Erstens: Die Geburtenrate im Land liegt seit dem Wendeknick weit, das heißt in einer Größenordnung von 40 bis 50 %, unter dem Niveau, das für eine stabile Bevölkerungsentwicklung notwendig ist. Die Folgen haben uns in den Kindertagesstätten, in den Schulen und beim Wohnungsleerstand längst und deutlich erreicht. Diese Folgen werden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens nachhaltig beeinflussen.
Zweitens: In den zurückliegenden Jahren ist diese Entwicklung in Bezug auf die Zahl der Köpfe durch Zuwanderung vor allem aus Berlin, übrigens nicht in Bezug auf die Altersstruktur, noch weitgehend ausgeglichen worden. Dieser Sondertrend ist nach den neuesten Zahlen und Erkenntnissen aber nun zu einem Ende gekommen. Inzwischen verliert auch unser Land Einwohner, vor allem jüngere, gut ausgebildete, auch und vor allem durch Abwanderung.
Drittens: Gleichzeitig werden die Menschen im Lande, was ja an sich erfreulich ist - das haben wir auch angestrebt und gewollt -, durch bessere Arbeits-, Gesundheits- und andere Bedingungen immer älter. Das verstärkt natürlich im Zusammenhang mit den vorgenannten Punkten die Überalterung der Gesellschaft.
Viertens: Bei uns in Brandenburg kommt noch ein ganz spezifisches Problem hinzu: die sehr unterschiedliche räumliche Entwicklung, die die Probleme noch weiter verschärft. Im äußeren Bereich - die meisten von Ihnen erleben das selbst - müssen wir erhebliche Anstrengungen unternehmen, um Dörfer und Städte lebensfähig zu halten, zum Beispiel auch durch geordneten Rückbau, während wir um Berlin die öffentliche Infrastruktur in Teilen sogar noch ausbauen müssen.
Ich will hier nicht die unterschiedlichen Erklärungsansätze erläutern, die uns die Wissenschaft zu diesen Themen bietet, zumal wir in fast allen Ländern Europas ähnliche, wenn auch unterschiedlich drastische Bilder sehen. In den neuen Ländern sind die Geburtenzahlen in beispielloser Weise regelrecht eingebrochen. Das setzte zwar schon Mitte der 80er Jahre ein, hat aber dann seinen klaren Höhepunkt Anfang der 90er Jahre erreicht. Offensichtlich hat die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche und sozialpolitische Entwicklung ganz klar dazu geführt, Kinderwünsche und Familiengründungen zurückzustellen. Das wirkt bis heute nach. Deshalb muss auch an dieser Stelle die Therapie ansetzen.
Wir brauchen Zuversicht insbesondere über die wirtschaftliche Entwicklung im Land. Deshalb ist die Diskussion, die wir heute früh um den Aufbau Ost geführt haben, so notwendig und auch richtig. Allerdings muss sie auch bald zu Ergebnissen kommen, die den Umständen gerecht werden. Der Aufbau Ost entscheidet über die Zukunft in den neuen Ländern. Wenn wir also die Solidarität des Bundes und der Westländer für unabdingbar erklären, geht es nicht um Almosen, sondern es geht um die gemeinsame Zukunft, um den beiderseitigen Vorteil. Ich habe es heute früh schon gesagt: Erst die jahrzehntelange Solidarität der Länder mit Bayern hat Bayern stark gemacht.
Über Jahrzehnte wurde in Westdeutschland auch die Zonenrandförderung nie infrage gestellt. Solidarität war das prägende Element des Länderfinanzausgleichs. Sie ist es auch heute noch und wird es bleiben.
Die notwendige Reform unserer bundesstaatlichen Ordnung darf nicht das Ziel aus den Augen verlieren, auch die innere Einheit Deutschlands herzustellen, das heißt, die Lebensverhältnisse in Ost und West anzugleichen. Das Ergebnis der Kommissionsberatung darf nicht die Entsolidarisierung unter den Ländern sein.
