Protocol of the Session on November 23, 2006

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Bundesratsinitiative „Qualifikationsoffensive 45 Plus“

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/3691

Die Debatte wird von der Abgeordneten Fechner eröffnet. Sie spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor über einem Jahr haben wir hier im Plenum einen fast gleichlautenden Antrag eingebracht, doch Sie hatten diesen Antrag damals abgelehnt. Mittlerweile hat sich das Problem der älteren Langzeitarbeitslosen verschlimmert. Deshalb hat meine Fraktion beschlossen, diesen Antrag heute erneut einzubringen.

Inhaltlich unterscheidet sich dieser Antrag nicht von dem, den wir vor einem Jahr eingebracht haben. Demzufolge kann ich mir eine ausführliche Begründung ersparen, es sei denn, jemand hat den Wunsch, dann kann ich den Antrag auch sehr ausführlich begründen.

Ich möchte kurz darlegen, worum es in unserem Antrag geht: Wir möchten ein bundesweit angelegtes Weiterbildungsprogramm zur Reintegration Arbeitsloser, die das 45. Lebensjahr überschritten haben. Es ist richtig, es gibt bereits einige Bemühungen seitens des Bundes, aber auch des Landes, ältere Arbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Natürlich wissen wir, dass nach § 417 SGB III eine Förderung der Fortbildung von über 50-Jährigen möglich ist und es eine Akademie 50 plus gibt usw. Doch das sind Programme für Arbeitslose ab 50 Jahre. Was wir von der Fraktion der Deutschen Volksunion wollen, ist erstens eine Qualitätsinitiative bereits für über 45-Jährige. Denn gerade die heutigen Jahrgänge der 45- bis 50-Jährigen werden bis 2010 den prognostizierten Fachkräftemangel in Brandenburg abzudecken haben. Wir möchten zweitens ein bundesweites, innovatives Fortbildungsprogramm, das diesen Namen auch verdient, statt eines Fortbildungsprogramms, das nur den Weg in den Ruhestand überbrücken soll.

(Beifall bei der DVU)

Wie diese Qualitätsinitiative aussehen könnte, hatte mein Kollege Sigmar-Peter Schuldt im letzten Jahr ausführlich dargelegt. Das alles noch einmal zu wiederholen erspare ich mir.

Sicherlich wäre es nicht verkehrt, wenn wir auch Qualifizierungsprogramme für 30-, 35- und 40-Jährige hätten. Doch die akute Notwendigkeit ist für diese Altersgruppen Gott sei Dank noch nicht gegeben. Noch haben diese Altersgruppen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als die über 45-Jährigen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen genauso gut wie ich, dass es über kurz oder lang zu einer Erhöhung des Durchschnittsalters der Belegschaften der noch verbliebenen mittelständischen Betriebe kommen wird. Bereits 2010 werden nach statistischen Berechnungen mehr als 45 % aller Erwerbstätigen in Deutschland über 45 Jahre alt sein, in Brandenburg ange

sichts seines besonders hohen Geburtendefizits sowie der massiven Abwanderung gerade jüngerer Menschen sogar wesentlich früher. Angesichts dieser unmittelbar drohenden Entwicklung ist das Brachliegenlassen des ungeheuren Potenzials der Generation 45 plus eines der eklatanten Versäumnisse von Politik und Wirtschaft in der Gegenwart. Statt diese Generation zunehmend zu Hartz-IV-Empfängern zu stempeln und gleichzeitig das Renteneintrittsalter anzuheben, sollten gerade die Kenntnisse, Fähigkeiten und nicht zuletzt die Lebenserfahrungen dieser Menschen hier in Brandenburg wie in ganz Deutschland für die weitere wirtschaftliche Entwicklung genutzt werden.

Wenn Sie es daher, meine Damen und Herren, ernst damit meinen, die Arbeitslosigkeit gerade älterer Arbeitnehmer wirklich zu senken, und zwar nicht durch die Mogelpackung von 1-Euro-Jobs, sollten Sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Schulze spricht für die Koalitionsfraktionen.

Zwei kurze Einlassungen seien mir gestattet:

