Protocol of the Session on October 27, 2004

(Beifall bei der CDU)

Die Verstaatlichung der Industrie, wie sie der ehemalige Bundesvorsitzende der PDS, Dehm, fordert und womit auch Sahra Wagenknecht durch die Gegend läuft, ist ebenfalls ein irrsinniger Weg. Auch der PDS werden wir das nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

- Frau Enkelmann, lesen Sie einmal Ihre eigenen Programme!

Wir brauchen in Deutschland einen Aufbruch. SPD und CDU sind nicht immer einer Meinung über den richtigen Weg. Bei wesentlichen Veränderungen wie bei den Arbeitsmarktreformen werden wir aber an einem Strang und in die gleiche Richtung ziehen, weil diese Reformen im Grundsatz notwendig sind. Wir werden nicht mit einer Verweigerungshaltung gegen notwendige Reformen auf Stimmenfang gehen, wie es die Damen und Herren links und rechts außen hier im Parlament tun. Eine solche Verweigerungshaltung wird nicht lange tragen; denn sie ist nur auf Populismus ausgerichtet. In Wahrheit haben Sie zu den Reformen keine glaubwürdige Alternative.

(Zurufe von der PDS)

Auch Brandenburg steht vor gewaltigen Herausforderungen. Bevor ich auf diese zu sprechen komme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Mitgliedern der Regierungsmannschaft sowie den Mitgliedern des Landtags der letzten Wahlperiode für die geleistete Arbeit zu danken. Danken möchte ich auch den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die mit ihren Ideen und ihrem Fleiß unser Land weiter vorangebracht haben.

Es sind noch nicht alle Defizite aus der Zeit der deutschen Teilung beseitigt; uns stehen noch viele Aufgaben bevor. Diese können wir nur gemeinsam anpacken und meistern. Wir wollen, dass Brandenburg weiter vorankommt und zu einem der erfolgreichsten Länder im Osten Deutschlands wird. Um das zu erreichen, müssen wir schneller auf Veränderungen reagieren und uns auf die Zukunft einstellen. Da gibt es viel zu tun; denn die Welt hat sich weiter verändert. Durch die Erweiterung der Europäischen Union kommt eine Reihe von Staaten aus Osteuropa zu uns, die tief greifende Reformen über mehr als zehn Jahre hinweg hinter sich haben - tiefer greifend als unsere Reformen. Es sind motivierte Menschen. Sie verspüren einen Bildungs- und Leistungshunger und wollen Wohlstand.

Das bedeutet, dass wir uns einem größeren Wettbewerb ausgesetzt sehen. Diesen müssen wir bestehen. Das bedeutet auf der einen Seite große Anstrengungen für uns, auf der anderen Seite aber auch Chancen. Wir erleben eine Zeit der unzählbaren Möglichkeiten, aber auch vieler Risiken. Für die Menschen und die Politik läuft das Leben nicht mehr in alten, vorgezeichneten Bahnen. Jeder Einzelne hat mehr Freiheit und größere Gestaltungsspielräume, aber eben auch mehr Eigenverantwortung. Wir brauchen deshalb Mut, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen; nur dann werden wir unser Ziel erreichen, Brandenburg so zu entwickeln, dass sich der Wohlstand mehrt.

Wir werden die Aufgaben nur meistern, wenn wir entschlossen sind, Brandenburg zu erneuern. Die Koalition ist angetreten, diese Erneuerung aus eigener Kraft herbeizuführen. Dabei werden wir uns von falschen Versprechen fern halten. Es ist besser und ehrlicher, wenn wir unsere tatsächliche Situation illusionslos beschreiben und daraus die richtigen Strategien und Konzepte entwickeln.

