Protocol of the Session on April 25, 2007

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Plenarsitzung im Landtag Brandenburg. Unsere Gäste marschieren gerade ein. Es sind Mitglieder der Jugendfeuerwehr in Crinitz. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Gemäß § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung zeige ich Ihnen hiermit an, dass die Fraktion der DVU am 20. März 2007 Vorstandswahlen durchgeführt hat. Als Vorsitzende wurde Frau Abgeordnete Liane Hesselbarth, als Stellvertreter wurden Herr Michael Claus und Herr Norbert Schulze sowie als Parlamentarischer Geschäftsführer Herr Sigmar-Peter Schuldt gewählt.

Die Tagesordnung mit den von den Parlamentarischen Geschäftsführern vereinbarten Änderungen liegt Ihnen vor. Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Wer nach dieser Tagesordnung heute arbeiten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.

Ich habe Ihnen eine Reihe von Abwesenheitsmeldungen mitzuteilen. Ministerpräsident Platzeck und Minister Rupprecht sind an beiden Sitzungstagen ganztägig abwesend. Die Planung ihrer Reise nach Israel hatte einen längeren Vorlauf als die unserer Sitzungstermine; die Reise ist bereits im Mai 2006 verabredet worden. Minister Woidke ist krankheitsbedingt heute ganztägig abwesend, hat aber versprochen, morgen wieder hier zu sein. Einige Abgeordnete fehlen ebenfalls.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Unternehmensteuerreformgesetz 2008 - ordnungs- und strukturpolitisch der falsche Weg

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Wir eröffnen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS. Es spricht die Abgeordnete Osten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion hat für den heutigen Tag das benannte Thema zur Aktuellen Stunde beantragt. Wir wollen also über die Unternehmenssteuerreform bzw. über das Gesetz für 2008 diskutieren. Schon im Titel steht die Aussage, die wir als sehr wichtig empfinden, nämlich dass dies ordnungs- und strukturpolitisch der falsche Weg ist. Nun könnten einige durchaus der Meinung sein, dies betreffe den Landtag nicht und sei vielleicht kein aktuelles Thema, weil es ja erst um nächstes Jahr gehe. Da habe ich zwei Gegenargumente:

Erstens geht dieses Gesetz uns alle an, denn es geht um die finanzielle Situation der öffentlichen Kassen bzw. auch der

Unternehmerinnen und Unternehmer im Land. Zweitens findet heute im Bundestag eine Anhörung zu diesem Gesetz statt, und morgen wird sich der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates damit befassen. Es ist also hochaktuell und gehört auch hierher.

Noch eine Vorbemerkung, ganz speziell an Herrn Baaske: Es geht uns nicht um Wettbewerb darum, welche Fraktion sich als erste positioniert hat. Sie schienen mir gestern sehr verärgert darüber, dass wir die Initiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes so vehement unterstützt haben. Ganz im Gegenteil: Ich lade Sie ausdrücklich ein, mit uns einer Meinung zu sein und dann auch in den zuständigen Gremien durchzusetzen, dass das Gesetz in der vorliegenden Form nicht beschlossen, sondern gründlich überarbeitet wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Dr. Klocksin [SPD]: Sie ziehen also Ihren Antrag zurück?)

Ganz abgesehen davon, dass sich die Bundesregierung mit diesem Gesetz vom eigenen Koalitionsvertrag verabschiedet - darin steht „nachhaltige Sicherung der deutschen Steuerbasis“ -, geht es um sehr viel Geld, das der öffentlichen Hand nicht mehr zur Verfügung gestellt werden soll. Die Bundesregierung schätzt diese Summe auf 5 bis 6 Milliarden Euro. Wir alle wissen aber, dass Experten diese Summe auf ungefähr 12 Milliarden Euro jährlich schätzen. Das ist mittlerweile auch bei der Landesregierung angekommen. Der Finanzminister hat sich in seiner - ich sage einmal - hemdsärmeligen Art zu dem Ergebnis, dass das Land mit Mindereinnahmen von 150 Millionen Euro rechnen müsse, auch schon öffentlich ablehnend gegenüber diesem Gesetz geäußert. Diese Mindereinnahmen widersprechen auch aus Sicht meiner Fraktion dem notwendigen Konsolidierungsziel der öffentlichen Hand und dessen Koppelung an die Beseitigung struktureller Defizite.

