Judith Pauly-Bender

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17/4 17/5 17/15 17/19

Last Statements

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hahn, ich suche hier nicht den großen Auftritt, aber ich denke, was recht ist, muss recht bleiben.
Ja, ich wurde am 6. März vom Hessischen Rundfunk überrascht,anlässlich einer großen Veranstaltung zum internationalen Frauentag; das blieb in der Sendung unerwähnt. Anlässlich dieser Veranstaltung haben sehr viele Gäste aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen Frau Ypsilanti ermutigt, Wege zu suchen, beispielsweise die Frauenpolitik in Hessen zu einer Wende zu führen. Ich persönlich wurde dann angesprochen und sollte mich zu den Einlassungen von Frau Metzger in den Medien äußern.
Ich habe in meiner Erklärung ausdrücklich gesagt, dass ich eine Gewissensentscheidung eines anderen Kollegen nicht kommentiere. Sie können bei meinen Kollegen abfragen, ob ich das in meiner 30-jährigen politischen Tätigkeit schon jemals getan habe. Das würde ich nie tun. – Dieser halbe Satz hat nicht wiedergegeben, wie meine Position zu dem Thema Gewissen und Mandat ist. Insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie es hier noch einmal angesprochen haben. Dann kann ich Ihnen das nämlich vortragen. Ich habe auch diejenigen, die über mich geschrieben haben, persönlich angesprochen und bin da auch weitergekommen. Natürlich habe ich kein Dementi bekommen.
Herr Hahn, ich kann Ihnen hier noch einmal persönlich versichern, dass das meine Haltung zu Mandat und Gewissen nicht ist. Ich habe in meiner mündlichen Einlassung, die natürlich nicht in der Breite gesendet wurde, gesagt, dass es für viele Abgeordnete eine schwere Gewissensentscheidung war, sich in dieser Lage zu verhalten. Ich persönlich bin beispielsweise von zwei Dissidenten erzogen worden, und ich habe mir meine persönliche Gewissensentscheidung nicht sehr leicht gemacht.
Ich komme aus einem Wahlkreis, in dem im Moment über 1 Milliarde c in ein großes Kohlekraftwerk investiert werden sollen. Ich persönlich hatte einen ganz klaren Schwerpunkt in meinem Wahlkampf, und zwar dieses große Kohlekraftwerk zu verhindern. Im Unterschied zu anderen Abgeordneten habe ich auf den Bürgerversammlungen Rede und Antwort gestanden und Versprechen abgegeben. Insofern habe ich in einem schwierigen Gewissenskonflikt in der Folge dieser Ereignisse in Hessen meine persönliche Gewissensentscheidung, die auch Respekt verdient, die mir auch zusteht, getroffen.
Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, sich vielleicht nach dem heutigen Tag mit dem Thema zu befassen, in welcher Konkurrenz
ich spreche den letzten Satz, Herr Präsident – eine Gewissensentscheidung zu der ebenfalls von der Verfassung geschützten Parteiendemokratie steht. Ich weiß, dass das alle Parteien umtreibt, und das muss auch unser Thema sein. Denn wir brauchen stabile Regierungsfähigkeit, um
die Interessen der Menschen zu wahren. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Position des hessischen Volkes im Rahmen der Volksgesetzgebung verbessern. Diese Absicht weist im Grundsatz in die richtige Richtung – auch wir haben dazu in der Verfassungsenquetekommission Position bezogen –, und das kann auf unsere Sympathie zählen. Die hessische Sozialdemokratie hat an verschiedenen Stellen sehr deutlich gemacht, dass wir Initiativen, die in diese Richtung weisen,für geboten und notwendig halten. Wir haben uns im Rahmen der Verfassungsenquete entsprechend positioniert, und unsere gesamte Programmatik sieht sich mit dem Ziel im Einklang, die basisdemokratische Substanz unserer Hessischen Verfassung weiter auszubauen. Gerade das von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anvisierte Kernstück, nämlich die Normsetzungsinitiative des Volkes auch in puncto Verfassungsänderungen zu ermöglichen, finden wir der Richtung nach überzeugend und in hohem Maße erwägenswert.