Brandenburg steht vor sehr großen Herausforderungen. Bevölkerungszahl und -zusammensetzung verändern sich dramatisch. Aus den berlinfernen Regionen wandern die Menschen ab; insbesondere junge Menschen und Familien verlassen diese Regionen. Das macht die Entwicklung dort schwerer. Wir beklagen nicht die Mobilität der Menschen, sondern schlichtweg die Tatsache, dass diejenigen, die weggehen, oftmals nicht zurückkommen. Reden Sie einmal mit brandenburgischen Spediteuren, die Umzüge organisieren, und fragen Sie, wie oft sie Umzüge von Ost nach West und wie oft von West nach Ost organisieren, so werden Sie die Wucht der Veränderung erkennen.

Die Landespolitik ist gefragt, Konzepte zu entwickeln, um gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen zu ermöglichen und gleichzeitig die Entwicklung im berlinnahen Raum zu forcieren. Im Ballungsraum wird immer mehr von dem erwirtschaftet, was am Ende dem ganzen Land zugute kommt. Wir haben keine andere Alternative, als unsere Ressourcen und Vorteile konsequent zu nutzen.

Hinzu kommt, dass die Zahl der jüngeren Menschen insgesamt

immer weiter abnimmt. Dies wird in wenigen Jahren dazu führen, dass in einigen Bereichen, Branchen und Regionen ein Mangel an Nachwuchskräften zu verzeichnen ist. Hier stehen wir vor der Aufgabe, Angebote zu unterbreiten und Lösungen zu finden.

Wir haben im Land immer noch eine sehr hohe Arbeitslosenquote, nämlich von ungefähr 20 %. Es ist uns in den letzten Jahren trotz aller Anstrengungen leider nicht gelungen, Besserungen herbeizuführen. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist das vordringlichste Ziel in Brandenburg. Um dies zu erreichen, brauchen wir Wachstum. Wir brauchen Wachstum der brandenburgischen Wirtschaft. Nur mit Wachstum ist es möglich, mehr Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Hier spricht die Koalitionsvereinbarung eine ganz klare Sprache.

„Die wichtigste Aufgabe im Land ist die Steigerung des Wirtschaftswachstums für mehr Beschäftigung.... Den Zielen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen... verpflichten sich alle Politikbereiche.“

Meine Damen und Herren, dies ist eine sehr weit gehende Aussage. Wir werden uns beim Regierungshandeln und bei der parlamentarischen Arbeit immer wieder daran orientieren und messen lassen müssen. Von dieser Koalition wird das klare Signal ausgehen: Wir finden uns mit der Arbeitslosigkeit in Brandenburg nicht ab. Wir werden uns niemals mit dieser hohen Arbeitslosigkeit abfinden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir werden alles unternehmen, damit die brandenburgische Wirtschaft wächst und Arbeitsplätze entstehen. Das ist unser gemeinsames Ziel.

Ich möchte an dieser Stelle ein weiteres Problem erwähnen: Der Ost-West-Angleichungsprozess ist ins Stocken geraten. Seit mehreren Jahren wächst die Wirtschaft in den neuen Ländern langsamer als in den alten Bundesländern. Sie müsste jedoch stärker wachsen, wenn die Angleichung gelingen soll.

Wir müssen auf der einen Seite feststellen, dass wir gemeinsam - die Bürger, die Unternehmen, die Politik - seit der freiheitlichen Revolution und der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 beim Aufbau unermesslich viel erreicht haben. Jeder kann sich das beispielsweise an der Städtesanierung, der Verbesserung des Gesundheitssystems und der Altenpflege vor Augen führen. Auch in den Schulen ist viel passiert. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund zu jammern, zu klagen oder gar nostalgisch verklärt zurückzuschauen.

(Beifall bei CDU und SPD - Bochow [SPD]: Genau!)