Dagegen allerdings positioniert sich der kleine Koalitionspartner in Person von Wirtschaftsminister Junghanns dahin gehend, dass aus Sicht der im Land ansässigen großen Kapitalgesellschaften einiges dafür spricht, dem vorliegenden Gesetzentwurf zu entsprechen. Leider vergisst er dabei, dass die Unternehmensstruktur im Land Brandenburg zu 90 % aus kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht und sich für diese Unternehmen steuerliche Entlastungseffekte nur bedingt einstellen werden. Sogar dies bezweifle ich, denn es werden ja 40 neue Informationspflichten eingeführt, und das kostet - so denke ich - Zeit und damit auch Geld.

Nachdem sich der Ministerpräsident in der Vergangenheit oft zu wichtigen bundespolitischen Themen und Entscheidungen, die teilweise sogar verheerende finanzpolitische Folgen für das Land hatten, äußerte - ich erinnere da zum Beispiel an die Regionalisierungsmittel -, schwieg er diesmal anfänglich, hat sich aber dann, über Ostern, aus der Deckung getraut. Er sagte, nach aktuellem Kenntnisstand würde er dieser Unternehmenssteuerreform ablehnend gegenüberstehen. Der rot-rote Senat in Berlin hat seine Meinungsbildung übrigens längst abgeschlossen. Morgen wird der Senat in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates den Antrag einbringen, den Entwurf dieses Gesetzes in der vorliegenden Fassung abzulehnen.

Der Gesetzentwurf muss überarbeitet werden. Das heißt, es ist nicht alles schlecht. Wir begrüßen ausdrücklich, dass an der Gewerbesteuer festgehalten wird und geplant ist, ihre Struktur

zu verbessern. Kritisch muss ich aber anmerken, dass ein Finanztableau, in dem die konkreten Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden dargestellt werden, im Gesetzentwurf fehlt. Das ist unverständlich, politisch höchst problematisch und angesichts einer so umfassenden Reform schlicht nicht angemessen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

So ist für die Städte und Gemeinden mehr als zweifelhaft - und das wurde bereits öffentlich widerlegt -, dass sich die politische Zusage der kommunalen Aufkommensneutralität tatsächlich einstellt. Das bezweifle ich sehr, und andere tun das auch. Denn trotz der derzeit höheren Einnahmen bleibt die Finanzsituation der Kommunen in Brandenburg insgesamt weiter angespannt. Der Geschäftsführer des Brandenburgischen Landkreistages, Dr. Humpert, spricht sogar davon, dass sich die Finanzkrise der Kommunen unvermindert fortsetzt. Die Gelder aus der Gewerbesteuer fließen nur punktuell und verteilen sich extrem ungleich über das Land. So wandern fast drei Viertel der Einnahmen in die Kassen von nur 9 % der märkischen Kommunen, sodass sich die finanzielle Schieflage eher verschärft. Wie schon 2006 können voraussichtlich auch in diesem Jahr nur drei von 16 Landkreisen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Deshalb ist mehr als verständlich, dass sich der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund - um es vorsichtig auszudrücken - gegenüber dem vorliegenden Entwurf sehr reserviert verhalten und entsprechende Korrekturen verlangen.

Deshalb fordern wir hier zum wiederholten Male von der Landesregierung ein, die Kommunen und Gemeinden zu unterstützen. Beweisen Sie das mit dem gepriesenen Augenmaß und nehmen Sie auf Bundesebene diesbezüglich Einfluss. Ich möchte daran erinnern, dass auch in der Vergangenheit in diesem Haus sowohl Steuersenkungs- als auch Steuererhöhungspolitik debattiert wurde. Leider waren beides Einbahnstraßen. Während die Steuersenkung stets Großverdiener und große Unternehmen betraf, ging es in jüngster Zeit bei den Debatten, zum Beispiel über die Erhöhung der Mehrwertsteuer, immer um Steuererhöhungen für die Bezieher von Arbeitseinkommen bzw. die Abschaffung oder Einschränkung von Steuerbegünstigungen für Arbeitnehmer; ich erinnere an die Pendlerpauschale.

Ein Steuersystem muss zwei wesentlichen Anforderungen genügen. Erstens muss die Finanzierung der öffentlichen Ausgaben gesichert sein. Zweitens ist zu gewährleisten, dass die Steuerzahler entsprechend ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit zum Steueraufkommen beitragen, damit die unvermeidlichen finanziellen Belastungen gerecht verteilt werden.