Meine Damen und Herren, die SPD hebt erneut hervor: Es gehört zu dem ganz großen demokratischen Erbe der über 60-jährigen Landesverfassung, dass sie dem Volk bei vom Landtag intendierten und beschossenen Verfassungsänderungen eine absolute Vetoposition an die Hand gibt, welche die Möglichkeiten auch großer parlamentarischer Mehrheiten gegenüber anderen Verfassungen, nicht zuletzt auch gegenüber dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, erheblich zugunsten der direkten Demokratie verändert.
Die Landesverfassung hat damit eine Vorkehrung getroffen, um die demokratische Legitimität der Verfassungsänderungen in einer ganz besonderen Weise zu sichern. Ich finde es auch nicht ganz korrekt, dass wir heute diesen Punkt umschiffen. Herr Gotthardt wollte herausfinden, warum nicht das Gesamtpaket zur Diskussion gestellt wurde.
Meine Damen und Herren, es erscheint uns durchaus konsequent und folgerichtig, diesem Vetorecht in einer nahen Zukunft auch ein Initiativrecht – oder die Ausdehnung dieser Initiativrechte – folgen zu lassen, das die gestaltende Rolle des Volksgesetzgebers dann auch endlich in Verfassungsrecht betont und für diesen besonderen Be
reich das nachvollzieht, was die Hessische Verfassung für den Normalbereich der einfachen Gesetzgebung bereits in bahnbrechender Weise reformiert hat.
Wer es mit der aktiven Staatsbürgergesellschaft ernst meint, sollte offen sein für diese Erweiterung der Volksbeteiligung. Es macht keinen besonderen Sinn, die Wichtigkeit des bürgerschaftlichen Engagements in den allfälligen Sonntagsreden zu preisen, dort aber, wo es um Wesentliches geht, zu mauern. Die höchste Form der Mitbestimmung ist und bleibt das Recht der Initiative. Das allein gewährleistet,dass man nicht nur Ja oder Nein zu dem sagen kann, was sich andere ausgedacht haben, sondern auch sagen darf, was geschehen soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehen es als vornehme Aufgabe des Parlamentes an, die historische Substanz der Hessischen Verfassung zu achten und zu wahren.
Herr Kollege Gotthardt, es wäre auch schon ganz korrekt gewesen, zu sagen, dass es einen großen Kompromiss gab, der allerdings am Sondervotum der SPD gescheitert ist und der dann die Bedenken auch in die anderen Fraktionen hineingetragen hat.
Wir haben dies in den Beratungen zur Verfassungsenquete immer wieder dargelegt. Wir sehen diese Substanz vor allem in zwei Dimensionen: zum einen in dem ungewöhnlichen Engagement der Verfassung für das Prinzip der Sozialstaatlichkeit, das in kaum einer anderen Quelle so klar und dezidiert vertreten wird, wie dies in unserer Verfassung an zahlreichen Stellen geschieht. Dass dies schon damals, erst recht aber in unserer heutigen Zeit, nicht alle landespolitischen Kräfte mit Begeisterung erfüllt hat, haben wir anlässlich der Enquete und mancher Änderungsvorschläge in dieser Enquetekommission gesehen. Das hat uns nicht erstaunt, nach allem, was wir an Sozialabbau in den vergangenen Jahren hier erleben mussten. Uns haben diese Initiativen in der Absicht bestärkt, alles dafür zu tun, diese besondere Art der Verfassungsparteinahme für den Sozialstaat zu verteidigen und das soziale Hessen wieder zu forcieren.
Um das soziale Hessen geht es gerade in diesen Tagen wieder in ganz besonderer Weise – bei allem wabernden Pulverdampf, der ausgesprochen Nebensächliches allzu leicht als wesentlich erscheinen lässt und umgekehrt.
