Protocol of the Session on November 16, 2000

Wir haben es auf der einen Seite geschafft, uns mit Blick auf Berlin von den teuren. kostspieli gen medizinischen Fakultäten freizuhalten. Auf der anderen Seite haben wir die hervorragende Hochschule für Film und Fernsehen, deren Neu- und Ausbau uns aber auch über 100 Millionen Mark gekostet hat.

Aber es gibt auch zentrale Probleme. die ich Ihnen keinesfalls verschweigen möchte. Die Studentenzahlen sind in den letzten Jahren auf 30 000 gewachsen. Das ist erfreulich. Oh es einmal 40 000. 50 000 oder 60 00(1 sein werden oder müssen. darüber können wir streiten. Jedenfalls 30 000 sind zu wenig. Nicht gut ist. dass die Personalkosten im selben Zeitraum uni 12 bis 16 % gestiegen sind.

30 % der wirklich Studierwilligen im Land Brandenburg können hier keine Studienplätze finden, vor allem in den Fächern moderne Informatik. moderne Ingenieurwissensehaften. Es gibt insgesamt eine negative Netto-Wanderungsbilanz an 800 bis 1 000 jungen Menschen pro Jahr. Das können wir nicht hinnehmen. Das sind Ressourcen. das ist Humankapital, das uns für immer verloren geht. Die jungen Menschen. die einmal in Aachen oder Düsseldorf gelandet sind, gründen dann dort ihre kleinen und mittelständischen Unternehmen und kommen nicht zurück.

Es gibt noch viele Beispiele. Bei uns studieren nur etwa 10 % der Bevölkerung. in Sachsen sind es 17 % und in Thüringen über 14 %.

Ich will Ihnen zum Schluss - auch das muss noch geschehen die aktuellen Zahlen nennen. Insgesamt gibt Brandenburg für Hochschulen und für Kliniken etwa 573 Millionen DM aus. In Sachsen sind es 2 Milliarden DM, uni nur zwei Zahlen zu nennen. Pro Kopf sind es 220 Mark in Brandenburg und 440 Mark in Sachsen. Ich denke. dabei kann es nicht bleiben.

Eine Aktivistin aus einem Textilkombinat in der Oberlausitz hat einmal gesagt:

..So wie wir heute arbeiten. werden wir mor gen leben.

(Zuruf von der PDS: Frieda Hockauf!)

Lassen Sie uns gemeinsam arbeiten. damit Brandenburg leben kann, und ich will - besser - wir sollten nicht nur Jubelperser-, sondern Förderer der Koalition und der Regierung sein, kraftvoll und mit Kreativität. - Danke schön.

(Beifall hei der CDU)

Landtag Brandenburg - 3. Vk ahlpernxle - Plenarprotokoll 3 - 16 's.o.seinher 20011 1521

Ich danke Ihnen. Herr Abgeordneter Dr. Niekisch. - Das Wort geht jetzt an die Landesregierung. Frau Ministerin Wanka.

Sehr geehrter Herr Präsident'. Meine Damen und Herren! Über die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung als Zukunftspotenzial für das Land haben erfreulicherweise alle heute schon gesprochen. Das muss ich nicht wiederholen. Ich möchte konkret auf das. was vorgegeben war. eingehen: Stand und Perspektiven der Hochschulen in Brandenburg.

Ich denke. den Stand der Hochschulentwicklung unseres Landes kann man durch zwei Feststellungen charakterisieren:

Erstens: Die Hochschulen des Landes Brandenburg haben sich seit ihrer Gründung erfolgreich entwickelt. Sie werden von Wissenschaft und Wirtschaft als leistungsstarke Partner geschätzt.

(Vereinzelt Beifall)

Einige wenige Faktoren als Beleg dafür:

Da ist zum einen - wie heute schon genannt - der stetige Zuwachs der Studierenden auch in diesem Wintersemester. Mit den rund 32 000, die jetzt an den Hochschulen sind, lieft das Land Brandenburg wieder über der Prognose der Studierendenzahlen. Das ist ein wohl tuender Unterschied zu anderen neuen Bundesländern. Zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt hat man sich verplant. Man hat mit weitaus höheren Zahlen. 40 000 und mehr, geplant und liegt so weit darunter, dass diese Planung korrigiert werden musste. weil man Investruinen hat.