Stellen wir den vorliegenden Gesetzentwurf auf den Prüfstand. Ich möchte nur fünf Kriterien nennen.

Erstens: Das Kriterium „Sicherung der Steuerbasis“ wird nicht erfüllt, weil die Verwirklichung des vorliegenden Entwurfs, wie schon gesagt, milliardenschwere Ausfälle zur Folge hätte.

Zweitens: Steuerprivilegien global wirtschaftender Konzerne werden nicht aufgehoben, der Mittelstand wird nicht gestärkt. Insbesondere der eigenkapitalschwache Brandenburger Mittelstand wird durch die Reform keine Entlastung erfahren.

Drittens: Die Rechtsformneutralität der Besteuerung wird nicht erreicht, weil Einzelunternehmer und Personengesellschaften

auch zukünftig Einkommensteuer zahlen; Kapitalgesellschaften werden gegenüber Personengesellschaften bevorteilt.

Viertens: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland wird nicht verbessert. Stattdessen wird die Steuerkonkurrenz unter den EU-Staaten weiter forciert.

Fünftens: Auch die Entlastung der Unternehmen von Bürokratie wird nicht erreicht. Im Gegenteil, das Steuerrecht wird verkompliziert, was zu höheren bürokratischen Lasten führt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was wir wirklich brauchen, sind wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerflucht. Notwendig sind eine mittelfristige Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen und eine Umsetzung der Besteuerung aller Kapitalentgelte innerhalb der EU. Zudem wollen wir die Bemessungsgrundlage verbreitern und die Gewerbesteuer ausbauen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich erinnere daran: Die steuerliche Entlastung von Kapitalgesellschaften geht nicht, wie der Mainstream der Wirtschaftsund Finanzpolitik postuliert, mit einem entsprechenden Anstieg der Investitionstätigkeit, einer signifikanten Verbesserung von Arbeitseinkommen und mehr Beschäftigung einher. Die Erfahrungen zeigen, dass die Löcher der öffentlichen Haushalte durch fehlende Gegenfinanzierung größer werden. Steuerentlastungen in Zeiten von Wachstum sind sehr umstritten.

Deshalb gebe ich dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister gern Recht: Brandenburg darf diesem Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass es im Verlaufe der Beratungen im Bundestag noch überarbeitet wird. Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam daran mitwirken. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht Herr Abgeordneter Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fasse die Ausführungen meiner Vorrednerin zusammen: Die Fraktion der Linkspartei.PDS hält die Reform für den falschen Weg. Sie hat auch den Antrag gestellt, diese Reform - Zitat - „zu verhindern“.

Ich denke, kaum jemand im Saal ist über Ihren Redebeitrag und die teilweise falschen Argumente, die Sie genannt haben das bin ich von Ihnen nicht gewohnt - überrascht.

(Widerspruch bei der Linkspartei.PDS)

Schon gar nicht überrascht uns Ihr wiederholter Versuch, diese Reform zu verhindern.

Liebe Frau Kollegin Osten, gestatten Sie mir eine weitere kurze Erwiderung: Hier geht es nicht um einen Wettbewerb darum,

wer sich zuerst positioniert; hier geht es um eine grundlegende Reform, zu der wir jedenfalls stehen.

(Frau Osten [Die Linkspartei.PDS]: Das haben Sie ganz falsch verstanden!)

Ich muss erneut feststellen: In allen Reformdebatten ist die Linkspartei.PDS zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk, im DDR-Jargon: wie eine Ruhla-Uhr. Sie als Linkspartei.PDS haben auch die Reform des Arbeitsmarktes für den falschen Weg gehalten und hier im Plenum den Antrag gestellt, diese Reform zu verhindern.

Sie als Linkspartei.PDS haben die Gesundheitsreform für den falschen Weg gehalten und hier im Plenum den Antrag gestellt, diese Reform zu verhindern.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Fragen Sie einmal die Betroffenen!)

Sie als Linkspartei.PDS haben die Reform der Rente für den falschen Weg gehalten und hier im Plenum den Antrag gestellt, diese Reform zu verhindern.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Fragen Sie die Ge- werkschaften!)

Frau Kollegin Fraktionsvorsitzende, Ihre Ablehnung erfolgte immer ohne Vorlage eines eigenen Gesamtkonzeptes, das heißt ohne Alternativvorschlag.