Protocol of the Session on January 26, 2006

Der Ministerpräsident wies darauf hin, dass wir den Zug schon auf die Schienen gestellt haben und dass er nicht erst das Abfahrtssignal erhalten hat, sondern bereits rollt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Überraschend - nicht nur für mich, sondern für die meisten einigten sich Mitte Dezember des Jahres 2005 die Staats- und Regierungschefs der europäischen Länder über die finanzielle Vorausschau auf die Jahre 2007 bis 2013. Möglich wurde dies durch einige Zugeständnisse. So beharrte die Bundeskanzlerin nicht auf einer Nettobeitragshöhe von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens, die Briten verzichteten auf einen Teil ihres Rabattes und die Franzosen stimmten wiederum einer Überprüfung der finanziellen Vorausschau bereits im Jahr 2008, eventuell 2009 zu, was meine Vorredner bereits erwähnten.

Nach der Abstimmung des Europäischen Parlaments am Mitt

woch vergangener Woche ist die finanzielle Vorausschau - es scheint zumindest so - Makulatur.

(Frau Stobrawa [Die Linkspartei.PDS]: Die Programme werden eingereicht!)

Zu gravierend unterscheiden sich noch die Vorstellungen der Kommission und des Parlaments; schließlich sah der Parlamentsansatz ein weitaus höheres Budget vor. Vor allem höhere Ausgaben in den Bereichen Bildung und Forschung, Wissenschaft und ländliche Entwicklung - auf die ich noch eingehen werde - galt es an dieser Stelle zu vermelden.

Das Votum des Parlaments ist zwar durchaus bedauerlich, jedoch nachvollziehbar. Bedauerlich, weil eine große Chance vertan wurde; denn nach den gescheiterten Verfassungsabstimmungen und dem Hickhack um den Beitritt der Türkei wäre eine positive Abstimmung ein Signal für die Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit der 25 Mitgliedsstaaten gewesen.

Bedauerlich ist das Votum auch, weil wir endlich Planungssicherheit benötigen und entscheiden müssen, wie schnell der Zug - über den ich sprach - fahren kann.

Planungssicherheit ist eine langfristige Ausrichtung einer Politik, wie sie uns vorschwebt. Ein jährliches Tauziehen um Finanzen wäre aus meiner Sicht fatal für die Entwicklung eines Landes und würde den effektiven Mitteleinsatz behindern. Noch bin ich aber optimistisch, dass es bis zum Sommer zu einem Kompromiss kommt, worauf auch der Ministerpräsident hinwies. Es wäre zwar spät, jedoch noch nicht zu spät.

Was bedeuten die strategischen Leitlinien und der nicht verabschiedete Kompromiss für die ländliche Entwicklung in Brandenburg? Zunächst kann die ländliche Entwicklung als zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik - daran sei noch einmal erinnert - weitergeführt werden. Schließlich stehen immerhin nach derzeitiger Lesart - vorläufiger Lesart muss ich sagen jährlich knapp 110 Millionen Euro aus dem ELER-Fonds zur Verfügung. Mit dieser beträchtlichen Summe können wir vieles bewegen.

Angesichts der absehbaren Einschränkungen kommt es nun darauf an, diese Gelder so effektiv wie möglich einzusetzen. Nach 16 Jahren Förderung ist es zwangsläufig notwendig, andere Prämissen zu setzen. In Bauernversammlungen erwähne ich häufig, dass wir beim Nachdenken über diese 16 Jahre daran denken sollten, dass diese 16 Jahre ein Zeitfenster im Leben eines Menschen sind, die wir mit den zwölf Jahren des Nationalsozialismus vergleichen sollten; zwölf Jahre, die für Deutschland und Europa so viel kaputt gemacht haben. Wir sollten jedoch immer wieder positiv herausstellen, dass wir eine lange Zeit der Entwicklung - 16 Jahre - hinter uns brachten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Der Aufbau der Infrastruktur und die Dorferneuerung sind weitgehend abgeschlossen, sodass wir an dieser Stelle etwas kürzer treten könnten. Dagegen plädiere ich für eine stärkere Orientierung der Programme an den Bedürfnissen der wirtschaftenden Betriebe des ländlichen Raumes, wobei ich nicht nur explizit die Agrarbetriebe meine.

Eine Förderung von Investitionen und die damit verbundene Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit tut Not - wie es auch in ei

ner der drei Achsen der zweiten Säule der ländlichen Entwicklungs- und Strukturpolitik der Europäischen Union festgeschrieben ist. Wer und was Arbeitsplätze schafft und erhält, sollte Priorität genießen. Stärken zu stärken trifft hier ebenso zu.