Die Nachfrage ist also der Ausdruck einer vernünftigen Hochschulplanung bei uns. Wenn man die Studiennachfrage genauer anschaut, weil immer Zahlen genannt werden. wie viele Studierende weggehen. stellt man fest: Es gehen aus unserem Land über 50 junge Leute in andere Länder zum Studium. Dabei muss man aber beachten, dass zum Beispiel die Entscheidung, die Studiengänge Medizin. Landwirtschaft und Pharmazie nicht in Brandenburg anzubieten, auch Konsequenzen hat. Ich finde diese Entscheidung aber trotzdem richtig: denn zum Beispiel in Sachsen-Anhalt gibt man 60 6,i, aller Mittel im Hochschulhau nur für die Studienrichtung Medizin aus. Das sollte man herrunterrechnen auf unser Land. Das sollte man beachten.

Diesem Export steht auch ein beachtlicher Import gegenüber. 45 % aller j imgen Leute. die in Brandenburg studieren. kommen aus anderen Bundesländern. Das Studienangebot umfasst das, was ursprünglich geplant wart aber die Hochschulen sind sehr kreativ und haben gerade in Richtung der Internationalisierung der Studiengänge - Bachelor-Master-Abschlüsse. Kreditpunktsystem - eine Menge Vorlauf. Das zahlt sich heute noch nicht in Studierendenzahlen aus. aber das kommt.

Genau wie die Zahl der Studierenden hat sich die Zahl der flächenbezogenen Studienplätze gut entwickelt. Wir haben jetzt 19 000 flächenbezogene Studienplätze. Wenn man mit Bundesschnitten rechnet, dann heißt das. dass wir für rund

25 000 Studierende aus gestattet sind. Wir haben 32 000 Studienplätze, somit eine Überlast.

Bauvorhaben. die be gonnen oder gerade vollendet worden sind. wurden schon genannt. Ich nenne die Filmhochschule. Damit haben wir die modernste Filmhochschule Deutschlands in Brandenburg. Oder ich nenne den Standort Golm mit dem ersten Bauabschnitt. wo ein Teil der Universität Potsdams etabliert worden ist. Im nächsten Jahr werden Bauvorhaben. zum Beispiel in Frankfurt (Oder) oder in der Lausitz. be gonnen. Das betrifft den Hörsaal und Seminarraumgebäude. Im Jahre 2001 stehen sechs neue Bauvorhaben an. Ins gesamt kann man sagen, dass bis zum Jahre 2004 nach dem. was bereits geplant ist. 23 50(1 flächenbezogene Studienplätze geschaffen werden.

Herr Inmsehke. das mit der Reduzierung der Drittmittel für den Hochschulhau kann ich nicht nachvollziehen. Aber 23 500 flächenbezogene Studienplätze sind immer noch eine große Diskrepanz zu dem. was wir an Studenten haben.

(Zuruf von der PDS: Der Einzelplan für 2001!)

In der Forschung lässt sich sehr viel Positives konstatieren. Hier liegt Brandenburg - weil wir uns immer sehr gern mit Sachsen vergleichen: das machen übrigens alle neuen Bundesländer - an zweiter Stelle hinter Sachsen. was die Einwerbung von Drittmitteln pro Professor anbetrifft, bei 82 00(1 DM. Die jüngste Drittnüttelstudie des Vv'issenschaftsrates zeigt. dass Brandenburg seit Anfang der 90er Jahre den größten Anstieg an eingeworbenen Drittmitteln hat. Frau Müller hat es erwähnt. Zurzeit sind 450 Personen über Drittmittel beschäftigt. Das ist mehr als die Viadrina an Personal hat.

Die Hochschulen kümmern sich um die Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen und fördern diese. Die Anzahl der Existenzgründungen darf nicht zu blauäugig gesehen werden. Es ist ein Wertewandel. der sich im Kopf vollziehen muss. der in der Schule beginnt. überhaupt in die Selbstständigkeit zu gehen. Die Bedingungen sind nicht schlecht. Da mangelnde Existenzgründungen angesprochen worden sind. möchte ich Folgendes sa gen: Die größte Biotechnologieausgründung. die in Deutschland existiert ist in Brandenbur g entstanden. Brandenhure ist als Biotechnologieregion führend in Deutschland.

Da ich die Medizin erwähnte. ist noch ein anderer Punkt erwähnenswert. Wir haben ein großes Netz von außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen von einer Exzellenz, die es so woanders kaum gibt. Damit haben wir - das kann man als Vergleich heranziehen - Wissenschaftszentren. wie es sie in München und in Stuttgart gibt. in &ahn im Entstehen. Dazu gehört natürlich. dass sieh die Hochschullandschaft adäquat entwickelt und mitzieht. Ich denke, dass das Land nicht über zu viele Hochschulen verfügt wie gelegentlich behauptet wird. Das war die C'harakierisiening des Entwicklun gsstandes der Hochschulen.