Solidarität ist auch das Gebot der Entwicklung in unserem Land Brandenburg. Angesichts der Diskussion um Wachstumskerne, der wir uns stellen, müssen wir gleichzeitig die Regionen stützen - auch das war heute früh Thema -, denen es an Kraft mangelt und die in besonderer Weise von den demographischen Entwicklungen betroffen sind. So unterschiedlich die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen auch sind - wir werden hier nicht von dem Anspruch abgehen, dass trotz der Unterschiedlichkeit von Lebensstilen gewährleistet ist, dass alle erforderlichen Dienstleistungen allen Bürgerinnen und Bürgern unter vergleichbaren und akzeptablen Bedingungen im ganzen Land zugänglich sind.
Dabei ist einzuräumen, dass das eine schwierige Gratwanderung ist, umso mehr, als Deutschland derzeit eine ausgeprägte Wachstumsschwäche zeigt und sich die öffentlichen Haushalte in einer tiefen Finanzkrise befinden.
Die Debatte um die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland hat ihren Ursprung nicht in der deutschen Einheit; auch das ist heute schon von einigen Abgeordneten herausgearbeitet worden. Vielmehr sind bereits in den 80er und 90er Jahren die notwendigen Anpassungen aus Angst vor den direkten Folgen umgangen worden.
Der Bericht der Landesregierung enthält ausführliche Darstellungen und Bewertungen zu den Auswirkungen der demographischen Entwicklung in allen Politikfeldern. Uns treiben insbesondere der Abwanderungstrend und die mangelnde Bereitschaft in unserem Lande, eine Familie zu gründen, um. Das heißt in der Konsequenz: Wir müssen in der Bundes- und Landespolitik mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für gleiche Bildungschancen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Stärkung der Wirtschaftsstandorte und den Ausbau von Wissenschaft, verknüpft mit der Innovationsbereitschaft und -fähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft, tun.
Deutschland - dass das funktionieren kann, haben wir gerade heute beim Besuch von „Xelon“ in Teltow gesehen, wo in allen Facetten sehr deutlich geworden ist, welche Bedingungen vorhanden sein müssen. Es gibt staatliche und regionalpolitische, aber es bedarf natürlich auch der Menschen, die den Mut und die Lust haben, diese Bedingungen zu nutzen und sich auf diesen Weg zu machen.
Was jeden mit Besorgnis erfüllen muss, ist, dass Deutschland die weltweit höchste Zahl an Kinderlosen hat. Vielleicht noch besorgter machen muss, dass dabei die Hoch- und Höchstquali
fizierten mit Abstand die wenigsten Kinder haben. Wir wissen, dass sich die Entscheidung zwischen Kind und Karriere insbesondere vor dem ersten Kind immer wieder stellt. Wir wissen aber auch, dass sich die Frauen in Brandenburg - so besagen es Statistiken - im Durchschnitt zwei und mehr Kinder wünschen.
Wenn wir den Wunsch einer großen Zahl von Frauen unseres Landes, die Mutterschaft mit der vollen Erwerbstätigkeit zu vereinbaren, ernst nehmen, ist völlig klar, wo die Prioritäten unserer Politik liegen müssen. Daher müssen wir an unserer guten Versorgung - ich sage ganz bewusst: immer noch sehr guten Versorgung - mit Kita-Plätzen und an unserer Strategie der flächendeckenden Versorgung mit Ganztagsschulen festhalten; denn wir können nicht über Familienfreundlichkeit reden und gleichzeitig die Standards zurückfahren.
Wir belegen trotz der Stimmen, dass wir uns das eigentlich nicht leisten sollten, weiterhin einen Spitzenplatz im bundesdeutschen Vergleich. Wir sind leider derzeit in der Situation, sagen zu müssen: Ohne Kinder keine Zukunft! Darauf müssen wir reagieren; das ist der Auftrag an die Politik.
Dass Ganztagsschulen einen erheblichen Beitrag zur Entlastung von Familien leisten, wird heute von niemandem mehr bestritten. Wir haben schon über 80 Ganztagsschulen und ihre Zahl wird weiter steigen; weitere 29 Anträge sind bewilligt. Wir wollen zu einem vernünftigen, flächendeckenden Netz kommen, damit jeder, der eine Ganztagsschule nutzen will, dies auch tun kann.