Umso bedauerlicher ist die aktuelle Situation bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung, die derzeit auf Eis gelegt ist. Jedoch erhielt ich ein Signal, dass wir den landwirtschaftlichen Betrieben nach dem Kassensturz die entsprechenden Richtlinienmittel wieder ausreichen. Dass diese Mittel vorzeitig erschöpft sind, spricht für dieses Instrument und seine Wirksamkeit. Auf diese Maßnahme können wir nicht verzichten.

Ein weiterer elementarer und unverzichtbarer Bestandteil von ebenso großer Bedeutung für die ländliche Entwicklung sind aus meiner Sicht die Umweltmaßnahmen. Maßnahmen in diesem Bereich haben - gerade in einem Tourismusland wie Brandenburg - ebenfalls eine große Bedeutung, was die gerade beendete „Grüne Woche“ eindrucksvoll bewies.

Zudem können wir hier aktiv Umweltstandards durchsetzen und gleichzeitig eine flächendeckende Bewirtschaftung gewährleisten, die für den Erhalt der Kulturlandschaft unabdingbar ist. Des Weiteren haben wir die Chance, extensiv wirtschaftende, viehhaltende Betriebe - darauf möchte ich noch einmal abheben - zu stärken und damit die Agrarwirtschaftsinitiative weiter zu untersetzen.

Wenn im ländlichen Raum Wertschöpfung stattfindet und Arbeitsplätze gesichert werden, ist dieser auch nicht von Abwanderung bedroht. Dies sollten wir immer im Hinterkopf behalten, wenn es um die Feinschliffmaßnahmen zur ländlichen Entwicklung geht.

Die Ausgleichszulage für die benachteiligten Gebiete in Brandenburg ist nicht infrage zu stellen, sondern daran ist festzuhalten.

(Zustimmung der Abgeordneten Wehlan [Die Linkspar- tei.PDS])

Die Ausgleichszulage sowie die Förderung der Wertschöpfung aus nachwachsenden Rohstoffen im Energiebereich sollten selbstverständlich sein, was bereits mehrfach besprochen wurde.

Ich bedanke mich dafür, dass wir vor allem für die Politik des ländlichen Raumes eine gute Ausrichtung haben. Wir sind auch als Berufsstand dieses Bundeslandes optimistisch, uns in die Entwicklung Brandenburgs mit einem positiven Bereich der Agrarwirtschaft einbringen zu können. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zum Ende der Debatte erhält noch einmal Herr Vietze für die antragstellende Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Zuhörer lächelten, als SPD-Chef Matthias Platzeck vor einigen Wochen bei der Unterzeichnung des schwarz-roten Koalitionsvertrages

dessen Überlegungen angestellt werden, dass die Mittelbereitstellung für das Traditionelle in höherem Maße gesichert ist als die Mittelbereitstellung für die Zukunftsbereiche, für die Sie werben. Sie haben uns dabei an Ihrer Seite; denn wir wollen mit Ihnen für die Zukunft Brandenburgs werben.

Ich will es ganz klar sagen: Ich bin froh, Brandenburger zu sein, Bürger eines Landes im Aufbruch, in dem mein Kollege Christoffers Vater wird; ich finde es einfach gut. Wir haben uns der Zukunft zugewandt und müssen jetzt darüber reden, welche Konsequenzen das hat.

Deswegen wende ich mich mit drei Bitten an Sie. Erstens: Sollten wir nicht die Kraft aufbringen, zu bewerten, ob die vielen Milliarden Euro im Lande Brandenburg auch so eingesetzt wurden und werden, dass damit in ausreichendem Maße die neuen Ansprüche und jetzigen Planungen berücksichtigt werden? Haben wir die Milliarden wirklich so in die entsprechenden Investitionsförderprogramme und Weiteres gesteckt, dass der Rücklauf erfolgt, den wir benötigen, um die Wirtschaftskraft für die Zukunft zu stärken?