Meine zweite Feststellung - auch dies ist heute schon angedeutet worden. ich formuliere es etwas positiver -: Die Hochschulen in Brandenburg erbringen ihre Leistun gen - die ich gerade versuchte zu charakterisieren - mit einem im Vergleich zu anderen Ländern niedrigeren Mitteleinsatz. Die Zahlen wurden genannt. Sie dürfen nicht glauben. dass hier eine weitere Reduzierung mö glich ist und weitere Effektivitätssteigerungen durch Mittelreduktion denkbar sind. Aus diesem niedrigen Mittelansatz er

1522 I _andtag Elrandenburg. - 3. Wahlperiode - Plenarprotokoll 3 2it - I it. Notiettiber 2000

geben sich Probleme. Ich denke an die Studierquote. an die Betreuunesrelation. an das wissenschaftliche Personal und an die Studenten. Wir liegen ungefähr im Bundesschnitt. aber das kann sich schnell verschlechtern. Von den 131 Studiengängen des Landes sind bereits 54 Studien gänge zulassungsbeschränkt. Dazu gehören alle Informatikstudiengänge im Land mit Ausnahme des Infonnatikstudieneanges an der BTU Cottbus. Das heißt. von ungefähr 700 Informatikplätzen sind 500 Plätze zulassungsbeschränkt. wobei durch das Informatikprogramm des Bundes in diesem Jahr die Zahl derer. die in der Lausitz und in Wildau aufgenommen werden konnten. erhöht werden konnte_

Man sollte aber bei der Infonnatikproblematik nicht vorschnell werten. Erstens ist es eine aktuelle Entwicklung. Jahrelang war dieser Bereich unterbesetzt. Viele Länder haben Informatikfakultäten geschlossen. Auch im naturwissenschaftlich-technischen Bereich ist es so. dass wir noch längst nicht ausgelastet sind. Man kann nicht sofort auf jede temporäre Entwicklung reagieren. aber die Infommtikschiene und andere Dinge müssen hei der weiteren Hochschulentwicklungsplanung ihren geeigneten Niederschlag finden.

Beim Mitteleinsatz haben wir - das sollte man auch aus Sicht der Landesregierung so klar formulieren - ein großes Problem im Jahr 2001. Sie wissen. dass der Einzelplan 06 um 23 Millionen DM abgesenkt worden ist. Das ist. wenn man die Milliarde sieht, nicht so entscheidend. aber durch die Festlegung außeruniversitärer Einrichtun gen etc. konzentriert sich diese Absenkung auf den Personalbereich an den Hochschulen. Das ist das Problem. Wir bemühen uns gegenwärtig. alle vorhandenen Möglichkeiten - so viele sind es nicht - zu nutzen. um das Problem zu bewältigen.

Sich hier zu Einzelfragen zu äußern. ist, denke ich. an dieser Stelle nicht vernünftig. Ich gehe davon aus - man muss Realist bleiben -. dass wir im nächsten Jahr keine grundlegende Veränderung des Einzelplanes 06 haben werden. Das heißt, wir müssen mit den Hochschulen nach Wegen suchen, wie im nächsten Jahr die unbestritten knappen Mittel effektiver eingesetzt werden können. Es gibt verschiedene Schienen. Das hat nicht nur etwas mit der akuten Mittelsituation zu tun. sondern

generell mit der Überprüfung des Lehrangebotes. Das heißt aber nicht. dass es automatisch zu viel Doppelangebote sind. das heißt nicht, dass Studiengänge gestrichen werden, die nicht ausgelastet sind. sondern nur, dass man über Dinge. die län gerfristig, nicht ausgelastet sind, bei denen die Perspektive nicht klar ist. nachdenkt, sie zusammenlegt und die Gelder ftir mehr profilbestimmende Studiengänge einsetzt.

Wir brauchen - diesbezüglich gebe ich den Ball an die Hochschulen - noch mehr Hochschulkooperation im Land, auch mit Berlin. Wir brauchen Hochschulkooperation zwischen den Universitäten und den Fachhochschulen. Überlegungen gibt es dazu. In der Realität können wir aber noch weiter gehen.

Bei den Möglichkeiten. die Schwierigkeiten im nächsten Jahr zu überwinden. muss ich auch die Überprüfung des Verwaltungshaushaltes nennen. Brandenburg hat sich bewusst datiir entschieden - das ist der Landesregierung klar -, kleinere Hochschulen zu haben. Das erfordert einen relativ hohen Verwaltungsaufwand. Davon ist nicht abzugehen. Das ist nicht die Richtung. die wir vertreten. Aber innerhalb dessen muss es legitim sein. nach Svnergieeffekten zu fragen.

