Protocol of the Session on July 4, 2007

Meine Damen und Herren, wie Sie unschwer erkennen können, ist es Punkt 10 Uhr. Daher bitte ich Sie, Ihre Plätze einzunehmen, damit wir beginnen können. Zunächst gratuliere ich dem leider krankheitsbedingt abwesenden Kollegen Thomas Domres sehr herzlich zum Geburtstag. Er feiert heute seinen Geburtstag im Krankenbett. Wir wünschen ihm gute Besserung.

(Allgemeiner Beifall)

Ich darf Sie darüber informieren, dass aufgrund der Beschlüsse des Parteitags der Partei DIE LINKE der Name der Fraktion im Landtag Brandenburg mit Wirkung vom 19. Juni 2007 DIE LINKE.Fraktion im Landtag Brandenburg lautet. Ich hoffe, wir werden uns nicht allzu oft versprechen.

Zur Tagesordnung gibt es folgende Bemerkungen: Über Tagesordnungspunkt 6 „Drittes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes und weiterer Gesetze“ wird nun doch mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten debattiert.

Der Tagesordnungspunkt 13 - Qualität im Tourismus fördern wird in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 12 - Optimierung der Reisegebietsstrukturen im Tourismus - unter Beibehaltung der Redezeiten behandelt.

Gibt es zu diesem Entwurf der Tagesordnung Bemerkungen Ihrerseits? - Da das nicht der Fall ist, bitte ich Sie um Zustimmung zur Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung in der geänderten Fassung beschlossen.

Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass wir heute auf Ministerin Ziegler verzichten müssen; sie wird von Minister Speer vertreten, den ich aber noch nicht sehe.

(Birthler [SPD]: Er kommt mit dem Fahrrad!)

- Ich hoffe, die Radwege sind in gutem Zustand, sodass er bald hier sein wird.

Einige Abgeordnete sind ebenfalls abwesend.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Förderschulen in Brandenburg sichern - Chancen für jedes Kind

Antrag der Fraktion der CDU

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion der CDU. Herr Abgeordneter Senftleben hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ein ganz besonderer Tag im Leben einiger Schüler, als am

vergangenen Freitag die IHK Cottbus zur Auszeichnung von Schulen geladen hatte. Dabei ging es um den Schulpreis 2007 für gelungene Beispiele des wirtschaftsorientierten Unterrichts.

Im Beisein vieler Gäste - auch unseres Bildungsministers wurde die Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte Königs Wusterhausen als diesjähriger Gewinner dieses Schulpreises in Cottbus ausgezeichnet. Die Allgemeine Förderschule Finsterwalde erhielt für ihre Praxisorientierung einen Anerkennungspreis.

Wer dort, wie ich, die vielen lobenden Worte - auch der Politiker - gehört und noch in Erinnerung hat, wird sicherlich nicht den richtigen Eindruck für die Aktuelle Stunde am heutigen Tag haben. Dieses Bild ist aber - ich betone: aber - nicht umfassend; denn in Brandenburg ist auch ein anderes Bild vorhanden.

Bei der gestrigen Schulkonferenz einer Förderschule in Potsdam wurde deutlich, dass die aktuellen Bedingungen in Brandenburg nicht den Anforderungen der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf entsprechen. Zudem sehen sich Förderschulen in ihrer Existenz gefährdet.

Gestärkt wird diese Sorge durch folgendes Zitat auf der Homepage des Bildungsministeriums. Dort heißt es in Bezug auf die Förderschulen und den gemeinsamen Unterricht:

„Eine dauerhafte Aufrechterhaltung beider Systeme, das heißt insbesondere der Förderschulen im jetzigen Umfang, liegt weder im Interesse der inhaltlichen Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Fördersysteme, noch ist das unter finanziellen Gesichtspunkten sinnvoll.“

Diese Botschaft ist eindeutig und klar. Das Ministerium spricht den Förderschulen die Fähigkeit ab, guten Unterricht anzubieten. Die Förderschulen sollen aus der brandenburgischen Bildungslandschaft gestrichen werden. Dies liegt nicht im Interesse unserer Kinder, und dies werden wir nicht mittragen.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion steht für den Erhalt der Förderschulen von Klasse 1 bis 10 in Brandenburg, so wie es im Schulgesetz vor nicht einmal einem halben Jahr im Landtag beschlossen wurde.