Wer in Anspannung geraten ist: Sie können sich für den Augenblick wieder locker machen, denn ich komme eilends zur heutigen Verfassungsnovelle zurück und lasse die Beratungen der Enquetekommission in toto im rechtshistorischen Off, wo sie der Endeckung harren, die da kommen wird.
Die zweite Spezialität der Hessischen Verfassung aber ist die große Wertschätzung der direkten Demokratie. Sie tritt als prägendes Element neben das Sozialstaatsprinzip und die Sozialstaatsemphase. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die beiden Besonderheiten stehen aber nicht nur einfach so nebeneinander. Sie gehören zusammen, und sie sind die zwei Seiten einer Medaille. Sozialer Staat und lebendige Demokratie, beides sind die Voraussetzungen dafür, dass auch die normalen Menschen, die viel zitierten kleinen Leute, in angemessener Weise Be
rücksichtigung finden. Die Leute, die hart für das Leben arbeiten müssen, oft mit großem Einsatz und skandalös geringem Lohn, wie die neue Studie zur Lohnspreizung zeigt, brauchen den ausgleichenden Staat, der auch und nicht zuletzt ihre Fähigkeit sichert, sich am öffentlichen Leben zu beteiligen.
Es ist eine effektive und partizipative Demokratie, die sicherstellt, dass auch diejenigen Interessen zum Zuge kommen, die keine große Lobby finanzieren können. Der bedeutende amerikanische Intellektuelle und Politikberater Marshall hat in seinen Reflexionen über Industrial Citizenship den Zusammenhang von wirtschaftlicher und politischer Partizipation betont. Marshall sah darin geradezu die Grundfesten unserer freiheitlichen Gesellschaften. Man kann heute, Jahrzehnte danach, sagen, dass sich an dieser Einsicht nicht rütteln lässt. Meine Damen und Herren,beides ist nötig.Beides muss nach den dürren Jahren, auf die wir zurückschauen, wieder nach vorne kommen. Initiativen für soziale Gerechtigkeit und Initiativen für ein Mehr an Demokratie – unser Land braucht beides. Meine Damen und Herren, wir alle sollten stolz sein auf unsere Verfassung, die diese Synthese schon früh gefunden hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dabei geht es nicht darum, die repräsentative Demokratie anzutasten. Diese Regierungsform hat sich mehr als bewährt.Wir wären als Hessischer Landtag mehr als schlecht beraten, wenn wir den Ausbau der direkten Demokratie mit einer in aller Regel doch ziemlich billigen und von allen möglichen Hintergedanken befallenen Fundamentalkritk an der repräsentativen Demokratie verbinden würden. Nein, darum geht es nicht. Es muss bei den Versuchen, die demokratischen Mechanismen zu reformieren, um Optimierung gehen, um Zugewinn an Legitimität, an Transparenz und um besseres Regieren überhaupt.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind davon überzeugt, dass der partizipative Staat der bessere, ja durchaus auch im Wettbewerb der überlegene Staat sein wird.Auch das wird man in Zeiten einmal sagen dürfen, in denen es zum guten Ton gehört, von Standortkonkurrenz, von Wettbewerbsföderalismus und dergleichen mehr zu reden.
Deshalb und nicht aus einem Misstrauen gegen die bestehenden Institutionen heraus wird die SPD-Fraktion alle Versuche, die Hessische Verfassung als demokratische Verfassung weiterzuentwickeln, konstruktiv aufgreifen. Wir sehen deshalb den Ausschussberatungen der heute vorgelegten Gesetzentwürfe gerne entgegen. Wir hoffen, dass sie sich zu einem wichtigen Element der Erneuerung entwickeln werden, die in Hessen jetzt ansteht.
Natürlich sind Einzelfragen, wie die Details eines Ausführungsgesetzes, praktikablere Quoren, die Frage nach Einwohnern und anderes mehr, diskussionswürdig. Hier und da wird man auch kontrovers zu diskutieren haben. Dies ist bei innovativen Projekten der Normsetzung ganz normal. Jeder, der einen solchen Vorschlag macht, wird darum wissen, gleich ob es sich um Verfassungspolitik, Energiewende oder andere wesentliche Themen des Aufbruchs handelt.