Ich komme zur Verbesserung der Einnahmesituation der Hochschulen. Dabei denke ich nicht nur an die Drittmittel. sondern auch an Geld für die Lehre. insbesondere im Weiterbildungsbereich. und an die Vemietting von Laboren etc.. wo es sinn

'% oll ist.

Wir müssen im nächsten Jahr versuchen. mit Bundes- und EUMitteln Probleme. die dramatisch sind. in den Griff zu bekommen. Über die UMTS-Mittel des Bundes ist noch nicht endgültig entschieden worden. Wir können davon ausgehen. dass sie einen Beitrag liefern werden. damit wir die Probleme im nächsten Jahr vernünftig händeln können. Der Einsatz von EU-Mitteln heißt nicht nur Hochschulbau. sondern Für mich heißt das auch Großgeräte. Das müssen wir schaffen. denn das wäre eine wichtige Finanzierungsquelle.

Bei den EU-Mitteln denke ich an Irland. Herr Tnmschke. Irland hat EU-Mittel in beträchtlichem Maße. Das ist ein entscheidender Faktor für die von Ihnen genannten Dinge. Bei den EUMitteln sind die Hochschulen in der Einwerbung sehr unterschiedlich. Hierbei ist es die Aufgabe der Landesregierung. speziell meines Hauses. Mittel und lnstrumcntarien zu finden. wie man auch kleinere Hochschulen befähigen kann. effektiver einzuwerben. da der Aufwand sehr beträchtlich ist.

Ich denke auch an die gestrige Diskussion zum Thema Kooperation mit der Wirtschaft. Das heißt, nicht nur Geld von der Wirtschaft zu fordern. sondern dass man - was ich an meiner Hochschule immer favorisiert habe wenn man Professoren beruft, schaut. ob diese gute Kontakte zur Wirtschaft haben. und danach schaut, ob die Spitzentechnologie in der Wirtschaft für die Lehre eingesetzt wird. Das lässt sich nicht in Bargeld ausdrücken. Wir haben nächstes Jahr eine problematische Situation und bemühen uns uni eine Lösung im Sinne der Hochschulen.

Nun zu den Perspektiven: Diese möchte ich in zwei Punkten zusammenfassen. Es gibt eine klare Aussa ge. dass die Landesregierung zu Beginn des nächsten Jahres eine Grundsatzentscheidung treffen muss und wird, was die Studierendenzielzahlen in Brandenburg betrifft. In der Koalitionsvereinbarung war vorn Jahr 2005 die Rede. Wir müssen den Zeitraum bis 2010 Auge behalten. Sie alle wissen, dass der Geburtenknick kommt. Die Personen, die dann studieren werden, sind jetzt geboren. Es ist klar, dass die Studierendenzahl nach der Prognose in Brandenburg bis 2009 sehr angenehm steigen wird. Nach dem Jahre 2009 haben wir in der Bundesrepublik überall einen Abbruch. In Brandenburg ist es der Prognose nach - das hängt mit Berlin und den dortigen Beschränkungen zusammen - wesentlich günstiger.

Wir müssen. egal wie diese Prognose aussieht. eine Festlegung für die Studienplatzzielzahl für das nächste Jahrzehnt treffen. Das ist die Grundsatzentscheidung. die im Januar fällt.

(Allgemeiner Beifall)

Dabei ist diese Grundsatzentscheidung auch ein Stück weit ein normaler Prozess. Nach zehn Jahren muss man schauen, wie die Lage ist: da sich viele Faktoren ergeben haben. Diese konnten 1990 oder 1992 nicht berücksichtigt werden. Damit meine ich nicht nur das Studierverhalten und die Prognose der Studierendenzahlen. sondern auch alle Aspekte der Globalisierung, die Trends zur Internationalität im Studienbereich. Damit meine ich

Landtag Brandenburg - aldpertode - Plenarprotokoll - \ tyt einher 20410 1523

auch die Aspekte der Informations- und Wissensgesellschaft. Es müssen solche Dinge wie virtuelle Smdiengänge etc. neu überdacht werden. Dort besteht dringender Handlun gsbedarf und dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt.

Wenn wir diese Zahl haben, ist es wichtig. einen Hochschulentwicklungsplan - der jetzige ist bis zum Jahr 2001 gültig. der nächste bis zum Jahre 2005. und das sage ich als Verpflichtung - verbindlich festzuschreiben.

(Vereinzelt Beifall hei der PDS)