Protocol of the Session on September 12, 2007

Es wurde beschlossen, hierzu keine Debatte zu führen. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/4953 an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist dieser Überweisung zugestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Brandenburg (Brandenburgisches Jugendstrafvoll- zugsgesetz - BbgJStVollzG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/5010

1. Lesung

in Verbindung damit:

Gesetz über den Vollzug von Jugendstrafe und die Resozialisierung von straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden im Land Brandenburg (Brandenburgisches Jugendstrafvollzugsgesetz - BbgJStVollzG)

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/5059

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Blechinger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Landesregierung legt Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Brandenburg vor. Seit dem 1. September 2006 haben die Länder, die den Strafvollzug seit jeher finanzieren und durchführen, auch die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich und damit die Gelegenheit, ihre jahrzehntelange praktische Erfahrung in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, für den Jugendstrafvollzug bis zum 31. Dezember 2007 eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Brandenburg hat daraufhin in einer Arbeitsgruppe mit acht weiteren Bundesländern einen gemeinsamen Gesetzentwurf erarbeitet. Dieser Entwurf wurde im hiesigen Beteiligungsverfahren nur geringfügig geändert, um den brandenburgischen Besonderheiten Rechnung zu tragen und ihn an das Landesrecht anzupassen.

Eines der Hauptanliegen dieses Entwurfs war und ist die Schaffung möglichst gleichlautender Vorschriften, insbesondere mit den Nachbarländern, vor allem mit Berlin, weil wir mit Berlin einen engen vollzuglichen Austausch haben, insbesondere beim Frauenvollzug.

Unser Regierungsentwurf trägt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen modernen rechtsstaatlichen Jugendstrafvollzug Rechnung und setzt klare Schwerpunkte. Das tragende Element dieses Entwurfs ist die erzieherische Ausgestaltung des gesamten Vollzugs. Das heißt zum einen, dass wir die Gefangenen in der Entwicklung so fördern wollen, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung befähigt werden. Das heißt aber auch, dass wir die Gefangenen fordern wollen. Der an das Jugendgerichtsgesetz anknüpfende Erziehungsbegriff unterstreicht den Anspruch an die Gefangenen, sich aktiv mit ihren Straftaten und den diesen zugrunde liegenden Defiziten, Problemen und Konfliktlagen auseinanderzusetzen sowie entsprechende Hilfestellungen anzunehmen. Man nimmt die Gefangenen damit in die Pflicht.

Besonders wichtig sind uns die schulische und die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die berufliche Vorbereitung der jungen Gefangenen; denn die Chancen einer erfolgreichen Resozialisierung werden erheblich verbessert, wenn die Fähigkeiten der jungen Gefangenen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung vermittelt bzw. gefördert werden.

Der Entwurf legt ein besonderes Augenmerk auf den Übergang vom Anstaltsalltag in das Leben außerhalb des Vollzugs und betont die Kontinuität in der Betreuung und Nachsorge. Der Entlassungsvorbereitung dient auch die Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs in freien Formen, die nun erstmals im Gesetzentwurf als Vollzugslockerung vorgesehen sind.

Für ganz wesentlich halten wir die Unterbringung der jungen Gefangenen in Wohngruppen. Die Wohngruppe ist der Bereich, in dem außerhalb der Arbeitszeit das Alltagsleben im Vollzug stattfindet. Deshalb ist sie ein für das soziale Lernen wichtiger Ort. Hier sollen die jungen Gefangenen zunächst einen respektvollen Umgang miteinander und die gemeinsame Bewältigung des Alltags erlernen.

Das besondere Augenmerk galt und gilt in Brandenburg seit jeher einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Da die Straftaten der Jugendlichen häufig aus unstrukturierten Freizeitverläufen resultieren, ist es besonders wichtig, die jungen Gefangenen im Vollzug nicht sich selbst zu überlassen, sondern ihnen strukturierte Freizeitangebote zu unterbreiten.

Unser Entwurf sieht vor, dass die Gefangenen zur Teilnahme und Mitwirkung an Freizeitangeboten verpflichtet sind. Der großen Bedeutung des Sports für junge Menschen wird durch eine eigene Bestimmung im Gesetzentwurf Rechnung getragen. Auch soll Sport - das ist neu - künftig zur Diagnostik und gezielten Behandlung eingesetzt werden.

Die Aufrechterhaltung und, wenn möglich, Stärkung der sozialen Bindungen - hier insbesondere an die Familie - ist ebenfalls ein wichtiges Anliegen des Entwurfs. Der Gesetzentwurf normiert eine Erhöhung der monatlichen Besuchszeit auf vier Stunden. Daneben werden Kontakte der Gefangenen zu ihren Kindern besonders gefördert.

