„Er wollte durch sein Votum die Stimmen seines Landes auslöschen als eine Art Notwehr gegen die Verletzung eines Vertrages, der keine rechtliche, sondern nur eine politische Verbindlichkeit hat. Er wollte auf einen Schelm anderthalbe setzen.”
Sie hätten, sehr geehrter Herr Schönbohm, von der Marwitz nicht zitieren sollen; denn Sie haben sich nicht widersetzt, sondern Sie haben als braver Parteisoldat gehandelt. Das wird Ihnen Stoiber hoch anrechnen.
- Ich werfe Ihnen vor, dass Sie dort das Land Brandenburg zu vertreten haben, worauf Sie einen Eid geleistet haben. Das werfe ich Ihnen vor! Mich enttäuscht, dass Sie die Interessen Ihres Landes hinter Parteiinteressen stellen.
Gänzlich irrational ist, wieso Sie Wowereit schelten, der doch nur die Stimmabgabe Ihres und meines Ministerpräsidenten festgestellt hat. Sollten Sie aber wirklich meinen, das wäre ein Verfassungsbruch, dann wären Sie als Innenminister unglaubwürdig, wenn Sie weiterhin mit Leuten regierten, die in Komplizenschaft Verfassungsbrecher sind.
Herr Ministerpräsident, Sie kommen bei mir nicht besser weg, denn Ihr Verhalten ist keineswegs glaubwürdiger!
Wie können Sie dulden, dass Ihre Regierung in einer wichtigen Frage „Jein” sagt! Da Sie den Innenminister nicht entlassen haben, lassen Sie Ihre Glaubwürdigkeit öffentlich demontieren, nur damit Schönbohm dem Stoiber nicht wehtun muss. Was soll man von Ihnen künftig glauben? - Inszeniertes Theater, wie der Ministerpräsident des Saarlandes, Herr Müller, eingestand.
Nun versuchen Sie das nächste Schauspiel zu inszenieren. Dieses Schauspiel heißt „Die Mobilisierung des höheren Zweckes”. Die Fabel ist einfach: Falls denn jemand nicht ganz von den beiden auf der Bühne agierenden Protagonisten überzeugt sein sollte, muss ihm nun klargemacht werden, dass beide höheren Zwecken dienen. Herr Schönbohm will tapfer, wie ich so lese, der bolschewistischen Gefahr oder der PDS-Gefahr trotzen.
(Zuruf von der CDU: Das ist richtig so! - Minister Schön- bohm: „Bolschewistisch” habe ich nicht gesagt, das ist falsch zitiert!)
- Das schreibt die Presse. Nein? - Dann eben: der PDS-Gefahr trotzen. Ist ja gut. Immerhin die Richtung meinen Sie doch.
Und jetzt komme ich zur Bilanz. Zugegeben: Die großen Leistungen dieser großen Koalition kann ich nicht entdecken. Wir bemühen uns aber, sachlich zu sein, und möchten nach der Theaterkritik keines Ihrer Verdienste schmälern. Was also kann sich sehen lassen?
Ich stimme Ihnen zu, dass die Ausstattung der Polizei mit Schutzwesten, neuen Einsatzwagen und Funkgeräten gewürdigt werden kann, auch die Zukunftsagentur oder auch, dass Englisch, Deutsch und Mathe jetzt bis zum Abitur Pflicht sind. Es ist auch gut, dass die Zentrale Zulagenstelle der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nach Brandenburg an der Havel kommt. Nichts davon will ich hier verschweigen oder kleinreden. Darum geht es nicht.
Wieso aber Ihre Regierungserklärung in so hemmungslose Schönfärberei ausartet, dass sich selbst die LEG-Pleite wie eine Erfolgsstory anhört, ist mir unverständlich.