Erstens: Die Bundesregierung richtet mit ihrer Initiative 50 plus den Fokus ihrer arbeitsmarktpolitischen Aktivitäten noch einmal und in besonderer Art und Weise verstärkt auf die Gruppe der älteren Arbeitslosen. Damit sollen mehr ältere Arbeitslose wieder in Beschäftigung gebracht werden. Als Instrumente sind unter anderem Lohnkostenzuschüsse und ein präzisierter Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitslose vorgesehen. Das, was Sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen, ist, dass Weiterbildungskosten - das schreiben Sie in Ihrem Antrag selbst, angelegtes Weiterbildungsprogramm zur Reintegration 45-Jähriger und älterer - für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wenigstens 45 Jahre alt sind, zukünftig nicht nur von Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten, sondern von Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten, also der gesamten Bandbreite der mittelständischen Unternehmen, die weit über 90 % der Beschäftigungsverhältnisse hier in diesem Land ausmachen, in Anspruch genommen werden können. Das ist eine deutliche Ausweitung, die vorgenommen worden ist. Insofern läuft Ihr Antrag schlicht ins Leere. Es steht zu vermuten, dass Sie den nächsten Antrag auf 25 plus oder Ähnliches richten. Auch das ist nicht in jedem Fall von der Hand zu weisen. Aber man muss sich deutlich überlegen, was Angelegenheit des Landes und was Angelegenheit des Bundes ist.

Zweitens: Wer sich mit der Geschichte der Landesarbeitsmarktpolitik im Land Brandenburg beschäftigt hat, weiß, dass

wir in den Jahren 1994 bis 1996 ein Programm mit dem Namen „Förderung von Arbeitsaufnahme für Frauen ab 45“ hatten. Diese Förderung wurde 1996 eingestellt, nicht, weil wir sie nicht mehr für wichtig erachtet haben, sondern weil sie damals durch eine politische Initiative - unter anderem des Landes Brandenburg und unserer sehr verehrten Regine Hildebrandt in das Arbeitsförderungsgesetz - jetzt SGB III - aufgenommen worden ist. Darin ist sie heute noch enthalten, und die Bundesagentur für Arbeit verfügt mit einem erheblichen Finanzpotenzial darüber.

Beide Punkte zusammen betrachtet sollten uns darin bestärken, die nur in begrenztem Maße zur Verfügung stehenden Mittel der Arbeitsmarktförderung und des Landeshaushalts nicht für Dinge auszugeben, für die regulär die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist, die in diesem Bereich förderfähig ist und dafür auch Geld hat.

Aus diesem Grund werden die Koalitionsfraktionen Ihren Antrag ablehnen. Das ist keine Angelegenheit für diesen Landtag; diese Dinge sind bereits geregelt. Das Problem ist nicht, dass wir neue Gesetze oder Initiativen brauchen; vielmehr müssen die vorhandenen Initiativen ausgefüllt werden. Das scheint mir eher der Knackpunkt zu sein. Aber solche Dinge kann man schlecht beschließen, weil es Forderungen „in die Luft“ sind. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Für die Linkspartei.PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Görke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wiedersehen macht Freude!“ Dieses Sprichwort trifft auf den vorliegenden DVU-Antrag - Bundesratsinitiative „Qualifikationsoffensive 45 Plus“ - nicht zu. Der heutige Antrag ist genauso oberflächlich wie der damalige. Ihm fehlt jede Analyse der tatsächlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt und der entsprechenden Qualitätsanforderungen der Arbeitsuchenden.

Sie, Frau Fechner, haben ein Jahr verstreichen lassen, um uns einen Antrag noch einmal unverändert zu präsentieren. Das ist nicht nur peinlich, sondern zeigt einmal mehr, dass sie in puncto Qualitätsoffensive in Ihren eigenen Reihen doch mehr Nachholbedarf haben als andere. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Da die Landesregierung verzichtet, erhält die antragstellende Fraktion noch einmal das Wort. Frau Fechner, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schulze, Sie haben nicht richtig zugehört. Ich habe begründet, warum wir eine Bildungsoffensive 45 Plus brauchen. Je länger die Menschen zu Hause untätig herumsitzen müssen, desto schwerer fällt es ihnen, in das Arbeitsleben zurückzukehren. Wenn man

den von Bevölkerungs- und Wirtschaftswissenschaftlern prognostizierten Zahlen Glauben schenken darf, dann sind wir in absehbarer Zukunft gerade auf diese Altersgruppe angewiesen. Aus diesem Grund haben wir diesen Antrag konzipiert.

Es gibt hier in Brandenburg einige Landkreise, die das zum Teil schon praktizieren. Sie haben erkannt, dass eine Förderung nach SGB III für Leute ab 50 Jahre wesentlich zu spät greift. Darum geht es in unserem Antrag. Wir möchten, dass Leute ab 45 plus in den Genuss von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen kommen. Um nichts anderes geht es.

(Schulze [SPD]: Das ist jetzt schon möglich, Frau Fechner!)

Ich hoffe, dass ich mit meinen zusätzlichen Argumenten dazu beitragen konnte, dass Sie Ihr angekündigtes Abstimmverhalten überdenken. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/3691 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie - federführend - und an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer diesem Begehr Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag wurde ohne Enthaltungen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.

Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 4/3691 in der Sache abstimmen. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Der Antrag wurde ohne Enthaltungen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Freiwilligendienste stärken

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/3696

Der Abgeordnete Krause beginnt die Debatte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freiwilligendienste sind eine der wenigen Erfolgsgeschichten, die unser Land zu bieten hat. Bis zu zehn Mal mehr Jugendliche würden gerne nach der Schule einen solchen Dienst leisten, aber die Plätze dafür sind nicht vorhanden. Aktuell werden durch das Land zusammen mit der Europäischen Union 120 Plätze im Freiwilligen Ökologischen Jahr und nur 33 Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr gefördert. Der von den Trägern der Einsatzstellen formulierte Bedarf liegt jedoch deutlich darüber. Unser Antrag trägt diesem Bedarf Rechnung.

Warum sollten wir mehr Jugendlichen die Tätigkeit in einem Freiwilligendienst ermöglichen? Ihnen wird damit die Möglichkeit geboten, unterschiedliche Formen und auch die Erfol

ge bürgerschaftlichen Engagements kennenzulernen. Viele der ehemaligen Freiwilligen arbeiten auch nach dem Jahr weiterhin ehrenamtlich in sozialen Bereichen. Ihr Bewusstsein für Verantwortung und ihre Teilhabe an unserer Gesellschaft wurde gesteigert und ausgebaut. Jugendliche lernen in diesem Jahr, ihre Interessen aktiv einzubringen. Sie gestalten Inhalte und Projekte, sie wirken in Gremien und politischen Arbeitskreisen mit. Das bedeutet, sie beteiligen sich, sie bringen sich in unser Gemeinwesen ein und sie mischen sich ein. Der Freiwilligendienst stellt also ein wichtiges Übungsfeld für demokratische Partizipation und Mitbestimmung dar.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Im Freiwilligen Jahr kommen Jugendliche unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen. Der Einstieg in das Arbeitsleben und die damit einhergehende Übernahme von Verantwortung fördert ihre Selbstständigkeit und ihr Selbstbewusstsein. In den Seminaren und in den Einsatzstellen entwickeln und stärken die jungen Freiwilligen verschiedene soziale Kompetenzen wie Konfliktfähigkeit, Kommunikations- und Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und die Wahrnehmung von Verantwortung. In diesem Prozess werden sie von pädagogischen Fachkräften unterstützt. Die Jugendlichen erhalten somit die Chance, in einem wichtigen Lebensabschnitt notwendige Kompetenzen für ein selbstbestimmtes Leben zu erwerben und sich für die zukünftigen Herausforderungen zu orientieren.

Durch die Vielfalt der angebotenen Einsatzstellen für die Absolvierung eines Freiwilligen Jahres eröffnen sich den Jugendlichen unterschiedlichste Tätigkeitsfelder und Erfahrungsräume, in denen sie sich auf die Arbeitswelt vorbereiten können. Freiwilligendienste werden also verstärkt als Zeit der beruflichen Orientierung und zur Erprobung genutzt. Gleichzeitig dient es - quasi nebenher - dem Erwerb von Schlüsselqualifikationen für Ausbildung und Beruf. Dadurch werden auch Jugendliche mit schlechteren Zugangsvoraussetzungen und Benachteiligungen gestärkt und somit ihre Chancen, einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu finden, erhöht.

Untersuchungen zum weiteren Werdegang von ehemaligen Freiwilligen zeigen sehr deutlich, dass Jugendliche, die zum Beispiel ein Freiwilliges Ökologisches Jahr geleistet haben, eine höhere Chance haben, einen Ausbildungs-, Arbeits- oder Studienplatz zu bekommen. Wen wundert es also, dass Freiwilligendienste stark gefragt und heiß begehrt sind? Freiwilligendienste vermitteln Jugendlichen soziale Verantwortung und Kompetenz, sie stärken Jugendliche in ihrer Selbstständigkeit, bewegen zu bürgerschaftlichem Engagement und befähigen zur politischen Partizipation. Freiwilligendienste bringen Jugendliche oft in Ausbildung.

Mit diesem Antrag haben Sie nun die Möglichkeit, Jugendlichen in unserem Land eine Perspektive zu geben. Dass dies möglich ist, zeigen uns andere Bundesländer. So stellen Thüringen 185, Berlin 262 und Sachsen sogar 1 000 Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr bereit, die mit Landesmitteln gefördert werden. Brandenburg fördert - noch einmal zur Erinnerung lediglich 33 solcher Plätze. Selbst die von uns geforderten 300 Stellen sind also lediglich ein Drittel von dem, was sich Sachsen in diesem Bereich leistet. Aber diese 300 Stellen entsprechen dem Brandenburger Bedarf und sind deswegen auch zu rechtfertigen.

Stimmen Sie unserem Antrag zu und leisten Sie damit hier und jetzt ganz konkret einen wichtigen Beitrag zum vorsorgenden Sozialstaat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)