Wir denken, dass diese Fragen ebenso wie das Gesamtkonzept zunächst im Ausschuss gründlich und auf der Grundlage einer Anhörung beraten werden müssen. Wir würden es uns sehr wünschen, wenn es gerade bei dieser Thematik zu einem breiten Konsens im Landtag kommen würde und nicht wieder Pakete aufleben, die mehr Demokratie geben und das absolute Votum der hessischen Bevölkerung bei Verfassungsfragen schleifen wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Verfassung ist ein besonderer Stoff. In unserer sehr pluralen Welt ist es nur schwer möglich, allgemeinen Konsens zu stiften. Wir Hessinnen und Hessen können im Moment davon ein Lied singen. Es hat in jüngster Zeit Versuche gegeben, dies durch einen Rekurs auf eine vorgebliche Leitkultur zu leisten. Sie sind, wie man weiß, kläglich gescheitert.
Ebenso ist das Zeitalter der umfassenden Ideologien perdu. Der eine oder andere hat es zwar noch nicht gemerkt und erregt sich nach alter Väter Unsitte, aber außer schwankenden Gestalten ist in diesem Bereich nichts Integrierendes mehr auf dem Markt. Summa summarum: Außer der Verfassung bleibt uns nicht viel, auf das wir uns gemeinsam beziehen können.
Jürgen Habermas – ich denke, Jürgen Habermas kann man in diesem Haus noch zitieren – hat auch in diesem Punkt recht:
Sie ist das Kern- und Herzstück der Institutionen, und hier ist ein ganz besonders sorgsamer Umgang angezeigt.
Die zwei Jahrzehnte lang geführte Debatte darüber, was die Gesellschaft der Vielfalt noch zusammenhält, hat uns dies allen vor Augen geführt.
Es wäre also schön,wenn sich in dem Verfahren,das heute beginnt, doch noch ein Konsens finden ließe. Ich sage hier ganz deutlich: Parteipolitisches Profilierungsranking sollte in den basalen normativen Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung seine Grenzen finden. In Hessen haben jeweilige Landtagsmehrheiten in aller Regel davon abgesehen, das Volk mit hoch kontroversen Änderungsvorschlägen zu konfrontieren. Dies gehört zur guten Staatspraxis in unserem Land.
Auch das will ich nicht verhehlen: Wir haben in diesem Zusammenhang sehr wohl registriert, dass diejenigen, die einst einmal über die absolute Mehrheit verfügten, diese nicht dazu genutzt haben, die Kontroverse in der Enquetekommission zu majorisieren, was immer die Gründe für diese praktizierte Vernunft gewesen sein mögen. Das sage ich offen als hessische Staatsbürgerin.
Deshalb werden wir erst recht dafür werben, dass eine gemeinsame Lösung in Sachen Weiterentwicklung der Volksgesetzgebung zustande kommt. Eine solche Weiterentwicklung steht an. Es ist unsere Pflicht, uns um eine gute Lösung zu kümmern. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rock, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich glaube, Sie könnten mein Sohn sein.
Ich meinte, altersmäßig. – Ich fand es sehr traurig, dass sich Herr Rock vor seiner Rede nicht überlegt hat, dass wir neun Jahre lang eine Regierung hatten, die im Bereich der erneuerbaren Energien eine Aufgabenstellung hatte.
Sie hat in diesem Bereich nur einen 1,3- oder 1,5-prozentigen Zuwachs erarbeitet. 20 % hätte sie erarbeiten müssen. Womit sie sich heute rühmt, hatte Rot-Grün bereits angezettelt. Das ist die hessische Realität.