Wir müssen jedoch auch feststellen, dass sich der Angleichungsprozess beschleunigen muss, wenn wir am Ziel der OstWest-Angleichung festhalten wollen - und das wollen wir. Auch dafür benötigen wir mehr wirtschaftliches Wachstum. Um dies zu erzielen, müssen wir umsteuern. Wir werden für die Förderung der brandenburgischen Wirtschaft künftig nicht mehr Geld zur Verfügung haben als bisher; das wissen wir. Deshalb müssen wir das Geld, das wir haben, zielgerichteter einsetzen, nämlich dort, wo es den größten Effekt erzielt. Daher wird die Förderpolitik grundlegend umgestaltet und auf

Cluster und Kompetenzfelder konzentriert. Diese Umsteuerung allein - das ist meine feste Überzeugung - wird allerdings nicht ausreichen, um das Wachstum der brandenburgischen Wirtschaft deutlich zu verbessern.

Notwendig ist es darüber hinaus, die Unternehmen und die Bürger konsequent von Bürokratie zu befreien. Das kostet den Staat nichts, im Gegenteil: Das spart am Ende sogar noch Geld. Die immer stärker ausufernde Bürokratie, die Entmündigung und Gängelung der Bürger mit allen möglichen kleinteiligen Vorschriften, ist eines der Grundübel unserer Zeit. Das kostet Kraft, Geld, erstickt Kreativität und macht am Ende auch Chancen zunichte.

(Beifall bei der CDU)

Eine Abkehr hiervon ist unverzichtbar. Die CDU-Fraktion wird sehr genau darauf achten, dass Bürokratie wirklich abgebaut wird. Wir werden diesbezüglich konsequent den Finger in die Wunde legen. Deregulierung und Entbürokratisierung müssen zu einer starken Säule der brandenburgischen Wirtschaftsförderung werden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dass es geht, wenn man will, haben andere Bundesländer vorgeführt. Peter Müller hat im Saarland innerhalb von fünf Jahren mehr als zwei Drittel der gesamten Vorschriften, Verwaltungserlasse etc. außer Kraft gesetzt. Wenn das kleine Saarland das kann, warum soll es Brandenburg nicht auch können?

(Zuruf von der PDS: Da ist alles überschaubarer!)

Die Koalition wird sich dafür einsetzen, dass der Bund durch die Schaffung von Öffnungs- und Experimentierklauseln bei der Anwendung von Bundesrecht Erleichterungen für Brandenburg und andere neue Länder im Standortwettbewerb ermöglicht.

Ein nächster wichtiger Punkt: Wir haben 1990 ein Rechtssystem aus den alten Bundesländern übernommen, das auf eine satte Wohlstandsgesellschaft ausgerichtet war, in der die Dinge strukturiert waren, in der die Infrastruktur perfekt war. Wir befinden uns im Aufbau; diese Gesetzgebung passt zum großen Teil nicht mit unserer Situation zusammen. Es kann nicht sein, dass wir für den Bau einer Straße oder eines Radwegs viele Jahre Planungsverfahren benötigen oder über ein Jahr lang die gesamte Flora/Fauna im Planfeststellungsbereich zahlenmäßig dokumentieren müssen. Das kostet Geld und ist in dem jetzigen Maße nicht vertretbar. Dies müssen wir zurückschrauben und es ist wichtig, dass wir neuen Bundesländer - da müssen wir unser Schicksal auch einmal in die eigene Hand nehmen über den Bundesrat Möglichkeiten erkämpfen, vom Bundesrecht abweichen und eigene Wege gehen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Die Koalition wird sich darauf konzentrieren, dass die vorhandenen Möglichkeiten für wirtschaftliche Entwicklung konsequent genutzt werden. Dazu gehören die verschiedenen in Entwicklung befindlichen Cluster, die Luftfahrtindustrie, die Biotechnologie, die Luft- und Raumfahrt, die Medienwirtschaft, aber auch der Tourismus, der insbesondere für die ländlichen Regionen eine Chance ist.

Ich möchte beispielhaft das Projekt WIN - WassertourismusInitiative Nordbrandenburg - benennen. Hier haben wir in den nächsten zehn, 15 Jahren Steigerungsraten von bis zu 100 % zu erwarten. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, verspielen wir etwas. Auf solche Dinge müssen wir uns konzentrieren.