Wenn das so gesagt wird, warum verschweigt die Landesregierung dann, dass das alles in diesem Doppelhaushalt wenigstens 100 Millionen Euro kostet? Könnte es sein, so frage ich Sie ernsthaft, dass die Regierung die Bodenhaftung verliert oder schon verloren hat bzw. angesichts der Freude über neue Firmengründungen die Zahl der Pleiten gar nicht mehr aufrechnet? Könnte es sein, dass sie immer wieder alle neuen Arbeitsplätze zählt - jeder Arbeitsplatz ist wichtig - und nicht die verloren gegangenen gegenrechnet, die die Arbeitslosigkeit im Lande ja auf den bekannten Höchststand gebracht haben?
Die Wirklichkeit stimmt immer weniger mit Ihrer Koalitionsvereinbarung und den vor zweieinhalb Jahren formulierten Absichten überein.
In Ihrer Regierungserklärung aber, Herr Ministerpräsident - es tut mir Leid -, stürzen Sie in geradezu beängstigendem Tempo
von einem Erfolg zum nächsten. Bevor Sie die Abwanderung junger Leute noch als positive Statistik für die Reisebranche verarbeiten,
bitte ich Sie: Halten Sie einen Moment inne! Ein gelegentlicher Abgleich zwischen vereinbarten Absichten und der Realität dieses Landes kann uns allen und unserer Klarsicht nur nützen.
Da wir seit Jahren die Uneinigkeit in vielen Fragen als das herausgehobene Merkmal Ihrer Koalition ansehen können, will ich nicht versäumen, die Annäherung zwischen den beiden Partnern in der Grundrichtung der Landespolitik zu bemerken und hervorzuheben. Noch vor wenigen Jahren habe ich die SPD-Politik im Lande als „CDU-light-Politik” bezeichnet. Das muss ich angesichts der Realitäten jetzt mit der Wirklichkeit abgleichen. Die landespolitische Annäherung an die CDU ist nicht nur light, sie ist schon heavy und Sie sind teilweise nicht mehr unterscheidbar, meine Damen und Herren.
Die Zuwanderung der SPD zu den CDU-Positionen ist ja nicht nur in der Zuwanderungsfrage erfolgt, sondern auch - da Sie sehr fleißig sind - auf sozial- und bildungspolitischem Gebiet. Diese Zuwanderung ist zugleich die Abwanderung vom Brandenburger Weg.
Aus dem Spitzen-ABM-Land im Osten wurde das ABMSchlusslicht. Statt die Arbeitsmarktförderung zu verstetigen, wie noch in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, gibt diese Landesregierung immer weniger Geld in den zweiten Arbeitsmarkt.
Beim wirtschaftlichen Wachstum hingegen befindet sich das Land in der Tabelle stets auf einem Abstiegsplatz und eine Besserung zeichnet sich nicht ab. - Ich zitiere hier einfach die Daten des Potsdamer Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik, einem Landesbetrieb also.
- Ja, ja. - Und da steht ganz deutlich: Das Bruttoinlandprodukt des Landes Brandenburg im Jahre 2001 ist real um 1 % zurückgegangen - vorletzter Bundesplatz vor Mecklenburg-Vorpommern.
Obwohl Sie eine schier unergründliche Glaubenskraft in die Arbeitsplatzeffekte von Großprojekten stecken, scheint Ihnen die reale wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Entwicklung nicht so recht folgen zu wollen. Im Bereich der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik haben Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, eine erkennbare Großprojektestrategie, aber bisher keine glückliche Hand. Schönefeld droht zum kostspieligen Tummelplatz von Halbheiten abzuglei
Nur die großkoalitionären Reden hier im Landtag - gestern etwa machen auf ungebrochenen Optimismus und lassen sich durch ein paar Hundert im Sande versickernde Millionen die unbeschwerte gute Laune nicht verderben, als müsste es uns nichts angehen, als hätten wir so viel Geld. Das möchte ich Ihnen auch nicht durchgehen lassen, meine Damen und Herren.