Die CDU-Fraktion steht für ein vielfältiges Bildungssystem des gemeinsamen Lernens,

(Bischoff [SPD]: Ohne rot zu werden! - Weitere Zurufe von der SPD und von der Fraktion DIE LINKE)

wenn es der Wunsch und der Wille der Lehrer, der Schüler und der Eltern vor Ort ist.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

- Ruhig bleiben!

Die CDU-Fraktion steht für ein gutes Bildungssystem mit Chancen für jedes Kind. Vor allem leistungsschwache und behinderte Schüler benötigen unsere Hilfe, damit sie auch in Brandenburg eine berufliche Perspektive haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle wissen um die sinkenden Schülerzahlen und sind uns der damit verbundenen Konsequenzen bewusst. Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass der prozentuale Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Brandenburg von 5 % auf 8 % gestiegen ist. Dies hat eindeutig inhaltliche und nicht etwa strukturelle Gründe. Es ist falsch, zu sagen, eine Strukturveränderung sei eine inhaltliche Veränderung. Wir müssen inhaltliche Antworten geben.

Hinter diesen 8 % verbergen sich 16 000 Kinder in Brandenburg. 11 500 von ihnen besuchen eine Förderschule oder eine der 109 Fördereinrichtungen in Brandenburg. Unbestritten leisten die Lehrer in diesen Schulen einen wichtigen pädagogischen Beitrag. Aber jene Lehrer, jene Kinder und deren Eltern sind derzeit nicht in Sommerstimmung. Sie sind verunsichert und wissen nicht, was sie zukünftig erwartet; denn die aktuellen Bestimmungen machen die Einrichtung von 1. und 2. Klassen in Förderschulen unmöglich. Dieses Verfahren heißt FdL Förderdiagnostische Lernbeobachtung. Es treibt einen Keil zwischen die Partner des gemeinsamen Unterrichts und die Förderschulen und ist weder im Interesse unserer Kinder noch im Interesse unserer aktiven engagierten Förderschulen oder im Interesse der vielfältigen Grundschulen des Landes. Dieses Verfahren ist nicht Wille des Landtags bzw. der Abgeordneten; es ist nicht vereinbar mit dem Schulgesetz, das wir vor einem halben Jahr beschlossen haben. Dieses Verfahren wird massiv dazu benutzt, gegen die Förderschulen und ihre Arbeit mobilzumachen.

Wir alle wissen, welch sensible Phase die Grundschulzeit ist. In den ersten Jahren werden die Grundsteine vieler Lernkompetenzen gelegt. Deswegen ist es nicht sinnvoll, ohne klare Rahmenbedingungen und Voraussetzungen sowie ohne genügend Sonderpädagogen und Förderunterricht Strukturveränderungen herbeiführen zu wollen. In der Anhörung ist von einer Expertin ausgeführt worden:

„Ein Wechsel nach Klasse 2 auf eine Förderschule könnte traumatische Auswirkungen haben, was aus pädagogischer Sicht niemand wollen kann.“

- Dies ist eine klare Ansage. Das heißt, in Brandenburg werden die Kinder nicht zu früh, sondern zu spät gefördert; das müssen wir auch inhaltlich berücksichtigen. Die richtige Konsequenz wäre, über die künftige Ausbildung von Sonderpädagogen in Brandenburg nachzudenken. Bedarf an ihnen ist auf jeden Fall vorhanden.