Meine Damen und Herren, die hessische CDU-Fraktion hatte offenbar eine Klausurtagung. Frau Apel hat theoretisch sehr artig zum Thema erneuerbare Energien vorgetragen. Wir brauchen allerdings Einstiege. Gerade am Standort Staudinger, zu dem ich reden möchte, haben wir die Gelegenheit, zu dokumentieren, dass man etwas gelernt hat. Ein solcher Kraftwerksbau hat in der Regel eine Laufzeit von etwa 50 Jahren. Das bedeutet: Es wäre die Aufgabe der Hessischen Landesregierung gewesen, sich in den letzten neun Jahren die Gedanken zu machen, die sie nun von ihrer Klausurtagung mitgebracht hat – nämlich zu der Frage: Welche Alternativen gibt es, am östlichen Untermain, einem Ballungsraum, einem Entwicklungsgebiet, in diesen Bereich einzusteigen? Wir wissen von den Bayern sowie den Anrainerkommunen, dass die Handwerkerschaft den Bürgermeistern die Türen einrennen, um sich zu beteiligen.
Herr Rock, wir haben am Vergleich von Seligenstadt und Rodgau gezeigt, dass es sehr darauf ankommt, wie man mit der Kommunalpolitik spricht – ob man erneuerbare Energien verteufelt und davor Angst macht oder ob man dafür wirbt und die Bürger sowie die Anrainerhandwerker miteinander ins Gespräch bringt. Ich kann Ihnen versichern, wir hätten eine solche Mehrheit in Rodgau nicht gefunden. Dort wohnen sehr vernünftige Menschen – wesentlich mehr als in Seligenstadt.
Diese wollen dieses Thema begleiten, und sie wollen sich beteiligen.
Meine Damen und Herren, ich finde es schön, dass Sie, Herr Al-Wazir, den SPD-Antrag bereits auf glänzende Weise begründet haben. Wir freuen uns auf Ihre Beteiligung im Ausschuss. Frau Hammann hat bereits wichtige Punkte mit mir ausgetauscht, die wir mit Ihnen gemeinsam besprechen wollen, sodass wir uns ergänzen können.
Ich habe auch gehört, dass sich die Fraktion DIE LINKE mit diesem Thema beschäftigt. Aber ich glaube, dass ich mich mit den örtlichen Abgeordneten, mit Herrn Lortz, Herrn Lenz sowie Herrn Rock, noch sehr lange werde beschäftigen müssen, wahrscheinlich den ganzen Sommer lang, um wenigsten Sie, die örtlichen Abgeordneten, zu mobilisieren, diesem Antrag zuzustimmen – nachdem wir eine Anhörung durchgeführt haben und falls er hier wiederum aufgerufen wird.
Meine Damen und Herren, ich könnte dies sehr persönlich halten.Wir haben in der Region 28 Ärzte, die vor diesem Großkraftwerk warnen. Ich persönlich habe einen Schwiegervater, der noch ein Drittel seiner Lunge besitzt, sowie eine bereits verstorbene Schwiegermutter, die elendiglich an Krebs verstorben ist und die ebenfalls in dieser Region gelebt hat.
Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger dieser Region sorgen sich um ihre Gesundheit. Wir wissen, dass am östlichen Untermain ein Mikroklima herrscht, bei dem man nicht alles machen kann. Wir wissen auch, dass heute in diesem Ballungsraum ein Groß
projekt nach vorne gebracht wird – der Ausbau des Flughafens. Wir haben noch alle in Erinnerung, welchen Wachstumsschub beispielsweise die Cargo-Erweiterung für den bayerischen Raum hatte. Wir können diese Region nicht übernutzen.
Meine Damen und Herren, ich hatte auch die Hoffnung, dass Herr Boddenberg sowie Frau Apel vielleicht ein bisschen Lobbyarbeit für den CDU-Bürgermeister aus Hainburg machen würden. Herr Bessel ist nämlich derjenige, dessen Verfahren gegen dieses Großprojekt aufgrund der vorgezogenen Genehmigung des Kohlelagers verkürzt wurde.Er zappelt und bekommt buchstäblich für sich, seine Anliegen, seine Beschlüsse sowie seine Bevölkerung keine Hilfestellung seitens der örtlichen Abgeordneten von der CDU, Herrn Lortz und Herrn Lenz. Man lässt ihn verhungern,weil seine Kommune nur 15.300 Einwohnerinnen und Einwohner hat und weil man denkt: Wenn da schon etwas steht, dann kann da auch wieder etwas hin, denn irgendwo muss sich die Baustelle befinden.