Das Investitionsprogramm der Bundesregierung ist dabei eine wertvolle Hilfe. Aber auch Unternehmen können durch familienfreundliche Arbeitsbedingungen einen durchaus wichtigen Beitrag leisten. Sie sichern sich damit für die Zukunft Wettbewerbsvorteile und wirken dem nicht nur prognostizierten, sondern in wenigen Jahren deutlich spürbaren Fachkräftemangel entgegen. Entsprechende Konzepte haben bisher nur wenige Unternehmen angepackt. Um diese noch stärker zu sensibilisieren, beteiligt sich Brandenburg an der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL. Hier werden exemplarische Lösungsansätze entwickelt, wie in Kooperation mit Unternehmen berufliche Wiedereingliederung, flexible Kinderbetreuung, Zeitmanagement und alles, was dazu gehört, wie Mobilitätshilfen und familienfreundliche Arbeitsbedingungen verbessert werden können.
Übrigens: Unternehmer, die sich auf den Weg gemacht haben, haben an mehreren Stellen gesagt: Es ist gar nicht so schwer, wie wir dachten. Vor allen Dingen kostet es kein Geld, verbessert die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitskräfte und auch deren Motivation. - Es gibt also eine Menge positive Nebeneffekte. Im Rahmen des Projekts werden den Unternehmen ihre dadurch erreichten Wirtschafts- und Wettbewerbsvorteile auch deutlich aufgezeigt.
Es ist unstrittig in diesem Hause, heftig diskutiert und, ich glaube, von niemandem mehr infrage gestellt, dass Bildung und Ausbildung unserer Kinder die Zukunft unserer Gesellschaft bedeuten. Den aktuellen Herausforderungen des demographischen Wandels haben sich die Bildungspolitiker insgesamt bereits gestellt. Der Schülerrückgang aufgrund des Geburtenknicks hat die Sekundarstufe I deutlich erreicht. Mit unseren Maßnahmen - es sind übrigens allesamt teure Maßnah
men; auch das muss man an der Stelle sagen - konnte in den wesentlichen Grundzentren eine Schule gesichert werden nicht in allen; auch das muss man klar sagen. Eine erfolgreiche Reaktion auf den Geburtenrückgang sind in der Primarstufe die so genannten kleinen Grundschulen, die im ländlichen Raum ein vollständiges und vor allen Dingen erreichbares Bildungsangebot sichern.
Die zentrale Voraussetzung, dass Menschen in diesem Land bleiben und Familien gründen, bilden attraktive und zukunftssichere Arbeitsplätze. Die Diskussion um die Wachstumskerne - auch das war heute früh schon Thema - hat einige falsche Zungenschläge hervorgebracht. Diese Debatte dreht sich aber um eine durchaus berechtigte Frage, nämlich: Welche Voraussetzungen müssen Standorte bieten, damit vorhandene Unternehmen gut wachsen können und auch neue Unternehmen an einer Ansiedlung interessiert sind?
Die Zuständigkeit für wichtige Voraussetzungen liegt bei der Bundespolitik; keine Frage. Sie sind auch im Wesentlichen Gegenstand der Agenda 2010. Hier geht es natürlich um Fragen der Steuerpolitik, der Gesundheitsreform, um Arbeitsmarktreform und viele andere Dinge. Die Konzentration der Landesförderung auf Branchen und Standorte steht im Einklang mit den jüngsten Initiativen von Bundesminister Stolpe, auch Fördermittel des Bundes auf Wachstumskerne und Branchen auszurichten. Wir haben schon besprochen - deshalb will ich es nicht wiederholen -, dass dabei strukturschwache ländliche Räume nicht von der Entwicklung abgehängt werden; schließlich lebt auch der ländliche Raum vom Arbeitsplatzangebot und den Dienstleistungen der Wachstumskerne.
Übrigens: Wer da immer verkürzt sagt: Seid vorsichtig, dass das mit den Wachstumskernen und den Förderungen nicht alles um Berlin herum passiert!, sei nur der Vorsicht halber daran erinnern, dass von fünf großen Wertschöpfungszentren Brandenburgs vier im so genannten äußeren Entwicklungsraum liegen, nämlich Schwarzheide, Schwedt, Eisenhüttenstadt und Rathenow. Das sollte nicht vergessen werden. Es ist also mitnichten so, dass alles nur im Dunstkreis der Bundeshauptstadt stattfindet.