Kollege Müller ist leider nicht anwesend; er hatte eine Frage nach dem Einsatz von über 100 000 Euro aus einem entsprechenden Programm gestellt. Dazu will ich Folgendes sagen: Die Regierung konnte Kollegen Müller seine diesbezügliche Kleine Anfrage nicht beantworten. Wir sind gespannt, ob wir wenigstens über den Einsatz von 1 Million oder 5 Millionen für entsprechende Projekte umgehend eine Antwort bekommen. Ich halte es für notwendig, darüber nachzudenken. Gestern stritten wir um 10 Millionen, vielleicht 15 Millionen Euro für die Kitas - was sehr wichtig war -, jetzt jedoch reden wir von 2,2 oder 2,4 Milliarden Euro! Das ist das Hundertfache dessen, worüber wir uns gestern so verbissen gestritten haben. Es ist eine Größenordnung, bei der ich volles Vertrauen zur Regierung habe, jedoch - wie auch im EU-Parlament gefordert - mehr Information über das Geplante erwarte, und dies nicht nur auf Anforderung. Sondern es sollte der Regierung ein Bedürfnis sein - wie es seitens der Regierungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gehandhabt wird -, dem Parlament regelmäßig über die Verwendung dieser Mittel zu berichten. Sehen Sie sich an, wie es dort gehandhabt wird; dies kann unserem Landtag nicht schaden. Informiert zu werden und mitzureden schadet übrigens keiner Fraktion.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Womöglich ersparen Sie uns dadurch Untersuchungsausschüsse, Akteneinsicht und Diskussion über fehlinvestierte Millionen, ob in Boitzenburg oder anderswo. Es gibt eine Menge Beispiele.

Die zweite Sache: Sie haben richtigerweise auf die Zusammenhänge mit der Lissabonstrategie verwiesen. Ich halte es für geboten, dies in die Betrachtung einzubeziehen, weil aufgrund dessen eine Diskussion in den Ländern über die Frage geführt wird: Wie hoch ist der Anteil der für die Arbeitsmarktpolitik verwendeten Mittel? Die Sachsen haben sich schnell verständigt: Sie senken auf 20 %. Die Länder Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern haben in ihrer Eigenständigkeit entschieden, mehr zu tun als in den vergangenen Jahren, und wollen wegen der hohen Arbeitslosigkeit auf 30 % gehen. Darüber wurde in diesen Ländern eine umfängliche Debatte geführt - nachzulesen in den Anträgen der Regierung an das Par

sagte, die neue Regierung wolle den Deutschen Lust darauf machen, wieder mehr Kinder zu bekommen. Die etwas flapsige Ankündigung wurde offenbar ernst genommen. Ich möchte Sie informieren, dass der jetzt an meiner Stelle vorgesehene Redner, Kollege Christoffers, seinen Redebeitrag nicht leisten kann, weil er in weiser Voraussicht bereits vor neun Monaten Vorsorge dafür getroffen hat, heute die Geburt eines Kindes erwarten zu dürfen. Das zeigt die Konstruktivität in der Annahme der weit reichenden Überlegungen unseres Ministerpräsidenten durch die Opposition. - So viel, nachdem einige Kollegen sich in ausreichendem Maße abgearbeitet haben, die Linkspartei.PDS zu diskreditieren.

(Vereinzelt Heiterkeit sowie Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Bezüglich Ihres Ansinnens sage ich ganz freundlich: Tun Sie mir den Gefallen und lassen Sie uns über das Thema reden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich glaube, es gibt einen simplen Zusammenhang. Ich weiß, Herr Ministerpräsident, in Brandenburg ist alles getan, die Weichen sind gestellt. In Europa ist das noch etwas anders, weil die Begeisterung über den von der Bundeskanzlerin ausgehandelten Kompromiss - den ich sehr wohl zu schätzen weiß, weil er zur Stabilisierung Europas auf einem wichtigen Gebiet beiträgt - natürlich im Parlament nicht ungeteilt ist. Dies ist nicht etwa deshalb so, weil die Kollegen von der Union, der Sozialdemokratie, den Liberalen, den Linken, den Grünen die Dinge womöglich nicht weit reichend genug durchdacht hätten, sondern weil sie festgestellt haben - darüber sollte man nachdenken -, dass sich die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Punkt 2 des Beschlusses - jeder kann es nachlesen auf die traditionellen Politikbereiche konzentrieren, die von den Mitgliedsstaaten verwaltet werden, und nicht jene Politikbereiche in den Vordergrund stellen, in denen die Union neue Herausforderungen bewältigen und einen „europäischen Mehrwert“ für die Bürger entwickeln kann.

Das Parlament bedauert ferner, dass die Mitgliedsstaaten weiterhin um die Wahrung ihrer nationalen Interessen kämpfen, anstatt sich für die europäische Dimension einzusetzen. Das Parlament lehnt den Standpunkt des Europäischen Rates in seiner jetzigen Form ab, weil dies - wie das Europäische Parlament feststellt - kein Haushalt ist, der Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit, Solidarität, Zusammenhalt und Sicherheit für die Zukunft der europäischen Völker gewährleistet und weil er nicht im Einklang mit den Beschlüssen des Rates steht.