Unser Gesetzentwurf sieht die Einrichtung einer sozialtherapeutischen Abteilung im Jugendstrafvollzug vor. Hier können Gefangene untergebracht werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Abteilung zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt sind. Für die Aufnahme sind vor allem die Bandbreite und der Schweregrad des antisozialen Verhaltens und weniger die Deliktart ausschlaggebend. Dahinter steht die Überlegung, dass gerade Jugendstrafgefangene mit verfestigten antisozialen Verhaltensweisen besonders rückfallgefährdet sind und ohne rechtzeitige und gezielte Behandlung eine sehr schlechte Sozialprognose haben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den Kosten sagen, die unser Gesetzentwurf verursachen wird. Die Landesregierung war sich bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs der Haushaltssituation des Landes sehr bewusst. Gleichwohl werden Mehrkosten im Bereich des Jugendvollzugs unumgänglich sein, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen modernen Jugendstrafvollzug zu genügen. Aber gerade bei jungen Tätern sind die Chancen auch am größten, sie auf den richtigen Weg zurückzuführen. Dieses Geld ist also gut angelegt.

Die Landesregierung legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der, ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben und der vollzuglichen Praxis im Land, diese Materie erstmals auf eine gesetzliche Grundlage stellt, sich jedoch auf die Regelung wesentlicher Aspekte beschränkt und so der Praxis die nötigen Spielräume für die Handhabung im Einzelnen lässt. So übernimmt der Entwurf das in der Praxis seit Jahren Bewährte und gibt Impulse für Neuerungen und die Fortentwicklung unseres Jugendstrafvollzugs.

Das kann man von dem hier heute ebenfalls zur Debatte stehenden Entwurf der Fraktion DIE LINKE leider nicht sagen. Ihr Entwurf, meine Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, zeugt von einer großen Distanz zum Thema Vollzug und von einer noch größeren Praxisferne. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie von der Vorstellung ausgehen, im Brandenburger Jugendstrafvollzug säßen nur Taschendiebe ein. Ihr Entwurf sieht lediglich Rechte der Jugendstrafgefangenen vor, normiert aber keine Pflichten. Selbst die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung sollen in erster Linie

als Angebote mit Freiwilligkeitscharakter angelegt sein. Auch eine Auseinandersetzung der Gefangenen mit den eigenen Straftaten und deren Folgen scheint Ihnen verzichtbar. Selbst mit dem Erziehungsgedanken haben Sie Probleme; denn er kommt in Ihrem Entwurf nicht vor. Disziplinarmaßnahmen sind in Ihrem Entwurf überhaupt nicht erwähnt. Schwere Pflichtverstöße müssen im Jugendstrafvollzug jedoch zur Aufrechterhaltung der Ordnung sanktioniert werden, meine Damen und Herren. Wir dürfen unsere Bediensteten in den Anstalten mit den Problemen nicht alleinlassen. Sie sollen den Vollzug gestalten und nicht hilflos Regelverstößen und Übergriffen der Gefangenen ausgesetzt sein.

Nach Ihrem Entwurf hat jeder Jugendstrafgefangene das Recht, unbeschränkt Pakete und sonstige Postsendungen abzusenden und zu empfangen. Sie haben offensichtlich keine Vorstellung davon, welchen personellen Aufwand die notwendigen Kontrollen dieser Sendungen erfordern würden. Oder wollen Sie wirklich einen Drogen- oder Pizzaservice in Brandenburgs Jugendvollzugsanstalten einführen?

Würde Ihr Entwurf Gesetz, so müssten wir unsere neuen Anstalten abreißen und neue bauen. Denn wir haben weder Wohngruppen für bis zu acht Gefangene noch Besuchsbereiche in einer Größenordnung, in der jeder Jugendstrafgefangene acht Stunden Besuch im Monat erhalten kann.

Wir haben derzeit 267 Jugendstrafgefangene im Land - Tendenz fallend - und streben daher nicht, wie in Ihrem Entwurf vorgesehen, langfristig eine dezentrale Unterbringung der Jugendstrafgefangenen an, sondern eine Konzentration in der dafür vorgesehenen und konzipierten JVA Wriezen, die mit 220 Gefangenen belegt werden kann.

Ihr Entwurf ist, obgleich nur 70 Paragraphen umfassend, inhaltlich wie sprachlich völlig überladen, schießt über sachgerechte Ziele hinaus und belässt der Vollzugspraxis kaum Gestaltungsspielräume.