Meine Damen und Herren, es handelt sich um eine Entscheidung für die nächsten 50 Jahre. Deshalb kämpfen wir hier derart.Wir sind der Auffassung, dass man mit diesem Filetstück, so sagt man in der Kommunalpolitik zu einem besonders wertvollen Grundstück, des Rhein-MainGebiets – an diesem entlang entwickelt sich Franken bzw. das bayerische Gebiet, denn wir sind mittlerweile Transitstrecke und haben im Prinzip ein Autobahnkreuz, das nur diesen Namen nicht trägt – anders umgehen muss.
In diesem Zusammenhang sind wir von Herrn Koch sehr enttäuscht worden. Herr Koch, der heute abwesend ist – vielleicht wusste er, dass er heute abwesend sein würde, aber die Gründe sind mir im Prinzip egal –, hat einmal gesagt, ein Parlament dürfe einen solchen Antrag gar nicht entscheiden. Das ist mitnichten so. Das Parlament kann – das wollen wir heute tun – unseren energiepolitischen Willen ausdrücken:Wir wollen an dieser Stelle, da wir für die nächsten 50 Jahre entscheiden müssen, ein solches Großprojekt nicht haben.
Meine Damen und Herren, stattdessen haben wir es in dieser Region – ich kann hier auch für Herrn Bessel sowie für die 30.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sprechen, die unsere Initiative bisher unterschrieben haben, und es werden immer mehr – als grob anstößig empfunden, dass die Hessische Landesregierung dieses Kraftwerk – das wurde von den örtlichen Abgeordneten nicht kritisiert – bereits im Juni des vergangenen Jahres zugesagt hat. Damals gab es in der Region noch keine regionale Anhörung, es gab noch nicht einmal ein Raumordnungsverfahren. Meine beiden Herren Minister, das sind rechtsstaatliche Minimalismen, denn auf einem energiepolitischen Kongress der CDU wusste man bereits, dass man dieses Projekt würde haben wollen.
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang wirklich an die CDU appellieren und Sie fragen, ob Sie derart Ihre Rolle als Volkspartei verstehen. Es ist eine Schimäre, zu sagen:Wir werden die Preise halten. – Wir haben Minister gehabt, die sich mit dem Argument, man müsse die Monopole kontrollieren, als Retter der Preise dargestellt haben. Wir wissen doch alle, dass diese Monopole keine sozialstaatlichen Einrichtungen sind. Wir wissen, dass wir mit einem Energiemix für die Bevölkerung das Allerbeste tun, weil man nämlich die
Chance hat, die Preise gegenseitig in Konkurrenz zu stellen. Daher wollen wir dies.
Wir sind der Auffassung, dass ein Ministerpräsident eine Verantwortung für den Raum Rhein-Main hat und dass er diese in Anbetracht von Großprojekten in die Hand nehmen muss,und zwar freiwillig und rechtzeitig.Wir sind der Meinung, dass er die Bürgerinnen- und Bürgerstimmen – da war eine ganze „Straße“ auf der Straße;es sind schwangere Frauen sowie Frauen mit Kinderwagen unterwegs gewesen; alte Leute sind mitgegangen, die gesagt haben, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben für diese Region auf die Straße gegangen seien – ernst nehmen muss. Er muss seine Verantwortung in die Hand nehmen sowie dieser Region eine Gestaltungsverantwortung auf Landesebene geben. Das hätten wir erwartet.
Meine Damen und Herren von der CDU, da Sie vortragen, Sie wollten die energiepolitische Wende, werden wir Sie daran messen, und wir werden prüfen, ob Sie bei einer Entscheidung dieser Größe und für die Zeitdauer von mehreren Jahrzehnten Ihre Verantwortung erkennen oder nicht.