Also findet im Parlament und in der Kommission, unter den Ministerpräsidenten, den Kanzlern, unter allen Beteiligten eine Auseinandersetzung statt, inwieweit man an die richtig erkannten, mit Wissenschaft, Bildung und anderen Zukunftsinvestitionen fixierten Aufgaben so herangehen kann, dass sich nicht am Ende nationale Interessen und Gewohntes - die Briten und die Bauern bekommen ihre Milliarden zur Beruhigung bzw. weil es immer so war - durchsetzen. Ich bin der Ansicht: Hier muss eine Weichenstellung erfolgen. Insofern hat man hier einen Anspruch formuliert.

Wir meinen, dass wir darüber reden müssen, wie das in Brandenburg Erdachte, Herr Ministerpräsident, nicht nur auf unser Land beschränkt bleibt, sondern in der EU insgesamt bezüglich

lament -, weil sie die Entscheidung des Parlaments einholen wollten. Wir könnten das auch tun. Da die Weichen gestellt sind, liegen die Materialien sicherlich komplett vor. Demzufolge kann das im Parlament diskutiert werden.

Ich lege größten Wert darauf, dass wir das tun, weil die neue Förderperiode sechs Jahre umfasst und uns die Chance gibt, die Mittel nicht nur für den öffentlichen Beschäftigungssektor, sondern generell für ein eigenständiges Arbeitsmarktprogramm, für die Untersetzung unserer herausgehobenen Wachstumskerne und Branchenfelder einzusetzen. Wir haben eine große Chance, das deutlich zu machen. Nichts ist effizienter, als wenn man den Mitteleinsatz auf die gesetzten Schwerpunkte konzentriert und sogar noch Arbeitsmarkteffekte dabei erzielt. Das macht Sinn; deshalb kann ich mir das auch sehr gut vorstellen. Das wäre meine zweite Überlegung bzw. Bitte, das zu tun.

Manchmal kommen Hinweise, meine Fraktion bringe sich nicht konstruktiv genug ein. Ich biete hiermit an: Wir stehen zur Verfügung und könnten Vorschläge unterbreiten; das ist überhaupt kein Problem.

Das Dritte, was ich ansprechen will, sind die Bundesprogramme. Danach erhalten also die neuen Bundesländer Mittel. Dazu kommt der Anspruch des Bundes. Es ist ja so, dass der Bund Mittel für zwei Aufgaben beansprucht. Dies ist für den Bundesvorsitzenden, der zugleich Ministerpräsident ist, ein wenig schwierig, weil da der Kollege Müntefering mit seinem Anspruch im Sozialministerium ist und weil da der Nachfolger von Minister a. D. Stolpe, Kollege Tiefensee, für den Verkehr ist und sie natürlich Mittel für Bundesprogramme haben wollen. Während die anderen Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer sagen: deutliche Reduzierung oder gar keine Mittel mehr für Bundesprogramme - so forsch geht zum Beispiel der Kollege Böhmer im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt das Geschäft an -, sind Sie - wegen des Koalitionsfriedens und der Stärke dieser Kollegen sowie der Programme, die sie abwickeln müssen - in der Zwickmühle, nicht zu wissen, wie Sie Ihren Kollegen in der Regierung hier helfen sollen.

Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass die Mittel aus verschiedenen Programmen trotz Bedarfs nicht abgeflossen sind. Auch die Tatsache, dass in unserem Lande Einsparungen für nicht in Anspruch genommene Nettokreditaufnahme in Höhe von 309 Millionen Euro für Investitionen realisiert wurden, hat viel mit EU-Politik zu tun.

(Zuruf von Ministerpräsident Platzeck)

Vielleicht kann in dem Zusammenhang auch einmal Auskunft darüber gegeben werden, welche Erwartungen das Land Brandenburg an das Programm des Kollegen Tiefensee hat, damit sich uns die Logik erschließt, dass wir auf etwas verzichten, was uns zugute kommen könnte.

Lassen Sie mich jetzt noch eine zusätzliche Bitte äußern. Damit komme ich zum Schluss, Herr Präsident.

Der Solidarpakt läuft noch bis zum Jahre 2019. Frau Richstein war schon so freundlich, darauf hinzuweisen. Jetzt wird eine Diskussion dahin gehend geführt, dass die Strukturfondsmittel, die von der EU bereitgestellt werden, Bestandteil des Solidarpakts - Korb II - zur Unterstützung des entsprechenden Fonds