Dass Ihr Entwurf Sachverhalte regeln will, für die die Länder gar nicht die Gesetzgebungskompetenz haben, beispielsweise für den gerichtlichen Rechtsschutz und den Pfändungsschutz, zeigt, wie wenig Sie sich mit der Materie befasst haben. Einerseits wollen Sie den Personensorgeberechtigten ohne Rücksicht auf das Vollzugsziel überall beteiligen - vor dem Hintergrund, dass in vielen Fällen gerade die Personensorgeberechtigten Mitverantwortung dafür tragen, dass die Jugendlichen im Strafvollzug gelandet sind. Andererseits machen Sie die Beteiligung von der Einwilligung der Jugendstrafgefangenen abhängig. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich, da es die Rechte der Personensorgeberechtigten zu stark beschneidet.

Abschließend möchte ich einen Aspekt erwähnen, der mir wesentlich erscheint. Der Vollzug der Jugendstrafe dient neben der Resozialisierung auch - das ist in allen 16 Bundesländern völlig unstreitig - dem Schutz der Allgemeinheit. Diese Aufgabe ist in dem Gesetz festzuschreiben, da die Vollzugsbehörden diese Vollzugsaufgabe bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen haben. In Ihrem Entwurf findet sich dazu kein einziges Wort.

Es gäbe noch viel zu Ihrem Entwurf zu sagen, insbesondere zu den Regelungen, die mit einer realistischen Vollzugsgestaltung

kaum etwas gemein haben, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE. Ich will es jedoch dabei bewenden lassen und freue mich auf die nun anstehende parlamentarische Beratung unseres Gesetzentwurfs. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Sarrach spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat mir Kollege Ziel von der SPD-Fraktion im Rechtsausschuss die Frage gestellt, aus welchem Grund wir überhaupt noch einen eigenen Gesetzentwurf zum Jugendstrafvollzug vorlegten. Wir wüssten doch, dass der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf in einer Länderzusammenarbeit entwickelt wurde, um die Einheitlichkeit der Rechtsordnung trotz Föderalismus im Strafvollzug zu befördern. Wir wüssten doch, dass ein sehr ähnlicher Entwurf im Land Berlin von der LINKEN in der Koalition mitgetragen würde. Das stimmt, und das alles wissen wir.

Ich möchte die Frage der SPD gern beantworten. Zunächst lässt sich nur sehr schlecht behaupten, dass schon allein die Tatsache eines einheitlichen Gesetzentwurfs von neun Ländern einen Wert an sich darstellen soll. Die entscheidende Frage ist doch nicht, wie viel Einheitlichkeit herrscht, sondern welche konkreten Inhalte dieser Neuner-Entwurf aufweist.

Aus unserer Sicht verhalten sich die Inhalte des von der Landesregierung vorgelegten Entwurfs wie folgt: Es mischen sich darin nicht wenige sehr begrüßenswerte Elemente mit halbherzigen Ansätzen und schlimmen Auslassungen. Praktiker und Wissenschaftler stellen an die künftige Gestaltung des Jugendvollzugs Fragen. Wenn man diese Fragen mithilfe des Entwurfs der Regierung zu beantworten sucht, erhält man schnell Antworten wie: „kann sein“, „käme darauf an“, „wird die Praxis zeigen“ oder „kommt auf die Haushaltslage an“.

Wir wissen natürlich auch, dass sich unsere Parteifreunde in Berlin dennoch der Diskussion über diesen Neuner-Entwurf geöffnet haben, um ihn für Berlin zu verändern. Das ist doch eine klare Sache, Kollege Ziel. Die Berliner LINKE hat sich mit ihrem Koalitionspartner auf einen Entwurf zu einigen, der ohne ihr Zutun im Rahmen der Länderzusammenarbeit abgestimmt wurde. Es handelt sich also um einen Entwurf, der selbstverständlich nicht alle Positionen der LINKEN zur Ausgestaltung des Jugendstrafvollzug enthält, sondern um einen Kompromiss.

Wen sollte es sonderlich wundern, dass sich meine Fraktion in Brandenburg nicht an diesen Berliner Kompromiss gebunden fühlt - denn so weit ich mich erinnern kann, ist der Koalitionspartner der SPD hier die CDU. Für die können wir leider nicht stellvertretend kompromissbereit sein. Das würde im Übrigen für beide Seiten kaum gut enden. Da liefern wir doch besser wie es von der Opposition erwartet werden darf - produktive Kritik und deswegen auch einen eigenen Entwurf zum Vollzug der Jugendstrafe. Haben Sie also keine Angst vor diesem Wettbewerb. Es wird nicht gelingen, diesen Entwurf bei denen zu diskreditieren, die ihn lesen können.