Ein anderes Beispiel ist der Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Single-Airport. Vor einem Jahr hieß es, die einzige Interkontinentalverbindung von Berlin aus sei die nach Asien, nach Ulan-Bator in der Mongolei.

(Schulze [SPD]: Ulan-Bator ist doch sehr wichtig!)

Ich weiß nicht, ob es jetzt noch so ist. Ich habe gehört, DeltaAirline will von Berlin aus wieder die Direktflugverbindung in die USA aufnehmen. Es ist lächerlich für die Hauptstadt der größten Nation in Europa, solch provinzielle Verhältnisse zu haben.

(Beifall)

Da lacht die Welt und Frankfurt freut sich, denn dorthin müssen die Menschen, Unternehmer beispielsweise, fliegen und umsteigen. Hier muss sich etwas bewegen, und zwar rasch und konsequent. Deshalb stehen wir zum Ausbau dieses Flughafens.

Eine weitere Herausforderung ist die Lage der öffentlichen Finanzen. Wir befinden uns in der guten Situation, über den Landeshaushalt etwa 30 % mehr Geld ausgeben zu können als vergleichbare westliche Bundesländer wie Schleswig-Holstein. Wir wissen allerdings auch, dass dieser Glücksumstand nicht mehr lange anhalten wird. Bereits in drei Jahren werden die Einnahmen des Landes spürbar sinken und wir müssen uns jetzt darauf einstellen.

Wir haben drei Herausforderungen zu bewältigen:

Erstens: Wir müssen uns auf die sinkenden Einnahmen vorbereiten. Wir bekommen allein über den Solidarpakt 15 % unserer Haushaltsmittel. Dieser Solidarpakt wird ab dem Jahr 2009 schrittweise zurückgeführt, aber auch andere Mittel wie voraussichtlich die EU-Fördermittel.

Zweitens: Das Schuldenmachen muss endlich aufhören. Es kann nicht sein, dass wir nicht in der Lage sind, mit dem auszukommen, was wir selbst erwirtschaften, und dass wir uns immerfort bei unseren Kindern bedienen und ihnen ständig neue Schulden aufladen müssen. Aufgrund der eingebrochenen Steuereinnahmen wird in diesem Jahr jeder neunte Euro im Landeshaushalt mit neuen Schulden finanziert.

Die PDS fordert ja noch mehr. Sie will ja den Abbau der Neuverschuldung verlangsamen, wie man hören kann.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Das darf nicht so weiter gehen. Die Kreditaufnahme wird deshalb jährlich um 175 Millionen Euro zurückgeführt werden.

(Zuruf von der PDS: Na ja!)

Drittens: Wir müssen die Solidarpaktgelder zweckentsprechend einsetzen. Wir bekommen von den alten Ländern jähr

lich 1,5 Milliarden Euro, also 15 % des Landeshaushaltes. Wir bekommen dieses Geld für den Aufbau unserer Infrastruktur. Wir haben das einmal mit Gutachten unterlegt: Diese 1,5 Milliarden Euro - gestaffelt bis zum Jahr 2019 und irgendwann sinkend - sind genau die Summe, die wir rechnerisch brauchen, um unsere Infrastruktur auf den Stand zu bringen, über den die alten Länder verfügen. Wenn wir dieses Geld, das aus den alten Ländern kommt, heute nicht für die Infrastruktur ausgeben, dann heißt das, dass wir nie wieder in der Lage sein werden, sie wirklich auf den Stand der alten Bundesländer zu bringen. Wir versündigen uns damit an der Zukunft.

Und: Wie soll ich das jemandem, der aus München, Düsseldorf oder Kiel kommt, erklären, der jeden Monat seinen Solidarbeitrag bezahlt? Denn dort kann dadurch weniger gemacht werden. Im Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen war das auf den Straßen eines der wesentlichen Argumente. Lassen Sie sich das einmal von Ihren Leuten erklären! - Aber gut, die PDS ist da nicht präsent.