicht mit viel Beifall bedacht, als Sie die Fahne für Hartz IV in diesem Haus hochhielten. Ich möchte Sie bitten, wirklich zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Behauptung, mit der Einführung von Hartz IV habe sich die Lebenssituation der Leistungsempfänger verbessert, als Irrtum herausstellt. Das hat die Bundesregierung 2004 immer behauptet. Es ist ein Irrtum.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Sie sollten es wissen: Mit der Einführung von Hartz IV wurde der Regelsatz für Kinder zwischen 7 und 14 Jahren im Vergleich zur vorherigen Sozialhilfe von 65 auf 60 % des Eckregelsatzes - 245 Euro - abgesenkt. Der Regelsatz von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren wurde von 90 auf 80 % verringert, und eine weitere Kürzung des Regelsatzes wurde durch die Pauschalierung der Beihilfe vorgenommen. Der Anteil dieser einmaligen Beihilfen am Regelsatz betrug bei Kindern vor der Verabschiedung von Hartz IV nicht 16 % wie heute, sondern 20 %. Nach dem Ende 2004 geltenden Leistungsniveau hätte der Regelsatz für Kinder von 7 bis 14 Jahren also 232 statt 207 Euro betragen müssen, der von 15- bis 18-Jährigen 319 statt 276 Euro. Die Hartz-IV-Regelsätze haben also insbesondere die Situation von Schulkindern und damit von Familien verschlechtert.

Wenn Sie einfach einmal lesen, dass selbst Sozialministerin Stewens aus Bayern sagt, die Einkommenssituation von Familien mit Kindern ist hochproblematisch, und hier muss nachgeregelt werden, dann werden Sie sehen, dass die Vielstimmigkeit der Vorschläge auch der letzten Zeit wirklich eine Ursache hat: Kinder und Jugendliche, die in Familien leben, deren Eltern Arbeitslosengeld II beziehen, leben in Armut. Das ist Fakt.

Wenn Sie einmal betrachten, wie sich ein Hartz-IV-Regelsatz zusammensetzt, wird Ihnen das auffallen. Erwachsene - mit dem vollen Regelsatz! - haben für Nahrungsmittel, Getränke, Tabak, alkoholische Getränke monatlich 123 Euro zur Verfügung, für Bekleidung und Schuhe 31 Euro, für Wohnen, für Strom, Gas und andere Brennstoffe 25 Euro sowie für die Gesundheitspflege - Erwachsene! - 12,32 Euro.

Jetzt sage ich Ihnen: Gehen Sie mit einem Kind zum Kinderarzt. Das Kind hat Grippe und braucht Medikamente, die alle nicht mehr verschreibungsfähig sind. Sie kommen mit einer Verschreibung heraus, die von den Kassen aber nicht erstattet wird, müssen Hustensaft und dergleichen kaufen - da lassen Sie mal eben locker 25 Euro für ein Kind in der Apotheke. Das wird nicht mehr verschrieben, das tragen die Kassen nicht mehr.