Man kann es auf die schlichte Formel bringen: Die Berliner LINKEN taten in ihrer Situation nicht weniger als das Mögliche; in Brandenburg tun wir aber nicht weniger als das Nötige. Zum Nötigen gehört auch, dass unser Entwurf ebenfalls das Ergebnis länderübergreifender Beratungen der Justizpolitiker der LINKEN in den Landtagen ist. Unsere Berliner Freunde haben große Sympathie für unsere Arbeit. Das können Sie mir wirklich glauben.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Frau Ministerin Blechinger trug zu „ihrem“ Gesetzentwurf recht freimütig im Rechtsausschuss vor, sie habe den Referentenentwurf nach Fertigstellung schleunigst dem Finanzministerium zuleiten müssen. Dort sollte gleichsam geprüft werden, ob die Entwurfsverfasser am Ende nicht zu gut gearbeitet hätten. Ziel der Prüfung war es, zu ermitteln, ob der Entwurf tatsächlich nur die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetzt oder darüber hinaus weitere Verbesserungen im Bereich der Jugendstrafe brächte, die man aber nicht bezahlen wolle. Solche Verbesserungen seien nicht besser, sondern eigentlich ziemlich schlecht und daher schleunigst zu streichen.

Die kleine Anekdote illustriert anschaulich, warum sich die von Wissenschaft und Praktikern geforderten Mindeststandards im Entwurf nicht oder nicht vollständig wiederfinden. Der Entwurf der Landesregierung ist das Produkt einer Vorgehensweise, bei der es auch darum ging, nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts möglichst kostensparend umzusetzen.

Liebe Kollegen von der Koalition, Sie verfolgen in Brandenburg doch hoffentlich keinen Resozialisierungs- und Erziehungsansatz bei der Jugendstrafe, weil sich dies das Bundesverfassungsgericht von uns so gewünscht hat, sondern weil, wie ich einmal zu Gunsten jedermanns annehme, er uns selbst ein rechtspolitisches Anliegen und Verfassungsauftrag ist. Eine kostengünstige, aber halbherzige Resozialisierung verursacht langfristig nur neue Straftaten, neue Ermittlungen, neue Verfahren, neue Verurteilungen und neuen Vollzugsbedarf mit neuen Resozialisierungsbemühungen. Immer, als ich gerade „neue“ - sagte, hat es im Landeshaushalt auf der Ausgabenseite über viele Jahre in die Zukunft hinweg laut geklingelt.

Für den Strafvollzug im Allgemeinen und für den Jugendstrafvollzug im Besonderen gilt: Je mehr Sie sparen, umso mehr werden Sie am Ende ausgeben müssen. Bedenken Sie das bitte genau, bevor Sie nachher bei meinen detaillierteren Ausführungen wieder in den reflexhaften Vorwurf verfallen, die Realisierung unserer Vorschläge sei nicht bezahlbar.

Ich möchte nun auf einige wesentliche Unterschiede zwischen dem Entwurf der Landesregierung und unserem Entwurf eingehen. Im Zentrum beider Entwürfe finden Sie Regelungen zur Vermittlung von Bildung und zur Erlangung schulischer und beruflicher Abschlüsse. Sogar die Grundidee ist vermutlich identisch: Ein jugendlicher Mensch, der aufgrund seiner Bildung oder Ausbildung im Gefängnis reale Chancen erhält und deshalb nun über die Befolgung der staatlichen Ordnung mehr Vorteile hat als durch deren Verletzung, wird diese Ordnung künftig nicht mehr verletzen. Zur Umsetzung dieses Ansatzes finden Sie im Entwurf der Landesregierung eine Arbeits- und Bildungspflicht für Jugendstrafgefangene.

Angesichts der allgemeinen Langeweile in Gefängnissen wird die Umsetzung dieser Pflicht kaum auf große Schwierigkeiten stoßen. Das primäre Problem ist doch nicht, dass sich die jugendlichen Straftäter der Fortbildung verweigern. Das Problem ist, dass es zu wenig sinnvolle Angebote innerhalb und außerhalb der Anstalt gibt, die sie überhaupt wahrnehmen könnten.

Unser Entwurf formuliert deswegen einen echten Anspruch auf Aus- und Weiterbildung für die Jugendstrafgefangenen mit Rücksicht auf deren Befähigungen. Nur eine anspruchsgestützte Nachfrage nach Bildung und Ausbildung kann überhaupt ein ausreichendes Angebot sicherstellen.