Protocol of the Session on July 5, 2007

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: „Klage“, nicht „Klau- sel“!)

Ein einfacher Blick in den § 75 Verwaltungsgerichtsordnung hätte den Antragsverfassern geholfen. Hätten Sie einmal da hineingeschaut, hätten Sie das hier nicht zu machen brauchen.

(Gelächter bei der Fraktion DIE LINKE)

Dort ist eindeutig geregelt, Herr Dr. Scharfenberg, dass in jedem Antragsverfahren auf Vornahme eines Verwaltungsaktes abweichend von der Notwendigkeit, ein Widerspruchsverfahren einzuleiten, die Untätigkeitsklausel zulässig ist, wenn die zuständige Behörde ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entscheidet. Wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist als die in § 75 VwGO enthaltene Dreimonatsfrist geboten ist, kann der Betroffene auch zügig gerichtlichen Rechtsschutz beanspruchen.

Auch die weitere Forderung, dem Antragsteller solle unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 2 UIG die Möglichkeit eingeräumt werden, die Art der Akteneinsicht zu wählen, ist jetzt schon Standard. Das hätten Sie nur nachzulesen brauchen. Dies ergibt sich schon aus dem in § 1 des Brandenburgischen Umweltinformationsgesetzes enthaltenen Anwendungsrahmen für das Umweltinformationsgesetz des Bundes. § 3 UIG gehört nicht zu den dort genannten Ausnahmevorschriften. Daher ist jetzt schon Standard, dass bei Beantragung einer bestimmten Art des Informationszugangs dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden kann. § 3 Abs. 2 Satz 2 ist - nur zu Ihrer Information, Herr Dr. Scharfenberg - im Übrigen zwingendes Recht und kann daher auch nicht als Sollvorschrift, wie Sie es fordern, Anwendung finden.

Worum es Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, wirklich geht, zeigt sich in Punkt 3 dritter Spiegelstrich Ihres Antrags. Sie wollen den Schutz unternehmerischer Belange bei Zugang zu Informationen schlichtweg aus den Angeln heben. Sie wollen zukünftig jedermann Zugang zu Unternehmensdaten, insbesondere auch bei laufenden Verfahren im Zusammenhang mit Unternehmen, eröffnen. Dieses schadet dem Land Brandenburg als Investitionsstandort. Damit ist auch offensichtlich, was Sie mit diesem Antrag wirklich erreichen wollen.

Dass Sie dem Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen keine große Bedeutung zumessen, zeigt sich auch darin, dass Sie die ebenfalls schon jetzt zu beachtende zwingende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG des Bundes, der über § 1 des Brandenburgischen Umweltinformationsgesetzes unmittelbar Anwendung findet, durch das Wörtchen „soll“ auf die Ebene einer Ermessensvorschrift reduzieren möchten. Dies ist schlicht und ergreifend ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und würde Datenmissbrauch zulasten von Unternehmen Tür und Tor öffnen.

Auf den Rest Ihres Antrags gehe ich nicht weiter ein. Er ist lediglich deklaratorischer Natur wie die Voraussetzung zum Einlegen einer Untätigkeitsklage. Aber, meine Damen und Herren von der PDS, Sie haben 40 Jahre Erfahrung mit so etwas. Darum versuchen Sie es immer wieder. Aber Sie werden es hier nicht schaffen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Werner spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gedacht, dass die Kolleginnen und Kollegen von der PDS sich einmal den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zuwenden, statt uns diesen Antrag vorzulegen. Ich habe zum Beispiel heute überhaupt noch keinen Hinweis von Ihnen bekommen, weder in Form eines Antrags oder einer Anfrage noch sonst irgendwie, dass heute ein ganz wichtiger Geburtstag ist. Kollege Scharfenberg, wissen Sie von wem? - Der 150. Geburtstag Ihrer Vorkämpferin Clara Zetkin. Aber das wird hier überhaupt nicht erwähnt. Das ist doch ein Topereignis des heutigen Tages.

(Beifall bei CDU und SPD)

Um zum Antrag zurückzukommen: Gestern haben Sie sich hierher gestellt und mehr Datenschutz gefordert. Da war Ihnen das Gesetz nicht weitgehend genug, sondern Sie wollten viel mehr Regelungen, Sie wollten keine Entbürokratisierung und dergleichen. Heute kommen Sie daher und verlangen das Recht auf so gut wie uneingeschränkte Akteneinsicht. Nun erklären Sie uns doch bitte einmal, wie Sie auf der einen Seite Datenschutz gewährleisten wollen, wenn Sie auf der anderen Seite mit so gut wie uneingeschränktem Recht auf Akteneinsicht den Datenschutz wieder aushöhlen wollen. Darauf komme ich noch zurück. Es geht aus vielen Ihrer Punkte hervor, dass dies ein Widerspruch ist, den Sie nicht auflösen können. Das erklären Sie uns bitte einmal!