Meine Damen und Herren, nun noch eines zum Aufruf: Wir wollen im Ausschuss – –
Nur noch einen letzten Satz zu dem Aufruf: „Wir wollen im Ausschuss sprechen“. Wir sollten bitte alle nicht vergessen, dass ein Raumordnungsverfahren läuft. Man kann auch nachts arbeiten lassen, und wenn alle schön gesprochen haben, dann ist das Ding bereits genehmigt worden. Auch diesbezüglich werden wir aufpassen, meine Damen und Herren.
Ich appelliere an die örtlichen Abgeordneten:Verwenden Sie Ihren Einfluss in Ihrer Fraktion für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das gemeinsame Ziel, noch einmal allen die Gelegenheit zu geben, vor Augen zu führen, dass man bei der Birthler-Behörde Klarheit einholen kann, ist vernünftig und unterstützenswert, selbstverständlich auch im Namen unserer Fraktion, der SPD. Dies gilt für diejenigen unter uns, die in der letzten Wahlperiode womöglich säumig geblieben sind, und natürlich auch für die neuen Kolleginnen und Kollegen, die wir in großer Zahl in unseren Reihen haben.
Allerdings – diese Bemerkung sei mir als schon ältere Frau an dieser Stelle erlaubt – waren einige der neuen Abgeordneten noch in einem sehr jugendlichen Alter, als Erich Mielke vor der letzten Volkskammer den Bankrott seiner Firma erklärte. Ich denke an Frau Gnadl. Sie war damals siebeneinhalb Jahre alt. Ich denke auch an Herrn Degen in unseren Reihen. Er war damals neuneinhalb Jahre alt. Aber dass die Zeit rast, wissen wir alle, auch wenn wir es nicht immer wahrhaben wollen.
Nochmals eine Nachfrage bei Frau Birthler ist sinnvoll und richtig. Das wird interfraktionell so gesehen und auch geschehen.
Von der SPD-Fraktion wird aber eines anders gesehen, Herr Gotthardt; denn einen interfraktionellen Konsens kann man durch einen interfraktionellen Antrag abbilden. Das haben Sie hier bestritten. Der Grund: Die CDUFraktion möchte nicht mit der Fraktion DIE LINKE als Antragsteller auftreten. Sie haben das so begründet. Die FDP-Fraktion sieht das offenbar auch so. Sie sagt sicher noch etwas dazu.
Meine Damen und Herren,die Auflösung der Blöcke lässt schön grüßen. Die CDU unterscheidet, das wurde bereits
in der konstituierenden Sitzung von Herrn Koch angekündigt, zwischen vier „Normalfraktionen“ und einer Fraktion minderer Legalität, mit der man sich nicht blicken lassen kann, noch nicht einmal dann, wenn es um kooperative Themen geht, die den ganzen Landtag als Körperschaft betreffen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Meine Damen und Herren, ich bitte um mehr Ruhe. Die Rednerin fühlt sich gestört. Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, der Kollege Al-Wazir hat eine solche Politik der Exklusion zutreffend schon in unserer konstituierenden Sitzung bemängelt, und er hat dazu aufgerufen, darüber nachzudenken, ob man wirklich weiterhin so verfahren will.
Für meine Fraktion möchte ich festhalten, dass wir nicht glauben, dass eine Ausgrenzung die richtige Form des Umgangs mit dieser neuen Fraktion ist.
Die LINKE reüssierte nicht zuletzt deshalb in den westdeutschen Parlamenten, weil die alten Altparteien – auch das hat Herr Al-Wazir, von Herrn Koch mehrfach „kluger Kopf“ genannt, vorgetragen –, auch die gar nicht so alte Altpartei der GRÜNEN, Fehler gemacht und Handlungsspielräume eröffnet haben.