Innovation und technologischer Fortschritt sind seit Menschengedenken die treibenden Kräfte der wirtschaftlichen Entwicklung. Deshalb müssen wir in Brandenburg auch auf intensive, verstärkte Kooperation und Netzwerksarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft setzen, und das tun wir auch. Es darf uns einfach nicht mehr passieren, dass einem in Unternehmen gesagt wird: Wir brauchten wissenschaftliche Kontakte, aber von der Hochschule ist noch niemand bei uns vorbeigekommen. - Hier müssen wir aktivieren, müssen Türen öffnen, müssen anschiebend wirken.
Es darf uns auch nicht mehr passieren, dass wir jemandem einen Innovationspreis umhängen - völlig zu Recht -, jedoch drei Jahre lang nichts mehr von ihm hören und dann zusehen müssen, wie er die Firma mit dem Produkt, für das er in Brandenburg ausgezeichnet wurde, in Schwaben oder Bayern aufmacht und dabei Arbeitsplätze schafft. Das darf uns in Brandenburg künftig nicht mehr passieren.
Ziel muss also eine nachhaltige Wertschöpfungskette sein, basierend auf einer guten Ausbildung, aber auch auf Unterneh
mergeist, Erfindertum, Ausgründung, Investition und wirtschaftlichem Erfolg. Eine wesentliche Aufgabe für die Zukunft kommt bei der Fortentwicklung innovativer Strukturen - das wird ein Thema sein, das uns in den nächsten Jahren im Landtag beschäftigen wird - der Sicherung des notwendigen Fachkräftebedarfs zu. Das ist ein Thema, das aus meiner Sicht die Debatte noch viel zu wenig bestimmt.
Mit der aktuellen INNOPUNKT-Kampagne „Mehr Chancen für ältere Fachkräfte“ reagieren wir bereits heute darauf. Dieser Ideenwettbewerb soll ein perfektes Beispiel in Unternehmen schaffen, um nicht nur das kreative Potenzial und die beruflichen Kenntnisse der älteren Beschäftigten besser zu nutzen, sondern auch brach liegendes Know-how arbeitsloser Fachkräfte mit einem veränderten Anwerbungsverhalten der Unternehmen diesen Fachkräften gegenüber zu erschließen.
Meine Damen und Herren, die demographische Entwicklung erfordert ein Mehr an Steuerung, das ist überhaupt keine Frage, auf allen Politikfeldern, auf allen staatlichen Ebenen und auch in der Wirtschaft. Wir werden Veränderungen akzeptieren müssen, wir werden sie auch gestalten müssen.
Das ist mitnichten ein Horrorszenario. Andere Länder mit schwacher Besiedlung und alternder Gesellschaft zeigen, dass demographischer Wandel durchaus auch beherrschbar und gestaltbar sein kann und dass kluge politische Lösungen sogar Spitzenleistungen möglich machen, wie nicht nur, aber auch der Norden Europas uns deutlich zeigt.
Ich habe eingangs auf die unterschiedlichen Problemstellungen für den äußeren Bereich des Landes und den berlinnahen Bereich hingewiesen. Angesichts des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs im äußeren Raum steht natürlich die Trag- und Zukunftsfähigkeit unseres gegenwärtigen Zentrale-Orte-Systems auf dem Prüfstand. Wir wollen die Ankerfunktion, die kleine wie größere Städte als zentrale Orte für ihre jeweilige Region haben, erhalten. Wir können nicht alles überall, aber wir müssen das Unabdingbare in erreichbarer Nähe auch anbieten. Hierbei spielt die Arbeitsteilung zwischen Gemeinden und auch dazu müssen wir ermuntern - zunehmend eine große Rolle und wir erleben auch, dass der Diskussionsprozess in vielen Ecken des Landes bereits eingesetzt hat, weil kluge Kommunalpolitiker diese Notwendigkeit längst erkannt haben.
Wesentliche Impulse - da beißt die Maus keinen Faden ab müssen von der Entwicklung in den industriell geprägten Städten ausgehen. Aber unser Brandenburg ist naturräumlich und kulturhistorisch wie auch durch das Leben auf dem Lande geprägt. Der ländliche Raum hat deshalb neben der zentralen Entwicklung eine wichtige Bedeutung für die weitere Gesamtentwicklung unseres Landes. Inhaltliche und räumliche Schwerpunktsetzungen stehen auch bei der integrierten ländlichen Entwicklung an, um die Voraussetzungen für das Leben in Dörfern und Kleinstädten auf dem Lande zu erhalten.