Im Übrigen darf ich noch einmal darauf verweisen, dass Sie gerade mit dem Datenschutz und der Akteneinsicht sehr viele Erfahrungen aus der Zeit bis 1989 haben. In dieser Tradition stehen Sie nun einmal; das lässt sich nicht wegdiskutieren. Aber Sie wollen zum Beispiel eine Evaluation. Ich frage mich, warum sich die Landesbeauftragte in jedem Jahr die mühevolle Arbeit macht, uns einen wirklich umfangreichen Bericht auch zum Akteneinsichtsrechtsgesetz und zur Praxis damit vorzulegen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LIN- KE])

Nehmen Sie doch einfach einmal die Berichte der zurückliegenden Jahre von Frau Hartge oder ihrem Vorgänger im Amt zur Hand und schauen nach, wie die Erfahrungen mit diesem Gesetz sind. Ich frage mich also, warum es noch einer Evaluation bedarf.

Sie sagen, dass die Bearbeitungsfrist überschritten wird und, Kollege Scharfenberg, lassen sich zu der unwahren Behauptung hinreißen, dass dies keine Seltenheit sei. Ich habe gerade noch einmal in der Antwort auf die Große Anfrage vom vergangenen Jahr nachgeschaut. Es hat im Berichtszeitraum bis 2006 bei der Landesregierung und bei den obersten Landesbehörden 258 Fälle gegeben. Bei 258 Fällen war gerade in 13 Fällen die Monatsfrist überschritten. Das sind 5 %. Da stellen Sie sich hier hin und wollen uns weismachen, das sei keine Seltenheit. Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit!

(Beifall bei der CDU)

Dann setzen Sie dem Ganzen noch die Krone auf, indem die Art der Akteneinsicht selbst gewählt werden soll. Ich konstruiere einmal: Da ist irgendein Vorgang mit 10 oder 15 Aktenordnern. Nun sagt jemand: Ich möchte Einsicht nehmen, ich will Kopien von allen 15 Aktenordnern haben. - Wie stellen Sie sich das vor?

Im Übrigen: Zur Wahrheit gehört auch, dass der von Ihnen zitierte § 3 Abs. 2 UIG einen gewichtigen Grund nennt, dass man das verwehren darf. Ich denke, es gibt mitunter gewichtige Gründe. Ein solches Beispiel habe ich gerade hier genannt. Sie gehen noch weiter und wollen alle möglichen Ausschlussgründe zur Gewährung von Akteneinsichtsrecht reduzieren. Sagen Sie doch gleich, dass Sie alle möglichen Ausschlussgründe abschaffen wollen.

Ich bin einmal so frei und lasse mich dazu hinreißen zu sagen, dass, wenn Sie auch auf Unternehmensdaten einen grenzenlosen Zugriff haben wollen, der Industrie- und Wirtschaftsspionage Tür und Tor geöffnet wird. Dann kann jeder gleich seinen Aktenschrank aufmachen und alle hineinschauen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Wie soll denn eine Wirtschaft ordentlich funktionieren, wenn alle Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden?

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Wir sind doch nicht beim Karneval!)

- Kollege Scharfenberg, beim Karneval mache ich mit meiner Blaskapelle Musik beim Umzug. Dazu lade ich Sie gerne einmal ein. Reden halte ich dort nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LIN- KE])

- Nein, Herr Kollege Scharfenberg, es ist doch so, dass Sie mit Tatsachen nicht umgehen können, wenn Sie hier solche Anträge stellen.

(Görke [DIE LINKE]: Was hat die Blaskapelle damit zu tun?)

- Er hat mich doch gerade auf Karneval angesprochen. Ich habe nur gesagt, was ich beim Karneval regelmäßig mache.

(Bochow [SPD]: Blasen Sie ihm doch einmal den Marsch!)

- Da gibt es verschiedene. Mit welchem soll ich denn anfangen?

Gleich ist Ihre Redezeit um.

Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. - Sie sagen, es gebe im Gesetz Mängel und Defizite. Ich konnte aus der Antwort auf die Große Anfrage im vergangenen Jahr nicht erkennen, dass es Mängel und Defizite im Gesetz gibt. Es gibt möglicherweise bei den Behörden, die damit umzugehen haben, den einen oder anderen Punkt im Umgang mit dem Gesetz, der verbesserungswürdig ist. Aber im Gesetz selbst gibt es diese Mängel nicht.

Im Übrigen ist im UIG des Landes Brandenburg eine Befristung bis zum Ende des nächsten Jahres enthalten. Bis dahin muss sowieso etwas geschehen. Also bedarf es dieses Antrags schon vor dem Hintergrund dieser Befristung nicht.

Eine letzte Bemerkung: Ob man nun das Beauftragtenunwesen gesetzlich noch weiter festigen und regeln sollte, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Es geht auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor, dass es dort, wo der behördliche Datenschutzbeauftragte auch diese Aufgabe wahrnimmt, besser funktioniert. Dann kann man es als Empfehlung an die kommunale Ebene verstehen und die kommunale Ebene dazu ermuntern, dies zu tun.

Warum so zurückhaltend Gebrauch von der Anwendung dieses Gesetzes gemacht wird, das müssen Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen. Wenn der Bedarf nicht besteht, dann arbeiten offensichtlich die Verwaltungen so, wie sie arbeiten sollen, nämlich für den Bürger. Ich kann nur sagen: Wir lassen uns von Ihnen nicht linken. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Zum Abschluss der Debatte spricht Innenminister Schönbohm.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE beinhaltet im Wesentlichen, erstens das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz bis Ende 2007 zu evaluieren und zweitens im Rahmen der Zusammenführung mit dem Brandenburgischen Umweltinformationsgesetz ein modernes Informationsgesetz für Brandenburg zu schaffen.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE hat sich durch Verwaltungshandeln weitestgehend erledigt und könnte eigentlich zurückgenommen werden; denn mit dem Beschluss der Landesregierung vom 28. November 2006, mit dem die Einbringung des Entwurfs für ein Brandenburgisches Umweltinformationsgesetz in den Landtag beschlossen wurde, ist zugleich der Auftrag an das MLUV und das Innenministerium ergangen, eine Zusammenführung der Gesetze zu prüfen und dem Kabinett einen entsprechenden Entwurf bis zum Ende des laufenden Jahres vorzulegen. Dieser Beschluss der Landesregierung ist dem Landtag zugeleitet worden. Das wird Ihnen bekannt sein. Herr Scharfenberg, das scheint heute nicht Ihr Tag zu sein.

Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Herr Minister, ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie schon im Sinne des Antrags handeln. Kann ich das so verstehen, dass Sie auch die inhaltlichen Vorgaben, die wir in diesem Antrag festgehalten haben, als Maßstab für Ihr Handeln ansehen? Wenn Sie mir das jetzt zusagten, dann würde ich für die Fraktion erklären, dass wir den Antrag zurückziehen.

Herr Scharfenberg, ich habe festgestellt: Sie wollen überholen ohne einzuholen. Das gelingt nicht. Wir haben bereits einen Auftrag vom Kabinett, den wir ausführen. Jetzt haben Sie festgestellt: Ach, Donnerwetter, die arbeiten, wir können doch noch ein kleines Schippchen drauflegen. - Nein, wir arbeiten, und zwar so, wie sich das gehört: Schrittweise; wir evaluieren sogar selbstständig ohne externen Sachverstand - stellen Sie sich das einmal vor! -; wir haben ja gute Leute.

Von daher gesehen machen wir das so, und ich freue mich, dass Sie dem zustimmen. Deshalb kann ich - ich habe eine hervorra

gend ausgefeilte Rede - alles zurückstellen und sagen: Was der Kollege Werner gesagt hat, machen wir. Wir werden die Gesetze zusammenführen, dem Landtag das vorlegen, und Sie werden anschließend bei der Erörterung im Innenausschuss und in weiteren Ausschüssen feststellen, dass es sich um einen guten Gesetzentwurf handelt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Im Sinne von Herrn Werner wird das nicht möglich sein!)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Wir sind am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 8 angelangt, und ich lasse über den Antrag der Fraktion DIE LINKE - Zusammenführung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes mit dem Brandenburgischen Umweltinformationsgesetz, Drucksache 4/4784 - abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ohne Stimmenthaltungen ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Wahl eines Mitgliedes des Rates für sorbische (wendi- sche) Angelegenheiten

Antrag mit Wahlvorschlag des Präsidenten