Bei den nächsten interfraktionellen Anstrengungen sollten wir alle bedenken:Die Anwesenheit der Fraktion DIE LINKE in diesem Landtag geht nicht auf eine weltkommunistische Verschwörung zurück. Komintern und Kominform sind von der Geschichte verschlungen worden.Die Moskauer Zentrale ist aufgelöst und funkt nicht mehr. Die genannte kommunistische Plattform, mit der sich die Linkspartei herumzuschlagen hat,kann keinen Schrecken verbreiten. Die alten Männer, die sich um die bekannte Rosa-Luxemburg-Attrappe gesellen, erinnern eher an Displaced Persons des Kalten Krieges als an eine politische Kraft von Belang.
Nein, meine Damen und Herren, die Gründe für die LINKE liegen ganz woanders. Sie liegen darin, dass viele kleine Leute, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auch von Ihnen, Herr Irmer, zu den LINKEN gewandert sind – das haben wir den Analysen entnehmen können –, an der überspitzten Agenda 2010 verzweifelten – und daran, hören Sie zu, Herr Boddenberg, dass die damalige Bundesopposition aus CDU und FDP dieses Verzweifeln mit dem Ruf nach einer noch marktradikaleren Agenda beantwortet und diese Stimmung im Lande geschürt hat.
Bekanntlich hat die SPD Hessen auf diese Umstände frühzeitig hingewiesen. Diese Menschen, auf die es mir auch ganz persönlich ankommt – ich habe 17 Jahre lang Sozialpolitik in diesem Hause gemacht –, erwarten von uns positive Signale.
Sie erwarten, dass wir die Partei, die sie gewählt haben oder mit der sie liebäugeln, auf den Prüfstand lassen. Sie wollen sehen, ob diese Partei wirklich zur Festigung unseres Sozialstaates beiträgt oder ob sie mit populistischem Firlefanz verliert.
Mit Ausgrenzung und einer Politik der Schließung, verehrte Kollegen von der CDU, werden Sie für diese notwendigen Klärungen aber gar nichts bewirken. Zur Lösung der Probleme, die das politische Gerechtigkeitsdefizit im Parteiensystem verursacht hat, tragen Sie damit nicht bei.
In gewisser Weise ist das leider gar nichts Neues, sondern für mich so etwas wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich bin 1991 als damals 34-Jährige in dieses Parlament eingezogen,und mir sind die Auseinandersetzungen der Achtzigerjahre, noch aus der Bürgerinnen-Perspektive, in klarer Erinnerung.Wenn man auflisten würde, was Sie damals über die GRÜNEN gesagt haben, wie Sie aufschäumten und indigniert waren ob der Frechheit der Wählerinnen und Wähler, Ihnen eine neue politische Kraft in den Pelz zu setzen, wie Sie die Sozialdemokratische Partei und ihre Fraktion beschimpft haben,
dass sie das Land und ihre eigene Tradition an diese neue Gruppierung verraten würde, dann, meine Damen und Herren von der CDU, sieht man die Muster und Versatzstücke, mit denen Sie auch jetzt wieder zu Werke gehen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Frau Pauly-Bender, Sie müssen zum Schluss kommen. Ich habe Ihnen wegen der Störungen schon mehr Redezeit zugebilligt. Bitte kommen Sie zum Schluss.
Herr Präsident, ich muss hier so schreien, dass ich schon fast einen Arzt brauche.
Natürlich gibt es Unterschiede. Man kann die GRÜNEN von damals nicht mit der Linkspartei von heute vergleichen. Das wäre Schwachsinn.
Geblieben ist aber, fast wie ein überhistorischer Faktor, eine hessische CDU,die einen bestimmten Stil pflegt,eine Partei, die meint, sie könne mit Ausgrenzung das Problem lösen, vor dem wir in puncto Sozialstaatlichkeit heute stehen.
Insofern, meine Damen und Herren, bezeichnet dieser Doppelantrag einen Umstand, den wir in diesem Hause noch lange werden abarbeiten müssen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke, Frau Kollegin Pauly-Bender. – Als Nächster hat Herr Rentsch für die FDP-Fraktion das Wort.