Im ländlichen Raum - auch darüber war heute früh schon zu sprechen - bleibt neben der Landwirtschaft selbstverständlich der Tourismus ein wichtiges in die Fläche hinein wirkendes Standbein. Unsere einmaligen Naturraumpotenziale in Verbindung mit den Kur- und Erholungsorten stellen einen wichtigen Standortvorteil dar und werden insbesondere für den Wasserund Radtourismus, aber auch beim Ausbau eines immer wichtiger werdenden Zweiges, nämlich der Gesundheitswirtschaft,
genutzt. Zur Aufrechterhaltung der Versorgung insbesondere in schwach besiedelten Räumen sind öffentliche Dienstleistungen, wo nötig, zu konzentrieren und, das wird an vielen Stellen nötig sein, durch mobile Dienste zu ersetzen.
Beim ÖPNV haben wir bereits Erfahrungen bei der Gestaltung von flexiblen Verkehrsangeboten für den schwach besiedelten ländlichen Raum. Zum Beispiel in den Kreisen Barnim und Uckermark laufen solche Projekte. Es wird irgendwann in verschiedenen Gegenden unseres Landes vorbei sein, dass ein Bus regelmäßig alle Haltestellen abfährt, egal, ob dort jemand steht oder nicht. Das wird niemand mehr bezahlen und organisieren können.
Ein durch Wegzug vor die Tore der Städte oder auch in die Ferne verursachtes Problem sind der Wohnungsleerstand und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei den beschriebenen demographischen Trends um dauerhaft auftretende Erscheinungen handelt und wir den Stadtumbauprozess im Rahmen unserer Möglichkeiten fortsetzen müssen. Dabei ist es gerade auch der Umbau unter der Erde, der übrigens anfangs überhaupt nicht im Fokus der Betrachtungen stand. Man hat sich in der ersten Regung der Hoffnung hingegeben, es reicht, wenn man architektonisch und baulich über der Erde anpasst und verändert. Aber inzwischen wissen alle, dass sich das teilweise teurere und das nachhaltiger zu lösende Problem unter der Erde abspielt. Dringend ist es allemal.
Wir merken übrigens auch sehr deutlich, dass es wenig Vorlauf gibt. Wir haben sehr viel Vorlauf für das Wachstum von Städten. Da kann man in jeder Bibliothek von Bauhochschulen und Universitäten etwas finden. Es ist fast alles untersucht, soziologisch, versorgungsmäßig, technisch usw. Aber was man mit Städten macht, die um ein Drittel kleiner werden, das ist nicht nur baulich, ist nicht nur unter der Erde die Frage. Diese Stadt verändert sich auch vom Sozialverhalten her. Die Stadt verändert sich von den Verkehrsflüssen über Versorgungsansprüche bis hin zu soziologischen Parametern. Da fehlt uns noch eine Menge Vorlauf. Dafür haben wir keine Modelle. Das heißt, wir müssen beim Tun auch noch eine Menge lernen.
Übrigens das einzige Modell, das es wirklich gibt, ist das amerikanische, wo Städte im vorigen Jahrhundert einfach liegen gelassen wurden. Aber das ist ja nicht das, was in unseren europäischen Kulturraum hineinpasst.
Anpassung von Verwaltungs- und Versorgungsangeboten muss nicht immer Streichung oder Schließung heißen. Zusammenarbeit und Arbeitsteilung bergen große Optimierungschancen.