Es darf nicht sein, dass ein Förderschüler von Klasse 3 bis 6 über 300 Unterrichtsstunden weniger hat als ein gleichaltriger Schüler einer Grundschule; das ist eine Ungleichbehandlung, der wir mit einer klaren Entscheidung für die Förderschulen und für die Ausbildung im sonderpädagogischen Bereich begegnen müssen.

Wir als CDU freuen uns über jede beim gemeinsamen Lernen erfolgreiche Schülerin und jeden erfolgreichen Schüler, wohl wissend, dass es dazu eines großen Einsatzes vonseiten der Schulen bedarf. Es gibt aber Kinder und Eltern, die einen anderen Weg wählen. 70 % der Familien in Brandenburg entscheiden sich für eine Schulzeit in der Förderschule. Es macht aus ihrer Sicht eben einen Unterschied, ob sie in der Grundschule im Durchschnitt fünf Stunden pro Woche eine Sonderpädagogin zur Verfügung haben oder ob diese die ganze Woche über

zur Verfügung steht. Es ist aus ihrer Sicht eben nicht das Gleiche, ob sie in einer kleinen Förderschulklasse mit acht Schülern lernen oder in einer Grundschulklasse mit 23 Kindern, die ebenfalls alle Aufmerksamkeit brauchen. Es geht nicht um ein ideologisches Wunschkonzert, sondern um klare Fakten, um die Lernbedürfnisse der Kinder in Brandenburg.

Alle reden vom zunehmenden Fachkräftemangel; das ist, gerade hier in Brandenburg, ein großes Thema. Ich höre immer nur vom Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften. Wo bleiben die leistungsschwächeren und behinderten Schüler in dieser Arbeitwelt? Unserer Auffassung nach gehören sie mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten mitten hinein. Herr Baaske sagte, es sei nicht länger hinzunehmen, dass Förderschüler zu fast 100 % keine Lehrstelle und keinen Job erhielten. Auf der gestrigen Schulkonferenz sagte mir ein Lehrer, er sei stolz darauf, dass einer seiner ehemaligen Schüler Lokführer sei, ein anderer eine Ausbildung zum Glaser absolviere und ein weiterer Koch beim „Seminaris Hotel“ in Potsdam sei. Wir sprechen diesen Schülern Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht ab; die besitzen sie genau wie andere Schüler in Brandenburg.

(Frau Alter [SPD]: Das hat auch niemand bezweifelt! - Beifall bei der CDU)

Unser Weg ist: mehr Praxis in der Schule, mehr Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft und eine gute Berufsvorbereitung als Sprungbrett ins Berufsleben.

Bei der Vergabe des IHK-Schulpreises waren die jungen Leute stolz auf ihre Leistungen. Sie waren stolz, ihren Vortrag vor vielen Menschen halten zu können. Wir sollten einen Beitrag dazu leisten, dass auch andere Kinder stolz auf ihre Leistungen sein können, und entsprechend handeln. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Während die Abgeordnete Große zum Rednerpult kommt, begrüße ich unsere Gäste von der Maxim-Gorki-Gesamtschule in Kleinmachnow. Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Für die Opposition ist es natürlich immer ein Fest, wenn sich zwischen den Koalitionspartnern ein Streit entzündet. Die Freude darüber hält sich jedoch in Grenzen; denn dieser ideologische Streit wird auf dem Rücken von schwachen Schülern ausgetragen. Wir werden uns daran nicht beteiligen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Zunächst die gute Botschaft: In den vergangenen Jahren hat es im parlamentarischen Raum eine gründliche Beschäftigung mit diesem Thema gegeben. Sowohl das Schulgesetz als auch die entsprechenden Verordnungen wurden nicht einfach abgesegnet, sondern es wurden der Verband der Sonderpädagogen und andere Akteure besser als je zuvor beteiligt. Am vergangenen Sonnabend hat der Landesschulbeirat eine 2. Lesung der ent

sprechenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften regelrecht erzwungen; in der dann durchgeführten 1. Lesung wurden alle Probleme gründlich debattiert.