Brandenburg hat Grenzen zu fünf Ländern und zur Republik Polen. Die intensivste Beziehung unterhalten wir selbstverständlich aufgrund vielfältiger Verflechtungen mit Berlin. Betreuung, Bildung, Forschung, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Kultur, Einzelhandel, Kommunikation, Verkehr, Wasser, Energie und Abfall sind Bereiche, wo die Nachbarschaft funktioniert und auch weiter ausgebaut werden muss. Die Beziehungen zur Republik Polen und unseren Nachbarwoiwodschaften werden sich spätestens jetzt nach dem 1. Mai in erheblich höherem Tempo weiter verstärken. Als Beispiel für die sinnstiftende Kooperation sei die Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum Uckermark und der Medizinischen Akademie in Stettin genannt. Wenn wir einmal bei Schwedt sind, muss man auch gleich noch die Theater mit erwähnen, wo sich inzwischen
Was die Strukturen der Gemeinden in unserem Land betrifft, sind wir gut gerüstet, die demographischen Herausforderungen anzunehmen. Die Gemeindegebietsreform hat in Brandenburg leistungsfähigere Verwaltungsstrukturen geschaffen. Die Landesregierung treibt die Verwaltungsmodernisierung auf allen Gebieten voran. Dazu gehört auch der Ausbau des so genannten E-Governments, also die Zur-Verfügung-Stellung von öffentlichen Dienstleistungen auf elektronischem Wege, um Wege per Auto, zu Fuß oder mit Verkehrsmitteln ersparen zu können. Die im Jahre 2002 beschlossene E-Government-Strategie des Landes wird derzeit durch einen entsprechenden Masterplan konkretisiert. Viele Projekte werden den Bürgern und der Wirtschaft ihre vielfältigen Verwaltungskontakte künftig erleichtern. Diese Form des Verwaltungszuganges ist in einem teilweise dünn besiedelten Flächenland von geradezu strategischer Bedeutung.
Meine Damen und Herren, die laufende Legislaturperiode steht kurz vor dem Ende. Die mit der demographischen Entwicklung verbundenen Probleme und Chancen werden mit Sicherheit eine, wenn nicht die zentrale Aufgabe der Landesregierung in den nächsten fünf Jahren sein müssen. Im Umfeld dieses demographischen Problems sind viele andere Probleme anzukoppeln. Ich habe es vorhin nicht weiter ausgeführt, aber eines der beherrschenden wird der Fachkräftemangel sein. Das ist auch eine direkte Folge unseres demographischen Problems.
Die Bevölkerungsentwicklung verschärft die kritische Finanzlage und engt damit auch unsere politischen Handlungsspielräume ein; denn ein Effekt tritt auch ein: Weniger Einwohner heißt klipp und klar weniger Einnahmen für unser Land. Die Einwohnerzahl ist nun einmal Maßstab für den horizontalen, aber auch für den vertikalen Länderfinanzausgleich sowie für zweckgebundene Zuweisungen. Deshalb müssen wir uns, wenn wir etwas akademisch über Bevölkerungsrückgang reden, auch sagen: Jede Frau und jeder Mann weniger in unserem Land bedeutet auch ca. 2 500 Euro - genau sind es 2 300 und ein paar Euro - pro Jahr weniger Zuweisungen für unser Land. Diese Verluste treten also zu den degressiv bis zum Jahr 2019 auslaufenden Soli-II-Mitteln und der im gleichen Zeitraum voraussichtlich ebenfalls auslaufenden Ziel-1-Förderung, wie sie dann auch immer genau ausgestaltet ist, der Europäischen Union hinzu. Würden wir hier nicht gegensteuern, müsste die Kreditfinanzierungsquote des Landeshaushalts auf 30 % steigen. Die Schulden pro Einwohner würden sich, grob prognostiziert, wenn man einfach fortrechnet, von heute knapp 6 000 Euro auf mehr als 20 000 Euro erhöhen. Die Zinsverpflichtung, heute 16 % der Steuern und der steuerinduzierten Einnahmen, würde dann bis 2020 auf 40 % klettern. Der landespolitische Handlungsspielraum, das ist dann klar, läge bei null. Da brauchen wir jetzt gar nicht weiter hin- und herzurechnen.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, wird es für die Zukunft nötig sein, neben den eben skizzierten Maßnahmen alle neuen, aber auch alle bereits bestehenden Programme, Pläne und Projekte dahin gehend zu überprüfen, ob sie den mittel- bis langfristigen Erfordernissen des demographischen Wandels wirklich gerecht werden. Dieses Prüferfordernis gilt gleichfalls hinsichtlich der Wirksamkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel bei der Umsetzung der Förderprogramme von EU, Bund und Land.